L 3 R 890/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 R 49/12 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 890/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 21/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) verpflichtet ist, den Zeitraum vom 01. September 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der geborene Kläger ist aufgrund der Urkunde der technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt vom 17. Oktober 1972 berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Maschinenwesen) zu führen. Im streitigen Zeitraum war er ab 01. September 1972 im VEB Chemie- und Tankanlagenbau Kombinat Fürstenwalde (VEB CTK Fürstenwalde) zunächst als Betriebsmittelkonstrukteur, dann als Technologe und ab 01. Januar 1984 als Abteilungsleiter Konstruktion tätig.

Ab 22. September 1986 wechselte der Kläger, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Betriebsleitung, zum VEB Fahrzeugausrüstung Berlin - ein Betrieb des VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau (VEB KSFB) - und war dort ab 20. Oktober 1986 Betriebsdirektor. Im Vorfeld der Übernahme der Funktion des Betriebsdirektors erfolgte ein sog. "Einsatzgespräch" mit dem Kläger bei dem Generaldirektor des VEB KSFB am 19. Oktober 1986; in der Notiz zu diesem Gespräch heißt es unter anderem: " , gleichfalls ist der Abschluss eines Einzelvertrages vorzubereiten bzw. zu beantragen."

Ab 01. August 1988 war der Kläger beim VEB Kombinat MINOL - Kombinatsleitung - als Sonderbeauftragter Rationalisierungsmittel und ab dem 01. Dezember 1988 bis zum 30. Juni 1990 als Betriebsleiter der Zentralwerkstatt für Rationalisierungsmittelbau Weißensee beschäftigt.

Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat der Kläger zum 01. Juni 1979 bei.

Mit Bescheid vom 28. April 2004 hatte die Beklagte bereits den Antrag des Klägers vom 18. April 2002 auf Feststellung der streitigen Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem AAÜG abgelehnt. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, dass der Kläger am 30. Juni 1990 im VEB Kombinat MINOL zwar eine Beschäftigung entsprechend seiner technischen Qualifikation ausgeübt habe, es sich bei diesem Betrieb jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt habe. Auch sein Widerspruch war erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 05. August 2004).

Am 22. Februar 2010 beantragte der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erneut, die streitige Beschäftigungszeit als AAÜG-Zeit festzustellen und die erzielten tatsächlichen Arbeitsverdienste als Pflichtbeitragszeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2010 ab. Bei Erlass des Bescheides vom 28. April 2004 sei das Recht weder unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden, weshalb dieser Bescheid nicht zurückzunehmen sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. Dezember 2010 zurück und führte ergänzend aus, dass es sich bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) i. S. der Versorgungsordnung gehandelt habe und es sich auch nicht um einen einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 gehandelt habe. Zu den Produktionsbetrieben hätten nur diejenigen gezählt, deren Hauptzweck die industrielle Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern gewesen sei. Der strittige Beschäftigungsbetrieb habe danach nicht zu den von der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben erfassten Beschäftigungsstellen gehört. Die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass keine Beschäftigung in einem Betrieb ausgeübt worden sei, der dem Geltungsbereich des genannten Versorgungssystems unterfalle. Der ehemalige VEB MINOL Berlin sei der Wirtschaftsgruppe 52211 (Produktionsmittelhandel mit Erzeugnissen der Industrie – ohne Lebensmittelindustrie) zugeordnet gewesen. Diesem Betrieb habe weder die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung oder Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben, noch sei sein Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen. Damit seien die betrieblichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Mit der am 11. Januar 2011 bei dem Sozialgericht (SG) Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei von einem produzierenden volkseigenen Betrieb mit Überleitungsvertrag (Besitzstand) aus gesellschaftlich notwendigen Gründen zur Kombinatsleitung des VEB MINOL gewechselt und habe dort einen produzierenden Bereich, die Zentralwerkstatt in Berlin-Weißensee, geleitet. Da die Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL gegenüber dem Kombinat eigenständig gewesen sei, könne man die Kombinatsleitung nicht mit dem VEB Kombinat MINOL vergleichen. Aufgrund der strukturellen Veränderungen, welche die Wirtschaft der ehemaligen DDR erfahren habe, sei die Kombinatsleitungen als produzierender Stammbetriebe entwickelt worden. So habe die Kombinatsleitung durch die Zentralwerkstatt Ausrüstungen für Lagerbehälter von 1.400 Tankstellen und ca. 50 Tanklagern gefertigt, repariert und eingebaut. Zur Sicherung der Versorgung der Tankstellen mit Kraftstoffen seien Tankwagen hergestellt, repariert und für Überprüfungen vorbereitet worden. Diese Arbeiten seien in der Zentralwerkstatt von 18 gewerblich tätigen Mitarbeitern (Schweißer, Schlosser, Maler, Elektriker, Blechumformer, Lehrlinge) ausgeführt worden. Für die Instandhaltung und Reparatur von Einrichtungen der Tankstellen und Tanklager seien bei allen MINOL-Betrieben in den 15 DDR-Bezirken 52 Monteure und Instandhalter beschäftigt gewesen, die durch die Kombinatsleitung der MINOL geschult und angeleitet worden seien. Ferner werde der VEB Kombinat MINOL - so auch in der Entscheidung des BSG - auf die nicht leitungsgebundene Bereitstellung von flüssigen Brennstoffen reduziert und die anderen leitungsgebundenen Versorgungsleistungen (Flüssiggas, Erdgas, Heizöl für Kraftwerke für Wärmeversorgung von Betrieben und Haushalten) seien nicht berücksichtigt worden. Aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen sei ersichtlich, dass ihm vom VEB Kombinat Schienenfahrzeugbau 1988 ein Einzelvertrag in Aussicht gestellt worden sei, der seine Ansprüche auf Zusatzversorgung begründet hätte.

Das mit Beschluss des SG vom 22. März 2011 zum Ruhen gebrachte Verfahren wurde auf Antrag der Beklagten nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juli 2011 [Az. B 5 RS 3/10 R; die Revision des dortigen Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 03. Juni 2010, Az.: L 17 R 283/08, zum VEB Kombinat MINOL wurde zurückgewiesen] fortgesetzt.

Nachdem das SG die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 29. September 2016 zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2016 sowie diversen Anlagen ergänzend ausgeführt: In dem Statut des VEB Kombinat MINOL vom 01. Januar 1980 sei die neue Struktur der Kombinatsleitung eingeführt und auch deren Aufgaben definiert worden - Gestaltung des Reproduktionsprozesses, Fertigung von Rationalisierungsmitteln bis zur Anerkennung als staatlicher Schweißbetrieb. Die Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL sei daher ein produzierender Betrieb gewesen, der Kläger sei daher Direktor des Betriebsteils Rationalisierungsmittelbau der Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL gewesen, wie auch den diversen Anlagen (u. a. Visitenkarten) zu entnehmen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 06. Oktober 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Zu Recht habe es die Beklagte abgelehnt, den streitbefangenen Zeitraum als solchen der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem anzuerkennen und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, denn der Kläger habe keinen dahingehenden Anspruch. Die begehrten Feststellungen im Verfahren nach § 8 Abs. 2 AAÜG setzten voraus, dass der Kläger gemäß § 1 AAÜG vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst werde. Dies sei dann der Fall, wenn aus bundesrechtlicher Sicht Versorgungsansprüche und/oder Versorgungsanwartschaften bestanden bzw. die Voraussetzungen hierfür am 30. Juni 1990 vorgelegen hätten. Eine Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hätten grundsätzlich all diejenigen, die am 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage gehabt hätten, und auf dieser Grundlage - wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten - Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beziehen können. Eine Versorgungsanwartschaft hätten darüber hinaus auch diejenigen, denen vor dem 30. Juni 1990 eine solche durch Einzelfallregelung zuerkannt worden sei, die mangels tatsächlicher oder rechtlicher Änderung aber noch bis zum 30. Juni 1990 hätte fortbestehen müssen, die jedoch vor dem 30. Juni 1990 rechtsstaatswidrig zurückgenommen worden sei. Darüber hinaus hätten auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft erworben, denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30. Juni 1990 hätte zuerkannt werden müssen. Hierzu würden alle diejenigen zählen, die, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 01. Juni 1990 im - jetzt - rechtsstaatlichen Umfeld Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beanspruchen können. Unter den Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG würden damit auch diejenigen fallen, die nach den Regelungen der Versorgungssysteme obligatorisch im Sinne einer gebundenen Verwaltung in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätten einbezogen werden müssen, weil sie die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit erfüllt hätten. Dies sei der Fall bei denjenigen, die am 30. Juni 1990 nach der Art der ausgeübten Beschäftigung, der hierfür vorgesehenen beruflichen Qualifikation sowie der Beschäftigungsstelle aus bundesrechtlicher Sicht in das Versorgungssystem einzubeziehen gewesen seien und denen eine Zusage auf Versorgung hätte erteilt werden müssen. Aus bundesrechtlicher Sicht seien hingegen zu diesem Zeitpunkt nicht einbezogen diejenigen, die nach den Versorgungsordnungen oder Durchführungsbestimmungen oder sonstigen Regelungen der ehemaligen DDR lediglich durch Einzelvertrag oder Einzelentscheidung oder Ermessungsentscheidung hätten einbezogen werden können. Denn eine derartige Ermessensentscheidung hätte allein aus Sicht der DDR und nach deren Maßstäben getroffen werden können. Sie dürfe infolgedessen mangels sachlich objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden. In den Grenzen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG könnten darüber hinaus die Vorschriften des AAÜG auch auf solche Personen Anwendung finden, die in der Vergangenheit in der DDR zwar nicht zum 30. Juni 1990, aber zu irgendeinem Zeitpunkt davor eine konkrete Versorgungszusage oder auch eine Einzelentscheidung oder einzelvertragliche Regelung zur Einbeziehung in das Versorgungssystem und damit eine rechtliche Position gehabt hätten, die aus bundesrechtlicher Sicht einer Versorgungsanwartschaft entspreche (vgl. Urteil des BSG vom 10. April 2002, B 4 RA 34/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 3, m. w. N). Denn nach Artikel 19 Satz 1 Einigungsvertrag gehörten zum Kreis der Einbezogenen auch diejenigen, denen durch individuelle Entscheidung (Einzelentscheidung z. B. aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt gewesen sei, obgleich sie von dessen abstrakt-genereller Regelung nicht erfasst gewesen seien (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 3/02 R, a.a.O.). Nur wenn Einzelregelungen über die Einbeziehung tatsächlich vorlägen und über den 03. Oktober 1990 hinaus versorgungsrechtlich wirksam geblieben seien, könne sich aus ihnen eine bindende Zuordnung einer Beschäftigung zu einem Versorgungssystem ergeben (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 39/01 R, SGb 2002, Seite 379). Der Kläger erfülle die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände nicht. Er sei bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 a. a. O.), noch in der DDR vor dem 01. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 a. a. O.) gewesen. Der Kläger sei auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer Rehabilitierungsentscheidung in das System einbezogen worden. Ihm sei keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines "Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung" erteilt worden. Voraussetzung dafür wäre, dass eine wirksam gewordene Versorgungszusage, die einen Verwaltungsakt im Sinne von Artikel 19 des Einigungsvertrages darstelle und über den 03. Oktober 1990 hinaus bindend geblieben sei, vorliege, sodass das Entstehen eines Rechtsanspruches auf Versorgung (Versorgungsanspruch) nur noch davon abgehangen hätte, dass ein Versorgungsfall der Invalidität oder des Alters eintrete (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 39/01 R). Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Denn eine entsprechende Urkunde über die Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz sei dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Der Kläger sei auch nicht durch eine Einzelfallregelung in Form eines Einzelfallentscheids oder Einzelvertrages konkret der Altersversorgung der technischen Intelligenz zugeordnet worden. Eine Versorgungsanwartschaft in diesem Sinne setze voraus, dass durch individuelle Entscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden sei, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst gewesen sei. Ansprüche als Angehöriger der technischen Intelligenz aufgrund einer (schriftlichen)Versorgungszusage habe der Kläger jedoch bis dahin nachweislich nicht erworben. Schließlich erfülle der Kläger nicht die abstrakt-generellen Voraussetzungen für eine obligatorische Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz. Die maßgeblichen sekundär-bundesrechtlichen Regelungen ergäben sich insoweit aus den Texten der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950 (GBl. DDR I Nr. 93, Seite 844) und der 2. DB zur dieser Verordnung vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I Nr. 62 Seite 487). Der fiktive bundesrechtliche Anspruch hänge im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. DDR S. 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssten (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2006, B 4 RA 41/05 R, a. a. O., m. w. N.): 1. von der Berechtigung eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Zwar erfülle der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er sei aufgrund der Urkunde der damaligen Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt vom 17. Oktober 1972 berechtigt gewesen, die ihm verliehene Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Auch gehe das Gericht zugunsten des Klägers davon aus, dass er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen sei. Sowohl nach dem Inhalt des Sozialversicherungsausweises vom 01. Juni 1981 als auch nach den anderen vorliegenden Unterlagen und Urkunden sei der Kläger ab 01. Dezember 1988 über den Stichtag (30. Juni 1990) hinaus als Betriebsleiter beschäftigt gewesen. Jedoch sei die dritte (betriebliche) Voraussetzung nicht gegeben. Denn der Kläger sei am Stichtag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. DB beschäftigt. Hierbei stütze sich das Gericht vollinhaltlich auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 03. Juni 2010, Az. L 17 R 283/08 (bestätigt durch BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 3/10 R) zum VEB Kombinat MINOL und mache sich diese insoweit zu Eigen. Schließlich könnten auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen diese - im Gerichtsbescheid ausführlich in wörtlicher Wiedergabe zitierte - gerichtliche Einschätzung nicht erschüttern. Insbesondere lasse sich aus diesen Dokumenten unter Berücksichtigung der vorgenannten obergerichtlichen Ausführungen nicht eine Einordnung des VEB Kombinat MINOL als Produktionsbetrieb ableiten. Soweit auch unter Heranziehung der im Register der volkseigenen Wirtschaft der DDR eingetragenen Betriebsnummer eine Zuordnung des Beschäftigungsbetriebes des Klägers zur Wirtschaftsgruppe 52211 (Produktionsmittelhandel mit Erzeugnissen der Industrie – ohne Lebensmittelindustrie) vorgenommen worden sei, sei diese Herangehensweise nicht zu beanstanden. Diese Zuordnung des ehemaligen VEB MINOL Berlin in die innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bezeichnete Wirtschaftsgruppe 52211 bestätige, dass er kein Betrieb gewesen sei, der dem Geltungsbereich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben unterfiele. Diese Wirtschaftsgruppe sei gerade nicht dem produzierenden Bereich der Industrie oder des Bauwesens zugeordnet gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Einordnung zu DDR-Zeiten falsch gewesen seien, liegen nicht vor.

Gegen den ihm am 16. Oktober 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08. November 2017 Berufung eingelegt. Vom SG sei verkannt worden, dass der VEB Kombinat MINOL Berlin, zu dem die vom SG zitierten Entscheidungen des BSG und des 17. Senates des LSG Berlin-Brandenburg ergangen seien, ein komplett anderer Betrieb gewesen sei, als die eigenständige Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei. Während der VEB Kombinat MINOL seinen Sitz in der damaligen Clara-Zetkin-Straße in Berlin gehabt habe, sei die Kombinatsleitung am Zeughaus 1 in Berlin ansässig gewesen. Beide Betriebe seien wirtschaftlich und rechtlich selbständig gewesen. Zwar sei der Betrieb "Kombinatsleitung" der gleichen Wirtschaftsnummer zugeordnet gewesen wie der VEB Kombinat MINOL, dies jedoch nur als Handels- und Versorgungsbetrieb. Die Aufgabe der Kombinatsleitung MINOL sei eine andere gewesen als die des VEB Kombinat MINOL, wie sich aus dem Statut von 1980 ergebe. Die Kombinatsleitung habe den Reproduktionsprozess zu organisieren und Rationalisierungsmittel herzustellen gehabt. Dies seien klassische Themen eines Produktionsbetriebes. Es seien in der Kombinatsleitung 650 gewerblich tätige Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Die bisher ergangene Rechtsprechung habe sich nur auf Energieversorgungsbetriebe bezogen, worauf das SG daher seine Entscheidung nicht hätte stützen können. Hierzu habe der Kläger bereits erstinstanzlich verschiedene Publikationen eingereicht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 06. Oktober 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. April 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09. Dezember 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. August 2004 zurückzunehmen und die Zeit vom 01. September 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Gerichtsbescheid, den sie für zutreffend hält. Dies auch dann, wenn die Prüfung des Vorliegens der betrieblichen Voraussetzungen unter Zugrundelegung der juristisch selbstständigen Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL als maßgeblicher Arbeitgeber des Klägers zu erfolgen habe. Entgegen der Behauptung des Klägers sei die Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL kein Produktionsdurchführungsbetrieb im Sinne der vom BSG geprägt Definition dieses Begriffes gewesen. Der Kombinatsleitung habe vielmehr hauptsächlich die Führung des Mineralölkonzerns in organisatorischer, koordinierender, konzeptioneller und planerischer Hinsicht oblegen, wie sich aus § 4 des Kombinatsstatuts vom 28. Dezember 1979 ergebe.

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 03. Mai 2018 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 03. Mai 2018 konnte die Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides der Beklagten vom 28. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. August 2004, weil mit diesem weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 Abs. 2 SGB X).

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den verfahrensgegenständlichen Zeitraum sowie die während dieser Zeit erzielten Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech feststellt. Es fehlt bzgl. des VEB Kombinat MINOL - Kombinatsleitung - an den sog. betrieblichen Voraussetzungen.

In dem Verfahren nach § 8 AAÜG ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 unterfällt. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die dem Zusatzversorgungssystem zuzuordnen sind (§ 8 AAÜG).

Da eine Einbeziehung des Klägers in das Zusatzversorgungssystem der AVItech bis zum 30. Juni 1990 nicht erfolgte und ihm durch Einzelfallentscheidung auch keine Versorgungsanwartschaft zuerkannt wurde - diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen -, kommt eine Anerkennung von Beschäftigungszeiten nur in Betracht, wenn die Beschäftigung des Klägers beim VEB Kombinat MINOL - Kombinatsleitung - am Stichtag 30. Juni 1990 (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Termins Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschlüsse vom 04. August 2004, 1 BvR 1597/01, und vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05, alle zitiert nach juris) die Voraussetzungen der VO-AVItech sowie der 2. DB vom 24. Mai 1951 erfüllt.

Nach § 1 VO-AVItech i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB hängt ein solcher Anspruch von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Generell ist gemäß § 1 der VO-AVItech und der 2. DB erforderlich

1. die Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

2. die Ausführung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und zwar

3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Maßgeblich ist das Sprachverständnis der Deutschen Demokratischen Republik am 02. Oktober 1990 (vgl. BSG, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2). Die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage haben beim Kläger, wie gleich darzulegen sein wird, nicht vorgelegen. Es kann daher offen gelassen werden, ob die Gleichbehandlung mit Inhabern einer Versorgungszusage – wie vom Kläger dargetan - verfassungsrechtlich überhaupt geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05, a.a.O.).

Der Kläger, der berechtigt ist, die Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur zu führen, erfüllt mit der Beschäftigung im VEB Kombinat MINOL - Kombinatsleitung - am 30. Juni 1990 nicht die betriebliche Voraussetzung für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf die Erteilung einer Zusage nach der AVItech. Erfasst von der Versorgungsordnung sind nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Hauptzweck muss die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen gewesen sein (BSG, Urteile vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R, und 24. April 2008, B 4 RS 31/07 R, alle in juris). Hierbei muss die industrielle Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken i.S. einer durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen unter Einsatz von Maschinen für den Vertrieb mit Massenausstoß von Endprodukten dem Betrieb das Gepräge gegeben haben (BSG, Urteile vom 06. Mai 2004, B 4 RA 44/03 R, und vom 27. Juli 2004, B 4 RA 11/04 R, beide in juris). Dabei wird der Hauptzweck nicht dadurch geändert, dass von dem Betrieb auch (nachgeordnet oder begleitend) produktionstechnische Aufgaben zu erfüllen waren (vgl. zur Definition und Zweckbestimmung der volkseigenen Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des Versorgungsrechts grundlegend BSG, Urteile vom 09. April 2004, B 4 RA 3/02 R und vom 10. April 2004, B 4 RA 10/02 R, beide in juris).

Dass der VEB Kombinat MINOL am 30. Juni 1990 als Handelsbetrieb, der schwerpunktmäßig Kraft- und Schmierstoffe vertrieb, kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB war und auch nicht zu den gleichgestellten Betrieben nach § 1 Abs. 2 der 2. DB gehört hat, wurde bereits durch das BSG mit Urteil vom 19. Juli 2011 (Az.: B 5 RS 3/10 R) entschieden. Zutreffend hat das SG im angegriffenen Gerichtsbescheid von daher auch auf das der BSG- Entscheidung zu Grunde liegende Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 03. Juni 2010 (Az.: L 17 R 283/08) verwiesen. Der Senat nimmt auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und sieht die gerichtliche Bewertung nicht durch den Vortrag des Klägers als widerlegt an.

Auch unter Zugrundelegung der Tatsache, dass die Kombinatsleitung des VEB Kombinat MINOL nach § 7 Abs. 3 des Statuts des VEB Kombinat MINOL vom 28. Dezember 1979 juristisch selbstständig war, vermag dies die betriebliche Voraussetzung nicht zu begründen. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass die industrielle Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken i.S. einer durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen unter Einsatz von Maschinen für den Vertrieb mit Massenausstoß von Endprodukten dem Betrieb "Kombinatsleitung" des VEB Kombinat MINOL das Gepräge gegeben hat.

Die Frage nach dem Hauptzweck der Kombinatsleitung beantwortet sich in erster Linie nach dem Statut des VEB Kombinat MINOL, dem die Kombinatsleitung rechtlich und organisatorisch zugeordnet war. Denn nach § 29 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. DDR I/Nr. 38) war zur Festlegung der Aufgaben, Rechte und Pflichten des Kombinates ein Statut zu erlassen.

Während § 7 Abs. 1 des Statuts festlegt, dass das Kombinat durch den Generaldirektor geleitet wird, regelt Abs. 3 der Norm, dass die Leitung des Kombinates "entsprechend den spezifischen Reproduktionsbedingungen" durch eine selbstständige Kombinatsleitung erfolgt.

Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang der Normen des Statuts, dass die Kombinatsleitung nicht aus reinem Selbstzweck als eigenständige funktionsfähige Einheit statuiert wurde, sondern ihr - neben dem Generaldirektor - auch die "Leitung des Kombinats" oblag (vgl. § 7 Abs. 3 des Statuts). Während dem Generaldirektor durch § 7 Abs. 1 und 2 einzelne Inhalte seiner Leitungsfunktion im groben Rahmen vorgegeben waren (gewährleistet die einheitliche Leitung des Kombinates, trägt die volle Verantwortung), sind inhaltliche Bestimmungen für die Leitungstätigkeit der "Kombinatsleitung" nach § 7 Abs. 3 des Statuts nicht zu entnehmen, mit Ausnahme des Zusatzes, dass die Leitung des Kombinates "entsprechend den spezifischen Reproduktionsbedingungen" zu erfolgen hatte.

Nach diesen Vorgaben des Statuts hatte die Kombinatsleitung dafür zu sorgen, dass das Kombinat geleitet wurde und zwar so, dass es seine ihm aus dem Statut, § 3, erwachsenden Aufgaben der wirtschaftlichen Tätigkeiten erfüllen konnte. Als solche werden in § 3 Abs. 1 des Statuts genannt der Produktionsmittelhandel mit Kraft- und Schmierstoffen, Heizöl, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen (1.), der Konsumgüter-Großhandel mit Kraft- und Schmierstoffen, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen (2.) sowie der Konsumgüter-Einzelhandel mit Kraft und Schmierstoffe sowie kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen (3.). Ausgehend von diesen Hauptaufgaben folgt der Senat der Entscheidung des BSG vom 19. Juli 2011, wonach der VEB Kombinat MINOL dem Gepräge nach ein Handelsbetrieb war, der schwerpunktmäßig Kraft- und Schmierstoffe vertrieb.

Der Begriff der "Reproduktion" wird im Statut des VEB Kombinat MINOL selbst nicht erklärt, jedoch in § 2 (Stellung und Verantwortung des Kombinats im Reproduktionsprozess) Abs. 2 Satz 2 eingeführt: "Es (das Kombinat) trägt im Rahmen der Vervollkommnung der Leitung und Planung die volle Verantwortung für die effektivste und rationellste Gestaltung aller Phasen seines Reproduktionsprozesses.". Die Reproduktion - dem gemeinen Sprachgebrauch nach – bezeichnete in diesem Zusammenhang schlicht die Vermehrung und Erweiterung des Betriebes und der betrieblichen Aktivitäten nach Maßgabe des Statuts. Eine Neuzuweisung produktionstechnischer Aufgaben – zusätzlich zu den durch das Statut begründeten Aufgaben - wird daraus nicht vermittelt.

Auch soweit der Kläger vorträgt, er sei "Direktor des Betriebsteils Rationalisierungsmittelbau" der Kombinatsleitung gewesen, ist die betriebliche Voraussetzung damit nicht nachgewiesen. Der Senat sieht es als nicht erwiesen an, dass die Herstellung von Rationalisierungsmitteln durch diesen, zur Kombinatsleitung gehörenden, Betriebsteil dem Kombinat bzw. der Kombinatsleitung ein vom Groß- und Einzelhandel mit Kraft- und Schmierstoffen abweichendes, eigenständiges Gepräge - im Sinne einer industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern - gegeben hat.

Zwar führt der Kläger zutreffend aus, dass es auch Aufgabe des VEB Kombinat MINOL war, Rationalisierungsmittel zu entwickeln, wie dies § 3 Abs. 4 des Statuts vorsieht: "In Verbindung mit der wirtschaftlichen Tätigkeit erfüllt das Kombinat planmäßige Aufgaben der Entwicklung und Produktion zweigtypischer Rationalisierungsmittel." Welche "zweigtypischen Rationalisierungsmittel" das Kombinat entwickelt und produziert und instandgehalten hat, hat der Kläger anschaulich sowohl schriftlich als auch mündlich vorgetragen (z. B. Tanklastzüge, Betankungs-Schwenkarme, Preisaufsteller etc.).

Jedoch oblag - zum einen - nach dem Statut die Entwicklung und Produktion entsprechender Rationalisierungsmittel nicht der Kombinatsleitung sondern dem gesamten Kombinat (§ 3 "Wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinats"). Zum anderen gab die Entwicklung und Produktion zweigtechnischer Rationalisierungsmittel dem VEB Kombinat MINOL bzw. der Kombinatsleitung nicht das Gepräge im Sinne eines Produktionsbetriebes, der sich (überwiegend und vorherrschend) der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern im Sinne der Rechtsprechung des BSG "Produktionsbetrieb der Industrie" verschrieben hat.

Planung und Produktion zweigtypischer Rationalisierungsmittel waren - im Hinblick auf die dem Kombinat durch § 3 seines Statutes zugewiesene vorrangige wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich des Handels mit Kraft- und Schmierstoffen - für den VEB Kombinat MINOL von untergeordneter, allenfalls den Hauptzweck (Handel) begleitender Bedeutung. Das BSG (Urteile vom 09. April 2004, B 4 RA 3/02 R und vom 10. April 2004, B 4 RA 10/02 R, beide in juris) hat bereits ausgeführt, dass der Hauptzweck eines Betriebes nicht dadurch geändert wird, dass von dem Betrieb auch (nachgeordnet oder begleitend) produktionstechnische Aufgaben zu erfüllen waren.

Die Planung und Produktion von Rationalisierungsmitteln (§ 3 Abs. 4 des Statuts) war auch im VEB Kombinat MINOL (nur) eine dem Hauptzweck (Handel) nachgeordnete und begleitende Aufgabe, mit der explizit nur "zweigtypische" Rationalisierungsmittel erschaffen werden sollten. Bereits aufgrund der Normenhierarchie ist erkennbar, dass es sich bei den Rationalisierungsmitteln, in Abs. 4 von § 3 erwähnt, nicht um die Hauptaufgabe des Kombinates bzw. der Kombinatsleitung handelt, die wiederum in Abs. 1 vorrangig mit dem Handel von Kraft- und Schmierstoffen benannt wird (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B5 RS 3/10 R). Zudem wird bereits aus der wörtlichen Beschränkung auf "zweigtypische" Rationalisierungsmittel deutlich, dass diese der Erfüllung der Hauptaufgabe des Kombinates und der Kombinatsleitung (§ 3 Abs. 1 des Statutes) dienen sollten, nicht jedoch Hauptaufgabe selbst waren. Dies ergibt sich für den Senat zur Überzeugung insbesondere auch aus der mündlichen Darlegung des Klägers und seiner schriftlich Aufstellung "Produktionssortiment des Betriebes Rationalisierungsmittelbau ". Bei den vom Kläger benannten Rationalisierungsmitteln (Tanklastfahrzeuge, Schwenkarme zum Betanken, Preisaufsteller, Betankungsanlagen nebst Instandhaltung und Reparatur, etc.) handelte es sich um zweigtypische, der Erfüllung der durch das Statut zugewiesenen übergeordneten und vorherrschenden Aufgabe des VEB Kombinat MINOL - dem Handel mit Kraft- und Schmierstoffen - dienende Rationalisierungsmittel.

Selbst zu den reinen Rationalisierungsmittelbetrieben, wie der VEB Kombinat MINOL / Kombinatsleitung schon der Namensgebung nach keiner war, hat das BSG im Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 8/04 festgehalten: "Hauptzweck des Betriebes waren vielmehr - wie das SG festgestellt hat - das Erarbeiten und Unterbreiten von Vorschlägen zur Rationalisierung und damit Dienstleistungen zur Unterstützung von Produktionsbetrieben; Schwerpunkt war hingegen nicht die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern."

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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