L 1 KR 165/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 1246/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 165/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KS 4/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Versicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung (KSV) im Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2012.

Der 1969 geborene Kläger ist Schauspieler. Unter Einreichung eines entsprechenden Fragebogens beantragte er am 18. Juli 2011 die Feststellung der Versicherungspflicht als selbstständiger Künstler/Publizist nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Er fügte unter anderem Kopien eines Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (BA) über die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in Form eines Gründungszuschusses, eines Vertrages mit einem Auftrag von ihm als Mitproduzenten zur Erstellung einer geplanten Kabarett-Produktion sowie der Erteilung zweier Lehraufträge für Schauspiel-Szenenstudium im Studio C der Hochschule für Musik und Theater F L.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 21. September 2011 ab, den Kläger nach dem KSVG zu versichern, weil für das Kalenderjahr 2011 nicht zu erwarten sei, dass das Jahreseinkommen des Klägers die Geringfügigkeitsgrenze von 3.900,00 EUR übersteige.

Der Kläger erhob hiergegen am 21. Oktober 2011 Widerspruch. Er führte aus, seine künstlerische Tätigkeit erst am 7. Juni 2011 aufgenommen zu haben, so dass das Mindesteinkommen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 KSVG entsprechend herabzusetzen sei. Er rechne mit 1.000,00 bis 2.000,00 EUR Einkommen im Jahr. Der Lehrauftrag, welchen der Kläger im Sommersemester 2005 erhalten habe, sei keine versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne des KSVG, zumal er seinerzeit noch am städtischen Theater C abhängig beschäftigt gewesen sei. Er rechne für 2012 mit einem Einkommen in Höhe von 4.200,00 EUR (Schreiben vom 5. Dezember 2011). Mit Schreiben vom 16. Januar 2012 teilte er ergänzend mit, mit weiteren Einnahmen von voraussichtlich 9.000,00 EUR zu rechnen, weil er einen Tourneetheatervertrag unterschrieben habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe in dem entsprechenden Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht angegeben, die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Schauspieler - sowohl als Einzelunternehmer als auch im Rahmen einer GbR - am 17. März 2005 aufgenommen zu haben. Er habe darin sein voraussichtliches Einkommen für die Zeit von Juni 2011 bis Dezember 2011 mit 1.000,00 EUR angegeben, möglicherweise 2.000,00 EUR. Im laufenden Widerspruchsverfahren sei für 2012 zunächst ein Jahreseinkommen von 4.200,00 EUR, dann 9.000,00 EUR sowie - nicht relevant weil nicht mit dem zugrundeliegenden Gewinn identisch - Jahreseinnahmen von ca. 9.900,00 EUR. Nachgewiesen seien hingegen für 2012 nur 1.700,00 EUR. Alle anderen Einnahmen seien unwägbar. Es könne nicht sicher davon ausgegangen werden, dass aus dem Vertrag mit der Konzertdirektion L GmbH & Co. KG im Kalenderjahr 2012 noch Einnahmen flössen. Die aus dem Gastspielvertrag mit der Agentur K und der Vereinbarung mit dem Theater A. resultierenden Honorare aus dem Verkauf von Eintrittskarten seien nicht belegt worden. Eine Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze sei deshalb auch für 2012 nicht zu erwarten.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und hat zudem eine Neubescheidung für die Zeit ab dem 7. Juni 2011 und für das Jahr 2012 beantragt. Er hat ausgeführt, die künstlerische Tätigkeit am 7. Juni 2011 aufgenommen zu haben. Die Lehrtätigkeit ab 2005 für die Hochschule für Musik und Theater L sei zwar als selbstständige abgerechnet worden, tatsächlich sei er aber nicht selbstständig gewesen weil sie nicht künstlerisch gewesen sei und ihm keine weiteren Einnahmequellen eröffnet habe. Er habe Studenten in seiner Funktion als festangestellter Schauspieler unterrichtet. Lehrinhalte und das Lehrvolumen seien ihm vorgegeben gewesen. Er sei 2011 weniger als ein halbes Jahr künstlerisch selbstständig tätig gewesen und habe ein Arbeitseinkommen von über 1.950,00 EUR gehabt. Hinzu kämen die Einnahmen aus der Theatertournee. Nach dem zwischenzeitlich erstellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 habe er 2.884,00 EUR erwirtschaftet. Die Einkommensgrenze sei entsprechend des Zeitraumes herabzusetzen und für 2011 auf ein halbes Jahr der begonnenen Tätigkeit zu beziehen. Seine Prognose 2011 habe er zurückhaltend eingeschätzt, um keine Enttäuschung zu erleiden. Es könne nicht sein, dass er nur versichert worden wäre, wenn er ein höheres Einkommen geschätzt hätte. Für das Jahr 2012 habe er - hochgerechnet aus dem Gewinn seines Programmes "F"- ein Einkommen von ungefähr 3.700,00 EUR erwartet gehabt. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sei die selbstständige mit diesem Kabarettprogramm gewesen. Er habe beabsichtigt, hieraus seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften und habe daher den Großteil seiner Arbeitszeit in dieses Projekt investiert. Das nichtselbstständige Engagement am Stheater sei nebenberuflich gewesen. Von der Konzertdirektion L sei er als selbstständiger Schauspieler engagiert worden. Die Einnahmen 2012 von 5.400,00 EUR seien auch der Gewinn. Er habe die selbstständige Tätigkeit zum 31. Dezember 2012 aufgegeben.

Die Beklagte hat vorgetragen, maßgeblich für die Feststellung der Versicherungspflicht seien alle Umstände, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides für die Prognose heranziehbar seien. Sie habe durchaus berücksichtigt, dass der Kläger die Tätigkeit nach seinen Angaben erst Mitte 2011 aufgenommen habe. Sie habe deshalb die Angaben von 1.000,00 EUR auf eine Einkommensprognose in Höhe von 2.200,00 EUR für das Jahr 2011 "hochgerechnet".

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2016 abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässige Klage sei nicht begründet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei in den Jahren 2011 und 2012 versicherungsfrei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG gewesen, weil sein maßgebliches Einkommen aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit nach der vorausschauenden Betrachtung die Grenze von 3.900,00 EUR nicht überstiegen habe. Als Beginn der künstlerischen Tätigkeit könne auch nicht der Juni 2011 angesehen werden. Die frühere Selbstständigkeit des Klägers werde durch die eingereichten Lehraufträge im Bereich Schauspiel beginnend ab März 2005 belegt. Zu den selbstständigen künstlerischen Tätigkeiten gehörten nach § 2 Satz 1 KSVG auch die lehrenden. Dass er in dieser Zeit auch abhängig beschäftigt im Stadttheater C gewesen sei, führe für die selbstständige lehrende Tätigkeit zu keiner anderen Beurteilung. Darüber hinaus habe er selbst in der Anlage zu 5.1 seines Antrages angegeben, sowohl in den Lehraufträgen als auch im Rahmen einer Eigenproduktion Kabarettprogramm "N" 2009 bis 2011 selbstständig gewesen zu sein. Das Anfängerprivileg sei auch nicht (neu) entstanden, weil der Kläger im Jahr 2011 erstmal einen Gründungszuschuss der BA erhalten und als GbR neu das eigene Kabarettprogramm "Fernbedient" gestartet habe. Es handele sich insoweit nur um eine Verlagerung der Tätigkeitsschwerpunkte oder eine spätere Ausübung weiterer Tätigkeiten, aber nicht zur erstmaligen Aufnahme der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit (Bezugnahme auf LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 6. April 2005 - L 4 RA 137/03 - juris-Rdnr. 31). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einschätzung sei der des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 14. Juni 2012 als der letzten Behördenentscheidung. Ausgangspunkt der Beurteilung der Versicherungspflicht in Abgrenzung zur Versicherungsfreiheit sei eine Prognose. Maßgeblich seien hierfür die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus den eingereichten Steuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2007 und 2009, welche jeweils Einkünfte aus selbstständiger freiberuflicher Tätigkeit enthielten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Rückschlüsse für das voraussichtliche Einkommen aus dem in der Vergangenheit erzielten zu zielen. Die eingereichten Bescheide hätten - soweit sie bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vorgelegen hätte - für 2011 prognostisch kein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit über der Grenze von 3.900,00 EUR erlaubt. Der Kläger habe zunächst zwei Rechnungen über Einnahmen aus dem Kabarettprogramm "F" über Abschlagszahlungen in Höhe von 300,00 EUR (März 2011) und 500,00 EUR (Juni 2011) vorgelegt. Daraus habe er nachvollziehbar für das zweite Halbjahr 2011 Einnahmen von 1.000,00 EUR ermittelt. Die weiter vorgelegten Unterlagen und Aussagen rechtfertigten keine andere Beurteilung. Die geänderte Angabe eines Jahreseinkommens von 4.000,00 EUR für das Jahr 2012 mit der Erklärung der Steuerberaterin vom 5. Dezember 2011 eingereicht, erscheine hinsichtlich erwartbarer Einnahmen ohne ausreichende Tatsachenbasis. Denn die Steuerberaterin habe mitgeteilt, für das Jahr 2010 sei die Steuererklärung noch in Bearbeitung, es würden voraussichtlich keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Die Zahl 4.000,00 EUR als Einnahmen für 2012 bleibe damit eher eine Behauptung als eine Grundlage einer Prognose. Gleiches gelte unter Berücksichtigung der Anfang 2012 eingereichten Einnahme-Ausgaben-Rechnung, wonach ein Gewinnanteil aus der GbR "F" bis Februar 2012 von insgesamt 1.200,00 EUR ausgewiesen werde. Die daneben eingereichten Gastspiel-Verträge für das Jahr 2012 hätten nur drei geplante Aufführungstermine an kleineren Bühnen mit einem Honorar für die GbR von teilweise 10,00 EUR pro verkaufter Eintrittskarte bestanden. Die vom Kläger im Klageverfahren eingereichten Unterlagen - insbesondere die Einkommenssteuerbescheide für 2011 und 2012, könnten nicht berücksichtigt werden, da sie nicht Gegenstand der Prognoseentscheidung der Beklagten sein könnten. Der Gründungsausschuss der BA sei nicht maßgeblich, weil es sich dabei nicht um Arbeitseinkommen gemäß § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) handele. Die Einnahmen aus dem Engagement bei der Theater-Tournee könnten nicht berücksichtigt werden, denn die insoweit geschuldigte Tätigkeit sei keine selbstständige künstlerische Tätigkeit, sondern eine abhängige Beschäftigung. Soweit die für § 7 SGB IV geltenden Kriterien entsprechend herangezogen würden, überwögen die Indizien einer abhängigen Beschäftigung. Über den etwaigen erneuten Antrag des Klägers vom 9. Oktober 2012 habe die Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden.

Gegen dieses am 10. März 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 7. April 2016. Zur Begründung führt der Kläger ergänzend aus, seine ursprüngliche Angabe von 1.000,00 EUR für das Jahr 2011 könne nicht maßgeblich sein. Angesichts zu vieler ungewisser Faktoren habe keine zuverlässige und sachgerechte Prognose abgegeben werden können, auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 2. April 2014 -B 3 KS 4/13 R). Denn das BSG stelle auf die in der Vergangenheit erzielte Einkommen ab, aus denen sachgerechte Prognosen für die Zukunft zu treffen seien. Dies sei beim Kläger nicht möglich. Insbesondere sei für das Jahr 2012 von Einkommen von über 3.900,00 EUR allein auf Grund des Kabarettprogramms auszugehen. Denn alle Investitionen seien bereits 2011 getätigt worden. Der Umsatz 2012 habe nahezu den Gewinn darstellen sollen. Dass sich die Erwartungen an das Kabarettprogramm nicht realisiert hätten, liege am Tourneetheatervertrag, der dem Kläger in diesem Jahr Zeit gekostet habe und außerdem am Ausbleiben einiger Buchungen im Sommer 2012 als Folge der Fußball-Europameisterschaft. Die Einnahmen aus dem Tournee-Theaterengagement seien solche aus selbstständiger Tätigkeit. Die Gesichtspunkte, die gegen eine selbstständige Tätigkeit sprächen, seien den Besonderheiten eines Tournee-Theaters geschuldet. So könnten die Proben naturgemäß nur zusammen mit den anderen Schauspielern durchgeführt werden. Im Übrigen könne es nicht sein, dass für 2011 die Prognose zu niedrig gewesen sei und das tatsächliche Einkommen nicht ausschlaggebend und für 2012 die Prognose aber irrelevant, da die tatsächlichen Einkommen aus dem eigenen Kabarettprogramm zu niedrig gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 24. Februar 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger ab dem 7. Juni 2011 bis zum 31. Dezember 2012 versicherungspflichtig in der Künstlersozialversicherung war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich ergänzend auf das Urteil des BSG vom 20. März 2013 (B 12 R 13/10 R) zum Status von gastspielverpflichteten Künstlern berufen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen –insbesondere die Kopien der eingereichten Lehraufträge und des Tourneetheater-Vertrages- wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 19. März 2018 einverstanden erklärt.

Der zulässigen Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Auf seine umfangreichen Ausführungen zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen.

Zu ergänzen ist lediglich:

Die Klage ist zulässig. Die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides nach § 87 Abs. 2, Abs. 1 SGG ist mit dem Klageeingang am 18. Juli 2012 gewahrt. Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG, § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch gilt ein Bescheid am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Da hier im Verwaltungsvorgang der Beklagten ein sogenannter "Ab-Vermerk" über die Übergabe des Widerspruchsbescheides zur Post nicht enthalten ist, ist davon auszugehen, dass diese Übergabe frühestens am 15. Juni 2012, dem Tag nach der Sitzung des Widerspruchsausschusses, erfolgte. Der Widerspruchsbescheid ist damit frühestens am 18. Juni 2012 bekanntgegeben gewesen.

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Damit ist kein Raum für die begehrte Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV.

Nach § 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Aufgrund § 3 Abs. 1 KSVG ist allerdings versicherungsfrei, wer in einem Kalenderjahr ein voraussichtliches Arbeitseinkommen aus selbstständiger künstlerischer bzw. publizistischer Tätigkeit erzielt, dass 3.900,00 EUR nicht übersteigt. Die Bestimmung stellt auf eine durch die Beklagte vorzunehmende Prognose ab. Ausnahmsweise erlaubt § 3 Abs. 2 KSVG in der Berufsanfängerzeit bis zum Ablauf von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit die Erzielung eines Arbeitseinkommens auch unter dieser Geringfügigkeitsgrenze. Zeitpunkt der beruflichen Aufnahme ist derjenige, indem die Tätigkeit zu wirtschaftlichen Erwerbszwecken erfolgt, also auf die Erzielung von Arbeitseinkommen gerichtet ist. Es muss ernsthaft eine Beteiligung am Wirtschaftsleben beabsichtigt sein. Die tatsächliche Gewinnerzielung ist hierbei nicht zwingend erforderlich. Unerheblich ist, ob die erwerbsmäßige künstlerische Tätigkeit ggfs. neben einer abhängigen Beschäftigung, Arbeitslosigkeit oder eines Studiums ausgeübt wird.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Kläger nicht auf das Berufsanfängerprivileg des § 3 Abs. 2 KSVG stützen kann. Denn diese Frist beginnt nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KSVG nach dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift mit der erstmaligen Aufnahme der künstlerischen Tätigkeit. Eine besondere Schutzwürdigkeit besteht für Berufsanfänger nur für die ersten Berufsjahre. Das SG hat aus den eigenen Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und aus den eingereichten Steuerunterlagen richtig darauf geschlossen, dass die selbstständige künstlerische Tätigkeit (spätestens) im Jahr 2005 begonnen wurde und als Schauspieler sowie als Dozent ausgeübt wurde. § 2 S. 1 KSVG umschreibt die drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit, die Musik, die bildende sowie die darstellende Kunst jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens. Eine Differenzierung in Schauspieltätigkeit im engeren Sinne und Lehrtätigkeit ist nicht vorzunehmen.

Zu Recht hat das SG die Dozententätigkeit des Klägers im Jahr 2005 als dem Bereich selbstständiger Lehrtätigkeit auf künstlerischem Gebiet zugeordnet. Ob eine künstlerische Tätigkeit selbständig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird, richtet sich nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Arbeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teilhat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Abhängigkeit wie der Selbständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 – B 3 KR 2/98 RBSGE 83, 246-254, juris-Rdnr. 20 für Regieassistenz). Das BSG hat im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten ausgeführt, die Tätigkeit eines Dozenten sei nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung anzusehen, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimme. Der Lehrbetrieb kann vielmehr sowohl in allgemein bildenden Schulen, Hoch- und Fachschulen wie in Volkshochschulen regelmäßig nur dann sinnvoll vonstatten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Allein aus dieser geminderten Autonomie der Dozenten oder allein aus der Tatsache, dass Dozenten an Prüfungen mitwirken und sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten müssen, darf jedoch nicht auf Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Weisungsfrei sind solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sein können, jedoch die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibe (so weitgehend wörtlich BSG, Urt. v. 12.02.2004 -B 12 KR 26/02 R- juris-Rdnr. 29 mit umfangreichen Nachweisen).

Nach den eingereichten Kopien der Lehraufträge ist der Kläger 2005 mit selbstständigen Lehraufträgen betraut worden: Die Lehraufträge sind als solche nach § 57 Sächsisches Hochschulgesetz (SächsHG) erteilt worden. Nach § 57 Abs. 1 S. 2 SächsHG in der in den Jahren 2004 bis 2008 geltenden Fassung nehmen Lehrbeauftragte die ihnen übertragenen Lehraufgaben ausdrücklich selbstständig wahr. Unmaßgeblich ist, dass dem Kläger Ort und Zeit der Veranstaltungen vorgegeben war und der Lehrplan einzuhalten war und zusätzlich ein Engagement beim städtischen Theater bestand.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das SG ferner davon ausgegangen, dass es sich bei den künstlerischen Aktivitäten des Klägers ab Juni 2011 nicht um eine (andere, neuartige) Künstlertätigkeit gehandelt hat.

Für die streitgegenständliche Zeit konnte mit dem SG nicht von einem Einkommen von mehr als 3.900,00 EUR pro Jahr aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit ausgegangen werden. Die Beklagte und das SG haben für die Annahme des Unterschreitens der Geringfügigkeitsgrenze den Prognosemaßstab nicht verkannt: Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 KSVG sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahreseinkommens maßgebend waren, auf Antrag mit Wirkung vom 1. des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, indem der Antrag bei der Künstlersozialkasse eingeht. Dies gilt entsprechend, wenn das Jahreseinkommen geschätzt worden ist (§ 12 Abs. 3 Satz 2 KSVG). Neue Unterlagen, die eine treffsichere Prognose erlauben oder zeigen, dass das prognostische Einkommen tatsächlich nicht erzielt wurde, können daher nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 3 KS 4/13 Rdnr. 28). Ganz allgemein gilt für eine Prognose grundsätzlich, dass sie für die Vergangenheit auch dann maßgebend bleibt, wenn sie sich im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend erweist. Die versicherungsrechtliche Stellung kann dann nicht in der Vergangenheit verändert werden (BSG a. a. O. Rdnr. 29 mit weiteren Nachweisen). Grundlage der Prognose können nur die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbaren Umstände sein, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (BSG a. a. O. Rdnr. 30 mit weiteren Nachweisen). Nach der Rechtsprechung des BSG sind dabei grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Die Vorhersage soll eine ungefähre Einschätzung darstellen, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sei. Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können, wenn sich in den vergangenen Jahren keine gewinnbringenden Verdienste realisieren ließen, nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie häufig und mit welcher Differenz die Mindestgrenze in den letzten Jahren verfehlt wurde und welche Veränderungen der Verhältnisse bessere Verdienstaussichten nahelegen. Insoweit ist erforderlich, dass die Möglichkeit Verdiensten oberhalb der Mindestgrenze näher liegt, als ein Einkommen darunter (BSG, a. a. O. Rdnr. 27). Das Arbeitseinkommen ist dabei nach der Legaldefinition in § 15 Abs. 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Aufgrund der Anknüpfung des maßgeblichen Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht könnte es für den Künstler überlegenswert sein, gegenüber dem Finanzamt in Wahrnehmung seiner steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend zu machen, wenn dadurch ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestarbeitseinkommensgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG verbleibt (BSG, Urteil vom 28. November 2013 - B 3 KS 2/12 R - Rdnr. 25). Die Abwägung, aus diesem Grund einen steuerrechtlichen Nachteil in Kauf zu nehmen zu wollen, ist indes Sache des Künstlers. Insoweit obliegen weder der Beklagten noch den Sozialgerichten Hinweis- oder Beratungspflichten. Weitergehende sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen insoweit nicht. Die anzustellende Prognose hat sich ausschließlich an den objektiven Gegebenheiten zu orientieren (BSG, a. a. O.). Ob und inwieweit dem Kläger aus seinem selbstständigen Kabarettprogramm bereits 2011 höhere Einnahmen zugeflossen wären, wenn entsprechende Ausgaben erst im nächsten Jahr verbucht worden wären, kann deshalb nicht Berücksichtigung finden.

Zutreffend hat das SG ferner die Schauspieltätigkeit für das Tourneetheater der Agentur L und 2012 als abhängige Beschäftigung angesehen. Nach den Vorstellungen der Vertragsparteien sollte zwar eine selbstständige Tätigkeit erfolgen. Dies ergibt sich insbesondere unter Nummer 3 des Vertrages wonach der Auftrag unter Vorbehalt der Zustimmung des zuständigen Finanzamtes über eine Erklärung auf Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erteilt werde und aus der Regelung, dass der Vertragspartner für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung sorgen soll. Bereits für abhängige Beschäftigung sprechen allerdings Nummer 2b des Vertrages, in dem vom "Beschäftigungszeitraum" die Rede ist, und insbesondere Nummer 6 (sonstige Vereinbarung) K, wonach alle Ansprüche aus dem " Arbeitsverhältnis" spätestens drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen sind. Wie bereits das SG ferner zutreffend ausgeführt hat, spricht für eine Einbindung in die Organisationsstruktur des Unternehmens, dass der Kläger nach Nummer 6 des Vertrages für jedes Entfernen vom Gastspielort und jede Nebentätigkeit der schriftlichen Genehmigung des Unternehmens bedurfte und die Proben täglich vormittags, nachmittags und/oder abends, also faktisch jederzeit, angesetzt hätten werden können und somit einseitig die Arbeitszeit hätte konkretisiert werden können. Ferner war dem Kläger als Schauspieler keine künstlerisch-schöpferische oder inhaltliche Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Er konnte hinsichtlich Zeit, Dauer der Proben oder Aufführungsorte nicht mitbestimmen. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht zwar das (Unternehmer-)Risiko im Zusammenhang mit dem Gagenanspruch. Die Gage wurde pro Veranstaltungstag vereinbart, eine extra Vergütung für die Proben war nicht vorgesehen und sollte unabhängig vom Grund entfallen, wenn Ausführungen nicht stattfanden. Allerdings führt nach der Rechtsprechung des BSG diese Gestaltung von Bühnenverträgen nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Sie stellte vielmehr das (allgemeine) Risiko dar, die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können. Eine größere Freiheit angesichts des Risikos stand dem Kläger nicht zu (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011- B 12 R 13/10 R - juris - Rdnr. 21).

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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