L 3 R 79/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 2084/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 79/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung des Klägers nach Verlegung seines Wohnsitzes nach T. Die Beklagte gewährte dem 1952 geborenen Kläger - im Rahmen eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens - mit Bescheid vom 08. August 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. März 2007 i.H.v. monatlich 1.148,45 EUR. Mit Bescheid vom 27. November 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 21. April 2007 zudem einen Zuschuss zu den Aufwendungen für dessen in Deutschland bestehende private Krankenversicherung (KV-Zuschuss) und stellte den Zahlbetrag der Rente ab dem 01. Mai 2007 neu fest unter Berücksichtigung eines KV-Zuschusses i.H.v. 76,37 EUR, 80,25 EUR ab dem 01. Juli 2007, 81,72 EUR ab dem 01. Juli 2008 und 85,22 EUR ab dem 01. Januar 2009. Zudem wies sie auf Seite 5 des Bescheides den Kläger auf dessen Pflicht hin, jede Änderung im Krankenversicherungsverhältnis, der Beitragshöhe und zur Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland unverzüglich anzuzeigen. Des Weiteren erklärte sie, dass für die Dauer des gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland sich die Rente vermindern oder der Rentenanspruch entfallen könne, sowie dass sich beim KV-Zuschuss Nachteile ergeben können.

In einem am 12. Dezember 2008 vom Kläger beim Sozialgericht B (SG) unter dem Aktenzeichen S 20 R 7506/08 ER anhängig gemachten Eilverfahren begehrte dieser die Rentenzahlung nach T, da er seinen Wohnsitz "zumindest vorübergehend" dorthin verlegt habe. Das SG gab dem Antrag überwiegend statt und ging im Beschluss vom 10. Februar 2009 davon aus, dass sich der Kläger nicht nur vorübergehend in T aufhalte, weshalb ihm (auch) kein Anspruch auf KV-Zuschuss zustehe. Das Verfahren endete letztlich mit der im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) B-B (L 33 R 151/09 B ER) von der Beklagten unter dem 12. Februar 2009 erklärten Bereitschaft, die bisherige Inlandsrente des Klägers (ungekürzt) für die Dauer des gewöhnlichen Aufenthaltes in T auf das dortige Konto des Klägers zu überweisen.

Mit Schreiben vom 05. Mai 2009 teilte der Kläger der Beklagten seine neue Postanschrift in T mit.

Mit Bescheid vom 06. Juli 2009 berechnete die Beklagte den Zahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Juli 2009 neu (nun 1.195,48 EUR) und hob den Bescheid vom 27. November 2008 über die Bewilligung des KV-Zuschusses mit Wirkung ab dem 01. Juli 2009 auf. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sich der Kläger ab dem 29. November 2008 dauernd im Ausland aufhalte und ihm daher nach §§ 111, 106, 106a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) der bewilligte KV-Zuschuss nicht mehr zustehe. Zugleich hörte sie den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des genannten Bescheides auch für die Vergangenheit ab dem 01. Dezember 2008 sowie zur Rückforderung des Überzahlungsbetrages i.H.v. 593,04 EUR unter Verweis auf §§ 48, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an. Hiergegen erhob der Kläger am 17. August 2009 Widerspruch und beantragte unter dem 27. August 2009 beim SG Berlin die Anordnung bzw. Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches (S 19 R 4112/09 ER).

Zwischenzeitlich hatte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2009 ihren Bescheid vom 27. November 2008 über die Bewilligung des KV-Zuschusses nach § 48 SGB X rückwirkend ab dem 01. Dezember 2008 aufgehoben und vom Kläger die Erstattung des im Zeitraum vom 01. Dezember 2008 bis zum 30. Juni 2009 überzahlten Betrages i.H.v. 593,04 EUR nach § 50 SGB X gefordert. Hiergegen erhob der Kläger am 17. September 2009 Widerspruch.

Unter dem 28. August 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 06. Juli 2009 aufschiebende Wirkung habe (§ 86 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und sie ihm den KV-Zuschuss für die Dauer des Widerspruchsverfahrens vorerst in bisheriger Höhe weiter anweisen werde, vorbehaltlich einer nachträglichen Erstattungsforderung, sollte das Widerspruchsverfahren erfolglos sein. Daraufhin erklärte der Kläger das Verfahren S 19 R 4112/09 ER für erledigt.

Mit Bescheid vom 03. September 2009 stellte die Beklagte den Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente des Klägers ab dem 01. Juli 2009 unter Einbeziehung eines KV-Zuschusses i.H.v. 83,69 EUR mit nunmehr 1.279,17 EUR neu fest und ermittelte einen Nachzahlungsbetrag für die Monate Juli und August 2009 von insgesamt 167,38 EUR. Der Bescheid enthielt eine einfache Rechtsbehelfsbelehrung.

Am 07. Dezember 2009 teilte der Kläger - unter Beifügung der Kopie einer am 28. Oktober 2009 in T erworbenen Versicherungspolice mit einer Vertragslaufzeit vom 28. Oktober 2009 bis zum 28. Oktober 2010 - gegenüber der Beklagten mit, dass er nun in T eine Krankenversicherung abgeschlossen habe und daher davon auszugehen sei, dass er nunmehr dort seinen Lebensmittelpunkt gefunden habe. Die Aufhebung des KV-Zuschusses für die Vergangenheit sei daher wohl nicht mehr haltbar. Zudem teilte der Kläger mit E-Mail vom 20. Januar 2010 unter Beifügung von Kopien t Personenstandsurkunden der Beklagten mit, dass er am 06. Januar 2010 in T geheiratet habe.

Mit Bescheid vom 05. Februar 2010 hob die Beklagte die Bewilligung des KV-Zuschusses ab dem 01. März 2010 nach § 48 SGB X auf, da "mit dem Ende der freiwilligen/privaten Krankenversicherung die Voraussetzungen für den nach § 106 SGB VI gezahlten KV-Zuschuss nicht mehr gegeben seien" und stellte den Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente des Klägers ab dem 01. März 2010 neu fest (nun 1.195,48 EUR). Zugleich hörte sie ihn zu der beabsichtigten Aufhebung auch für die Vergangenheit, d.h. für den Zeitraum vom 01. November 2009 bis zum 28. Februar 2010, sowie zur Erstattung des Überzahlungsbetrages i.H.v. 334,76 EUR an. Hiergegen erhob der Kläger am 19. Februar 2010 Widerspruch und führte aus, die Begründung des Bescheides sei nicht verständlich, da ja für ihn eine private Krankenversicherung in T bestehe.

Mit weiterem Bescheid vom 15. April 2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 03. September 2009 über die Bewilligung des KV-Zuschusses für die Zeit ab dem 01. November 2009 auf und forderte vom Kläger die Erstattung der vom 01. November 2009 bis zum 28. Februar 2010 erbrachten Leistungen i.H.v. insgesamt 334,76 EUR. Es sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen durch den Verzug und den gewöhnlichen Aufenthalt im vertragslosen Ausland ab dem 28. Oktober 2009 eingetreten. Ein KV-Zuschuss stehe dem Kläger nach § 106 SGB VI nicht mehr zu, daran ändere auch der vorherige Bezug des KV-Zuschusses im Inland nichts (§ 111 Abs. 2 SGB VI). Dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG. Hiergegen erhob der Kläger am 27. April 2010 Widerspruch und führte aus, die Regelung des § 111 Abs. 2 SGB VI verstoße gegen Art. 3 sowie Art. 11 des Grundgesetzes (GG). Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, den im Ausland wohnenden deutschen Rentenbezieher anders zu behandeln als den im Inland wohnenden.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 nahm die Beklagte zu den rechtlichen Grundlagen ihrer Entscheidungen Stellung.

Auf Anfrage der Beklagten erklärte der Kläger durch Rücksendung des von ihm unter dem 12. Dezember 2011 ausgefüllten und unterschriebenen Formulars zum Auslandsverzug, in T seinen "gewöhnlichen (dauernden) Aufenthalt" zu haben, und gab als "Datum der Ausreise" den "20.10.2009" an.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01. Mai 2012 (monatlicher Zahlbetrag: 1.207,34 EUR) ohne KV-Zuschuss.

Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 05. Februar und 15. April 2010 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. April 2012 zurück. Für die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts in T ab November 2009 bestehe kein Anspruch auf einen KV-Zuschuss. Der Kläger habe in seiner Erklärung vom 12. Dezember 2011 selbst angegeben, sich seit dem 20. Oktober 2009 gewöhnlich in T aufzuhalten. Die Zahlung eines KV-Zuschusses sei somit durch die Auszahlungsvorschrift des § 111 Abs. 2 SGB VI ausgeschlossen.

Mit seinen am 04. Mai 2012 beim SG B gegen den Bescheid vom 05. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Mai 2012 (S 13 R 2083/12) sowie den Bescheid vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Mai 2012 (S 32 R 2084/12) erhobenen Klagen hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei in T seit dem 28. Oktober 2009 erneut privat krankenvollversichert und halte die Vorschrift des § 111 Abs. 2 SGB VI für verfassungswidrig.

Das SG B hat mit Beschluss vom 10. Juli 2014 die Verfahren S 32 R 2084/12 und S 13 R 2083/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 32 R 2084/12 verbunden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2015 die Klage (richtig: Klagen) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe nach der Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthaltes nach T ab November 2009 keinen Anspruch auf weitere Gewährung eines KV-Zuschusses, § 111 Abs. 2 SGB VI. Inhaltlich hat sich das SG auf die Ausführungen im Urteil des LSG B-B vom 17. August 2010 (L 17 R 265/10, in juris) zu § 111 Abs. 2 SGB VI bezogen, diese als überzeugend erachtet und sich ihnen nach eigener Überprüfung angeschlossen. Hiernach habe der Kläger ab November 2009 keinen Anspruch mehr auf Gewährung des Beitragszuschusses, da er sich mit seinem gewöhnlichen Aufenthalt im sogenannten vertragslosen Ausland aufhalte. Die Bewilligung des KV-Zuschusses vom 27. November 2008 sei daher gemäß § 48 SGB X aufzuheben gewesen. Dies sei mit Bescheid vom 05. Februar 2010 ab März 2010 für die Zukunft und mit Bescheid vom 15. April 2010 nach vorheriger Anhörung für die Zeit von November 2009 bis Februar 2010 ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse rechtsfehlerfrei erfolgt. Der Kläger sei somit gemäß § 50 SGB X zur Erstattung der überzahlten Beträge in Höhe von 334,76 EUR verpflichtet.

Gegen den ihm am 29. Januar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit der am 05. Februar 2015 eingelegten Berufung. Er verweist auf Art. 3 GG und sieht sich ungerechtfertigt benachteiligt.

Dem schriftlichen Vorbringen des Klägers entnimmt der Senat den Antrag,

den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 22. Januar 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 05. Februar 2010 und 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. April 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat mit undatiertem Schriftsatz (Eingang bei Gericht am 28. November 2016) zum Verfahrensgang Stellung genommen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 17. November 2017 (Kläger) und 27. November 2017 (Beklagte) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Gerichtsakten (S 17 R 4112/09 ER, S 20 R 7506/08 ER/L 33 R 151/09 B ER) und der Verwaltungsakten der Beklagten, die bei Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG B vom 22. Januar 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 05. Februar 2010 und 15. April 2010 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. April 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat für die Zeit ab dem 01. November 2009 keinen Anspruch mehr auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung.

Die Klagen sind als Anfechtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) statthaft. Das vor Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt und mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 04. April 2012 abgeschlossen worden. Unerheblich ist insoweit, dass die gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 06. Juli und 11. August 2009 mit den Widersprüchen des Klägers vom 17. August und 17. September 2009 eingeleiteten Widerspruchsverfahren bisher nicht abgeschlossen wurden, wie die Beklagte auf Anfrage des Senates mit undatiertem Schreiben vom November 2016 mitgeteilt hat. Denn mit ihrem Bescheid vom 03. September 2009 hat die Beklagte - ungeachtet der Frage, ob sie aus verfahrensrechtlichen Gründen zur "Umsetzung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche" des Klägers gegen die Bescheide vom 06. Juli bzw. 11. August 2009 dazu verpflichtet gewesen wäre - einen neuen Verwaltungsakt gesetzt und damit einen Zahlungsanspruch des Klägers auf KV-Zuschuss ab dem 01. Juli 2009 neu begründet. Die eingetretene Bestandskraft dieses Verwaltungsaktes konnte von der Beklagten nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X beseitigt werden. Die zu diesem Zwecke von der Beklagten nach § 48 SGB X erlassenen Bescheide vom 05. Februar und 15. April 2010 hat der Kläger daher in statthafter Weise zunächst mit Widersprüchen und - nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 04. April 2012 - mit seinen Anfechtungsklagen angegriffen.

Die Voraussetzungen für die mit den Bescheiden vom 05. Februar und 15. April 2010 erfolgte Aufhebung des den KV-Zuschuss bewilligenden Bescheides vom 03. September 2009 sowohl für die Zukunft, also ab dem 01. März 2010, als auch für die Vergangenheit ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse, also ab dem 01. November 2009, sind nach § 48 SGB X erfüllt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach Satz 2 mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

§ 48 SGB X ist die hier zutreffende Rechtsgrundlage, da eine wesentliche Änderung der dem Bescheid vom 03. September 2009 zugrundeliegenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse dadurch eingetreten ist, dass der Kläger im Oktober 2009 zum einen seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland beendet und in T neu begründet und zum anderen einen neuen Krankenversicherungsvertrag mit einem t privaten Krankenversicherungsunternehmen abgeschlossen hatte.

Zwar erhalten nach § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Dies gilt nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind (§ 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Zudem entfällt gemäß § 110 Abs. 2 i. V. m. § 111 Abs. 2 SGB VI der Anspruch auf einen KV-Zuschuss nach § 106 Abs. 1 SGB VI, wenn der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Land kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat.

Grundsätzlich erhalten Berechtigte, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, für diese Zeit Leistungen wie Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 110 Abs. 1 SGB VI). Anderes gilt nach § 110 Abs. 2 SGB VI für Berechtigte, die nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft und somit ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Diese erhalten Zusatzleistungen nach §§ 106 ff. SGB VI nur, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen. § 111 Abs. 2 SGB VI bestimmt dass Berechtigte (im Sinne von §§ 106, 110 Abs. 2 SGB VI) keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung erhalten.

Nach diesen Maßgaben sind das SG wie auch die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass beim Kläger ab November 2009 die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nicht mehr vorlagen.

Zum einen hatte der Kläger mit Wirkung ab dem 28. Oktober 2009 ein neues Krankenversicherungsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages mit einem t privaten Krankenversicherungsunternehmen begründet. Da das t private Krankenversicherungsunternehmen nicht der deutschen Aufsicht unterliegt, waren ab dem 28. Oktober 2009 die in § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI geforderten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nicht mehr erfüllt.

Zum anderen hatte der Kläger unstreitig ab Oktober 2009 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Tbegründet.

Der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne von § 110 Abs. 2 SGB VI wird in § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) definiert. Danach hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo die Umstände erkennen lassen, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist, ob es sich um einen dauerhaften, zukunftsoffenen Aufenthalt handelt. Maßgebend sind im Einzelfall der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse, also der Lebensmittelpunkt, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt (Bourauel/Nagel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB VI, Stand 05. März 2018, § 111 Rn. 17). Zwar hatte sich der Kläger schon vor Oktober 200 aufgehalten, ohne dass hier eindeutige Anhaltspunkte für einen zukunftsoffenen, dauerhaften Aufenthalt für die Zeit vor Erlass des Bescheides vom 03. September 2009 festgestellt werden können. Allein die vom Kläger im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens (S 20 R 7506/08 ER, L 33 R 151/09 B ER) durch Beschluss des SG vom 10. Februar 2009 erwirkte Rentenzahlung nach T vermag den dauerhaften, zukunftsoffenen Aufenthalt des Klägers dort nicht - zwingend - zu begründen. Von maßgebender Bedeutung ist der Wille des Klägers, durch die Ausreise aus der Bundesrepublik seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft nach T zu verlagern. Dies ist für den Aufenthalt ab (Ende) Oktober 2009 zu bejahen. So hatte der Kläger persönlich gegenüber der Beklagten in dem von ihm am 12. Dezember 2011 ausgefüllten und unterschriebenen Vordruck zum Auslandsverzug das Datum seiner Ausreise nach T mit "20.10.2009" angegeben und dies so im vorliegenden Streitverfahren wiederholt dargestellt. Untermauert wird der Wille des Klägers, durch die Ausreise aus der Bundesrepublik im Oktober 2009 seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft nach T zu verlagern, durch den am 28. Oktober 2009 in T abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag mit einer Vertragslaufzeit vom 28. Oktober 2009 bis zum 28. Oktober 2010. Die Begründung eines nunmehr zukunftsoffenen Aufenthaltes wird zudem bekräftigt durch die am 06. Januar 2010 in T erfolgte Eheschließung des Klägers mit einer (anscheinend) t Staatsangehörigen.

Hatte der Kläger nun - unbestritten - im Oktober 2009 seinen gewöhnlichen, da dauerhaften Aufenthalt in T begründet, für das es kein Sozialversicherungsabkommen (SVA) mit der Bundesrepublik Deutschland gibt, war damit sein Anspruch auf Zahlung eines KV-Zuschuss aus § 106 SGB VI nach § 110 Abs. 2 i.V.m. §§ 111 Abs. 2, 108 Abs. 1, 100 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für die Rentenzahlung ab dem 01. November 2009 entfallen.

Die Rechtsfolge des § 111 Abs. 2 SGB VI ist nicht durch § 315 Abs. 1 SGB VI - eine innerstaatliche Sonderregelung für Bestandsfälle - ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift wird der KV-Zuschuss in bisheriger Höhe zur Rente weitergewährt, wenn bereits am 31. Dezember 1991 bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland Anspruch auf diesen Zuschuss bestand. Dies ist beim Kläger nicht der Fall gewesen.

Eine Ausnahme von der Rechtsfolge des § 111 Abs. 2 SGB VI resultiert auch nicht aus über- und zwischenstaatlichem (Vertrags-) Recht. Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU/EWG-Mitgliedsstaat bzw. der Schweiz oder Abkommens-Staaten werden regelmäßig vom Leistungsausschluss des § 111 Abs. 2 SGB VI nicht erfasst (Bourauel/Nagel, a.a.O., § 111 Rn. 35 ff). Die Gleichstellung des t Staatsgebietes ist bisher durch kein Sozialversicherungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland geregelt.

Der Senat vermag, wie bereits das SG, im Ausschluss eines KV-Zuschusses für Rentner, die im vertragslosen Ausland leben, keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 GG zu sehen. Insoweit nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angegriffenen Entscheidung sowie den Urteilen des LSG Berlin-Brandenburg vom 27. August 2010 (L 17 R 265/10, in juris) und vom 15. Februar 2018 (L 8 R 418/15) Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt.

Hierzu hat der 8. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2018 (a.a.O.) ausgeführt:

"Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 7. Februar 2012, Az.: 1 BvL 14/07, juris Rnr. 40 = BVerfGE 130, 240).

Die Beeinträchtigung des Art. 3 Abs. 1 GG setzt eine Ungleichbehandlung voraus, d. h. eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte. Daher sind Vergleichsgruppen zu benennen (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 7).

Im hier zu entscheidenden Fall liegt eine Ungleichbehandlung des Klägers mit Rentnern vor, die im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs bzw. in einem gleichgestellten Gebiet - nach den Vorschriften der Europäischen Union oder einem SVA - leben. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann [zwar] eine ( ) Ungleichbehandlung der Personen mit Auslandswohnsitz im Vergleich zu den Personen mit Inlandswohnsitz sachlich gerechtfertigt sein. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozialrelevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln. Der Gesetzgeber kann den Wohn- und Aufenthaltsort als Kriterium wählen, nach dem sich neben anderen Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen ( ) bestimmt. ( ) Er ist aber nicht frei darin, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln (Kammerbeschluss des BVerfG vom 30. Dezember 1999, Az. 1 BvR 809/95, juris Rn. 11 mwN = SozR 3-1200 § 30 Nr. 20; vgl. zuletzt auch Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 12. April 2017, B 13 R 15/15 R, juris Rn. 48 f.).

Der Ausschluss eines Leistungsanspruchs des Klägers widerspricht nicht der Rechtsprechung des BVerfG, wonach es dem Gesetzgeber nicht erlaubt ist, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Dies schon deshalb nicht, weil die Krankenversicherung mit den vom Kläger gezahlten Beiträgen zur Rentenversicherung nicht in Zusammenhang steht. Beiträge zur Krankenversicherung, für die nun eine "Gegenleistung" erfolgen müsste und die dann auch bei Aufenthalt im vertragslosen Ausland gezahlt werden müsste, sind von den Rentenversicherungsbeiträgen nicht umfasst. Hinzu kommt, worauf der 17. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 27. August 2010, Az. L 17 R 265/10, dort Rn. 25, hingewiesen hat, dass auf leistungsrechtlicher Seite im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt ist, dass kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im vertragslosen Ausland besteht. Ist jedoch bereits der Transfer von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, folgt daraus erst recht, dass die gesetzliche Rentenversicherung systemkonform die Beitragslast solcher im vertragslosen Ausland lebender Versicherter für deren private Krankheitsvorsorge auch nicht bezuschussen muss."

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung für die Vergangenheit sind nach der unter Nr. 4 genannten Tatbestandsalternative des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erfüllt. Für den Kläger war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 03. September 2009 bereits aufgrund der vorangegangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 06. Juli bzw. 11. August 2009 und auch aufgrund des von ihm eingeleiteten Eilverfahrens vor dem SG Berlin zum Aktenzeichen S 20 R 7506/08 ER (L 33 R 151/09 B ER), insbesondere aus dem hierzu am 10. Februar 2009 ergangenen Beschluss, erkennbar, dass die Ausreise aus Deutschland verbunden mit der dauerhaften Verlagerung seines Lebensmittelpunktes nach T zum Wegfall seines Anspruchs auf den KV-Zuschuss nach § 106 SGB VI führen musste.

Die Beklagte hatte kein Ermessen auszuüben. Anhaltspunkte für einen atypischen Fall sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Verwaltungsakt ist in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X regelhaft ("soll") zwingend aufzuheben. Lediglich dann, wenn ein sogenannter atypischer Fall vorliegt, ist von dem Leistungsträger Ermessen auszuüben, wobei die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, als Vorfrage nicht selbst im Ermessen steht (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016, B 5 RE 1/15 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 33, Rn. 23 ff. m.w.N.). Ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nach dem Zweck der jeweiligen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Diese müssen im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts verbundenen Nachteile, insbesondere der aus § 50 Abs. 1 SGB X folgenden Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen, vom Normalfall derart abweichen, dass der betroffene Leistungsempfänger deutlich schlechter dasteht, als es beim Vorliegen eines Normalfalles der einschlägigen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Fall wäre (BSG a.a.O. Rn. 26). Schon daraus ergibt sich, dass die mit dem "Normalfall" regelmäßig verbundene Rechtsfolge einer Aufhebung der Leistungsbewilligung im gesetzlich vorgesehenen Umfang und dem Eintritt einer Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X für sich genommen keinen atypischen Fall darstellen kann. Dafür, dass dem Kläger ein darüber hinausgehendes "Sonderopfer" abverlangt würde, ergibt sich angesichts der Höhe der Erstattungsforderung mit 334,76 EUR bei laufenden monatlichen Rentenbezügen i.H.v. 1.195,48 EUR (Zahlbetrag ab dem 01. November 2009 ohne KV-Zuschuss) kein Anhaltspunkt.

Die weiteren materiellen Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen gleichfalls vor. Absolute Aufhebungsfristen (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB X) waren nicht zu beachten. Die Rücknahmefrist von einem Jahr seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X), war gewahrt, zumal sie regelmäßig erst mit der Anhörung zu der Aufhebungsentscheidung beginnt (s. insoweit stellvertretend BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 23/07 R, juris Rn. 23 ff.).

Die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung i.H.v. 334,76 EUR wegen der Überzahlung des KV-Zuschusses für den Zeitraum vom 01. November 2009 bis zum 28. Februar 2010 folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X. Die Höhe der Erstattungsforderung ist vom Kläger nicht in Frage gestellt worden und auch nach eigener Prüfung durch den Senat nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved