L 9 KR 224/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 983/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 224/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 geändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 2) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) in den Zeiträumen 25. August bis 9. September 2007, 13. Februar 2008 bis 31. Januar 2009, 1. bis 30. April 2011, 1. Februar bis 31. Juli 2013 und ab dem 1. April 2014 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die bis zur Verbindung der Verfahren entstandenen Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Die Beklagte trägt die bis zur Verbindung der Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu ¼. Im Übrigen sind Kosten für die Zeit bis zur Verbindung der Verfahren nicht zu erstatten. Die ab der Verbindung der Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte zu ¼. Im Übrigen sind Kosten für die Zeit ab der Verbindung der Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.

Die Klägerin ist eine seit dem 10. Oktober 2006 im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg eingetragene Kommanditgesellschaft (KG), an welcher im März 2014 neben dem persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) der Kläger sowie fünf weitere Personen als Kommanditisten mit einer Einlage von je 2.000 Euro beteiligt sind. Gegenstand des Unternehmens ist der Einbau von Baufertigteilen insbesondere im Bereich der Fassadenmontage sowie Trockenbau, praktisch vor allem die Durchführung von Blechmontagearbeiten im Fassadenbereich. Nach dem Gesellschaftsvertrag (GV) vom 14. September 2006 betrug die Stammeinlage 500.- Euro je Kommanditist (§ 2 Abs. 2 des GV). Diese Kommanditanteile sind fest, nur gesellschaftsvertraglich änderbar, maßgebend u.a. für die Stimmrechte und die Beteiligung an Gewinn und Verlust, unmittelbar nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags durch Geldeinlage zu erbringen und als Haftsumme im Handelsregister einzutragen (§ 2 Abs. 3 bis 5 des GV). Der Komplementär ist zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt und verpflichtet; ihm obliegt die alleinige fachliche und technische Leitung (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 des GV). Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst alle Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich (§ 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des GV). Die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 des GV). Das Widerspruchsrecht nach § 164 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) steht den Kommanditisten nicht zu, sie haben jedoch das Recht, über diejenigen Geschäftsführungsmaßnahmen zu beschließen, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen (§ 5 Abs. 2 des GV). Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder der Vertag zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt (§ 7 Abs. 3). Die Abstimmung erfolgt nach Köpfen, wobei jeder Gesellschafter eine Stimme hat (§ 7 Abs. 5 des GV). § 10 des GV sieht drei Gesellschafterkonten vor: das unveränderliche (Fest-)Kapitalkonto I mit den Einlagen der Kommanditisten nach § 3 Abs. 2 des GV; das Gesellschafterdarlehenskonto (Kapitalkonto II), auf das der den Betrag des Kapitalkontos I übersteigende Wert an Einlagen, Gewinnanteile, Einlagen (Zinsen, Rückvergütungen und dergleichen), Entnahmen (Zinsbelastungen und dergleichen) und der sonstige Leistungsverkehr zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft gebucht wird; schließlich das Kapitalverlustkonto (Kapitalkonto III), auf das den Kommanditisten Verlustanteile mit der Maßgabe belastet wurden, dass zukünftige Gewinne zunächst zum Ausgleich der Kapitalverlustkonten verrechnet werden. Letztere sollten keinen Darlehenscharakter haben, sondern einen Teil des Festkapitalkontos (Kapitalgegenkonto zu Kapitalkonto I) darstellen. Am Gewinn und Verlust sind der Komplementär mit 40 %, jeder Kommanditist mit 10 % beteiligt (§ 12 Abs. 2 GV). Nach § 13 Abs. 2 GV dürfen die Kommanditisten eine monatliche, durch Gesellschafterbeschluss festzulegende Entnahme entnehmen (a), diejenigen Beträge, die benötigt werden, um die Einkommenssteuer auf die Gewinnanteile zu bezahlen, sowie etwaige vorhandene Guthaben unter Beachtung der Einschränkung von Abs. 3 (c). Abs. 3 bestimmt dazu, dass eine Entnahme von Guthaben vom Kapitalkonto II unzulässig ist, wenn die Summe aller Kapitalkonten eines Gesellschafters negativ ist und sich dieses negative Kapitalkonto durch die Entnahmen erhöht oder ein negatives Kapitalkonto dadurch entstehen würde. Ausnahmen sind mit Zustimmung der Gesellschafter zulässig. Darüber hinausgehende Ausschüttungen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, die auch über die Ausschüttungen beschließt (§ 13 Abs. 4 GV). Gemäß § 11 Abs. 1 GV verpflichtet sich der Komplementär, der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.

Gesellschafterbeschlüsse zur Frage, in welcher Höhe der Kläger bzw. die anderen Kommanditisten monatliche Entnahmen vornehmen dürfen, wurden trotz Aufforderung des Senats nicht vorgelegt. Klägerseitig eingereichte Unterlagen weisen für 2007 bis 2013 "Privatentnahmen" des Klägers, welche in unregelmäßigen Abständen, aber höchstens einmal je Kalendermonat vorgenommen wurden, zwischen 1.000.- und 5.000.- Euro – addiert jährliche Beträge zwischen ca. 14.000.- und 22.000.- Euro – aus. Die für die Klägerin und ihre Gesellschafter erstellten Bescheide des Finanzamtes über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen weisen bezüglich der Jahre 2007 bis 2014 für den Kläger (und ebenso für alle weiteren Kommanditisten) von den o.g. jährlichen Privatentnahmen abweichende jährliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus.

Die Klägerin beantragte am 04. Juni 2009 für den Kläger (und die weiteren Kommanditisten) die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner ab dem 25. September 2006 ausgeübten Tätigkeit als Metallbauer. Dabei gab er an, im Rahmen des gesellschaftsvertraglich festgelegten Pflichtenkreises als Kommanditist seine persönliche Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen in Form der Erbringung handwerklicher Leistungen bei Erfüllung der von der KG akquirierten Werkverträge gemeinsam mit anderen Kommanditisten und den für die KG tätigen Arbeitnehmern. Dafür erziele er Gewinneinkünfte. Die Geschäftsführung der KG obliege dem Komplementär, er habe dagegen lediglich Mitsprache- und Kontrollrechte im Rahmen seiner gesellschaftsvertraglichen Kommanditistenstellung. Er sei mit einem unternehmerischen Risiko am Gewinn und Verlust beteiligt gemäß der festgelegten Quote. Vertragspartner im Außenverhältnis zu Dritten sei einzig und allein die Klägerin. Zwischen den Kommanditisten und der KG seien keine Dienst- oder Arbeitsverträge geschlossen. Die Blechelemente würden von einem Vertragspartner der Klägerin angeliefert, dort würden sie durch die Gesellschafter und angestellten Arbeitnehmer montiert. Die Gesellschafter benutzten dafür eigenes Werkzeug, benötigte Fahrzeuge stelle die KG zur Verfügung. Die Aufträge für die KG akquiriere, verhandele und zeichne der Komplementär. Die Anwesenheit und Tätigkeit der Kommanditisten auf den von der Gesellschaft unterhaltenen Baustellen sowie der zeitliche Umfang richte sich nach Umfang und Größe des Bauvorhabens und den zeitlichen Vorgaben des Werkvertrags. Ein zu geringer zeitlicher persönlicher Einsatz der Kommanditisten stelle eine Verletzung der gesellschaftsvertraglichen Mitwirkungspflichten dar und könne zum Ausschluss aus der Gesellschaft führen. An den Gewinneinnahmen seien sie im Umfang ihrer Gesellschaftsanteile berechtigt, die Verbuchung erfolge auf dem Gesellschafterkonto; seit 2006 habe es nur Gewinne gegeben. Die Kommanditisten erbrachten allein ihre Haftungseinlage, keine Privateinlagen.

Mit Bescheid vom 18. November 2009 stellte die Beklagte zunächst das Verfahren ein. Mit weiterem Bescheid vom 24. Juni 2010 stellte die Beklagte – nach Anhörung – fest, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin seit dem 25. September 2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung bestehe.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Bereits im Rahmen der Anhörung habe sie darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit der Mitarbeit im operativen Geschäft sich aus dem Gesellschaftszweck ergebe. Zwar habe auch der Beigeladene die Möglichkeit, neue Aufträge für die Gesellschaft einzuwerben, faktisch erbringe er aber seine gesellschaftsvertraglich begründete Arbeitsleistung an bereits erhaltenen Bauaufträgen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2011 zurück.

Die Kläger haben am 2. Mai 2011 Klage erhoben und vorgebracht: Es existiere kein Arbeitsvertrag zwischen ihnen. Die Pflicht zur Leistungserbringung ergebe sich für den Kläger aus dem Gesellschaftszweck und den gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Er habe auch keine festen, von ihr – der Klägerin – geschuldeten Lohneinnahmen, sondern tätige monatlich Privatentnahmen, die sich dem eigenen Bedarf und dem Unternehmenserfolg anpassten. Der gesellschaftliche Gewinnanteil des Klägers werde über einen entsprechenden Grundlagenbescheid (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) vom Finanzamt L jährlich neu festgestellt. Für ihn werde ein Gesellschafterkonto geführt, über das seine Privatentnahmen sowie seine jährliche Gewinn- und Verlustbeteiligung verbucht würden. Darin manifestiere sich auch sein unternehmerisches Eigenrisiko, da ihm weder regelmäßige monatliche Einkünfte noch jährliche Gewinne garantiert seien und er gesellschaftsvertraglich auch an etwaigen Verlusten beteiligt sei. Im Fall eines Vermögensverfalls der Gesellschaft infolge schlechter Unternehmensergebnisse ginge er nicht nur seiner Hafteinlage verlustig, sondern auch seiner Einkünfte, da er diese ausschließlich aus Gewinnentnahmen bestreiten könne. Er unterfalle nicht der Arbeitszeitverordnung und habe keinen Urlaubsanspruch. Er sei – was die Ausgestaltung seiner Mitarbeit angehe – nicht permanent Weisungen einer einzelnen Person unterworfen, dies ergebe sich auch nicht daraus, dass ihm von der Klägerin ein Arbeitsort in Gestalt eines Bauauftrags zugewiesen werde. Werkunternehmer und Auftragnehmer sei die Gesellschaft, vertreten durch ihren geschäftsführenden Komplementär. Der Bauherr lege als Werkauftraggeber den Ort und die Zeit fest, in welcher er die Bauleistung benötige. Dass die Klägerin und der ausführende Kommanditist davon nicht abweichen könnten, liege in der Natur der Sache. Diese Pflicht nach außen sei nicht in der Lage, eine Weisungsunterworfenheit des mitarbeitenden Gesellschafters im Innenverhältnis zu begründen. Der Kläger sei nicht an Arbeitszeiten gebunden, er entscheide paritätisch mit den anderen Kommanditisten, in welchem Umfang er für welches Bauvorhaben zur Verfügung stehe. Die Argumentation der Beklagten sei widersprüchlich. Teilweise habe er wegen des mit Überentnahmen belasteten Gesellschafterkontos weniger Privatentnahmen getätigt, als ihm für diesen Zeitraum zugestanden hätten. Die schwankenden Einkünfte belegten die Selbständigkeit. Die Gesellschaft beschäftige zudem eigene sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Reiche deren Arbeitsleistung nicht aus, so setze sie auch fremde Sub-Unternehmer ein. Nur Kommanditisten, die als Angestellte oder Arbeiter im Betrieb der KG gegen Entgelt beschäftigt seien, seien auch sozialversicherungspflichtig.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2014 hat das SG die zwischenzeitlich verbundenen Klagen beider Kläger abgewiesen. Für die selbständige Tätigkeit spreche zwar, dass der Kläger keinen Arbeitsvertrag mit der Klägerin geschlossen habe. Der Kläger könne keinen rechtlich maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung nehmen, er verfüge nicht über eine Sperrminorität, um ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Da nur der theoretische Konfliktfall entscheidend sei, sei unerheblich, ob von einer bestehenden Rechtsmacht tatsächlich Gebrauch gemacht und damit auf die Tätigkeit eines mitarbeitenden Gesellschafters tatsächlich Einfluss genommen werde; jedenfalls im Konfliktfall könne von den vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder Gebrauch gemacht werden, so auch von einem Weisungs- oder Kündigungsrecht. Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin, so auch der gewöhnliche Geschäftsverkehr, oblägen allein dem Komplementär, ebenso die fachlich-technische Leitung nach dem Gesellschaftsvertrag, die Kommanditisten seien davon ausgeschlossen, auch das Widerspruchsrecht nach § 164 Satz 1 Halbsatz 2 HGB stehe ihnen nicht zu. Der Kläger trage kein entscheidendes Unternehmerrisiko, denn die Beteiligung an den Verlusten der KG werde auf den überschaubaren Kommanditanteil, die Einlage von 2.000 Euro, beschränkt.

Gegen das ihnen am 3. Juni 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 3. Juli 2014 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ergänzend vortragen: Die Verpflichtung des Klägers zur Mitarbeit ergebe sich allein aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Beziehungen; er erhalte kein seinem Tätigkeitsumfang entsprechendes Arbeitsentgelt, sondern allein Vorwegentnahmen im Hinblick auf seine mutmaßliche Gewinnbeteiligung. Das unternehmerische Risiko manifestiere sich keinesfalls nur im Verlust seiner Hafteinlage, sondern auch in seiner Arbeitgeberfunktion und seiner Einnahmesituation, die sich ausschließlich nach dem Unternehmenserfolg gestalte. Dem Kläger seien seitens der Klägerin weder regelmäßige monatliche Einnahmen noch jährliche Gewinne garantiert, gesellschaftsvertraglich sei er zudem an etwaigen Verlusten beteiligt. Er sei seit Juli 2013 in Polen selbständig mit eigenem Unternehmen im Bauwesen tätig und habe sich dementsprechend aus der persönlichen Mitarbeit bei der Klägerin zurückgezogen. Eine Prüfung der Bau-Berufsgenossenschaft im Jahre 2010 habe die klägerische Einschätzung, dass keine Versicherungspflicht bestehe, bestätigt. Der Kläger sei im Jahre 2015 infolge Veräußerung seines Kommanditanteils aus der Klägerin ausgeschieden, nachdem er mit Vertrag vom 29. August 2014 seinen Gesellschaftsanteil an einen Kommanditisten K verkauft habe. Er sei bis zum Jahr 2014 auf folgenden Baustellen – aber nicht immer durchgängig – für die Klägerin tätig gewesen: - 18. September 2006 bis 24. August 2007: Studentenwohnheim D - 8. März 2007 bis 9. Juni 2007: B, Kstraße / Mstraße - 10. September 2007 bis 12. Februar 2008: H M - Februar 2009 bis März 2011: D L - Mai 2011 bis August 2012: L , N - März 2012 bis Januar 2013: Vertriebszentrum W, K - August 2013 bis März 2014: B, Cstraße. Insgesamt habe die Klägerin zwischen 2006 und 2016 insgesamt 65 Baustellen im Bundesgebiet abgearbeitet.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2. in seiner für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit seit dem 25. September 2006 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Im Erörterungstermin vom 06. September 2018 hat der Berichterstatter den Kommanditisten H als Zeugen vernommen. Er hat u.a. ausgeführt, auf der Baustelle habe es einen Bauleiter gegeben, der ihm und den anderen mitarbeitenden Kommanditisten gezeigt habe, was zu tun sei. Es sei in der Regel 8 Stunden am Tag gearbeitet worden und es habe immer ein Kommanditist für alle Kommanditisten auf der Baustelle einen Stundenzettel geführt, der aber nicht bei der Klägerin eingereicht worden sei, sondern nur dafür gedient habe, bei der Aufteilung des Geldes zu wissen, wer wieviel gearbeitet habe. Die Bezahlung sei wie folgt abgelaufen: Wenn eine Baustelle fertig gewesen sei, habe der Komplementär einem anderen der Kommanditisten – Herrn K oder Herrn W – das Geld für die Kommanditisten übergeben. Diese hätten das Geld nach Polen gebracht, umgetauscht und das Geld sei dann anhand der aufgeschriebenen Stunden aufgeteilt worden. Wenn ein Kommanditist an einem Tag aus gesundheitlichen Gründen nicht gearbeitet habe, habe er für diesen Tag auch kein Geld erhalten. Einmal im Jahr habe eine Gesellschafterversammlung stattgefunden. Dort sei entschieden worden, was mit den – in der Regel geringen – Überschüssen der Firma geschehen solle. Dabei sei es um die Frage gegangen, welche Arbeitsgeräte angeschafft werden sollten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 06. September 2018 Bezug genommen.

Die Verfahren bezüglich zweier weiterer Kommanditisten wurden durch die Urteile vom 12. Juni 2015 (L 1 KR 291/13) und 6. November 2015 (L 1 KR 507/14) zugunsten der Beklagten rechtskräftig abgeschlossen, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) die jeweiligen Nichtzulassungsbeschwerden verworfen hat.

Nach einem die Klägerin betreffenden Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin vom 9. November 2017 war der Kläger dort noch als Kommanditist eingetragen; die letzte Eintragung stammte aus dem Oktober 2010.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit es für die Zeiträume 25. September 2006 bis 24. August 2007, 10. September 2007 bis 12. Februar 2008, 1. Februar 2009 bis 31. März 2011, 1. Mai 2011 bis 31. Januar 2013 und 1. August 2013 bis 31. März 2014 (im Folgenden: Tätigkeitszeiträume) davon ausgegangen ist, dass die Tätigkeit des Klägers für die Klägerin der Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung besteht. Für die übrigen, aus dem Tenor ersichtlichen Zeiträume bestand hingegen keine Versicherungspflicht.

Rechtsgrundlage für die erfolgte Feststellung der Beklagten ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet; die Beklagte entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 7a Abs. 1 Satz 3, § 7a Abs. 2 SGB IV). Gemessen daran war die Beklagte zur Feststellung der Versicherungspflicht in den o.g. Tätigkeitszeiträumen berechtigt, denn die inhaltlichen Voraussetzungen lagen vor.

1. Die Klägerin hat einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für die sechs mitarbeitenden Kommanditisten, darunter den Kläger, in der für sie ausgeübten Tätigkeit gestellt.

2. Die inhaltlichen Voraussetzungen für die Feststellungen der Beklagten liegen nur für die o.g. Tätigkeitszeiträume vor.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, SGB III), in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XI).

a. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nach den genannten Rechtsgrundlagen ist § 7 Abs. 1 SGB IV.

Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R –, und des Senats, vgl. Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, Rn. 84, jeweils juris).

b. Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch die Frage, ob Mitarbeiter einer KG, die gleichzeitig auch Gesellschafter der KG sind, eine abhängige Beschäftigung für die Gesellschaft ausüben. Die Gesellschafterstellung schließt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass die Kommanditgesellschaft als solche keine juristische Person ist, sondern bei ihr Träger der Rechte die Gesellschafter sind (BSG, Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70 Rn. 28). Maßgeblich für die Tätigkeit eines in der KG mitarbeitenden Kommanditisten ist aber die Abgrenzung zur Mitunternehmereigenschaft. Ist der Kommanditist in seiner ausgeübten Tätigkeit selbst handelnder Mit-Unternehmer, kann er nicht in derselben Tätigkeit versicherungspflichtig beschäftigt sein. Denn er erbringt in diesem Fall die Leistung/Tätigkeit auch für sich selbst, er ist dann nicht in ein für ihn fremdes Unternehmen eingebunden und weisungsabhängig, sondern in sein eigenes und trägt in der Tätigkeit unmittelbar als Gesellschafter das Unternehmerrisiko (zu Gesellschaftern einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft ausgeführt von: BSG, Urteil vom 26. Mai 1966 – 2 RU 178/64, BSGE 25, 51, 52; grundlegend: Urteil vom 31. Juli 1962 – 2 RU 110/58, BSGE 17, 211, 214 ff. für den nicht rechtsfähigen Verein; für die KG: Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70 Rn. 28). Erbringt der Kommanditist dagegen aufgrund eines außergesellschaftsrechtlichen Tatbestandes eine Leistung gegenüber der Gesellschaft, liegt ein Drittverhältnis vor und kann er in diesem im Verhältnis zur Gesellschaft auch Beschäftigter i. S. des § 7 SGB IV sein (BSG, Urteil vom 26. Mai 1966 – 2 RU 178/64, BSGE 25, 51, 52 f.). Für die Abgrenzung, ob die Tätigkeit eine solche als Mitunternehmer darstellt oder eine Beschäftigung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Tätigwerden des Gesellschafters auf der Verpflichtung als Gesellschafter beruht, ob sich die Pflicht zur Arbeitsleistung ausschließlich und unmittelbar aus dem Gesellschaftsverhältnis ergibt.

Mit anderen Worten (nach der neueren Dogmatik des 12. Senats des BSG): Der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung vorgelagert ist die Frage, d.h., ob überhaupt eine sozialversicherungsrechtlich relevante "Tätigkeit" ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 4/10 R –, juris). Arbeiten Gesellschafter in "ihrer" Gesellschaft mit, ist zunächst stets zu prüfen, ob sie über ihre gesellschaftsrechtlichen Funktionen hinaus überhaupt in einer gesonderten Beziehung zur Gesellschaft stehen und neben der Wahrnehmung ihrer sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Aufgaben weitere Tätigkeiten für die Gesellschaft ausüben oder ihre Tätigkeiten für die Gesellschaft eine weitere rechtliche Grundlage neben dem Gesellschaftsrecht haben. Tätigkeiten für eine Gesellschaft können jeweils allein dem gesellschaftsrechtlichen Bereich zuzuordnen sein oder – wenn sie hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Art nach über das hinausgehen, was gesellschaftsrechtlich an Arbeitsverpflichtungen festgelegt wird – (auch) auf der Grundlage daneben zusätzlich bestehender Rechtsbeziehungen erbracht werden. Insbesondere macht die Vereinbarung einer Vergütung einen zusätzlichen Vertragsschluss erforderlich. Im Rahmen der Satzungsautonomie bzw. der Vertragsfreiheit ist es den Beteiligten grundsätzlich unbenommen, sich – ohne, dass hierin ein Verstoß gegen § 32 Erstes Buch/ Sozialgesetzbuch (SGB I) läge – für eine Ausgestaltung in der einen oder anderen Weise zu entscheiden. Nur und erst, wenn die Prüfung dieses Umstandes überhaupt die Begründung zusätzlicher Rechtsbeziehungen ergibt, kommt bei persönlicher Abhängigkeit die Annahme einer abhängigen Beschäftigung in Betracht (BSG, Urteil vom 04. Juni 2009 – B 12 KR 3/08 R –, juris, m.w.N.).

Die von den am Gesellschaftsvertrag Beteiligen gewählten Bezeichnungen sind dafür ebenso wenig maßgebend, wie eine rein formale Begründung von Tätigkeitspflichten im Gesellschaftsvertrag (BSG, Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70 –, juris; vielmehr im Fall des Vereins, ob "das Tätigwerden unmittelbarer Ausfluss der Mitgliedschaft selbst ist", dazu BSG, Urteil vom 31. Juli 1962 – 2 RU 110/58, BSGE 17, 211, 216). Die Auferlegung von Pflichten, die inhaltlich typisch für ein Beschäftigungsverhältnis sind, schließt nicht bereits dadurch ein Beschäftigungsverhältnis aus, dass sie allein im Gesellschaftsvertrag erfolgt. Die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen zur Beschäftigung und der daraus resultierenden Versicherungspflicht lassen sich nicht dadurch umgehen, dass die typischen Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses in das Gewand eines Gesellschaftsvertrages gekleidet werden. Erfolgt eine Mitarbeit eines Kommanditisten, ohne dass entweder im Gesellschaftsvertrag oder einem gesonderten schriftlichen Dienst- oder Arbeitsvertrag eine Pflicht hierzu begründet wurde, liegen aber nach dem Gesamtbild der Tätigkeit in dieser die Merkmale einer Beschäftigung vor, d.h. erfolgt sie weisungsgebunden und gegen ein Entgelt in der KG, welches die Merkmale eines Arbeitsentgeltes erfüllt, ist von einem mündlich geschlossenen Vertrag über eine Mitarbeit auszugehen und auch regelhaft ein Beschäftigungsverhältnis zur KG i.S. des § 7 SGB IV begründet, vergleichbar dem faktischen Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts.

c. Ausgangspunkt ist der Inhalt der vertraglichen Regelungen, an erster Stelle des Gesellschaftsvertrags und zusätzlicher Vereinbarungen, so sie bestehen. Danach war der Kläger in den o.g. Tätigkeitszeiträumen nicht aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses für die Klägerin tätig.

aa. Dagegen spricht bereits die Tatsache, dass seine Mitarbeit nicht auf einer im Gesellschaftsvertrag festgelegten Mitarbeitspflicht beruht. Der Gesellschaftsvertrag der KG vom 14. September 2006 sieht für die Kommanditisten keine Pflicht zur Mitarbeit vor. Nach § 3 Abs. 2 war jeder Kommanditist zunächst in Höhe von 500,00 Euro bis zur Heraufsetzung der Pflicht (eingetragen am 15. Oktober 2010) auf 2.000 Euro zur Erbringung der Einlage verpflichtet (§ 3 Abs. 4). Allein für den persönlich haftenden Komplementär sieht § 11 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags eine Pflicht vor, seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen ("Tätige Mitarbeit des Komplementärs"). Zwar liegt auch kein schriftlich geschlossener Dienst- oder Arbeitsvertrag vor, der formal ein Beschäftigungsverhältnis neben der Gesellschafterstellung begründete. Der Kläger war aber aufgrund eines zumindest mündlich geschlossenen Arbeitsvertrags für die KG tätig.

bb. Für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses spricht, dass der Kläger eine nach Arbeitsstunden bemessene Vergütung von der KG erhielt und nicht einen bloß gewinnabhängigen Anteil.

Im Fall des Klägers fand ein Ausgleich im Sinne eines Arbeitsentgelts statt, denn die Vergütung für seine Tätigkeit vollzog sich nach den geleisteten Arbeitsstunden, wie der Zeuge ausgeführt hat. Danach hat jeweils einer der tätigen Kommanditisten auf einer Baustelle einen Stundenzettel für alle geführt, der dann bei der Aufteilung des Geldes – gemeint waren die Einnahmen, aus denen die Kommanditisten entlohnt wurden – über die Höhe der Auszahlung entschied.

Die vom Kläger benannten Entnahmen stehen dieser Wertung nicht entgegen. Dass der Kläger nach seinem Vorbringen monatlich Privatentnahmen entsprechend dem eigenen Bedarf und dem Unternehmenserfolg tätigte, widerspricht der gesellschaftsvertraglichen Regelung in § 13 Abs. 2 lit. 1 GV, wonach die monatliche Entnahme durch einen Kommanditisten einen Gesellschafterbeschluss voraussetzt. Auf eine solche vertragswidrige Praxis kann sich die Klägerin grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten berufen. Sie vermag die Schlussfolgerung des Senats, dass zwischen der Klägerin und den Kommanditisten mündlich oder konkludent eine Arbeitsverpflichtung mit leistungsgerechter Entlohnung vereinbart war, nicht zu entkräften. Die Privatentnahmen und die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Entnahmeberechtigung betreffen vielmehr ausschließlich das Gesellschaftsverhältnis zwischen den Klägern und belegen indirekt, dass die Tätigkeit der Kommanditisten für die Klägerin und deren Vergütung auf einer anderen rechtlichen Ebene angesiedelt sind.

cc. Nach den Angaben des Zeugen waren die Kommanditisten indes nicht verpflichtet, bei jedem Auftrag, den die Klägerin angenommen hatte, bzw. auf jeder Baustelle mitzuarbeiten, sondern konnten dies in jedem einzelnen Fall auch ablehnen. Demzufolge lag eine mündlich geschlossene Rahmenvereinbarung vor mit der Folge, dass für die Statusprüfung auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des jeweiligen "Auftrags" (hier: Zusage für einen bestimmten Auftrag der Klägerin bzw. eine bestimmte Baustelle) im Hinblick (allein) hierauf bestanden (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – und vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –; Senat, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –; jeweils juris). Eine Beschäftigung der Kommanditisten hat daher nur nach Annahme eines konkreten Auftrags oder Arbeitseinsatzes und für dessen Dauer bestanden.

d. Eine Beschäftigung war nicht aufgrund des Einflusses des Klägers auf die Klägerin ausgeschlossen. Abzustellen ist insoweit nicht auf die Gesamtheit der Kommanditisten, sondern auf den rechtlichen Einfluss jedes einzelnen von ihnen, weil nur insoweit Versicherungspflicht im Streit steht. Mit einem Gesellschaftsanteil von 10 % war ein einzelner Kommanditist rechtlich nicht in der Lage, Gesellschafterbeschlüsse in seinem Interesse herbeizuführen. Diese Rechtsmacht – auf einen tatsächlichen Einfluss kommt es insoweit nicht an – haben nur Gesellschafter, die über mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile oder über eine umfassende Sperrminorität bzw. ein umfassendes Veto-Recht verfügen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, juris, m.w.N.). Unabhängig davon wäre auch ein mitarbeitender Mehrheitsgesellschafter, der nicht zur Geschäftsführung berechtigt ist, nicht in der Lage, Weisungen der Geschäftsführung an sich zu verhindern (Senat, Urteil vom 07. Januar 2016 – L 9 KR 84/13 –, juris, m.w.N.).

e. In dieser Tätigkeit war der Kläger in den Betrieb der Klägerin integriert; ob und ggf. in welchem Umfang in diesem Zusammenhang Weisungen erteilt wurden, kann nach dem o.G. dahinstehen. Nicht zuletzt den Angaben des Zeugen entnimmt der Senat folgende Indizien für eine Eingliederung der Kommanditisten in die nicht von ihnen, sondern im Wesentlichen durch den Komplementär bestimmte, damit für sie fremde Betriebsorganisation:

- Es gab auf der Baustelle einen Bauleiter, der vorgab, welche Tätigkeiten die arbeitenden Kommanditisten, damit auch der Kläger, vor Ort konkret auszuführen hatten. - Es handelte sich um einfache Arbeiten, die keiner weiteren Einzelweisungen bedurften, somit aber auch keine eigenen Gestaltungsspielräume eröffneten. - Die Arbeitszeit konnte der Kläger, hatte er sich einmal zur Mitarbeit an einem Auftrag der Klägerin entschlossen, nicht selbst bestimmen. Die tägliche Arbeitszeit betrug in der Regel – arbeitnehmertypisch – 8 Stunden. Auch die in seltenen Fällen erbrachten Überstunden fußten auf einer Abstimmung unter den auf einer Baustelle tätigen Kommanditisten und sprechen daher nicht gegen, sondern für eine Beschäftigung.

f. Der Kläger trug keinerlei unternehmerisches Risiko.

aa. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, und vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R –; Senat, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –; jeweils juris und m.w.N.)

bb. Im vorliegenden Fall erhielten, wie sich aus den Angaben des Zeugen ergibt, die auf einer Baustelle mitarbeitenden Kommanditisten das Entgelt für die erbrachten Leistungen nach Abschluss des jeweiligen Auftrags, indem der Komplementär das Geld einem der Kommanditisten – entweder Herrn oder Herrn – übergab, welcher es nach Polen brachte und auf der Grundlage der o.g. Stundenzettel an die (anderen) mitarbeitenden Kommanditisten verteilte. Angesichts dessen ist ein Risiko des Klägers, trotz erbrachter Leistung keine Vergütung zu erhalten, nicht erkennbar. Weder seinen Angaben noch dem Gesellschaftsvertrag sind i.Ü. Regelungen zu entnehmen, wonach ein Kommanditist verpflichtet war, zu hohe Zahlungen erstatten zu müssen.

g. Als Folge der Beschäftigung trat Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung ein, begrenzt indes auf die o.g. Tätigkeitszeiträume. In den aus dem Tenor ersichtlichen Zeiträumen lag indes mangels einer Arbeitsverpflichtung des Klägers gegenüber der Klägerin schon keine Beschäftigung und damit auch keine Versicherungspflicht vor.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Frage, ob der Kläger im Handelsregister nach wie vor als Kommanditist der Klägerin geführt wird, keine rechtliche Bedeutung im Rahmen der Statusfeststellung zu. Entscheidend ist, dass der Kläger nach der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils nicht mehr für die Klägerin tätig war. Die ggf. noch bestehende Handelsregistereintragung des Klägers ist unschädlich, weil sie sich allenfalls auf seine – die Versicherungspflicht gerade nicht begründende – Haftung auswirkt.

3. Die Kostenentscheidung beruht für die Zeit bis zur Verbindung der Klagen auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), für die Zeit danach auf § 193 SGG und entspricht jeweils dem Ergebnis des Rechtsstreites. Der Senat hatte insoweit zu berücksichtigen, dass Verfahren, bei denen auch nur einer der Hauptbeteiligten zum Kreis der Kostenprivilegierten nach § 183 SGG zählt, gerichtskostenfrei sind (BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – B 2 U 391/05 B –, juris). Dies trifft hier auf die Zeit ab der Verbindung der Klagen zu.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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