L 32 AS 2265/18 B ER PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 215 AS 12859/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 2265/18 B ER PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2018 wird verworfen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die festgesetzte Höhe des Gegenstandswertes seiner anwaltlichen Tätigkeit.

Der Antragsteller, der als Bevollmächtigter der ER (Auftraggeberin) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Juni 2015, mit dem der Auftraggeberin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 1. März 2015 versagt worden waren, Widerspruch eingelegt hatte, hatte als Verfahrensbevollmächtigter der Auftraggeberin am 24. Juni 2015 beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Auftraggeberin vorläufig ab dem 24. Juni 2015 bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Leistungsantrag vorläufig Arbeitslosengeld II zu bewilligen. Mit Beschluss vom 3. August 2015 – S 91 AS 12859/15 ER hatte das Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner verpflichtet, für den Zeitraum ab dem 24. Juni 2015 bis zum rechtskräftigen Abschuss eines Verfahrens in der Hauptsache, längstens jedoch bis einschließlich zum 31. August 2015, der Auftraggeberin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 399 Euro monatlich zu gewähren. Zugleich war der Antragsgegner zur Erstattung der zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin verpflichtet worden.

Mit dem am 21. August 2015 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag beantragte der Antragsteller, dem Antragsgegner gemäß § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Zwangsgeld von 1.000 Euro für den Fall anzudrohen, dass er nicht unverzüglich die nach dem Beschluss vom 3. August 2015 zu gewährenden Leistungen an die Auftraggeberin auszahlt. Der Antragsgegner, der den Antrag für unzulässig gehalten hat, hatte dem Antragsteller mit Schreiben vom 19. August 2015 mitgeteilt, dass in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin heute ein Betrag von insgesamt 891,10 Euro angewiesen worden sei. Am 28. August 2015 erklärte der Antragsteller, dass das Anerkenntnis angenommen werde. Zugleich hat er beantragt, dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen.

Am 3. September 2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, nachstehende Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Erkenntnisverfahren) Nr. 3102 300,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 20,00 Euro 1,3 Verfahrensgebühr (Vollstreckungsverfahren) nach Streitwert von 891,10 Euro Nr. 3100 104,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 20,00 Euro Nettosumme 444,00 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 84,36 Euro zu zahlender Betrag 528,36 Euro.

Mit dem am 12. Februar 2016 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag hat der Antragsteller die Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beantragt.

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 500 Euro festgesetzt: Maßgeblich sei insoweit nicht der Wert der zu erzwingenden Handlung, sondern die Höhe des beantragten Zwangsgeldes und, da vorliegend nicht die Festsetzung, sondern lediglich die Androhung begehrt worden sei, hiervon die Hälfte. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es u. a.: Die Frist für die Einlegung der Beschwerde endet sechs Monate, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich anderweitig erledigt hat.

Gegen den ihm am 18. Oktober 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. November 2018 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.

Er meint, die Beschwerde sei nicht verfristet, da die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. Die Beschwerde sei auch begründet, da Anhaltspunkte, nach denen der Streitwert nur auf 500 Euro festzusetzen wäre, nicht benannt und auch sonst nicht ersichtlich seien. Die im angefochtenen Beschluss zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts LSG - Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2006 – L 7 B 124/03 KA werde von anderen, wohl überwiegenden Stimmen der Rechtsprechung nicht geteilt. Der Wert der Zwangsvollstreckung könne nicht geringer als der Wert der gerichtlichen Entscheidung sein. Die Höhe des Zwangsgeldes sei daher völlig unerheblich. Bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sei auch deren Höhe nicht zur Begrenzung des Streitwertes geeignet, da das Leben nicht relativierbar sei. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei daher von einem Streitwert von 5.000 Euro auszugehen. Die Zwangsvollstreckung sei nicht nach § 882a Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 198 Abs. 1 SGG, sondern nach § 201 SGG statthaft gewesen. Die einstweilige Anordnung sei auch nicht beziffert gewesen. Der Betrag der zu vollstreckenden Zahlung habe sich somit nicht unmittelbar aus dem Beschluss ergeben, sondern habe unter Anwendung der Regeln zur Berechnung von Leistungen für mehrere Tage eines Monats ausgerechnet werden müssen. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums werde die Hauptsache vorweggenommen.

Dem Antragsteller ist Gelegenheit gegeben worden, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er ohne Verschulden verhindert gewesen ist, die Beschwerdefrist einzuhalten sowie die Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, welche eine Wiedereinsetzung begründen.

Der Antragsteller hat vorgetragen, da kein Fristversäumnis vorliege, bedürfe es keiner Tatsachen zur Begründung einer Wiedereinsetzung.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht fristgerecht erhoben. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.

Nach § 1 Abs. 3 RVG, wonach die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen, i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 zweiter Halbsatz RVG entscheidet über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter - wie hier - oder einem Rechtspfleger erlassen wurde.

Die Vorschrift des § 33 Abs. 8 Satz 1 zweiter Halbsatz RVG ist seit dem Inkraftreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl I 2013, 2586) zum 1. August 2013 auch auf solche Gerichte wie das LSG, die eine generelle Entscheidung durch den Einzelrichter nach der jeweiligen Prozessordnung nicht kennen, anwendbar (vgl. Bundesfinanzhof - BFH, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – VII S 37/14, Rdnr. 1, zitiert nach juris; Bundesgerichtshof - BGH, Beschluss vom 08. März 2017 – X ZB 11/16, Rdnr. 1, zitiert nach juris; zur alten Rechtslage vgl. u. a. BFH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – X S 25/12, Rdnr. 15, zitiert nach juris).

Die Beschwerde ist auslegungsbedürftig, denn sie ist "in dem Sozialrechtsstreit E R./. Jobcenter" erhoben worden, ohne dass in der Beschwerdeschrift der Beschwerdeführer bezeichnet ist.

Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz RVG können gegen den Beschluss, mit dem die Höhe des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit festgesetzt wird, die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen. Antragsberechtigt sind nach § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 RVG die Staatskasse.

Die Festsetzung eines solchen Gegenstandswertes hat der Antragsteller beantragt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RVG. Danach gilt: In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Abs. 1 SGG werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet.

Die Festsetzung eines solchen Gegenstandswertes kommt danach in Betracht, denn das zugrunde liegende gerichtliche Verfahren ist kostenfrei, so dass die Festsetzung eines Streitwertes ausscheidet.

Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. In Verfahren nach § 201 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Auftraggeberin als Leistungsempfängerin beteiligt. Zu den Leistungsempfängern rechnen alle Personen, die Sozialleistungen im Sinne des § 11 Satz 1 SGB I, also die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen u. a. Geldleistungen, mithin auch Leistungen nach dem SGB II, beziehen bzw. geltend machen. Damit findet § 197a Abs. 1 erster Halbsatz SGG keine Anwendung, wonach Kosten nach den Vorschriften des GKG (nur) erhoben werden, wenn in dem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.

Beschwerdebefugt sind danach sowohl der Rechtsanwalt als auch sein Auftraggeber. Mithin bedarf es im konkreten Einzelfall der Klärung, welche von diesen beiden Personen die Beschwerde eingelegt hat.

Voraussetzung eines Beschwerderechts ist ein eigenes Interesse an der Änderung der Festsetzung, also eine Beschwer. Diese bestimmt sich einerseits nach der Person, die sich gegen die Höhe der Festsetzung richtet, und andererseits nach dem erstrebten Ziel. Dem Beteiligten als Auftraggeber seines Rechtsanwalts mangelt es an einer Beschwer hinsichtlich einer höheren Festsetzung; er kann nur an einer niedrigeren Festsetzung ein Interesse haben, denn damit geht zugleich die Verringerung der seinem Rechtsanwalt geschuldeten Vergütung einher. Demgegenüber mangelt es dem Rechtsanwalt hinsichtlich einer niedrigeren Festsetzung an einer Beschwer; sein Interesse kann allein in einer höheren Festsetzung bestehen, denn diese ist mit einem höheren Vergütungsanspruch verbunden. Wegen dieser widerstreitenden Interessen muss aus der Beschwerde hervorgehen, ob der Rechtsanwalt sie im eigenen Namen oder für seinen Auftraggeber als Beteiligten einlegt (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, Beck-Online, § 33, Rdnr. 14; § 32 Rdnrn. 126 und 127).

Ausgehend davon bleibt nach der Beschwerdeschrift offen, ob der Antragsteller oder seine Auftraggeberin die Beschwerde eingelegt haben. In der Beschwerdeschrift heißt es lediglich "wird gegen den Beschluss vom 4. Oktober 2018 Beschwerde erhoben". Allerdings ist diese Erklärung dahingehend auslegungsfähig, dass Beschwerdeführer der Antragsteller selbst ist. Da es vorliegend um eine höhere Festsetzung geht, so dass eine Beschwer der Auftraggeberin ausscheidet, ist die Erklärung in der Beschwerdeschrift dahin auszulegen, dass sie vom Antragsteller im eigenen Namen abgegeben worden ist. Bei sachgerechter Auslegung entspricht allein dies dem Anliegen, eine höhere Festsetzung zu erreichen. Die Grenzen der Auslegung werden dadurch nicht überschritten, denn die Erklärung in der Beschwerdeschrift ist hinsichtlich des Erklärenden unklar und lässt deswegen eine solche Auslegung zu.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht fristgerecht erhoben.

Nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

Die Beschwerde ist danach verfristet, denn die Beschwerde gegen den dem Antragsteller am 18. Oktober 2018 zugestellten Beschluss ist erst am 29. November 2018, mithin außerhalb der Frist von zwei Wochen, eingelegt worden.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Beschwerde nicht deswegen als fristgemäß anzusehen, weil in der Rechtsmittelbelehrung über die Beschwerdefrist falsch belehrt wurde. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG, der bestimmt, dass, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs (noch) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist, ist nicht anzuwenden. Nach § 1 Abs. 3 RVG gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Insoweit ist auch § 33 Abs. 5 RVG vorrangig.

§ 33 Abs. 5 RVG bestimmt: War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden (Sätze 1 bis 3).

Eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung eröffnet danach keine verlängerte Frist von einem Jahr, sondern begründet lediglich die Vermutung des Fehlens von Verschulden.

Dem Antragsteller ist nach dieser Vorschrift jedoch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Antragsteller hat zwar nicht ausdrücklich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Ein solcher Antrag könnte konkludent in seinem Schriftsatz über die Einlegung der Beschwerde enthalten sein, denn darin bezieht er sich auf die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung und verweist darauf, dass die Beschwerde daher als fristgemäß anzusehen sei, also eine inhaltliche Überprüfung des Beschlusses ermöglicht. Bei weitester ihre Grenzen tangierender Auslegung mag darin noch ein solcher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als notwendige Voraussetzung nach inhaltlicher Überprüfung des angefochtenen Beschlusses zum Ausdruck kommen. Dies kann letztlich aber dahin stehen, denn Gründe für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor und sind auch nicht vorgetragen.

Der Antragsteller war nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten.

Ein fehlendes Verschulden scheidet nicht deswegen aus, weil nach § 33 Abs. 5 Satz 2 RVG ein solches vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung insbesondere fehlerhaft ist. Voraussetzung dafür ist vielmehr zunächst, dass die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung überhaupt für die Fristversäumnis ursächlich geworden ist. An einer solchen Ursächlichkeit mangelt es in denjenigen Fällen, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten ebenso wie bei Behörden, die ein gerichtliches Verfahren in einem zugewiesenen Aufgabenkreis führen, regelmäßig der Fall (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2013 – XII ZB 6/13, Rdnrn. 7 und 8, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2013, 1308). Zwar dürfen sich ein anwaltlich vertretener Beteiligter und selbst dessen Rechtsanwalt im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen. Allerdings muss von einem Rechtsanwalt, zu dessen Pflichten es gehört, seinen Mandanten zutreffend über die formellen Voraussetzungen des gegebenen Rechtsmittels zu belehren, erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. An einem entschuldbaren Rechtsirrtum fehlt es hingegen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und sie deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – V ZB 178/15, Rdnr. 12, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2017, 1112; BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 – XII ZB 592/11, Rdnrn. 8 und 9, zitiert nach juris, abgedruckt in MDR 2012, 928; zum Sachverhalt eines zwar vermeidbaren, aber entschuldbaren Rechtsirrtums eines Rechtsanwalts vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 – V ZB 198/11 Rdnrn. 1, 11 und 12, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2012, 2443, m.w.N.).

Ausgehend davon erweist sich die vom Sozialgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung als offenkundig falsch. Dabei ist nicht wesentlich, dass sich das Sozialgericht wegen der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Frist auf § 68 i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bezogen hat, also auf Vorschriften, die die Beschwerdefrist gegen einen Beschluss, mit dem der Wert für Gerichtsgebühren festgesetzt wird (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG), regeln, wobei § 68 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz GKG übersehen worden ist, wonach, wenn der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der vom Sozialgericht in der Rechtsmittelbelehrung benannten Frist festgesetzt worden ist, die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden kann. Auf letztgenannte Vorschrift hebt der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung ab. Ebenso wie das RVG bestimmt auch das GKG mit seinem § 1 Abs. 5, dass die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen und enthält mit § 68 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 GKG dieselben Regelungen wie § 33 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 RVG. Maßgebend ist vielmehr, dass der Antragsteller, wie mit der Beschwerde vorgetragen, zutreffend erkannt hat, dass die Frist von sechs Monaten bereits seit langem verstrichen war. Nach dieser Rechtsmittelbelehrung wäre mithin überhaupt keine Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels mehr gegeben. Wäre dies jedoch tatsächlich der Fall, wäre eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend zu erwarten gewesen, dass gegen den Beschluss eine Beschwerde nicht stattfindet. Angesichts der mangelnden Sinnhaftigkeit der gegebenen Rechtsmittelbelehrung, die bereits zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 18. Oktober 2018 deutlich gewesen ist, muss von einem Rechtsanwalt, der die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt, erwartet werden, dass er die Beschwerde in der vom Gesetz vorgesehenen Frist einlegt. Da der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf von sechs Monaten, nachdem sich das Verfahren gerichtet auf Androhung von Zwangsgeld am 28. August 2015 anderweitig erledigt hatte, festgesetzt worden ist, wäre danach die Frist von einem Monat seit Zustellung des Beschlusses vom 4. Oktober 2018 ab 19. Oktober 2018 eröffnet gewesen. Innerhalb dieser Monatsfrist ist die Beschwerde allerdings nicht eingelegt worden.

Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, dass die Frist von einem Monat ohnehin nicht die zutreffende Frist ist, da das GKG keine Anwendung findet. Es ist kein Wert für Gerichtsgebühren, also ein Streitwert, festzusetzen gewesen. Vielmehr ist, wie vom Antragsteller beantragt, der Gegenstandswert für eine anwaltliche Tätigkeit nach § 33 RVG festzusetzen gewesen. Selbst wenn daher der Antragsteller irrtümlich wegen des Begriffes "Streitwert" und der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Vorschriften des GKG davon ausgegangen wäre, dass das Sozialgericht mit der Festsetzung eines "Streitwertes" tatsächlich einen Beschluss über den Wert für Gerichtsgebühren erlassen hätte, hätte sich der Antragsteller jedenfalls nicht einmal so verhalten, als wäre mit diesem Beschluss tatsächlich ein Wert für Gerichtsgebühren festgesetzt worden, denn er legte gerade nicht innerhalb der Monatsfrist die Beschwerde ein.

Ist der Antragsteller somit wegen offenkundig falscher Rechtsbehelfsbelehrung nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, scheidet eine Wiedereinsetzung aus. Es ist vom Antragsteller auch nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, dass ihm gleichwohl die Einhaltung der Frist ohne Verschulden nicht möglich gewesen ist.

Angesichts dessen muss die Beschwerde erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 33 Abs. 9 RVG, wonach das Verfahren über den Antrag gebührenfrei ist und Kosten auch im Verfahren über die Beschwerde nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss kann nicht mit der weiteren Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).
Rechtskraft
Aus
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