L 1 KR 328/18 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 167/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 328/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. August 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem genannten Urteil des Sozialgerichts Potsdam ist unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren die Erstattung der Kosten der Hin-und Rückfahrt als Krankentransport zu ihrem Hausarzt am 5. September 2014 begehrt. Streitig ist damit ein Anspruch auf eine einmalige Leistung. Der für die Zulassung der Berufung kraft Gesetzes dann erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 EUR wird vorliegend nicht erreicht, weil ihr 81,54 EUR in Rechnung gestellt wurden.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsache nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl. Kummer, Der Zugang zur Berufungsinstanz nach neuem Recht, NZS 1993, S. 337 ff. [341] m. w. Nachw.).

Die Klägerin hat keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. Eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich. Sie wirft der Sache nach die Frage auf, ob Vertrauensschutz bzw. Gewohnheitsrecht die Übernahme des Krankentransports zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gebieten, wenn die behandelnden Ärzte jahrelang die entsprechende Verordnung beim Arztbesuch ausgestellt hätten, zudem auch immer erst vor der Rückfahrt.

Allerdings ist die Frage eines Vertrauensschutzes bereits höchstrichterlich entschieden. Sowohl das Sozialgericht als auch die Beklagte im angegriffenen Bescheid stellen darauf ab, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen (ausnahmsweisen) Krankentransport - hier im Transportstuhl zur Bewältigung der Treppen im Wohnhaus - auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse von und zum Hausarzt nicht vorgelegen haben. Anspruchsgrundlage wäre hier alleine § 60 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat (so bereits Bundessozialgericht Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 20/05 R -,juris Rdnr. 9). Für eine Kostenerstattung reicht das Vorhandensein einer Verordnung alleine nicht aus. Der Tatbestand einer der nach den gesetzlich festgelegten Ausnahmefälle muss erfüllt sein, wie dies im Urteil ausführlich dargestellt ist. Die Verordnung ist hier - wie auch die Klägerin einräumt - nicht vollständig ausgefüllt, weil offenbar der Arzt selbst keine der erforderlichen Alternativen attestieren wollte. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, dass ein Versicherter sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wenn der verordnende Arzt die Notwendigkeit des Krankentransports nicht begründet und dies auch später nicht noch ergänzt (BSG, Urteil vom 12. September 2012 - B 3 KR 17/11 R -, Rdnr. 30, juris).

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Ärzte die Verordnungen bis dahin immer vollständig ausgefüllt hätten. Denn rechtlich begründet eine rechtswidrige Leistung keinen Vertrauensschutz auf deren Fortsetzung (BSG, Urteil vom 20. März 2018 - B 1 KR 4/17 R -,Rdnr. 26). Wie im Urteil dargestellt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass erstmals am 5. September 2014 die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles nicht (mehr) vorgelegen haben.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines Obergerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Dieser Zulassungsgrund setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines Obergerichts zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Dabei muss das abweichende Gericht den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 160 Rdnr. 13 und 14 m. w. Nachw.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 23. August 2018 weder einen Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Obergerichte zitiert noch gar einen eigenen Rechtssatz in bewusster Abweichung von einem obergerichtlichen Rechtssatz entwickelt. Es ist insbesondere nicht von der Vorgabe abgewichen, dass in besonderen Ausnahmefällen entsprechend den nicht abschließend zu verstehenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten bestehen kann.

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der geltend gemachte Mangel muss sich auf das Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil und nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen. Der Verfahrensmangel muss wesentlich sein, d. h. das angefochtene Urteil muss auf diesem Mangel beruhen können. Dies ist schon dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, das Gericht also ohne diesen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Urteil gekommen wäre (Leitherer, a. a. O., § 160 Rdnr. 23). Dabei ist bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, von der Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen, dem der Verfahrensmangel unterstellt wird. Solche Gründe sind hier nicht gerügt und auch ansonsten nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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