L 24 KA 39/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 74/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 39/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 25/19
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Neben einem vollen Versorgungsauftrag scheidet ein weiterer hälftiger Versorgungsauftrag aus.
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger muss für die Kosten des Rechtsstreits aufkommen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche ihre Kosten jeweils selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt zusätzlich zu seinem vollen Versorgungsauftrag im hausärztlichen Bereich einen weiteren halben Versorgungsauftrag.

Er ist 1937 geboren und Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie. Er ist seit 1. März 2007 in D im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 2), der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, zur vertragsärztlichen Versorgung im hausärztlichen Bereich mit einem vollen Versorgungsauftrag zugelassen. Die Öffnungszeiten seiner Praxis sind von Montag bis Donnerstag von 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 14:00 bis 18:00 Uhr sowie am Freitag von 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

Der Kläger beantragte im August 2013 die Zulassung mit einem halben Versorgungsauftrag als Facharzt für Innere Medizin (Hausarzt) an seinem Wohnort N, also im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1), der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Er wolle seinen Praxisbetrieb in D in vollem Umfange wie bisher aufrechterhalten mit einem "Zeitplan nach Ihrer Genehmigung". Zusätzlich wolle er seine Patienten in N und Umgebung ab Freitagmittag versorgen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte für das Land Brandenburg lehnte den Antrag in seiner Sitzung am 21. Mai 2014, ausgefertigt am 12. August 2014, ab. Zur Begründung führte er aus, der Planungsbereich E sei für die Zulassung von weiteren Hausärzten begrenzt geöffnet. Allerdings sei neben einer Beschäftigung in Vollzeit die Wahrnehmung eines hälftigen Versorgungsauftrages ausgeschlossen. § 20 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) stehe der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere Tätigkeit entgegen. Neben seinem vollen Versorgungsauftrag in D sei der Kläger nicht in der Lage, einen weiteren halben Versorgungsauftrag als Hausarzt in N einschließlich der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst zu erfüllen. Ein regelmäßiges und verlässliches Angebot von Sprechstunden zu den Zeiten, die für eine vertragsärztlich-hausärztliche Versorgung üblich seien, könne angesichts des Umstandes, dass der Kläger beabsichtige, lediglich Freitags und Samstags Sprechstunden anzubieten, auch im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages nicht gewährleistet werden. Angesichts der Entfernung von ca. 240 km zwischen beiden Praxisorten sei überdies die Einhaltung der Präsenzpflicht nicht möglich.

Der Kläger erhob Widerspruch: Da er am beantragten Praxisort N privat wohne, sei auch die Teilnahme am Bereitschaftsdienst gewährleistet. Notfalls werde er sich hierfür in S frei nehmen und dies anzeigen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 17. Februar 2015 (ausgefertigt am 21. Mai 2016; zugestellt am 22. Mai 2016) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, der Kläger nehme seinen vollen Versorgungsauftrag in D mit teilweise überdurchschnittlicher Sprechstundenzeit wahr. Dieser Vollauslastung an fünf Werktagen in der Woche stehe eine weitere Zulassung, auch als Teilzulassung, entgegen. Hinzu komme, dass der Kläger am beabsichtigten weiteren Standort Sprechstunden nur Freitagnachmittag und samstags anbieten wolle. Die langen Fahrzeiten legten jedoch Zweifel nahe, ob der Kläger jeweils rechtzeitig eintreffen könne.

Hiergegen hat der Kläger am 22. Juli 2015 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, im Planungsbereich E drohe im hausärztlichen Versorgungsbereich eine Unterversorgung. Deshalb liege bereits darin, dass ein weiterer Arzt dort eine weitere Praxis betreiben wolle, eine Versorgungsverbesserung. Zudem praktiziere der vor Ort behandelnde Vertragsarzt Dr. K gerade nicht am Freitagnachmittag und am Samstag. Insoweit käme es in N zu einer deutlichen Versorgungsverbesserung. Hinsichtlich des vertragsärztlichen Notdienstes würden die Versicherten bereits jetzt ggf. nach Everwiesen. Des Weiteren sei die Versorgung am weiteren Praxisstandort D nicht gefährdet, wie sich aus einer Stellungnahme des Zulassungsausschusses Ärzte Chemnitz vom 17. Mai 2013 ergebe. Bei einem halben Versorgungsauftrag sei regelmäßig eine Präsenz nicht an fünf Tagen in der Woche gegeben. Im Falle eines hälftigen Vertragssitzes in N sei er bereit, seinen Tätigkeitsumfang in D zu verringern.

Das SG hat mit Urteil vom 29. März 2017 den Beschluss des Beklagten vom 17. Februar 2015 aufgehoben und diesen verpflichtet, den Kläger zur vertragsärztlichen Versorgung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag in N zuzulassen. Zur Begründung führt es aus, es sei § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV in der seit 1. Januar 2012 Geltenden Fassung anzuwenden. Zur Anwendung der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV habe das BSG neben einem hälftigen Versorgungsauftrag eine Beschäftigung im Umfang von höchstens 26 Wochenstunden für zulässig gehalten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 40/09 R). Auf die konkrete Stundenzahl komme es jedoch nicht mehr an. Denn mit der Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV zum 1. Januar 2012 hänge die Erteilung der vertragsärztlichen Zulassung nicht mehr davon ab, dass eine daneben ausgeübte Beschäftigung des Vertragsarztes eine konkrete Stundenzahl nicht überschreite. Eine feste zeitliche Grenze gelte nicht mehr. Damit könne die Erteilung der Zulassung auch nicht mehr pauschal von der Einhaltung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von insgesamt 52 Stunden in der Woche oder davon abhängig gemacht werden, dass der Arzt nicht überwiegend in einem Beschäftigungsverhältnis tätig sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 6 KA 19/15 R -). Zwar habe das BSG in letztgenannter Entscheidung die Genehmigung eines hälftigen Versorgungsauftrages abgelehnt, jedoch sei der dortige Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Der hiesige Kläger habe zwar in D einen vollen Versorgungsauftrag und fülle ihn mit wöchentlich 41 Sprechstunden aus. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass dieser (volle) Versorgungsauftrag kein Beschäftigungsverhältnis in einem abhängigen Anstellungsverhältnis sei. Der Kläger sei nicht verpflichtet, in D 41 Sprechstunden pro Woche anzubieten. Er wolle seinen Tätigkeitsumfang in D durchaus verringern. Ob dies dahingehend auszulegen sei, dass er nur noch einen hälftigen Versorgungsauftrag in D ausüben wolle oder lediglich seine wöchentlichen Sprechstundenzeiten zulässigerweise reduzieren wolle, könne dahinstehen, denn auch ein voller Versorgungsauftrag stehe einem weiteren hälftigen Versorgungsauftrag grundsätzlich nicht entgegen. Denn dann müsse der volle Versorgungsauftrag auch einer Zweigpraxisgenehmigung entgegenstehen. Mit der Maßgabe, dass der Kläger tatsächlich bereit sei, seinen Tätigkeitsumfang in D zu reduzieren, sei deshalb der Beklagte bei Erfüllung aller weiteren Zulassungsvoraussetzungen verpflichtet, dem Kläger die begehrte halbe Zulassung zu erteilen ggf. verknüpft mit einer Bedingung.

Gegen dieses ihm am 20. April 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 16. Mai 2017. Zur Begründung führt er aus, ein hälftiger Versorgungsauftrag neben einem vollen Auftrag sei nicht mit § 20 Ärzte-ZV vereinbar. § 20 Ärzte-ZV regele nur die Prüfung einer Zulassung zu einem Versorgungsauftrag neben einer Beschäftigung, jedoch nicht neben einer bereits bestehenden vertragsärztlichen Tätigkeit (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 6 KA 5/15 R). In diesem Urteil habe das BSG aber die Ablehnungen zu einem hälftigen Versorgungsauftrag bei einem beamteten Professor einer medizinischen Hochschule bestätigt. Mögliche Anspruchsgrundlage für eine Tätigkeit außerhalb des bisherigen Vertragsarztsitzes sei alleine § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Aus § 24 Ärzte-ZV folge aber, dass es neben einem vollen Versorgungsauftrag keinen hälftigen geben könne. Im Übrigen stehe die Entscheidung des SG auch nicht im Einklang mit den untergesetzlichen Normen für die Ausgestaltung von Versorgungsaufträgen und die damit verbundenen Versorgungspflichten im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. dessen Anlage 5, den Vertrag über die hausärztliche Versorgung. Sowohl der BMV-Ä als auch der Hausarztvertrag sähen innerhalb des Versorgungsauftrages umfassende Pflichten vor, die nicht nach beliebiger zeitlicher und örtlicher Gestaltung erfüllt werden könnten (§ 17 BMV-Ä; § 2 Hausarztvertrag). Die rechtlich verbindlichen Regelungen in § 95 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und in § 19 a Ärzte-ZV sowie in §§ 1 a Nr. 29, 17 Abs. 1 a BMA-Ä verböten neben einem rechtlich vollen Versorgungsauftrag einen weiteren, auch wenn die Sprechstunden zeitlich gestaltbar seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es gäbe keine Vorschrift, die einen hälftigen Versorgungsauftrag neben einem vollen ausschlösse. Gegenteiliges ergebe sich, wie bereits dargelegt, aus der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers, zwei Praxen trotz bestehenden vollen Vertragsarztsitzes zuzulassen. Zu Recht habe das SG das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 angeführt. Dort sei zwar ein Anspruch auf einen hälftigen Versorgungsauftrag neben einer Vollzeitstelle mit einer Verpflichtung zu einer Tätigkeit im Umfang von über 50 Wochenstunden verneint worden, nicht hingegen neben einer Teilzeitbeschäftigung. Bei der Entscheidung des BSG vom 8. September 2016 (B 6 KA 32/15 R) habe es sich um einen Anspruch auf zwei volle Zulassungen für zwei Fachgebiete gehandelt. § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V regele weder relative noch absolute Zeitgrenzen für Beschäftigungen, die neben einer ärztlichen Tätigkeit ausgeübt würden. § 19a Ärzte-ZV stelle zwar klar, dass eine Zulassung den Arzt verpflichte, die vertragsärztliche Tätigkeit vollzeitig auszuüben. Damit solle allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass ein Vertragsarzt zeitgleich eine weitere Tätigkeit ausüben könne, die den Vorgaben des § 20 Ärzte-ZV entspreche. § 17 Abs. 1a BMV-Ä verpflichte den Vertragsarzt lediglich dazu, an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen (bei vollem Versorgungsauftrag). Das BSG gehe in diesem Zusammenhang davon aus, dass zu den Sprechstundenzeiten ein Aufschlag von 30 bis 50 % für notwendige Begleitleistungen zu addieren sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 40/09 R). Damit müsse er bei einem vollen Versorgungsauftrag mindestens 30 Stunden in der Woche (bei einem Maximalaufschlag von 50 %) bzw. bei einem halben Versorgungsauftrag mindestens 15 Stunden in der Woche tätig sein. Bislang arbeite er bei 41 Sprechstunden wöchentlich zuzüglich eines Aufschlages von 50 % 61,5 Stunden in der Woche. Durch Reduktion dieses vollen Versorgungsauftrages auf das gesetzlich zulässige Minimum von 20 Sprechstunden in der Woche und einem weiteren halben Versorgungsauftrag mit 10 Sprechstunden in der Woche wäre er nur 45 Stunden in der Woche tätig. Das erstinstanzliche Urteil sei jedenfalls mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Verpflichtung zur Erteilung des hälftigen Versorgungsauftrags in Nunter der aufschiebenden Bedingung einer Beschränkung des Auftrages in Dauf einen hälftigen Versorgungsauftrag auszusprechen sei. Vorsorglich werde angeregt, die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Der Beklagte hat zu Recht die Zulassung des Klägers mit einem hälftigen Vertragsarztsitz in N zusätzlich zum vollen Vertragsarztsitz in D abgelehnt. Die Klage hiergegen ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klage ist zulässig. In Zulassungssachen ist der Berufungsausschuss alleiniger Beteiligter des gerichtlichen Verfahrens, soweit das Gesetz nicht anderes regelt. Denn sein Bescheid ist alleiniger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens (BSG, Urteil vom 16. Mai 2018 -B 6 KA 1/17 R- Rdnr. 20).

Die Klage ist unbegründet.

Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB V kann sich jeder Arzt um die Zulassung als Vertragsarzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arztregister nachweist. Die Zulassung bewirkt, dass der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags berechtigt und verpflichtet ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung und die Beschränkung von Zulassungen bestimmen nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zulassungsverordnungen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 6 KA 19/15 RBSGE 120, 197-209, Rdnr. 18). § 20 Ärzte-ZV regelt dabei, wann ein Beschäftigungsverhältnis oder – wie hier – eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegensteht. § 20 Abs. 1 S. 1 Ärzte ZV lautet:

"Ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit steht der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten"

Entgegen der Auffassung des Beklagten regelt § 20 Ärzte-ZV nicht nur, wann eine (abhängig ausgeübte) Beschäftigung einer Vertragsarztzulassung entgegensteht, sondern ebenso andere Tätigkeiten, die nicht bloße Ehrenämter sind. Davon geht ohne Weiteres auch das BSG aus (a. a. O. Rdnr. 30).

Eine hälftige Zulassung in Brandenburg neben einem vollen Versorgungsauftrag in Sachsen scheitert bereits daran, dass es rein praktisch nicht, wie dies § 20 Ärzte-ZV voraussetzt, möglich ist, sowohl den Patienten in Dwie in N in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten (vgl. LPK-SGB V/Rita Murawski, 5. Aufl. 2016, SGB V § 98 Rdnr. 8 mit Bezugnahme auf BT-Drucks. 17/6906 S. 104). Zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags haben die zugelassenen Leistungserbringer am Vertragsarztsitz persönlich Sprechstunden abzuhalten, § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV. Die angebotenen Sprechzeiten mussten und müssen nach dem BMV-Ä bei Vertragsärzten einen Umfang von mindestens 20 Wochenstunden bei einem vollem und mindestens 10 Stunden bei einem hälftigen Versorgungsauftrag haben, vgl. § 17 Abs. 1a BMV-Ä. Ganz aktuell ist der Arzt nach § 19 a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV in der Fassung durch das Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice-und Versorgungsgesetz – TSVG) vom 6. Mai 2019 mit Wirkung vom 11. Mai 2019 verpflichtet, im Rahmen einer vollzeitig vertragsärztlichen Tätigkeit mindestens 25 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden für gesetzlich Versicherte zur Verfügung zu stehen. Ärzte, die an der hausärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 1a Satz 2 SGV) teilnehmen und die insbesondere den Arztgruppen der grundversorgenden und wohnortnahen Patientenversorgung angehören, müssen dabei (bei vollzeitiger Tätigkeit) mindestens fünf Stunden wöchentlich als offene Sprechstunden ohne vorherige Terminvereinbarung anbieten. § 20 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV regelt ferner explizit, dass die Sprechzeiten zu den "üblichen Zeiten" angeboten werden müssen. Es reicht also nicht aus, die Zeiten in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden oder am Wochenende anzubieten (so zutreffend Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, Rdnr. 134). Zu Recht hat der Beklagte deshalb darauf hingewiesen, dass zu einer hausärztlichen Versorgung Sprechzeiten zu den üblichen Zeiten werktags und eine Präsenz vor Ort gehört. Der Kläger will aber nur freitags und samstags in Npraktizieren. Das BSG hat im Beschluss im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren gegen das den Kläger betreffende Urteil des Senats vom 07. September 2017 (L 24 KA 26/16; Begehren auf Genehmigung einer Zweigpraxis) bereits betont, dass bei einer auf Kontinuität der Arzt-Patienten-Beziehung angelegte Tätigkeit, wie sie die hausärztliche Tätigkeit in besonderem Maße darstellt, ein Sprechstundenangebot an lediglich einem oder zwei Tagen in der Woche kaum qualitativ hochwertig wahrgenommen werden kann (BSG, B. v. 16. Mai 2018 - B 6 KA 69/17 B – Rdnr.14).

Die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte sind nach § 2 Abs. 3 Hausarztvertrag darüber hinaus explizit verpflichtet, kontinuierlich eine Dienstbereitschaft für erkrankte eigene Patienten auch in den sprechstundenfreien Zeiten - ggf. in Kooperation mit anderen hausärztlich tätigen Praxen- zu gewährleisten. Sie müssen ferner eine regelmäßige Hausbesuchstätigkeit zur Behandlung bettlägeriger, gebrechlicher und pflegebedürftiger Patienten ausüben sowie eine Notfallversorgung sicherstellen, einschließlich der Einbindung in den organisierten ärztlichen Notfalldienst. Der allgemein organisierte Notfalldienst reicht danach zur Erfüllung dieser Pflicht nicht aus. Auch hierzu ist der Kläger bereits aufgrund der Entfernung zwischen Dund N nicht in der Lage. Bereits daran scheiterte eine Verpflichtung des Beklagten unter der aufschiebenden Wirkung eines Verzichtes auf einen hälftigen Versorgungsauftrag in D.

Ganz allgemein hat das BSG für die Zulassung mit einem weiteren hälftigen Versorgungsauftrag neben einem bereits bestehenden halben Auftrag gefordert, sicherzustellen, dass die zweite Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt. Jedenfalls dann, wenn ein (Zahn-)Arzt jeweils in Einzelpraxis tätig werden will, muss er gewährleisten, dass er an beiden Vertragsarztsitzen - jeweils im Umfang hälftigen Versorgungsauftrags - für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht. Eine (zahn)ärztliche Praxis muss in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein und darf nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 – B 6 KA 11/14 R –, SozR 4-2500 § 95 Nr. 29, Rdnr. 44).

Der streitgegenständliche Antrag des Klägers müsste zudem auch abschlägig beschieden werden, wenn der Kläger die zuvor skizzierten Voraussetzungen formal erfüllen könnte, indem unterstellt wird, dass der Hauptvertragsarztsitz in der Nähe von Nläge. Zwar hat das BSG soweit ersichtlich noch nicht ausdrücklich einen Fall wie vorliegend entschieden, bei welchem ein mit vollem Auftrag zugelassener Vertragsarzt darüber hinaus explizit eine weitere hälftige Zulassung begehrt. Es ist aber bereits geklärt, dass neben einem vollen Vertragsarztauftrag kein weiterer erteilt werden kann. Das BSG hat bereits klargestellt, dass auch bei einer zugelassenen Tätigkeit in zwei Fachgebieten insgesamt stets nur ein voller Versorgungsauftrag - ggfs. auch in Form zweier hälftiger Versorgungsaufträge- bestehen darf. Dieser aus dem SGB V und der Ärzte-ZV abgeleitete Grundsatz liegt dem Ordnungssystem des Vertragsarztrechts mit der Bedarfsplanung und der Honorarverteilung als wesentlichen Elementen zugrunde. Der Annahme, dass ein für mehrere Fachgebiete zugelassener Arzt über mehr als einen Versorgungsauftrag verfügt, stehen außer der bereits umfassenden Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag insbesondere Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung entgegen. Die darin liegende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit steht mit Art 12 Abs. 1 Grundgesetz im Einklang. An diesem Grundsatz hat sich auch durch die Flexibilisierungsoptionen des VÄndG nichts geändert (BSG, Urteil vom 28. September 2016 – B 6 KA 32/15 R –, Rdnr. 34 mit weiteren Nachweisen). Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers und des SG auch nicht aus der Rechtsprechung des BSG zu Ansprüchen auf Zulassungen neben abhängigen Beschäftigungen: Zu § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass nicht erst einem vollzeitigen Einsatz in einem Beschäftigungsverhältnis oder in einer anderen nicht ehrenamtlichen Tätigkeit einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zwingend entgegenstehe, sondern bereits bei einer Wochenarbeitszeit von mehr als 13 Stunden ein ausreichendes Zur-Verfügung-Stehen für eine vertragsärztliche Tätigkeit regelmäßig ausscheide (BSG, Urt. v. 16. Dezember 2015 –B 6 KA 19/15R- Rdnr. 21). Nachdem der Verordnungsgeber durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) Abs. 2 in § 19a Ärzte-ZV eingeführt hatte, und damit den Vertragsärzten die Möglichkeit eröffnet hat, ihren Versorgungsauftrag auf die Hälfte zu reduzieren, hat das BSG an dem Erfordernis, dass die vertragsärztliche Tätigkeit als Hauptberuf ausgeübt werden müsse, für den Fall der Erteilung einer Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag nicht mehr festgehalten (BSG., a. a. O Rdnr. 22 mit Bezugnahme auf Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R). Allerdings hat der 6. Senat des BSG den Grundsatz, dass die Erteilung einer Zulassung von vornherein ausgeschlossen ist, wenn eine Beschäftigung in Vollzeit ausgeübt wird, auch für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag nicht aufgegeben. Neben dem halben Versorgungsauftrag hat er eine Beschäftigung im Umfang von höchstens 26 Stunden für zulässig gehalten, diese Grenze mit der Verdoppelung des für die volle Zulassung geltenden Werts (13 Stunden) begründet und ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die Obergrenze von 26 Stunden auch ergebe, wenn typisierend von einer zu halbierenden maximalen Gesamt-Wochenarbeitszeit von 52 Stunden ausgegangen werde (BSG., a. a. O.) Nach Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) zum 1. Januar 2012 kann die Erteilung der Zulassung nicht mehr davon abhängig gemacht werden, dass die Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit, die neben der beantragten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübt wird, eine genau festgelegte zeitliche Grenze nicht übersteigt. Denn der Gesetzgeber wollte eine Flexibilisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung erreichen und die zeitlichen Grenzen für Nebenbeschäftigungen der Vertragsärzte lockern (BSG, a.a.O. Rdnr. 26 unter Bezugnahme auf BT-Drucks 17/6906, S. 104). Jedoch sind weder dem durch das GKV-VStG geänderten Wortlaut des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV noch der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der in ständiger Rechtsprechung entwickelte Grundsatz nicht mehr gelten sollte, nach dem jedenfalls der vollzeitige hauptberufliche Einsatz in einem Beschäftigungsverhältnis oder in einer anderen nicht ehrenamtlichen Tätigkeit den Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ausschließt. § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV ist mit dem GKV-VStG nicht aufgehoben, sondern nur modifiziert worden. Auf den Umfang der anderweitigen Tätigkeit kommt es auch nach dem Wortlaut der Neufassung an. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/6906 S 44) sollten die in der Rechtsprechung entwickelten zeitlichen Grenzen für Beschäftigungen, die neben der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübt werden, nicht beseitigt, sondern nur "gelockert" werden (BSG, a. a. O. Rdnr. 28). Selbst bei freier Zeiteinteilung ist in einer vollzeitigen Beschäftigung oder einer anderen vollzeitigen nicht ehrenamtlichen Tätigkeit im Regelfall eine Beanspruchung gegeben, die ein kontinuierliches Angebot von Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten ausschließt (BSG a. a. O. Rdnr. 30). Ein solcher Regelfall liegt bei einer Vollzulassung vor: § 19a Abs. 1 Ärzte-ZV (seit 11. Mai 2019 § 19a Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV) verpflichtet den Arzt, seine vertragsärztliche Tätigkeit mit vollem Versorgungsauftrag in D vollzeitig auszuüben. Hinsichtlich des Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit hat das BSG bereits im Urteil vom 28. September 2010 darauf hingewiesen, dass sich diese Tätigkeit nicht in den Sprechstunden erschöpft. Daneben sind nämlich notwendige Zeiten für Bereitschafts- und Notdienste, für Verwaltung und Abrechnungen anzusetzen. Im Wege der Typisierung ist deshalb zu den Mindestsprechstunden ein Aufschlag von 30 bis 50 % für notwendige Begleitleistungen zu addieren (BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 40/09 R – Rdnr. 21). Zusätzliche Zeit beanspruchen die Privatpatienten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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