L 1 KR 195/19 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 43 KR 28/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 195/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. April 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 29. Mai 2019 erhobene Beschwerde gegen den genannten Beschluss des Sozialgerichts (SG) ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass ein Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte an den Erfolgsaussichten nur orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so hat es anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

An diesen Grundsätzen gemessen, hat das SG den Eilantrag zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird hierauf verwiesen, § 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dies gilt insbesondere für die Verneinung eines Anordnungsgrundes hinsichtlich eines Anspruches auf Kostenerstattung für bereits selbst beschafftes Medizinal-Cannabis und die Verneinung einer Genehmigungsfiktion.

Der Antragsteller hat auch aktuell keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis auf der Grundlage von § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sein Beschwerdevorbringen zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf.

Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol ((–)-&916;9-trans-Tetrahydrocannabinol - = THC) oder Nabilon (ein synthetisches Cannabinoid), wenn 1.) a) eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2.) eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist (Satz 2). Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren (Satz 5).

Ob der Antragsteller unter einer schwerwiegenden Erkrankung in diesem Sinne leidet, ist zwischen den Beteiligten umstritten. Schwerwiegend ist eine Erkrankung, wenn sie die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt. Zu Gunsten des Antragstellers soll hier davon ausgegangen werden, dass seine Leiden (chronische Schmerzen sowie eine rezidivierende depressive Störung / Zustand nach akuter vorübergehender psychotischer Störung) ihn jedenfalls in ihrer Kombination schwer belasten und deshalb schwerwiegend sind. Bereits das SG hat diese Voraussetzung dahingestellt sein lassen.

Allerdings sind die weiteren Voraussetzungen derzeit nicht erfüllt. Es reicht nicht aus, dass die Behandlung mit Cannabioniden beim Antragsteller durchaus sinnvoll sein kann und die Behandler ihm – ausweislich der eingereichten Kopien – bereits vereinzelt Privatrezepte für Cannabisblüten zum Verdampfen ausgestellt haben.

Dass es für die Behandlung der Leiden keine anderen Arzneimittel und/oder andere Behandlungsmethoden gibt, ist zum einen nicht ersichtlich. Bereits das SG hat ausführlich dargestellt, weshalb hier die Schmerzbehandlung nach dem WHO-Stufenschema noch nicht erfolglos durchlaufen worden ist. Eine Behandlung mit Arzneimitteln der Stufe zwei oder gar drei des WHO-Stufenschemas ist –entgegen den Angaben des Behandlers Dr. K- nicht erfolgt, wie das SG ausführlich dargestellt hat. Eine Schmerztherapie ab März 2019 hat der Antragsteller laut eingereichtem Attest des Schmerztherapeuten L(vom 10. April 2019) gar nicht erst begonnen. Auch im Beschwerdevorbringen heißt es lediglich, der aktuelle Schmerztherapeut Dr. Abefürworte die Behandlung mit Medizinal-Cannabis im Zuge einer multimodalen Schmerztherapie.

Es liegt zum anderen keine begründete Einschätzung einer behandelnden Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu dem erforderlichen Genehmigungsantrag vor, in welcher unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Antragstellers dargestellt ist, weshalb die anerkannten Behandlungsmethoden hier nicht zur Anwendung kommen können, und deshalb die Verordnung von Medizinal-Cannnabis für sinnvoll erachtet wird im Sinne des § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1b SGB V. Zum Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Gvom 10. Oktober 2018 hat bereits das SG zutreffend und unter Heranziehung der Gutachten des MDK ausgeführt, dass der pauschale Schluss aus der Unverträglichkeit einer Arzneimittelwirkstoffgruppe der NSAR (Stufe I des WHO-Stufenschemas) auf die generell auch alle anderen Arzneimittel nicht vertragen werden, per se untauglich ist.

Die Stellungnahme des behandelnden Hausarztes Dr. Kvom 6. Dezember 2018 beruht auf der nicht zutreffenden Annahme, dass das WHO-Stufenschema bereits durchlaufen sei.

Im Gutachten des MDK vom 23. Januar 2019 ist ausführlich dargestellt, welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Antragsgegnerin hat deshalb den Antrag zu Recht abgelehnt.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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