L 9 KR 319/18 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 221 KR 1849/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 319/18 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen, die an die Nichtvorlage von Nachweisen zur Glaubhaftmachung einer Erklärung zum Eintritt der Änderung der Verhältnisse geknüpft werden, kann nicht offen bleiben, welche Nachweise das Gericht fordert und mittels welcher Nachweise ein Kläger/eine Klägerin die Aufhebung der Bewilligung vermeiden kann.
2. Die vom Gericht nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative ZPO i.V.m. § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO geforderten Erklärungen und Nachweise müssen geeignet sein, Aufschluss über eine relevante Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben. Solche Erklärungen erfolgen zu dem Zweck, zu prüfen, ob sich die der PKH-Bewilligung zugrunde liegenden Verhältnisse nach Bewilligung geändert haben. Sie dienen nicht dazu, zu ermitteln, ob die Bewilligung ursprünglich rechtmäßig erfolgte.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. September 2018 aufgehoben.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und fristgemäß eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 07. September 2018 ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 01. Dezember 2016 zu Unrecht aufgehoben. Die Voraussetzungen, die § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) aufstellt, waren bereits bei der Entscheidung des Sozialgerichts nicht erfüllt. Sie sind aber jedenfalls mit Erhebung der Beschwerde entfallen.

§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bestimmt:

"Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat."

In Betracht kommt im Fall des Klägers allein die zweite Alternative, auf die das Sozialgericht seine Entscheidung auch gestützt hat. Der Kläger hat vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 01. Dezember 2016 keine unrichtigen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Er hat aber auch keine ungenügende Erklärung zu seinen Verhältnissen i.S. des § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO abgegeben. § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO ermächtigt das Gericht, die Prozesskostenhilfepartei jederzeit zu einer Erklärung aufzufordern, ob nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Das Gericht kann dabei verlangen, dass die Partei das in § 117 Absatz 3 ZPO vorgesehene Formular verwendet und Angaben glaubhaft macht. Spiegelbildlich dazu ist die Prozesskostenhilfepartei ihrerseits verpflichtet, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, wenn sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wesentlich ändern (§ 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Aufforderungen des Sozialgerichts, die der Aufhebung unmittelbar vorausgingen, waren teilweise nicht hinreichend bestimmt. Sie waren aber vor allem nicht von der gesetzlichen Ermächtigung und dem Überprüfungsauftrag umfasst.

Voraussetzung einer Aufhebung der Prozesskostenbewilligung (PKH-Bewilligung) nach der zweiten Alternative des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist ein hinreichendes, auf bestimmte Unterlagen konkretisiertes Verlangen des Gerichts (Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 16. Aufl., § 124 Rn. 6). Das Sozialgericht hat am 14. März 2018 den Kläger u.a. aufgefordert, "seine Vermögensverhältnisse vollumfänglich transparent zu machen" und "Nachweise zum Grundeigentum bzw. den im PKH-Antrag bezeichneten Vermögenswerten" vorzulegen. Beides lässt nicht erkennen, welche Unterlagen von dem Kläger verlangt wurden. Auch im nachfolgenden Schreiben vom 31. Juli 2018 werden diese nicht konkreter benannt. Der Kläger konnte auch nicht aus den vorangegangenen gerichtlichen Aufforderungen und Schreiben aus dem Jahr 2017, konkret vom 17. Dezember 2017, 06. September 2017 und vom 23. Juni 2017 entnehmen, welche Unterlagen das Sozialgericht nun anforderte. In den genannten vorherigen Schreiben hat das Sozialgericht zwar wiederholt um Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszuges gebeten und reagierte damit auf die am 21. Juli 2017 durch den Kläger getätigte Erklärung, wonach sein Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück im Grundbuch auf seine ehemalige Ehefrau überschrieben worden sei. Demgegenüber hatte er noch in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29. September 2016 erklärt, in dem in seinem Miteigentum stehenden Hausgrundstück wohnten seine ehemalige Ehefrau und die Tochter. Nachdem der Kläger aber auf die gerichtlichen Aufforderung aus 2017 am 19. Januar 2018 mitgeteilt hat, keinen Grundbuchauszug vorlegen zu können, weil das Grundstück jetzt seiner ehemaligen Ehefrau gehöre, benennen die dann folgenden gerichtlichen Schreiben aus März und Juli 2018 den vorzulegenden Nachweis gerade nicht mehr konkret. Gerade unter Berücksichtigung der in den vorherigen Schreiben benannten konkreten Unterlagen (Grundbuchauszug), erscheint die ab März 2018 gewählte Formulierung, "Nachweise zum Grundeigentum bzw. den im PKH-Antrag bezeichneten Vermögenswerten" vorzulegen, unspezifisch. Dass dies möglicherweise darauf beruhte, dass auch dem Gericht nicht klar war, welche (anderen) Unterlagen der Kläger zum Beleg seines Vortrags einreichen könnte, ist nicht zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Rechtsfolge, die § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an die Nichtvorlage von Nachweisen zur Glaubhaftmachung einer Erklärung knüpft, kann nicht offen bleiben, welche Nachweise das Gericht fordert und mittels welcher Nachweise der Kläger die Aufhebung der Bewilligung vermeiden könnte.

Darüber hinaus durfte das Sozialgericht die Aufhebung nicht darauf stützen, dass der Kläger keine Grundbuchauszüge eingereicht hat. Ein Nachweis zu seinem Grundeigentum war nicht geeignet, Aufschluss über eine relevante Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben. Erklärungen nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative ZPO i.V.m. § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO erfolgen zu dem Zweck zu prüfen, ob sich die der PKH-Bewilligung zugrunde liegenden Verhältnisse nach Bewilligung geändert haben. Sie dienen aber z. B. nicht dazu, zu ermitteln, ob die Bewilligung ursprünglich rechtmäßig erfolgte oder ins Blaue Unterlagen anzufordern. Zur Prüfung einer für die Prozesskostenhilfe relevanten Veränderung hätte es im Fall des Klägers der Grundbuchauszüge nicht bedurft. Ihm war ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt. Eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine solche, die es rechtfertigt, die Bewilligung ganz oder teilweise (i.S. von Ratenzahlungen) aufzuheben. Dazu müssten sich seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verbessert haben. Der Kläger hatte mit seiner Mitteilung vom 25. Juli 2017, wonach das zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe bestehende und dem Sozialgericht auch bekannte Miteigentum nun nicht mehr bestehe, eine Minderung seines (Grund-) Vermögens selbst vorgetragen, aber keine Verbesserung. Für die Prozesskostenhilfe war es dann aber allein relevant, ob er aus dem (behaupteten) Eigentumsverlust einen Ausgleichsanspruch oder sogar eine Ausgleichszahlung erhalten hat, nicht aber, ob der Eigentumsverlust eingetreten ist. über den Erhalt der Ausgleichszahlung gibt ein Grundbuchauszug aber keinen Aufschluss. Der Kläger hat am 19. Januar 2018 auf Anfrage des Sozialgerichts verneint, eine Ausgleichszahlung erhalten zu haben. Daher hat das Sozialgericht zu Recht (erneut) um Vorlage der Kontoauszüge aller Konten des Antragstellers gebeten, die dieser am 03. September 2018 auch eingereicht hat.

Selbst wenn aber das Sozialgericht berechtigt war, auf die Erklärung des Klägers hin auch Nachweise zum Verlust des Miteigentumsanteils zu fordern, um ein Indiz dafür zu erhalten, ob eine Ausgleichszahlung erfolgt war, so hat der Kläger mit Erhebung der Beschwerde den Nachweis eingereicht. Aus der Eintragungsbekanntmachung vom 31. Juli 2018 ist zu ersehen, dass der Kläger nicht mehr zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks ist, sondern seit der Eintragung am 03. Juli 2018 nur noch sei-ne Ehefrau. Mit dem Vergleich vor dem Amtsgericht vom 02. Mai 2017 in einem Rechtsstreit über den Unterhalt der Tochter des Klägers ist zudem belegt, dass der Kläger einen Anspruch auf einen Ausgleichsbetrag im Gegenzug erhielt, dieser aber unter Anrechnung von Unterhaltsansprüchen der Tochter zu ermitteln war und möglicherweise deshalb bislang nicht zur Auszahlung gelangte. Die Prozesskostenhilfepartei kann die erforderliche Erklärung auch noch im Beschwerdeverfahren, das keine Präklusion kennt, und ohne Entschuldigung für die Verspätung vornehmen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Kläger die Nachweise noch vor der Entscheidung des Sozialgerichts hätte einreichen können. Dies dürfte sowohl für die Eintragungsbekanntmachung als auch für den Vergleich vor dem Amtsgericht Haldensleben der Fall sein. Unerheblich ist daher auch, ob der Kläger die Eintragungsbekanntmachung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht auf die per E-mail erfolgte Anfrage des Prozessbevollmächtigten vom 20. August 2018 und noch vor dem Beschluss des Sozialgerichts vorgelegt hat.

Andere Gründe, welche die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO stützen könnten, liegen nicht vor.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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