L 9 KR 422/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 422/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 63/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine vorausschauende Betrachtung anhand des zeitlich letzten Einkommenssteuerbescheides ist auch bei einer rückwirkenden Feststellung der Voraussetzungen der Familienversicherung hinsichtlich des Einkommens geboten. Einkommenssteuerbescheide werden berücksichtigt, wenn sie zu Beginn des maßgebenden Zeitraumes ergangen sind und die vorausschauende Betrachtung tragen können. Sind sie erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen, können sie die gebotene Prognoseentscheidung der Krankenkasse nicht tragen.
Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen wenden sich gegen die rückwirkende vorübergehende Beendigung ihrer Familienversicherung für die Zeit ab dem 01. Dezember 2012 bis zum 23. Juni 2014.

Die beiden am 16. Oktober 1998 sowie am 06. September 2001 geborenen Klägerinnen sind die Kinder des Mitglieds der Beklagten, ihrer Mutter Frau A H. Diese war bis zur Ehescheidung (rechtskräftig am 24. Juni 2014) mit dem Vater der Klägerinnen, Herrn Dr. O H, der gleichzeitig der Klägerbevollmächtigte ist, verheiratet (im Folgenden: Ehegatte). Dieser war privat krankenversichert und ist Rechtsanwalt sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der S Unternehmensberatung GmbH. Die Beklagte führte für die beiden Klägerinnen seit dem 01. Oktober 2001 eine Familienversicherung.

Mit zwei Buchungen jeweils vom 19. August 2011 flossen dem Konto des Ehegatten insgesamt 60.000 EUR, überwiesen von der S Unternehmensberatung GmbH (im Folgenden: S) zu.

Die Bescheide über die Einkommensteuer wiesen u.a für den Ehegatten für die Jahre 2011 – 2013 die folgenden Einkünfte aus:

Jahr / Datum Einkünfte selbständige Arbeit (EUR) Einkünfte nichtselbständige Arbeit (EUR) Gesamtbetrag Einkünfte (EUR) 2011 / 29.11.2012 67.710 67.710 2012 / 17.02.2015 -37.071 82.970 34.241 2013 / 07.07.2015 45.675 45.675

Der Einkommensteuerbescheid wies für 2011 im Rahmen der für dieses Jahr noch mit dem Ehegatten gemeinsamen Veranlagung für Frau A H Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 53.612 EUR aus.

Im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung bat die Beklagte Frau A H um Übersendung des Fragebogens zu den Einkommensverhältnissen und eines Einkommensnachweises des Ehegatten.

Nach Übersendung des Einkommensteuerbescheids für 2011 kündigte die Beklagte ihr gegenüber am 09. April 2015 an, dass nach Prüfung des vorgelegten letzten Steuerbescheides das Einkommen des (mittlerweile geschiedenen) Ehegatten monatlich mehr als 4.125 EUR betrage und die Klägerinnen nicht mehr familienversichert seien. Es sei beabsichtigt, die Familienversicherung zum 30. November 2012 zu beenden. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils könnten die Klägerinnen sofort wieder in die Familienversicherung aufgenommen werden.

Frau A H teilte mit, der Einkommensteuerbescheid 2011 sei von ihrem Ehegatten angefochten worden. Die in dem Steuerbescheid berücksichtigten Einkünfte in Höhe von 68.000 EUR stammten in Höhe von 60.000 EUR aus Lieferungen und Leistungen der S. Das Finanzamt habe im Rahmen der Feststellung einer Betriebsprüfung bei S in einer Einspruchsentscheidung gegenüber der Gesellschaft bereits festgestellt, dass die Einkünfte des Ehegatten im Jahr 2011 nur 8.000 EUR betrügen. Dies belege sie u.a. mit Auszügen aus dem Betriebsprüfungsbericht. Sie übersandte zudem den Einkommensteuerbescheid für 2012.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 beendete die Beklagte nach Anhörung die Familienversicherung der Klägerinnen rückwirkend mit Ablauf des 30. November 2012, da das Einkommen des nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehegatten die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe und daher der Ausschluss des § 10 Abs. 3 SGB V zur Anwendung gelange. Sobald ein korrigierter Steuerbescheid vorgelegt werde, könne sie den Verwaltungsakt zur Beendigung der Familienversicherung zurücknehmen. Ab Rechtskraft der Ehescheidung der Eltern werde ab dem 24. Juni 2014 die Familienversicherung weitergeführt.

Die Klägerinnen erhoben mit Schreiben vom 10. Juli 2015 Widerspruch. Der Ehegatte habe 2011 monatlich nicht mehr als 4.125 EUR verdient, sie verwiesen auf den laufenden Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2011, über den noch nicht entschieden sei. Die Unterlagen zu dem Einspruch seien der Beklagten bereits vorgelegt worden, gegenüber der S habe das zuständige Finanzamt (für Körperschaften II) bereits festgestellt, dass die Einkünfte des Ehegatten 2011 nur 8.000 EUR betrügen; der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 19. November 2012 sei insoweit vorläufig.

Die Beklagte erhob ab dem 01. Dezember 2012 Beiträge für die Weiterversicherung (nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V), die Klägerinnen erhoben dagegen Widerspruch.

Nachdem zunächst das Finanzamt Zehlendorf dem Ehegatten schriftlich mitgeteilt hatte, aufgrund der Feststellungen anlässlich der Betriebsprüfung bei S auch für den Einkommensteuerbescheid 2011 davon auszugehen, dass seine Honorarforderungen nicht im Kalenderjahr 2011 in Ansatz gebracht würden, sein Einspruch gegen den Steuerbescheid für dieses Jahr zwar erfolgreich sei, aber eine Änderung der Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 nach sich ziehe, zog der Ehegatte seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid (2011) zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerinnen zurück.

Die Klägerinnen haben am 03. Januar 2016 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Bei den Leistungen, für die dem Ehegatten die 60.000 EUR am 19. August 2011 zugeflossen seien, handele es sich um Entgelt für Arbeiten, die von ihm in einem Zeitraum von etwa zwei Jahren Mitte der 2000er Jahre erbracht worden seien. Künftige vergleichbare Zahlungen bis zum Zeitpunkt der Scheidung der Ehe mit Frau A H seien jedoch ausgeschlossen, weil entsprechende Forderungen gegenüber der S nicht mehr bestünden. Mit der S bestehe seit 09. Februar 2004 ein Vertrag, nach welchem der Ehegatte freiberuflich für eine Stundenvergütung von 100 EUR Projekte für diese abwickle. 2007 sei zwischen den beiden Gesellschaftern und der Gesellschaft vereinbart worden, dass die Gesellschafter Honoraransprüche stehen lassen würden und die Gesellschaft hierfür Zinsen zahle. Ab 2008 habe sich der Gesundheitszustand des Ehegatten verschlechtert und in der Folge zu Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt. Das Einkommen in Gestalt von Zuflüssen habe ab 2008 auf Honoraransprüchen beruht, die vor 2008 erarbeitet worden seien. Im Jahr 2012 seien diese Guthaben aber aufgebraucht gewesen. Selbst wenn die am 19. August 2011 vereinnahmten 60.000 EUR bei der Ermittlung des Einkommens im Jahre 2011 zu berücksichtigen wären, folge aus der Tatsache, dass es sich hierbei um eine einmalige Auszahlung für eine über mehrere Jahre erarbeitete Leistung handele und aus der Tatsache, dass vergleichbare Zahlungen für zukünftige Zeiten ausgeschlossen seien, dass sie bei der Prognose des Einkommens für diese Zeiten nicht berücksichtigt werden dürften. Aus seinem Geschäftsbankkonto für das Jahr 2011 ergebe sich, dass er von den Gesamteinnahmen des Jahres 95 % in einem Zeitraum von weniger als zwei Monaten erzielt habe. Nach der allgemeinen Verwaltungspraxis, die sich an § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV orientiere, könne der Zufluss nicht als regelmäßiges Einkommen auf das Jahr umgerechnet werden. Für den Fall, dass es doch auf die Höhe des Gesamteinkommens im Jahr 2011 ankomme, sei darauf hinzuweisen, dass es für dieses Tatbestandsmerkmal an einer Tatbestandswirkung des Bescheides über die Einkommensteuer vom 19. November 2012 fehle. Ein solcher Bescheid habe lediglich Indizwirkung. Diese entfalle aber schon deshalb, weil das Finanzamt im Einspruchsverfahren festgestellt habe, dass der Bescheid rechtswidrig sei und selbst ein Einkommen zugrunde lege, welches unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liege. Aus den zwischenzeitlich ergangenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2012 und 2013 ergebe sich, dass sich die Prognose eines Einkommens unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze als zutreffend erwiesen habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 01. September 2017 wies das Sozialgericht – nach Anhörung der Beteiligten – die Klage der Klägerinnen ab. Zwar erfüllten sie die persönlichen Voraussetzungen, seien aber deshalb nicht familienversichert, weil ihr Vater (der Ehegatte), der im maßgeblichen Zeitraum auch mit der Mutter verheiratet gewesen sei, nicht selbst Mitglied der gesetzlichen Krankenkassen sei und ein Gesamteinkommen habe, welches höher gewesen sei als das Einkommen von Frau A H und ab dem 01. Dezember 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen habe. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass sein Einkommen ab Dezember 2012 67.710 EUR betragen habe. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze habe im Jahr 2012 50.850,00 EUR betragen, im Jahr 2013 52.200,00 EUR. Es sei auch bei rückwirkender Feststellung des Endes der Familienversicherung eine vorausschauende Betrachtung anzuwenden, da es sich um eine Statusentscheidung handele. Dabei bleibe das gewonnene Ergebnis auch dann verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verlaufe. Da bei Erwerbstätigen das Einkommen Schwankungen unterworfen sei, dürfe die Krankenkasse bei der Prognose auf den jeweils vorliegend aktuellsten Steuerbescheid der vergangenen Jahre zurückgreifen. Dieser sei zwar kein aktueller Beleg für die aktuellen Verhältnisse, könne aber als Grundlage für eine zukunftsgerichtete Prognose dienen. Steuerbescheide seien jeweils ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein jeweils neuer Steuerbescheid vorliege. Der Einkommensteuerbescheid der Eltern der Klägerinnen, erteilt im November 2012, weise für den Ehegatten für das Kalenderjahr 2011 ein Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 67.710,00 EUR aus, dieses sei ab Dezember 2012 maßgeblich. Die Klägerinnen könnten nicht mit Erfolg einwenden, die im August 2011 erfolgte Zahlung habe steuerlich im Jahr 2007 berücksichtigt werden müssen. Bei Zugrundelegung der Vorgaben des Steuerrechts sei der gesamte Einkommensteuerbescheid für 2011 zu berücksichtigen, denn er sei durch Rücknahme des Einspruchs bestandskräftig geworden, daher sei das in ihm festgestellte Einkommen zugrunde zu legen. Ein nicht rechtsverbindliches Schreiben des zuständigen Finanzamtes, wonach die Zahlung als im Jahr 2007 zugeflossen gelte, sei unerheblich, so lange der Einkommensteuerbescheid nicht aufgehoben sei. Abgesehen von der steuerlichen Beurteilung sei die Zahlung auch 2011 tatsächlich zugeflossen und habe damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie geprägt. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 10 Abs. 3 SGB V sei gerade die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheidend für die vorzunehmende Beurteilung. Es sei zudem nicht bewiesen, dass es sich nur um eine einmalige Zahlung handele, die damit im Folgejahr nicht zu erwarten sei. Als Beleg für den klägerischen Vortrag liege insoweit lediglich ein Ausschnitt aus dem Bericht des Finanzamtes für Körperschaften II vom 20. Juli 2012 gegenüber der S vor. Ihm könne entnommen werden, dass eine Umschuldung durch den Gesellschafterbeschluss vom 15. August 2007 der bis dahin gestellten Beträge vorgenommen worden sei und diese als gezahlt gelten würden. Es handele sich nach der dortigen Aufstellung für den Ehegatten um einen Betrag von 60.119,51 EUR (1. Januar 2008), 52.619,51 EUR (31. Dezember 2008) und 48.719,51 EUR (31. Dezember 2009). Heraus erschließe sich jedoch nicht, dass die S lediglich einmalig einen Betrag von genau 60.000 EUR schuldete und keine weiteren Ansprüche auf Zahlungen mehr bestanden hätten. Es könnten insoweit weitere Verbindlichkeiten bestanden haben, die nicht Gegenstand der Novation gewesen seien (der entsprechende Gesellschafterbeschluss vom 27. August 2007 sei nicht vorgelegt worden) und es könnten auch nach dem 15. August 2007 neue Verbindlichkeiten begründet worden sein. Insoweit falle auf, dass in dem Bericht des Finanzamtes für Körperschaften II am 31. Dezember 2009 nur noch ein Betrag von 48.719,51 EUR zugunsten des Ehegatten genannt werde, also weniger als der 2011 an ihn ausgezahlte Betrag. In Anbetracht dessen habe die Beklagte bei der Prognose bleiben dürfen, dass ein derartiges Einkommen auch in den Folgejahren zu erwarten sei. Da die Einmaligkeit der Einnahme insoweit nicht nachgewiesen sei, komme es nicht darauf an, dass bei Arbeitnehmern, die ein monatliches Gehalt bezögen, eine (einmalige) Abfindung nicht anteilig auf die Folgemonate umgelegt werden dürfe. Bei Selbstständigen sei gerade unabhängig von den tatsächlich jeweils monatlich zufließenden Einnahmen ein Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens anzusetzen. Soweit die Klägerinnen nunmehr vortrügen, aufgrund der psychischen Erkrankung des Ehegatten sei prognostisch für das Folgejahr nicht mit höheren Einnahmen zu rechnen gewesen, könne dies keine Berücksichtigung finden. Grundlage der Prognose für die Beurteilung des Versicherungsverhältnisses könnten nur die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, erkennbaren Umstände sein. Maßgeblich sei insoweit der verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung. Mangels entsprechenden Vortrages habe die Beklagte aber im Verwaltungsverfahren keinen Anlass gehabt, diesbezüglich zu ermitteln. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob dieser Umstand eine andere Prognose gerechtfertigt hätte, da der Ehegatte im Jahr 2011 im wesentlichen Einkünfte gehabt habe, die nach seinem Vortrag gerade nicht auf seiner Arbeitsleistung beruhten. Letztendlich sei die Prognose der Beklagten auch deshalb gerechtfertigt, weil sich aus dem Steuerbescheid für 2012, der während des Verwaltungsverfahrens im März 2015 eingereicht worden sei, ergebe, dass der Ehegatte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 72.312 EUR hatte, die für sich allein die maßgeblichen Jahresentgeltgrenze überstiegen. Die Klägerinnen könnten sich nicht darauf berufen, dass der Ehegatte gleichzeitig aus der selbständigen Tätigkeit einen Verlust i.H.v. 38.071 EUR erwirtschaftet habe. Ein vertikaler Verlustausgleich finde keine Anwendung. Die Beklagte sei auch berechtigt, das Ende der Familienversicherung rückwirkend festzusetzen, weil zuvor kein Verwaltungsakt erteilt worden sei.

Gegen den am 12. September 2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Klägerinnen am 06. Oktober 2017 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass im vorliegenden Fall zum relevanten Zeitpunkt der Vornahme der Prognose bereits Istwerte für den zu prognostizierenden Zeitraum (01. Dezember 2012 bis 23. Juni 2014) u.a. in Gestalt der Einkommensteuerbescheide 2012/2013 vorgelegen hätten. In einem solchen untypischen Fall seien historische Daten von früheren Zeiträumen für eine Prognose nutzlos und deshalb nicht heranzuziehen. Die erforderliche Prognose sei zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides zu erstellen, also mit dem Kenntnisstand zum 14. Dezember 2015. Zu diesem Zeitpunkt habe das Einkommen für den bereits weit in der Vergangenheit liegenden zu prognostizieren Zeitraum bereits festgestanden. Aus der einen zukünftigen Wert vorhersagenden Prognose werde in einem solchen Fall eine Feststellung für die Vergangenheit. Für Dezember 2012 habe das monatliche Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit 0 EUR betragen, da diese Tätigkeit bereits im Juni 2012 geendet habe. Aus selbständiger Tätigkeit habe sich für das Gesamtjahr 2012 ein Verlust ergeben. 2013 habe das Jahreseinkommen 45.675 EUR und für 2014 53.449 EUR betragen. Auf der Grundlage eines verfahrensfehlerfrei zu ermittelnden Kenntnisstandes hätten auch nur genau diese Werte prognostiziert werden können. Da dieses Einkommen unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liege, sei die Familienversicherung fortzusetzen. Im Übrigen seien die Zuflüsse aus der Rückzahlung eines vom Ehegatten hingegebenen Darlehens an die GmbH genauso wenig wie Zuflüsse aus einem empfangenen Darlehen für das Gesamteinkommen der Sozialversicherung von Bedeutung. Es handele sich bei der Umschuldung um einen Aktiv-/Passiv-Tausch, der die begriffliche Leistungsfähigkeit gerade nicht berühre. Für die Frage, ob es sich im August 2011 um eine einmalige Zahlung handele, habe das SG nicht ausreichend ermittelt. Die Klägerinnen hätten dazu Beweis angetreten und den zweiten Geschäftsführer als Zeugen benannt. Für die Einkommensprognose sei die psychische Erkrankung des Ehegatten sehr wohl erheblich. Er habe vorgetragen, dass die Zahlung der 60.000 EUR im Jahr 2011 von ihm in der Zeit vor 2008 bei der S erarbeitet worden sei. Dass es im Jahr 2012 zu Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit i.H.v. 73.312 EUR gekommen sei, bedeute nicht, dass zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt damit zu rechnen gewesen sei, dass dieses Einkommen aus abhängiger Beschäftigung auch zukünftig bezogen würde. Einmalige Bezüge seien nur dann berücksichtigungsfähig, wenn eine hinreichende Sicherheit für künftige Weitergewährung bestehe. Grundsätzlich sei es zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt völlig unwahrscheinlich, dass der Ehegatte Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze aus abhängiger Beschäftigung erzielen könne. Er sei aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur überhaupt nicht in der Lage, sich einem Arbeitgeber unterzuordnen. Außerdem sei er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, stetig und zu festen Zeiten zu arbeiten. Aus dem befristeten Arbeitsverhältnis von Mitte März bis Ende Juni 2012 folge nichts anderes. Dieses sei unter so ungewöhnlichen Umständen zustande gekommen, dass es als höchst unwahrscheinlich gelten müsse, dass sich dieses im zu prognostizierenden Zeitraum habe wiederholen können. Der Ehegatte habe dabei praktisch keine Tätigkeiten übernehmen müssen.

Die Klägerinnen beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerinnen über den 30. November 2012 hinaus bis zum 23. Juni 2014 bei der Beklagten familienversichert waren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 habe sie nicht berücksichtigen können, da diese zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, nämlich des Widerspruchsbescheides, nicht vorgelegen hätten. Dies werde durch die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 27. April 2016 bestätigt (L 5 KR 3462/15), wonach maßgeblich das Ausstellungsdatum des jeweils aktuellsten Steuerbescheides sei, hingegen nicht das mit dem Steuerbescheid nachgewiesene Kalenderjahr. Die Berücksichtigung des für das jeweilige Kalenderjahr ergangenen Steuerbescheids könne nur dann erfolgen, wenn alle Steuerbescheide für das beschiedene Kalenderjahr Prüfrelevanz entfalteten, im Fall der Klägerinnen hätte dann für das Jahr 2011 kein Anspruch auf die Familienversicherung bestanden. Bei einer solchen vergangenheitsbezogenen Betrachtung wäre jedoch nie aktuell klar, ob tatsächlich ein Anspruch auf die Familienversicherung bestehe, weil das Einkommen immer erst in der Zukunft geprüft werden könne. Der Steuerbescheid für 2012 hätte danach, ausgehend von seinem Ausstellungsdatum (17. Februar 2015) erst ab dem 01. März 2015 berücksichtigt werden müssen. Allerdings seien die Einkommensverhältnisse des Ehegatten wegen der zuvor 2014 erfolgten rechtskräftigen Scheidung für die Familienversicherung der Klägerinnen nicht mehr relevant. Die zusätzlich zu den vorliegenden Steuerbescheiden vorgelegten Unterlagen des Ehegatten hätten keine Berücksichtigung gefunden, da sie nicht geeignet gewesen seien, die Finanzsituation zweifelsfrei zu belegen. Zum einen könnten selbständig Tätige Einfluss auf die zeitliche Berücksichtigung des steuerrechtlich relevanten Einkommens nehmen. Zum anderen sei auch deshalb auf amtliche Steuerfestsetzungen zurückzugreifen, weil die Beklagte gar nicht über den Sachverstand verfüge, die steuerrechtliche Berücksichtigung von Einkommen zu bewerten. Die Tatsache einer psychischen Erkrankung des Ehegatten sei im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht bekannt gegeben worden.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage der Klägerinnen gegen die Entscheidung der Beklagten, mit welcher diese ihre Familienversicherung zum 30. November 2012 vorübergehend beendete, abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Familienversicherung über den 30. November 2012 hinaus bis zum 23. Juni 2014 bestanden hat.

I. Der Bescheid beruht auf § 10 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V in der hier maßgeblichen ab dem 03. Mai 2011 geltenden Fassung). Danach sind u.a. die Kinder von Mitgliedern unter den in Abs. 1 und Abs. 2 näher benannten weiteren Voraussetzungen in der Krankenkasse des Mitglieds versichert, so kein Ausschluss der Versicherung nach § 10 Abs. 3 SGB V vorliegt.

Die Beklagte war berechtigt, die Versicherung der Klägerinnen auf dieser Grundlage rückwirkend zu beenden. Sie war nicht durch die Bestandskraft eines vorhergehenden Bescheides an der rückwirkenden Feststellung gehindert. Die Familienversicherung tritt kraft Gesetzes ein und endet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Der Bescheid über die Beendigung hat daher zwar nur deklaratorische Funktion. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 entfaltete, da er die Beendigung bereits zum 30. November 2011 feststellte, insoweit zwar Rückwirkung. Sie hat das Bestehen der Familienversicherung den Klägerinnen gegenüber zuvor nicht mit einem (begünstigenden) Bescheid festgestellt. Es bedarf daher weder einer expliziten Aufhebungsentscheidung eines früheren Bescheides über die Familienversicherung noch einer Prüfung der Rechtsgrundlagen der §§ 45 ff. Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X), die eine solche rückwirkende Aufhebung nur unter engen Voraussetzungen und Berücksichtigung von Vertrauensschutz erlauben. II. Die Beklagte hat den Bescheid in formell und materiell rechtmäßiger Weise erlassen.

1. Die Klägerinnen wurden vor seinem Erlass angehört (§ 24 Abs. 1 SGB X).

2. Die Mitgliedschaft der Klägerinnen als Familienversicherte endete zum 30. November 2011. Zwar liegen die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Familienversicherung, wie sie in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V festgelegt sind, auch über den obigen Zeitpunkt hinaus vor und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Klägerinnen sind aber in der streitigen Zeit deshalb nicht als Familienversicherte über ihre Mutter, das Mitglied A H, bei der Beklagten versichert, weil das Einkommen des Ehegatten die maßgebende Grenze des § 10 Abs. 3 SGB V überstieg und dies einen Ausschluss aus der Familienversicherung begründet.

§ 10 Abs. 3 SGB V lautet:

"Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt."

a. Das Gesamteinkommen des Ehegatten ist für die Frage der Beendigung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 3 SGB V maßgeblich. Als mit seinen Kindern verwandter Vater der Klägerinnen war er bis zur Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts Schöneberg vom 15. Mai 2014 (am 24. Juni 2014), welcher die geschlossene Ehe der Eltern geschieden hat, als mit den Klägerinnen verwandter Ehegatte des Mitglieds, nämlich der Mutter, zu berücksichtigen. Er war nicht Mitglied einer (gesetzlichen) Krankenkasse, sondern in der privaten Krankenversicherung versichert.

Sein Gesamteinkommen war regelmäßig höher als dasjenige von Frau A H. Es überstieg ab dem 01. Dezember 2012 mit einem Jahreseinkommen in Höhe von 67.710 EUR regelmäßig im Monat ein Zwölftel der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze, wie das Sozialgericht zutreffend feststellte (vgl. S. 5 des Urteils).

b. Zum regelmäßigen Gesamteinkommen des Ehegatten gehören alle Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer und Gesellschafter der S, bei A H die Einkünfte aus ihrer abhängigen Beschäftigung.

Gesamteinkommen ist nach der in § 16 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) enthaltenen Legaldefinition die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts; es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) und das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV). Nicht maßgeblich ist das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) oder das Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 4 EStG oder der Gesamtbetrag der Einkünfte in § 2 Abs. 3 EStG, sondern die Summe der Einkünfte vor Abzug der in § 2 Abs. 3 - 5 EStG genannten Posten (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 28).

"Regelmäßig im Monat" stellt dabei nicht auf regelmäßig monatlich zufließende Einkünfte ab, sondern auf die regelmäßigen Einkommensverhältnisse je Monat. Deshalb sind laufende monatliche Einkünfte auch einmalige Zahlungen, die regelmäßig wiederkehrend für einen längeren Zeitabschnitt erbracht bzw. gezahlt werden, wenn sie nach vorausschauender, den Zeitraum eines Jahres umfassender Betrachtung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sind (dazu gehören Urlaubsgeld, Weihnachtszuwendungen, Tantiemen, Zinserträge). Einmalige, nicht wiederkehrende Einkünfte (z.B. Abfindungen, Jubiläumszuwendungen) oder Einkommen aus gelegentlichen befristeten Beschäftigungen, bleiben dagegen unberücksichtigt. Solche befristeten Beschäftigungen oder Tätigkeiten können unter Rückgriff auf die Wertungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV angenommen werden, wenn eine Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit ihrer Natur nach oder vertraglich bei ihrem Beginn vereinbart von vornherein nur für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten erfolgte (Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 10 Rn. 39).

Regelmäßige Einkünfte sind gleichmäßig auf alle Monate des Zahlungsabschnitts – zB des Kalenderjahres – zu verteilen (Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 10 Rn. 39). Bei schwankendem Einkommen, u.a. Selbständiger, ist regelmäßiges Einkommen der monatliche Durchschnitt des Jahreseinkommens (BSG, Urteil vom 04. Juni 1981 – 3 RK 5/80, Rn. 17 ff., noch zu § 205 Reichsversicherungsordnung – RVO; zur Maßgeblichkeit dieser Grundsätze unter Geltung des SGB IV, BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R, Rn. 16).

Welches (Kalender-)Jahr für das durchschnittliche Jahreseinkommen maßgeblich ist, beantwortet § 16 SGB IV selbst nicht. Es ergibt sich aber aus seinem Sinn und Zweck. Das Gesamteinkommen bei § 10 SGB V entscheidet - wie z.B. auch in § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 SGB V – über den Versicherungsschutz. Daraus folgt, dass das maßgebliche Einkommen nicht erst nachträglich, ausgehend vom Ende des jeweiligen Monats oder Zeitabschnitts her zu betrachten ist, denn über die Frage des Versicherungsschutzes muss zu jeder Zeit Klarheit herrschen (BSG, aaO, Rn. 24 - 27). Maßgebend ist das voraussichtliche Einkommen, welches grundsätzlich anhand des durchschnittlichen Einkommens der zurückliegenden Zeit zu ermitteln ist, wenn keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Auch einmalige Bezüge sind dann zu berücksichtigen, wenn mit ihnen mit hinreichender Sicherheit gerechnet werden kann (BSG, aaO, Rn. 24 unter Berufung auf die Spruchpraxis des Reichsversicherungsamtes und den Beschluss des Großen Senates des BSG vom 30. Juni 1965 – GS/ 2/64, BSGE 23, 129, 131). Das Gebot vorausschauender Betrachtung anhand des vergangenen Einkommens ergibt sich auch aus der Verwendung des Begriffs des "regelmäßigen Einkommens". Er wird auch an anderer Stelle im Gesetz (in Abgrenzung zum "durchschnittlichen" Einkommen) gewählt, um gerade eine vorausschauende Beurteilung und nicht eine rückwirkende Betrachtung anzuordnen. Die vorausschauende Betrachtung bleibt auch dann maßgebend, wenn ihre Annahmen aufgrund nicht sicher voraussehbarer Umstände mit dem tatsächlichen Ablauf und der späteren Einkommensentwicklung nicht übereinstimmen. Dies kann jedoch Anlass für eine neue und wiederum vorausschauende Prüfung sein (KassKomm/Peters, SGB V § 6 Rn. 22; BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 12 KR 3/99 R, Rn. 29).

Das letzte Jahreseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit, damit das Arbeitseinkommen i.S. des § 16 i.V.m. § 15 Abs. 1 SGB IV, welches nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu ermitteln ist, ist grundsätzlich aus dem jeweils letzten verfügbaren, d.h. erlassenen Einkommensteuerbescheid zu entnehmen. Die Anknüpfung an die Einkünfte i.S. des Steuerrechts erfolgte zur Verwaltungsvereinfachung, eine eigene Berechnung durch die Sozialversicherung soll weitgehend vermieden werden (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB IV, Rn. 17 und 31). Dies bedingt zwar keine ausnahmslose Bindung an den Steuerbescheid, eine solche ist auch vom Gesetz mit § 16 SGB IV gerade nicht angeordnet (a.A. wohl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2016 – L 5 KR 3462/15 Rn. 30). Der letzte Einkommensteuerbescheid ist allerdings nur dann nicht maßgeblich, wenn eine hinreichend sichere Aussicht besteht, dass zukünftig gänzlich von ihm abweichende Einkommensverhältnisse bestehen. Das BSG hat insoweit ausgeführt: Eine Änderung der Erwerbsverhältnisse führt nur dann dazu, nicht auf das Einkommen in der Vergangenheit abzustellen, wenn sicher vorhersehbare Umstände zu einem anderen regelmäßigen Monatseinkommen im laufenden Jahr führen (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1982 – 3 RK 35/81 –, SozR 2200 § 205 Nr. 52, Rn. 21).

Diese Betrachtung ändert sich nicht dadurch, dass eine behördliche Entscheidung über die Versicherungspflicht für einen vergangenen Zeitraum, d.h. rückwirkend, getroffen wird. Für § 10 SGB V folgt das bereits daraus, dass die Verwaltungsentscheidung nur nachvollzieht, was von Gesetzes wegen gilt. Die Frage, zu welchen Zeiten eine Familienversicherung begründet war, muss auch bei rückwirkender Entscheidung für den jeweiligen Zeitraum ausgehend von seinem Beginn beantwortet werden. Im anderen Falle würde die Beantwortung der statusrechtlichen Frage der Familienversicherung davon abhängen, ob sie im Einzelfall prospektiv oder retrospektiv entschieden wird. Das gilt unter Berücksichtigung der prozessrechtlichen Ausgangssituation der Anfechtungsklage gegen die behördliche Entscheidung. Der prozessrechtliche Grundsatz, dass bei dieser maßgebend für die Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist, hat dienende Funktion und wird seinerseits vom materiellen Recht beherrscht.

Maßgebend für das Gesamteinkommen ist, ob anhand der durchschnittlichen Verhältnisse in der Vergangenheit absehbar war, dass die Voraussetzungen für die Familienversicherung nicht mehr erfüllt sind (bzw. waren). Beruht z.B. eine Einkommensveränderung auf Umständen, die erst während eines zu beurteilenden Zeitraumes eintreten, zu dessen Beginn aber nicht absehbar waren, sind sie im Rahmen der Familienversicherung für diesen Zeitraum – auch bei einer rückwirkend zu treffenden Verwaltungsentscheidung – nicht zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R, Rn. 30). Auch bei der rückwirkenden Beurteilung ist daher die vorausschauende Perspektive einzunehmen, d.h. ausgehend von dem letzten verfügbaren Einkommensteuerbescheid. Spätere bis zur behördlichen Entscheidung ergangene Steuerbescheide bleiben unberücksichtigt, auch wenn sie den rückblickend zu bewertenden Zeitraum umfassen. Soweit die Entscheidung des BSG vom 25. August 2004 (B 12 KR 36/03 R) davon abzuweichen scheint, weil Einkommensteuerbescheide für zurückliegende Zeiträume zugrunde gelegt wurden, begründet sie dies nicht und ist vereinzelt geblieben. Sie findet auch in der untergerichtlichen Entscheidungspraxis nur vereinzelt "Nachfolger" (so wohl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12, Rn. 30; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05. September 2016 – L 1 KR 288/14, Rn. 21; Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12, Rn. 17; Thüringer LSG, Urteil vom 28. Juli 2015 – L 6 KR 212/13).

Die Situation ist für Familienversicherte nicht unbillig. Nach § 10 Abs. 6 Satz 1 SGB V hat das Mitglied Änderungen, die für die Durchführung der Familienversicherung notwendig sind, an die zuständige Krankenkasse zu melden.

Die Grundsätze, die das BSG in der Künstlersozialversicherung im Bereich der Versicherungspflicht aufgestellt hat, weichen davon nicht ab. Auch insoweit sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der im Gesetz bestimmten Prognoseentscheidung maßgebend; zwar sollen bei der Entscheidung über das für die Versicherungspflicht im Künstlersozialversicherungsgesetz relevante künftige Einkommen (§ 3 Abs. 1 KSVG) Umstände berücksichtigt werden, die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbar sind. Es müssen aber Umstände sein, die den Prognosezeitraum tragen können und sie können nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden. Damit können z.B. Unterlagen nicht herangezogen werden, die zum maßgebenden Prognosezeitpunkt nicht existiert haben; das Bundessozialgericht führt dazu aus: "Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern." (BSG, Urteil vom 02. April 2014 – B 3 KS 4/13 R, Rn. 29). Nichts anderes gilt für die Einkommensbeurteilung im Rahmen der Familienversicherung.

c. Gemessen daran überstieg das zum 30. November 2012 erkennbare Gesamteinkommen des Ehegatten die Grenze des § 10 Abs. 3 SGB V. Die Beklagte durfte dazu das durchschnittliche Jahreseinkommen aus dem letzten vergangenen Zeitraum zugrunde legen, wie es durch den Einkommensteuerbescheid 2011, ergangen am 19. November 2012, belegt war. Dieser Bescheid wies eine Summe der Einkünfte für den Ehegatten in Höhe von 67.710 EUR aus. Die Klägerinnen können nicht verlangen, dass ein späterer Steuerbescheid zugrunde gelegt wird, konkret die Steuerbescheide für 2012 oder 2013 (ergangen am 17. Februar 2015 und 07. Juli 2015). Diese sind nach dem maßgeblichen Zeitraum (bis 23. Juni 2014) ergangen. Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, dass von den im Steuerbescheid 2011 festgestellten Einkünften aus der selbständigen (auch freiberuflichen) Tätigkeit des Ehegatten der Betrag von 60.000 EUR aus der Zahlung der S vom August 2011 unberücksichtigt bleibt oder sonstige Abzüge vorgenommen werden.

aa. Der Einkommensteuerbescheid vom 19. November 2012 ist für die Bestimmung des Gesamteinkommens ab Beginn des Monats nach seinem Erlass, damit für die Zeit ab dem 01. Dezember 2012, maßgebend. Er ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Ehegatte ihn zunächst angefochten hat, denn er hat seinen Einspruch zurückgenommen und dem Bescheid damit Bestandskraft beschert. Der Einspruch entfiel rückwirkend. Die Maßgeblichkeit der Feststellungen des Steuerbescheids ab dem folgenden Kalendermonat nach seinem Erlass ist sachgerecht, weil sich Versicherte ab diesem Zeitpunkt für die Zukunft darauf einstellen können, z.B. eine anderweitige Absicherung wählen, wenn die Familienversicherung entfällt. Vertrauensschutzgesichtspunkte oder die Sicherstellung eines lückenlosen Versicherungsschutzes stehen nicht entgegen. Mit Ende der Familienversicherung entsteht z.B. eine freiwillige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V oder eine Quasiversicherung i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, wie im Fall der Klägerinnen. Das Ergebnis entspricht auch der Rechtslage, wie sie für die Höhe der Beiträge freiwillig Versicherter bis 31. Dezember 2018 in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes und seit dem 01. Januar 2019 in § 240 Abs. 4a SGB V festgelegt ist. Sie kann für die Ermittlung der Einkommensgrenze der Familienversicherung aufgrund der Wesensverwandtschaft beider einkommensabhängiger statusbegründender Tatbestände entsprechend herangezogen werden.

Aufgrund der Rücknahme des Einspruchs ist auch die im Rahmen des Einspruchsverfahrens geäußerte Einschätzung des Finanzamt Zehlendorf unerheblich, wonach eine steuerrechtliche Berücksichtigung des 2011 ausgezahlten Betrags einer Honorarforderung (60.000 EUR), welche 2007 im Wege einer Novation bereits begründet wurde, nicht möglich sei, daher der Einkommensteuerbescheid entsprechend zu Gunsten des Ehegatten zu ändern sei (Schreiben des Finanzamtes Z vom 05. November 2015). Eine förmlich vom Steuerbescheid abweichende Feststellung der Einkünfte des Finanzamtes liegt darin gerade nicht. Es ist auch nicht relevant, aus welchem Grund der Einspruch zurückgenommen wurde. Nachvollziehbar ist, dass dies erfolgte, um eine steuerliche Neufestsetzung für das Jahr 2007 zu verhindern, welche das Finanzamt in seiner Einschätzung im Rahmen der Anhörung dem Ehegatten in Aussicht stellte (mit dem Hinweis auf § 174 Abs. 4 Abgabenordnung – AO, welcher für diesen Fall eine Änderung eines nicht einspruchsbehafteten Steuerbescheides erlaubt, um widerstreitende Steuerfestsetzungen zu verhindern).

bb. Die Feststellungen des Einkommensteuerbescheides vom 19. November 2012 zu den Einkünften des Ehegatten tragen bei rückblickender Betrachtung die vorausschauende Prognose ab dem 01. Dezember 2012 bis zum Juni 2014.

Auch bei der Auszahlung der zwei Einzelbeträge seitens der S am 19. August 2011 (insgesamt 60.000 EUR) an den Ehegatten handelt es sich um sein Gesamteinkommen, welches regelmäßig im Monat i.S. von § 10 Abs. 3 SGB V anfällt. Auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. Oktober 2007 (B 5b/8 KN 1/06 KR R, insbesondere Rn. 24) kann er sich für eine abweichende Betrachtung nicht berufen. Soweit das Bundessozialgericht darin die Regelmäßigkeit eines Einkommens abgelehnt hat, bezog es sich auf eine Abfindungszahlung, welche ihrer Struktur und Natur nach aus Anlass des Endes eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses nur einmalig anfällt und zur Auszahlung gelangt (so Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 10 Rn. 39). Im Gegensatz dazu liegt bei den Zahlungen an den Ehegatten im August 2011 zwar ein einmaliger Zufluss vor, er erfolgte aber für eine Gegenleistung in Gestalt von Arbeiten, die von dem Ehegatten nach eigenen Angaben für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren für die S erbracht worden sein sollen. Damit unterscheidet sich die Zahlung im Ergebnis nicht von einer Auszahlung z.B. von rückständigem Arbeitsentgelt oder einer rückwirkend erfolgten Gehaltserhöhung in einem Betrag oder auch einer monatlich ausgezahlten und damit verteilten Abfindung des Arbeitgebers nach ordentlicher Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Letzteres soll nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Gesamteinkommen im Sinne des §§ 16 SGB IV gehören und kann die Familienversicherung ausschließen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 2/05 R, Rn. 18 ff.).

Sind die ausgezahlten Beträge als Teil des Gesamteinkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, bestimmen sie im Fall der Klägerinnen auch die ab Dezember 2012 relevante Einkommensprognose. Sie könnten nur dann ausgenommen werden, wenn anhand der Ende November 2012 gebotenen Prognose sicher vorhersehbare Umstände vorlagen, die (künftig) ein anderes regelmäßiges Monatseinkommen erwarten ließen, so dass die Zahlungen für die (künftige) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht aussagekräftig sein konnten (BSG vom 26. Oktober 1982 - 3 RK 35/81, Rn. 21; Urteil vom 09. Oktober 2007 – B 5b/8 KN 1/06 KR R, Rn. 24). Das wäre z.B. dann der Fall, wenn damals absehbar war, dass sich die Einkommenssituation des Ehegatten drastisch änderte. Die dafür notwendige Überzeugung konnte der Senat nicht gewinnen. Weder war erkennbar, dass die zwei Zahlungen vom August 2011 notwendig einmalig waren noch, dass sich die Einkommenssituation des Ehegatten in seiner Erwerbstätigkeit ab Dezember 2012 grundlegend ändern würde.

Für die im Klageverfahren erstmals vorgetragene Krankheit des Ehegatten mit Arbeitsunfähigkeit, die bereits ab 2008 einen Einkommenseinbruch im Gesamteinkommen nach sich gezogen haben soll, fehlen ausreichende Nachweise. Außerdem hat der Ehegatte 2012 eine abhängige Beschäftigung aufgenommen. Nach der Rechtsprechung des BSG zur Arbeitsunfähigkeit/Erwerbsminderung kann der Tatsache, dass Versicherte eine Tätigkeit ausüben, ein stärkerer Beweiswert zukommen als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden (vgl. z.B. Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74).

Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob ein Einkommenseinbruch im Gesamteinkommen (aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen) tatsächlich bei dem Ehegatten auch eingetreten ist. Für das Jahr 2012 ist dies aber bereits deshalb nicht belegt, weil der Einkommensteuerbescheid Einkünfte des Ehegatten aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 82.970 EUR, abzüglich der Werbungskosten in Höhe von 72.312 EUR auswies, denen ein Verlust aus selbständiger Arbeit in Höhe von 38.071 EUR gegenüberstand. Der Verlust ist im Rahmen der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen, da ein vertikaler Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten, der im Steuerrecht möglich ist, im Bereich des SGB IV nicht anerkannt ist (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 66 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 23. Februar 1995 - 12 RK 66/93). Für § 10 Abs. 3 SGB V folgt dies zudem aus dem Sinn und Zweck, wonach derjenige Elternteil maßgeblich ist, von dem nach dem Einkommen, d.h., der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erwartbar ist, das er die Kinder (maßgeblich) unterhält.

Die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 können die Prognose ab Dezember 2012 nicht tragen, sie sind beide erst 2015 ergangen. Der nur auszugsweise vorgelegte Bericht des Finanzamtes für Körperschaften II sowie die ebenfalls auszugsweise Einspruchsentscheidung aus Anlass der steuerrechtlichen Außenprüfung bei der S begründen für den Zeitpunkt der Prognose (19. November 2012) nicht hinreichend, dass die Einkommenssituation der Gesellschaft und ihres Gesellschafter-Geschäftsführers in den folgenden Jahren ab Dezember 2012, d.h. vor allem 2013 – 2014, eine gänzlich andere, konkret schlechtere war. Die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes gegenüber der S kann dies bereits deshalb nicht leisten, weil auch sie erst am 25. Februar 2015 ergangen ist und für die gebotene vorausschauende Betrachtung ab Dezember 2012 unbeachtlich ist. Der geänderte Bericht über die Außenprüfung vom 26. Juni 2012 hätte zwar im November 2012 berücksichtigt werden können. Er enthält aber inhaltlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die S dem Ehegatten keine weiteren Zahlungen schuldete, weil er punktuell die Novation 2007 behandelt und Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern nur bis Dezember 2009 auflistet. Es ergibt sich aus S. 7, Ziff. 19 II) des Berichts aber gerade nicht, ob und welche weiteren Forderungen der Bevollmächtigte in dem Zeitraum davor und danach gegen die S hatte oder erwarb, d.h., ob und welche Einkünfte ab Dezember 2012 erwartbar oder sicher ausgeschlossen waren. Darauf hat das Sozialgericht die Klägerinnen und ihren Prozessbevollmächtigten bereits in seinen Schreiben vom 03. Mai 2016, 03. August 2016 und 14. September 2016 hingewiesen. Es hat u.a. darum gebeten, z.B. die Verträge mit der S vorzulegen, aus denen sich ersehen lässt, welche Einkünfte im Folgejahr ab 2011 erwartbar waren. Verträge haben die Klägerinnen nicht vorgelegt, so dass es bei Gesamtbetrachtung an hinreichenden objektivier- und nachprüfbaren Anhaltspunkten dafür fehlt, dass bereits bei Erlass des Einkommensteuerbescheides 2011 ein drastischer Rückgang des Gesamteinkommens des Ehegatten absehbar war (demgegenüber für die vollständige Parallelität der steuerrechtlichen Einkommensermittlung auch im Bereich des § 10 Abs. 3 SGB V: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2016 – L 5 KR 3462/15, Rn. 30; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12, Rn. 16).

Die im Verfahren vorgelegten Unterlagen genügen schließlich nicht § 5 Abs. 3 der Einheitlichen Grundsätze des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen zum Meldeverfahren bei Durchführung der Familienversicherung vom 28. Juni 2011. Bestimmt dieser, dass das Gesamteinkommen für die Prüfung nach § 10 Abs. 3 SGB V durch "geeignete Einkommensnachweise" zu belegen ist, fehlt es den obigen Unterlagen bereits an der Aussagekraft zur Einkommenssituation des Ehegatten. Es kann daher offen bleiben ob sie überhaupt die von Gesetzes wegen notwendige Prognoseentscheidung inhaltlich konkretisieren könnten oder nur das verwaltungsinterne Verfahren bestimmen (insoweit zu Recht ablehnend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2016 – L 5 KR 3462/15, Rn. 32).

Endete die Familienversicherung mit Ablauf des 30. November 2012 bis zum 23. Juni 2014, haben die Klägerinnen keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie fortbestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Senat nicht von Grundsätzen des Bundessozialgerichts abweicht. Aus der Entscheidung vom 25. August 2004 (B 12 KR 36/03 R) ergeben sich keine abweichenden tragenden Gründe.
Rechtskraft
Aus
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