L 1 KR 186/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 346/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 186/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Kosten einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. Sie nahm den 1971 geborenen Versicherten der Beklagten O S vom 18. Februar 2009 bis zum 23. Februar 2009 zur stationären Behandlung auf. Die Aufnahme erfolgte über die Rettungsstelle des städtischen Krankenhauses B, wo der Versicherte wegen eines generalisierenden epileptischen Anfalls mit Platzwunde rechts, mit Zungenbiss links und Einnässen eingeliefert worden war. Der Versicherte verließ das Krankenhaus der Klägerin aufgrund seines eigenen Entschlusses, die behandelnden Ärzte deuteten die Symptomatik in ihrem Entlassungsbericht "am ehesten" als epileptischen Anfall im Entzug bei Alkoholabusus.

Am 5. März 2009 ging bei der Beklagten, welche eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hatte, die Rechnung der Klägerin vom 4. März 2009 für die Behandlung des Versicherten über 3.434,42 EUR ein. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 10. März 2009 mit der Überprüfung der Abrechnung. Der MDK zeigte dem Krankenhaus der Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2010 den Prüfauftrag an.

In seinem Gutachten vom 12. Februar 2010 befand der MDK, dass die abgerechnete DRG B76D medizinisch nicht sachgerecht sei. Die kodierte Hauptdiagnose "G40.5. spezielle epileptische Syndrome" sei medizinisch nicht plausibel. Nach Analyse sei "F10.3 Psychische- und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Entzugssyndrom" die Hauptdiagnose, die ursächlich für die Aufnahme des Versicherten ins Krankenhaus gewesen sei. Es ergebe sich die DRG V60B.

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 2010 auf das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK hin und forderte zur Überweisung der sich ergebenden Überzahlung von 1.939,68 EUR auf. Die Beklagte verrechnete den streitigen Betrag dann am 30. März 2009 mit einer anderen Forderung der Klägerin.

Mit der am 10. November 2014 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.939,68 EUR. Die Epilepsie als Hauptdiagnose sei zu Recht abgerechnet worden.

Das Sozialgericht hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D mit einem Gutachten über den streitigen Krankenhausaufenthalt beauftragt. In seinem Gutachten vom 7. Juni 2016 und seinem Folgegutachten vom 11. November 2016 ist Dr. D zu dem Ergebnis gekommen, dass als Hauptdiagnose die ICD R56.8 – sonstige und nicht näher bezeichnete Krämpfe zu verschlüsseln gewesen sei. Es ergebe sich die DRG B75B.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. März 2017 abgewiesen. Als Hauptdiagnose sei nicht die G40.5 – spezifische epileptische Syndrome – abzurechnen gewesen. Hauptdiagnose sei nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) diejenige Diagnose, die nach Analyse als hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich festgestellt worden sei. Dabei meine "nach Analyse" eine Evaluation der Befunde am Ende des stationären Krankenhausaufenthalts. Der Versicherte sei am 18. Februar 2009 in der Rettungsstelle mit der Diagnose S01.0G (Augenbrauenplatzwunde) behandelt worden, die er sich anlässlich eines Krampfanfalls zugezogen habe. Der Versicherte sei zu weiterführenden Maßnahmen im Rahmen des Krampfanfalls stationär aufgenommen worden. Der Versicherte habe selbst angegeben, dass der letzte vorherige Anfall im Jahr 2000 gewesen sei und dass er keine stationären Aufenthalte in der Zwischenzeit gehabt habe. Am 24. Februar 2009 sei in der Epikrise vermerkt worden, dass die zur Einweisung führende Symptomatik am ähnlichsten als epileptischer Anfall im Entzug zu werten sei. Mithin habe auch bei der Entlassung nicht festgestanden, ob bei dem Versicherten tatsächlich eine Epilepsie bestanden habe. Anhaltspunkt dafür sei lediglich der im Jahre 2000 erlittene Anfall, Das berechtige die Klägerin nicht zur Kodierung der G40.5 als Hauptdiagnose. Bereits nach dem Wortlaut müsse es sich dafür um mindestens zwei epileptische Anfälle handeln. In der Patientenakte würden sich keine Unterlagen zu einem Anfall im Jahre 2000 finden. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Anfällen könne überdies wegen des Ausbleibens erneuter Anfälle in der Zwischenzeit nicht festgestellt werden. Somit sei es am Ende des stationären Aufenthalts bei einer Verdachtsdiagnose geblieben. Bei Verdachtsdiagnosen, aufgrund derer Untersuchungen eingeleitet aber keine Behandlungen vorgenommen worden seien, sei aber nur das Symptom zu kodieren, wenn der Patient nach Hause entlassen werde. Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen gehe die Kammer davon aus, dass ein Alkoholabusus vorgelegen habe. Dieser könne auch die Ursache des neuerlichen Krampfanfalles gewesen sein. Ob im Jahre 2000 tatsächlich ein epileptischer Anfall vorgelegen habe, sei den vorhandenen Unterlagen zudem nicht zu entnehmen. Die einmalige Behandlung mit Epileptin belege nicht, dass der Krampfanfall auf einer bestehenden Epilepsie beruhte und Epilepsie als Verdachtsdiagnose behandelt worden sei. Da der Krampfanfall auch als Alkoholentzugssyndrom nicht belegt sei, folge die Kammer dem Sachverständigen, dass als Hauptdiagnose die R56.8 – sonstige und nicht näher bezeichnete Krämpfe – zu kodieren gewesen sei. Daraus ergebe sich die DRG B75B. Auf die Geltendmachung der sich ergebenden weiteren geringen Entgeltdifferenz gegenüber der vom MDK angesetzten DRG V60B habe die Beklagte verzichtet. Die Klage sei damit abzuweisen gewesen.

Gegen das ihr am 22. März 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. April 2017 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die Klageabweisung auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt, obwohl es darauf hingewiesen worden sei, dass im Jahre 2000 schon einmal ein ebenfalls im Hause der Klägerin behandelter Krampfanfall aufgetreten sei. Damit seien die nach der Definition der Fachgesellschaften für das Vorliegen einer Epilepsie erforderlichen mindestens zwei Anfälle dokumentiert. Der Sachverständige scheine selbst davon auszugehen, dass bei dem Versicherten eine epileptische Erkrankung vorgelegen habe. Die Einleitung einer dauerhaften antikonvulsivischen Therapie sei nicht Voraussetzung der Kodierung der Epilepsie als Hauptdiagnose. Die DKR würden nicht vorschreiben, in welchem Umfang die bekannte Grunderkrankung zu behandeln sei. Es reiche die Anbehandlung aus, die hier mit der Gabe eines Antelepsin vorgenommen worden sei. Die Akte des Voraufenthalts im Jahre 2001 sei nunmehr gefunden worden. Sie enthalte ein Notarztprotokoll und einen handschriftlichen Verlegungsbrief, der von einem Alkoholentzugskrampfanfall spreche. Ein solcher Krampfanfall lasse eine erhöhte Krampfbereitschaft zurück, wenn er einmal aufgetreten sei. Bei weiteren Krampfanfällen ohne Alkoholentzug, die in Verbindung mit Alkoholgenuss oder langjähriger Alkoholabhängigkeit aufgetreten seien, sei aufgrund der erhöhten Krampfbereitschaft wie vorliegend die G40.5. auch ohne Entzugssymptomatik zu kodieren. Der Gutachter habe nicht hinreichend den Wortlaut des ICD-10 Katalogs für die Diagnose G40.5 berücksichtigt, die (auch) epileptische Anfälle im Zusammenhang mit Alkohol erfasse. Es gehe weniger um die Klassifizierung einer Epilepsie im engeren Sinne, sondern um die Einordnung eines epileptischen Anfalls, der keine Epilepsie-Diagnose erfordere. Das vorliegende Krankheitsbild sei als besondere Epilepsieform bzw. Syndrom anzusehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.939,68 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe weder die von der Klägerin kodierte noch die vom MDK abgeänderte Verdachtsdiagnose bestätigt. Zutreffend habe das Sozialgericht die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose nicht bestätigt. Es sei nicht belegt, dass der Krampfanfall auf einer bestehenden Epilepsie beruhte und eine entsprechende Verdachtsdiagnose behandelt worden sei. Auch bei der Entlassung habe nicht festgestanden, dass bei dem Versicherten tatsächlich eine Epilepsie vorgelegen habe. Nach den DKR seien zwar auch Befunde, die nach der Entlassung eingehen, für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose müsse nicht der Aufnahme- oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Die Voraussetzungen für die Kodierung der G40.5 als Hauptdiagnose seien vorliegend aber nicht erfüllt. Der Sachverständige habe an seiner Auffassung auch nach erneuter Befragung durch den Senat festgehalten.

Der Senat hat den Sachverständigen Dr. D dazu befragt, ob die noch aufgefundenen Unterlagen über den Krankenhausaufenthalt des Versicherten im Jahre 2001 Anlass für eine abweichende Einschätzung geben. In seinem Folgegutachten vom 11. Dezember 2018 hält der Sachverständige an seiner bisherigen Einschätzung fest. Für die Feststellung einer Epilepsie bzw. eines epileptischen Syndroms sei neben einem epileptischen Anfall auch der Nachweis einer dauerhaften Veränderung im Gehirn erforderlich. Daran fehle es. Auch die Befunde der Behandlungsunterlagen aus dem Jahr 2001 würden keine Herde oder epileptiformen Merkmale aufweisen. Der im Notarztprotokoll beschriebene epileptische Anfall reiche nicht aus. Auch sei eine Kausalität zwischen den beiden Krampfanfällen aus den Jahren 2001 und 2009 nicht ersichtlich.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, sowie die Patientenakte der Klägerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 18. Februar 2009 bis 23. Februar 2009.

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch zulässigerweise im Wege einer allgemeinen Leistungsklage. Er würde sich aus dem Zahlungsanspruch für eine andere unstreitige Forderung ergeben, mit dem die Beklagte am 30. März 2010 einen Erstattungsanspruch wegen der hier streitigen Überzahlung verrechnet hat. Die Klage ist aber unbegründet. Der Beklagten stand in der Höhe des streitigen Betrags ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu Die stationäre Behandlung der Versicherten der Beklagten ist von dieser ohne Rechtsgrund in der Höhe vergütet worden, wie sie die Klägerin berechnet hatte. Diese Rechnung war aber jedenfalls in Höhe des streitigen Betrags von 1.939,68 EUR überhöht.

Rechtsgrundlage für die Vergütung der Behandlung der Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 18. Februar 2009 bis zum 23. Februar 2009 sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Brandenburger Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997. Nach diesen Regelungen entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich gewesen ist.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder eine ambulanten Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit liegt vor bei einem Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen (Urteil des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06 – und Urteil des BSG vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – zitiert jeweils nach juris). Die vollstationäre Behandlung als intensivste – und institutionell konstitutive Form der Krankenhausbehandlung wird in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V als Ultima Ratio normiert. Demgemäß muss die notwendige medizinische Behandlung in jeder Hinsicht und ausschließlich nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden können (Noftz in Hauck/Noftz SGB V § 39 RdNr. 72 m.w.Nachw.). Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht in Streit, dass vom 18. Februar 2009 bis zum 23. Februar 2009 eine medizinische Notwendigkeit für die Behandlung des Versicherten mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses bestand, so dass der Anspruch auf Klägerin auf Vergütung dem Grunde nach entstanden ist.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung entsprechend ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn 17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn 16). Welche der über die Höhe der Vergütung entscheidenden DRG-Positionen abzurechnen ist, ergibt sich damit nicht aus einem abstrakten Tatbestand, sondern steht am Ende des Verarbeitungsprozesses der einzugebenden Daten. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV sind zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer Fallpauschale Programme (sog. Grouper) einzusetzen, die von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zertifiziert sein müssen. Über die in das Programm einzugebenden Daten bestimmt der ICD-10 in der deutschen Fassung sowie der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS). Die Klägerin hat ihre Rechnung grundsätzlich nach diesen Vorgaben erstellt. Streitig ist zwischen den Beteiligten ausschließlich, ob für die Behandlung des Versicherten als Hauptdiagnose G40.5 (spezielle epileptische Syndrome) in die Abrechnung einzustellen gewesen ist. Die Beteiligten sind sich im Übrigen darüber einig und von dem Sachverständigen Dr. Deckert auch insoweit bestätigt worden, dass nur unter dieser Voraussetzung die Behandlung auf der Grundlage der von der Klägerin abgerechneten B76D zu vergüten wäre. Nur dann hätte die Klägerin Anspruch auf Zahlung der 1.939,68 EUR gehabt, welche von der Beklagten mittlerweile anderweitig verrechnet worden sind.

Die Deutschen Kodierrichtlinien Version 2009 bestimmen unter d002f, das Hauptdiagnose diejenige Diagnose ist, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts verantwortlich ist. Der Senat sieht indessen mit dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. Dkeine Grundlage, um für den Versicherten die gesicherte Diagnose "Epilepsie" stellen zu können. Die G40.5 des ICD-10 setzt schon nach ihrem Wortlaut mehrere epiletische Anfälle voraus. Es ist aber nicht ersichtlich, dass es vor dem streitigen Vorfall aus dem Jahre 2009 schon einmal einen epileptischen Anfall bei dem Versicherten gegeben hat. Der Verlegungsbericht aus dem Krankenhaus der Beklagten vom September 2001 berichtet nur über einen Krampfanfall und verneint epileptoforme Merkmale, das Protokoll des diesem Krankenhausaufenthalt vorangegangenem Notarzteinsatzes bestätigt lediglich einen Krampfanfall unbekannter Genese. Für den Versicherten war damit die Diagnose Epilepsie jedenfalls im Jahre 2009 nicht zu bestellen.

Auch für den Krampfanfall aus dem Jahre 2009 ist nicht nachgewiesen, dass er ein epileptischer Anfall gewesen ist. Da der Versicherte das Krankenhaus auf eigenen Wunsch wieder verließ, konnte die Diagnostik, die immerhin schon einen auffälligen EEG-Befund erbracht hatte, nicht abgeschlossen werden. Entsprechend berichtet die den hier streitbefangenen Krankenhausaufenthalt im Jahre 2009 betreffende Epikrise vom 24. Februar 2009 nur über einen Verdacht auf einen epileptischen Anfall. Für den Senat ist deshalb nicht ersichtlich, worauf die Annahme gestützt werden könnte, dass der Versicherte tatsächlich an Epilepsie leidet. Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer entgegenstehenden Auffassung auf den vorherigen Krankenhausaufenthalt des Versicherten Bezug nimmt, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Diagnose einer Epilepsie damals gerade nicht gestellt worden war. Falls die Klägerin der Auffassung sein sollte, dass bereits das zweimalige Auftreten eines Krampfanfalles ein hinreichender Beweis für das Vorliegen einer epileptischen Erkrankung ist, so dass eine entsprechende Diagnose sicher gestellt werden kann, ist sie auf die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. D hinzuweisen, der in seinem Folgegutachten vom 11. Dezember 2018 ausdrücklich festgestellt hat, dass für die die entsprechende Diagnose auch der Nachweis einer dauerhaften Veränderung im Gehirn erforderlich ist. Die Richtigkeit dieser Einschätzung hat die Klägerin nicht erschüttern können, so dass der Senat ihr folgt. Der Nachweis ist bislang aber nicht erbracht.

Der bloße Verdacht auf das Bestehen einer epileptischen Erkrankung kann die Kodierung einer entsprechenden Erkrankung als Hauptdiagnose gem. D008b der Kodierrichtlinien im Falle einer – hier vorliegenden – Entlassung des Patienten nach Hause nur rechtfertigen, wenn eine entsprechende Behandlung eingeleitet worden ist. Der Sachverständige hat aber gerade nicht feststellen können, dass der Versicherte während des streitigen Aufenthalts einer speziellen Behandlung wie für Epileptiker unterzogen worden ist, weil keine dauerhafte medikamentöse Behandlung vorgenommen worden sei. Dem ist die Klägerin nicht mit nachvollziehbaren Argumenten entgegen getreten: Sie verweist lediglich darauf, dass die DKR gerade nicht vorschreiben würden, in welchem Umfang die bekannte Grunderkrankung behandelt würde. Nach den DKR steht der Verdacht auf eine Erkrankung einer bestehenden Erkrankung aber insoweit gerade nicht gleich. Eine Verdachtsdiagnose "Epilepsie bzw. epileptisches Syndrom" durfte daher wegen des Fehlens einer entsprechenden Behandlung nicht kodiert werden.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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