L 9 KR 130/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 12 KR 161/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 130/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cott-bus vom 22. Januar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstat-ten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Erstattung von Kosten für die hormonelle Stimulie-rung, die Eizellenentnahme und die Kryokonservierung imprägnierter (befruchteter) Eizellen in Höhe von 4.351,48 Euro.

Bei der im Jahr 1983 geborenen Klägerin wurde im Rahmen einer Untersuchung we-gen unerfüllten Kinderwunsches im September 2012 ein Borderline Tumor des rech-ten Eierstocks diagnostiziert, in Folge dessen der rechte Eierstock nebst Eileiter am 11. Oktober 2012 operativ entfernt wurde. In der OP-Nachbesprechung am 30. Oktober 2012 wurde der Klägerin aufgrund der Ausbreitung tumorösen Gewebes im Bauchraum eine Entfernung auch des linken Eierstockes nebst Eileiter, welche zu-nächst noch tumorfrei waren, sowie die baldige Durchführung einer Chemotherapie empfohlen. Aufgrund des weiterhin bestehenden Kinderwunsches entschied sich die Klägerin nach Beratung mit ihren Ärzten dafür, den Beginn der Chemotherapie und die Operation zugunsten einer Hormonstimulation und Eizellenkryokonservierung zunächst aufzuschieben.

Am 31. Oktober 2012 stellte sich die Klägerin im fera Wunschzentrum vor und be-gann - nach eigenen Angaben nach Klärung der Finanzierung der Leistungen durch einen Kredit ihres Arbeitgebers - sogleich mit der hormonellen Stimulationsbehand-lung als sog. Selbstzahler. Hierfür reichte sie das Rezept der behandelnden Ärztin Dr. A St ein und beglich einen Betrag für verordnete Medikamente in Höhe von 1.589,73 Euro am 31. Oktober 2012 und in Höhe von weiteren 1.073,54 Euro am 1. November 2012. Darüber hinaus zahlte die Klägerin am 8. November 2012 einen Betrag in Höhe von 52,00 Euro, am 9. November 2012 in Höhe von 104,00 Euro und am 12. November 2012 in Höhe von 108,48 Euro für ihr verordnete Arzneimittel.

Am 14. November 2012 entnahm die behandelnde Ärztin der Klägerin unter Vollnar-kose 11 Eizellen, wovon 10 Eizellen am nächsten Tag durch eine Intrazytoplasmati-sche Spermieninjektion (ICSI) mit dem Sperma ihres Mannes befruchtet wurden. Hiervon wurden sechs regulär entwickelte Eizellen (sog. imprägnierte Eizellen) im Vorkernstadium (Pronukleusstadium) am 15. November 2012 kryokonserviert (Auf-bewahren in flüssigem Stickstoff). Für die durchgeführte Narkose rechnete die Anästhesistin einen Betrag von 186,00 Euro ab, die Gynäkologin stellte für die gesamte Behandlung einen Betrag von 1.007,97 Euro in Rechnung, wobei nach ihren eigenen Angaben ein Betrag von 152,10 Euro (Mikroskopie der Eizellen vor Kultivierung) bei der Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen nicht angefallen wäre. Darüber hinaus fiel für die Laborunter-suchung des Blutes der Klägerin ein Betrag von 55,38 Euro an.

In der Zeit vom 19. November 2012 bis zum 7. März 2013 unterzog sich die Klägerin sechs Chemotherapiezyklen.

Mit Schreiben vom 2. März 2013, bei der Beklagten eingegangen am 5. März 2013, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Medika-mente und die Behandlung zur Entnahme und Befruchtung von Eizellen unter Beifü-gung der Behandlungsberichte der Charité und eines Begleitschreibens der Gynäko-login Dr. A St vom 12. November 2012.

Mit Bescheid vom 7. März 2013 lehnte die Beklagte den "Antrag auf Kostenüber-nahme für eine Eizellenkryokonservierung" mit der Begründung ab, dass die Kryo-konservierung und der Kryoembryonentransfer nicht in den "Richtlinien über künstli-che Befruchtung" enthalten und daher keine Vertragsleistungen seien.

Den hiergegen am 9. April 2013 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchs-ausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 als unbe-gründet zurück. Die Kryokonservierung sei gemäß Nr. 4 der Richtlinien über die künstliche Befruchtung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch dann, wenn diese aus krankheitsbedingten Gründen erfolge.

Mit ihrer hiergegen am 30. August 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begeh-ren auf Erstattung der entstanden Kosten für die hormonelle Stimulation, die Ent-nahme der Eizellen und die Kryokonservierung der befruchteten Eizellen in Höhe von 4.351,48 Euro weiter verfolgt.

Mit Rechnung vom 21. November 2013 hat die C GmbH Kosten für die weitere Ein-lagerung der befruchteten Eizellen für die Zeit vom 15. November 2013 bis zum 14. Mai 2014 in Höhe von 119,00 Euro geltend gemacht.

Am 29. November 2013 wurde der Klägerin auch der linke Eierstock nebst Eileiter entfernt.

Nach Einholen von Befundberichten der behandelnden Ärzte sowie der Kranken-hausentlassungsberichte hat das Sozialgericht Cottbus (SG) der Klage mit Urteil vom 22. Januar 2016 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013 verurteilt, der Klägerin 4.351,48 Euro zu erstatten. Zur Begründung hat es im We-sentlichen ausgeführt, dass die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) habe, da die Beklagte die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Der materiell-rechtliche Anspruch der Klägerin ergebe sich zwar nicht aus § 27a SGB V, da die hormonelle Stimulierung, Eizellenentnahme und Kryokonservierung nicht unmittelbar der künstli-chen Befruchtung diene. Jedoch folge dieser aus § 27 SGB V, denn bei einer unge-wollten Kinderlosigkeit handele es sich um eine behandlungsbedürftige Krankheit. Durch die Eizellenentnahme sei die Erfüllung eines Kinderwunsches nach der an-schließend notwendigen Entfernung auch des linken Eierstockes ermöglicht worden. Da die entnommenen Eizellen zudem vor der Einlagerung befruchtet worden seien, liege ein Unterschied zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 9. De-zember 2004 (B 1 KR 95/03 B) und vom 28. September 2010 (B 1 KR 26/09 R) vor, in denen es lediglich um die Ermöglichung einer späteren Befruchtung als Maßnah-me der künstlichen Befruchtung gegangen sei.

Gegen das ihr am 24. Februar 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. März 2016 Berufung eingelegt.

Sie ist der Ansicht, dass das Sozialgericht zu Unrecht das Bestehen eines Kostener-stattungsanspruches angenommen habe. Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V reiche nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch: er setze also voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu er-bringen habe. Die von der Klägerin begehrte Leistung der Kryokonservierung be-fruchteter Eizellen stelle jedoch keine Krankenbehandlung nach § 27 SGB V dar, da durch die Entnahme beider Eierstöcke eine Empfängnis bzw. Schwangerschaft für die Klägerin auf natürlichem Wege ausgeschlossen sei. Damit gehe es bei der Be-handlung nicht darum die Empfängnisfähigkeit der Klägerin wiederherzustellen, son-dern eine spätere künstliche Befruchtung zu ermöglichen. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2010 (B 1 KR 10/9 R) entschieden, dass die Krankenbehandlung nach § 27 SGB V zur Beseitigung der Unfruchtbarkeit in der Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit liege. Bei der Klägerin könne diese jedoch durch die vollständige Entfernung beider Eierstöcke nebst Eileiter nicht mehr wiederhergestellt werden. Demgegenüber liege nach der Rechtsprechung des BSG eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V vor, wenn die Maß-nahme auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichtet sei. Auch dies sei der-zeit bei der Klägerin nicht gegeben, da das Ziel der Kryokonservierung nicht die ak-tuelle Herbeiführung einer Schwangerschaft sei. Es gehe daher nicht um die Wieder-herstellung der Empfängnisfähigkeit. Nach Nr. 4 der Richtlinien des G-BA zu Art und Umfang der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung handele es sich bei der Kryo-konservierung nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch im Falle einer Kryokonservierung aus krankheitsbedingten Gründen. Be-reits mit Urteil vom 25. Mai 2000 (B 8 KN 3/99 KR R) habe das BSG entschieden, dass die Kryokonservierung befruchteter Eizellen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sei.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgericht Cottbus vom 22. Januar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013 rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletzte, da sie einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V gegen die Beklagte habe. Diese habe die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt. Es handele sich nicht um eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V, sondern um eine Krankenbehandlung, die erforderlich geworden sei, weil der Klägerin durch die konkret beabsichtigte Entfernung auch des zweiten Eierstockes Empfängnisunfähigkeit drohte. Nur durch die hormonelle Stimulierung, Befruchtung und Kryokonservierung der befruchteten Eizellen könne eine Schwangerschaft der Klägerin ermöglicht werden. Es handele sich um eine medizinische Maßnahme, die der drohenden Empfängnisunfähigkeit entgegen wirke, indem diese wieder hergestellt werde. Es könne für die Beurteilung nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Schwangerschaft unmittelbar herbeigeführt werde oder durch die Kryokonservierung erst eine spätere Schwangerschaft ermöglicht werde.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug ge-nommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Ver-handlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil diese zum Termin ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf diese Mög-lichkeit hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 126, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) der Beklag-ten gegen das Urteil des SG Cottbus vom 22. Januar 2016 ist zulässig und begrün-det. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Statthafte Klageart ist eine Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 21. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die hormonelle Stimulation, Eizellenentnahme und Kryokonservierung der befruchteten Eizellen.

Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch bezieht sich auf die Behandlung der Klägerin in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 14. November 2012 (hormo-nelle Stimulation, Eizellenentnahme, ICSI) nebst Einlagerungskosten bis 15. Mai 2014. Damit geht es um eine abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Be-handlung, so dass für die Entscheidung die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeit-punkt maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. März 1995, B 1 RK 8/94, juris). Deshalb sind die Vorschriften des SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003, BGBl. I, 2190 anzuwenden.

Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 SGB V liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat eine Krankenkasse die dem Versicherten für eine selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V).

Entgegen der Ansicht des SG kann die Klägerin mangels Einhaltung des Beschaf-fungsweges den Erstattungsanspruch nicht auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V stützen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts scheidet ein auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V gestützter Erstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 20. Mai 2003, B 1 KR 9/03 R; vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 8/06 R; vom 21. Februar 2008, B 1 KR 123/07 B; Beschluss vom 2. Juli 2015, B 3 KR 3/15 BH; jeweils juris). § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss daher zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R, juris). Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 8/06 R und vom 18. Juli 2006, B 1 KR 9/05 R, jeweils juris) wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Dies ist grundsätzlich erst nach dem Zugang eines entsprechenden Ablehnungsbescheides anzunehmen. Vorliegend hat sich die Klägerin jedoch eigenständig und völlig unabhängig von der Entscheidung der Beklagten spätestens mit Beginn der Behandlung am 31. Oktober 2012 für deren Durchführung entschieden und die Kosten bereits eigenständig beglichen. Den Antrag bei der Beklagten hat sie erstma-lig mit Schreiben vom 2. März 2013, eingegangen bei der Beklagten am 5. März 2013, gestellt. Auch lag diesem erstmals das Schreiben der behandelnden Ärztin vom 12. November 2012 bei. Die Kostenlast der Klägerin beruht damit nicht kausal auf der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 7. März 2013.

Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V liegen nicht vor, da nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass eine Selbstbe-schaffung ohne vorherige Antragstellung bei der Beklagten aufgrund der Unauf-schiebbarkeit der Leistung medizinisch notwendig war. Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbrin-gung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennens-werten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2017, L 11 KR 2703/16, Rn. 29 m.w.N., juris; Helbig in: Schlegel/Voelzke, juris BK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 13 SGB V Rn. 41). Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass nach der Entfernung des rechten Eierstockes nebst Eileiter am 11. Oktober 2012 und der sich danach ergebenden medizinischen Erforderlichkeit zur Entfernung auch des lin-ken Eierstockes nebst Eileiter nach erfolgter Chemotherapie ein zeitnaher Beginn der zur Realisierung des Kinderwunsches medizinisch indizierten Hormontherapie gebo-ten war. Jedoch setzt auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V voraus, dass die Krankenkasse bereits vor der Selbstbeschaf-fung der Leistung mit dem Leistungsbegehren des Versicherten konfrontiert war und sich angesichts dessen ihr Unvermögen zur Erbringung der Leistung herausgestellt hat (vgl. Bayrisches LSG, Urteil vom 16. Mai 2019, L 20 KR 502/17 juris). Etwas an-deres gilt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, Rn. 16; Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 30/15 R, Rn. 17, jeweils juris) nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte. Daher kann der Kostener-stattungsanspruch nur dann mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeiti-gen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung begründet werden, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten. Dies ist hier nicht ersichtlich. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen ist die Diagnose eines Borderline Tumors des rechten Eierstockes im Rahmen der Abklärung der Ursachen eines unerfüllten Kinderwunsches der Klägerin gestellt worden. Daher waren die Fragen wie mit der Diagnose ein bestehender Kinderwunsch weiterhin erfüllt werden kann von vorherein Gegenstand der ärztlichen Beratungsleistung. Daher verwundert, warum die Klägerin nicht zumindest nach Entlassung aus dem Krankenhaus am 20. Oktober 2012 vor Beginn der Kinderwunschbehandlung am 31. Oktober 2012 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten gestellt hat, sondern ausweislich des Berichtes des Kinderwunschzentrums (vom 26. August 2015) sofort die Behandlung als Selbstzahler durchgeführt wurde. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin da-von ausgeht, dass erst am 30. Oktober 2012 klar war, dass zügig eine Chemothera-pie sowie die anschließende Entfernung auch des linken Eierstockes medizinisch indiziert war und sich daher unmittelbar die Notwendigkeit zum sofortigen Beginn der Hormonbehandlung zwecks anschließender Eizellenentnahme ergab, so dass 31. Oktober 2012 eine unaufschiebbare Leistung notwendig war, so erklärt sich weiterhin nicht, warum selbst nach Aufnahme der Behandlung nicht unverzüglich die Antrag-stellung nachgeholt wurde, sondern die Beklagte erstmals im März 2013 mit der An-gelegenheit befasst wurde. Dies dürfte der Klägerin angesichts des Umstandes, dass die Hormonbehandlung durch die selbständige Gabe von Hormonspritzen im häusli-chen Bereich durchgeführt wird und sie auch in der Lage war, die Gewährung eines Kredites für die Behandlung durch ihren Arbeitgeber zu klären, möglich und zumutbar gewesen sein. Letztlich kann dies jedoch auch dahingestellt bleiben, denn der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB V scheitert überdies daran, dass es sich bei der von der Klägerin selbst beschafften Leistung zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung im Oktober/November 2012 nicht um eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt hat. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB tritt an die Stelle des primären Sachleistungsanspruches und leitet sich daher von diesem ab. Daraus folgt, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reichen kann als ein Sachleistungsanspruch, den die zuständige Krankenkasse nicht erfüllt hat (grundlegend BSG, Urteile vom 30. September 1993, 4 RK 1/92 und vom 16. Dezember 1993, 4 RK 5/92; jeweils juris). Der Versicherte muss also in dem Zeitpunkt, in dem die Bedarfsdeckung unaufschiebbar und deswegen von ihm selbst beschafft wurde, einen im SGB V ausgestalteten Sach- oder Dienstleistungsanspruch gegen die zuständige Krankenkasse gehabt haben, der durch die selbstbeschaffte Bedarfsdeckung untergegangen ist (Identität zwischen Bedarfsdeckung und Anspruchsinhalt).

Daran fehlt es hier. Entgegen der Ansicht des SG und der Klägerin ergibt sich ein Anspruch auf die hormonelle Stimulation, Eizellenentnahme und Kryokonservierung der befruchteten Eizellen nicht aus § 27 SGB V a.F. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krank-heitsbeschwerden zu lindern; nach Satz 4 dieser Vorschrift (a.F.) gehören zur Kran-kenbehandlung auch Leistungen zu Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfä-higkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen war. Abzugren-zen ist der Ansprüche nach § 27 SGB V auslösende Versicherungsfall der Krankheit von dem Versicherungsfall des § 27a SGB V: der Unfähigkeit eines Ehepaares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen nebst der daraus resultierenden Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2010, B 1 KR 10/09 R, Rn. 14 m.w.N., juris). Die in § 27a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen dienen nicht der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der Gesetzgeber hat medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vielmehr nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt.

Die durchgeführte Behandlung ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht von den Leistungen nach § 27a SGB V umfasst, denn diese Regelung erfasst nur Maßnah-men, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber Kryokonservierung und Lagerung (BSG, Urteil vom 25. Mai 2000, B 8 KN 3/99 KR R, BSGE 86, 174 Kryokonservierung vorsorglich ge-wonnener imprägnierter Eizellen; Beschluss vom 9. Dezember 2004, B 1 KR 95/03 B sowie Beschluss vom 9. April 2018, B 1 KR 81/17 B). Zwar entsprechen die Eizellen-entnahme nach Hormonstimulation sowie die Befruchtung der Eizellen mittels ICSI insoweit dem natürlichen Zeugungsakt, jedoch dienen diese nicht unmittelbar der Befruchtung. Denn anders – als wohl das SG annimmt – ist die Befruchtung in die-sem Sinne nicht mit der Befruchtung der Eizelle abgeschlossen, sondern verlangt darüber hinaus das unmittelbare Einsetzen der befruchteten Eizellen in den Körper der Frau zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Daher ist die Entnahme, Be-fruchtung und das Einfrieren der Zellen auf "Vorrat" nicht von § 27a SGB V umfasst und zwar auch dann nicht, wenn ein unmittelbares Einsetzen der befruchteten Eizelle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft krankheitsbedingt ausgeschlossen ist. Es kommt daher entgegen der Ansicht des SG auch nicht maßgeblich darauf an, ob befruchtete oder unbefruchtete Eizellen kryokonserviert werden sollen, zumal es nach den Angaben der behandelnden Gynäkologin medizinisch keinen Unterschied macht, ob befruchtete oder unbefruchtete Eizellen kryokonserviert werden. Bereits in seinem Urteil vom 25. Mai 2000 (a.a.O.) hat das BSG auch die Kryokonservierung befruchteter Eizellen als nicht vom System der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst angesehen.

Überdies stellt die Kryokonservierung der befruchteten Eizellen keine Behandlung der Krankheit der Klägerin im Sinne von § 27 SGB V dar, denn weder kann damit der Borderline-Tumor behandelt werden, noch ändert sich hierdurch etwas an dem Um-stand, dass die Klägerin aufgrund der Entnahme beider Eierstöcke nebst Eileiter auf natürlichem Weg kein Kind mehr bekommen kann. Nach der Rechtsprechung des BSG zielt die Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V a.F. darauf ab, die Fähigkeit, auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen, ganz oder teilweise wiederherzustellen (BSG, Beschluss vom 9. April 2018, B 1 R 81/17 B, Rn. 10, juris). Die hier durchgeführte Maßnahme diente jedoch nicht dem Erhalt oder der Wiederherstellung der natürlichen Empfängnisfähigkeit der Klägerin, denn diese ist durch den Verlust beider Eileiter unwiderbringlich verloren. Die Maßnahme diente daher allein dem Erhalt der Möglichkeit mittels künstlicher Befruchtung ein eigenes Kind zu bekommen. Dieses durchaus verständliche Begehren war bis zum 10. Mai 2019 nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Die mit Wirkung zum 11. Mai 2019 erfolgte Aufnahme der Kryokonservierung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 27a Abs. 4 SGB V n.F.) durch das Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung vom 6. Mai 2019, (BGBl. I, 646; vgl. hierzu auch die Begründung zum Gesetzentwurf, S. 100) kann nicht zu einer anderen Beurteilung in diesem Verfahren führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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