L 30 P 47/19 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 162 P 264/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 P 47/19 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der die Gewährung von Prozess-kostenhilfe ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2019 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin mit Wirkung vom 2. Oktober 2019 Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwalt Marcus Lippe, Urbanstr. 100, 10967 Berlin, bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Ihr ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die Rechtsverfolgung bot im Zeitpunkt der Entscheidungsreife hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes war dafür auch im Sinne von §§ 73a Abs. 1 SGG, 121 Abs. 2 ZPO erfor-derlich.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Pro-zesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008, 1 BvR 1404/04, zitiert nach juris) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahr-scheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 73a, Rn. 7a). Einerseits dür-fen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, zitiert nach juris). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Zu klären ist die Rechtsfrage, ob der Auszug aus einer (bereits bezuschussten) Mietwohnung und Umzug in (selbst bewohntes, mit einem Ausstattungsdefizit versehenes) Eigentum aus Altersvorsorgegründen eine nachvollziehbare Erwägung für einen nachträglich objektiv geänderten Pflegebedarf, mit der Folge einer erneuten Bezuschussung nach § 40 Abs. 4 SGB XI darstellen kann. Das Bundessozialgericht hat in seiner, von dem Sozialgericht zitierten, in juris veröffentlichten Entscheidung vom 19. April 2007, B 3 P 8/06 R, Rn. 23, ausgeführt, dass das Gesetz die Zuschussfähigkeit einer zweiten Maßnahme nicht daran anknüpft, dass sie allein oder im Wesentlichen auf einer Ausweitung des Pflegebedarfs basiert. Die nachträgliche Ausweitung des Pflegebedarfs sei nur eine - wenn auch wohl die bedeutendste - Variante einer nachträglichen Änderung der Pflegesituation, schließe aber andere Varianten nicht aus. Nach dem Gesetz reichten auch andere nachvoll-ziehbare Erwägungen eines Pflegebedürftigen aus, die zu einer neuen Umbaumaßnahme führen, um einen erneuten Zuschuss zu rechtfertigen, solange der Bedarf nicht mutwillig herbeigeführt werde. Ein Umzug aus einer bereits behindertengerecht gestalteten Wohnung in eine nicht behindertengerecht ausgestattete Wohnung kön-ne deshalb eine nachträgliche Änderung der Pflegesituation darstellen, auch wenn sich der Pflegebedarf nicht krankheits- oder behinderungsbedingt verändert habe. Die Gewährung eines zweiten Zuschusses für Umbauarbeiten in der neuen Wohnung hänge davon ab, ob der Umzug in diese Wohnung auf nachvollziehbaren Erwägungen des Pflegebedürftigen beruhe, was z.B. dann gegeben sein könne, wenn der Umzug aus beruflichen Gründen erfolge oder der Pflegebedürftige aus einer Mietwohnung in geerbtes Wohneigentum umziehe. Zu den nachvollziehbaren Erwägungen für einen Umzug in eine noch nicht behindertengerecht ausgestattete Wohnung zähle auch der Entschluss eines Pflegebedürftigen, wegen des eigenen Alters und des Alters der Ehefrau sowie zur Verringerung des Arbeitsaufwandes bei der Haushaltsführung in eine kleinere Wohnung im eigenen Haus umzuziehen, einem erwachsenen Kind und dessen Ehepartner bzw. Familie die bisher genutzte größere Wohnung zu überlassen und auch eigentumsrechtlich einen Generationenwechsel herbeizuführen.

Diese Erwägungen, die nicht auf einem krankheits- oder behinderungsbedingt ver-änderten Pflegebedarf beruhen, schließen es nicht von vornherein aus, dass auch der Entschluss der Klägerin, aus Altersvorsorgegründen mit geerbten finanziellen Mitteln (selbstbewohntes, aber mit einem Ausstattungsdefizit versehenes) Eigentum zu erwerben, eine ebenso nachvollziehbare Erwägung für einen Umzug und damit eine weitere Variante einer (durch Umzug) nachträglich objektiv geänderten Pflegesituation mit der Folge einer erneuten Bezuschussung nach § 40 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) darstellen kann. Von einem mutwillig herbeigeführten Bedarf kann zumindest keine Rede sein.

Kosten sind im Prozesskostenbeschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht ange-fochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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