L 8 R 617/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 R 139/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 617/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens (= Überprüfungsverfahrens), ob die Beklagte Feststellungen nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zu treffen hat.

Der Kläger ist 1941 geboren worden. Im Juli 1967 war ihm das Recht zuerkannt worden, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, nachdem er das Fachschulstudium der Fachrichtung Kraftfahrzeug-Instandhaltung mit Erfolg abgeschlossen hatte (Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau Z vom ). Im Februar 1975 erwarb er außerdem den akademischen Grad des Diplomingenieurs (Urkunde der Ingenieurhochschule Z vom ).

Ab 1. April 1975 war der Kläger beim VEB R P B (im Folgenden: VEB R) in B beschäftigt, bis Ende 1976 mit der Tätigkeitsbezeichnung "Ingenieur für Komplexkoordinierung", danach mit der eines "Ingenieurs für Investrealisierung". Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörten nach seinen Angaben Leitungsaufgaben bei der Realisierungsdurchführung und Montage von Anlagen und Ausrüstungen, teils im Ausland.

Seinen von ihm im Jahr 2000 gestellten Antrag, Feststellungen nach dem AAÜG zu treffen, lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Rechtsvorgängerin der Beklagten durch Bescheid vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 ab. Die Voraussetzungen für die Anwendung des AAÜG seien nicht erfüllt. Dem Kläger sei zu DDR-Zeiten keine Versorgungszusage erteilt worden sei. Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des AAÜG lägen deshalb nur vor, wenn er aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt habe. Das sei nicht der Fall. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die in Betracht kommende Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) seien nicht erfüllt. Zwar habe er (unter anderem in dem auch im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraum vom 1. April 1975 bis zum 30. Juni 1990) eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung ausgeübt. Der Beschäftigungsbetrieb VEB R falle aber nicht in den Anwendungsbereich der bundesrechtlich anzuwendenden Vorschriften über die AVItech. Bei den Betrieben für Rationalisierung habe es sich nicht um volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens oder gleichgestellte Betriebe gehandelt.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage (ursprünglich S 14 RA 455/03, später S 14 R 3681/08) machte der Kläger weiter geltend, dass der VEB R in der Zeit ab 1. April 1975 entgegen der Auffassung der Beklagten der betrieblichen Voraussetzung für einen Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech entsprochen habe. Der Betrieb sei dem Ministerium für allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau (MALF) unterstellt gewesen und habe direkt von ihm Aufträge erhalten. Seine Aufgabe habe nicht darin bestanden, andere Betriebe zu unterstützen, sondern er habe Betriebe im In- und Ausland komplett aufgebaut. Zur Unterstützung seiner Auffassung hat er eine Eigendarstellung des VEB R P B in Kopie vorgelegt. Die Beklagte reichte ihrerseits diverse Unterlagen zu dem Betrieb ein, darunter Kopien von Registerblättern aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft, der Verfügung über die Bildung des VEB R B vom 1973 (Verfügungen und Mitteilungen des MALF Nr. 2 vom 22. Oktober 1974, S. 9) und das ab 1. Mai 1983 geltende Statut.

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits legte der Kläger eine schriftliche Erklärung des K M vom 9. Februar 2006 vor, der im Betriebsteil Weimar des VEB R beschäftigt war.

Nach Wiederaufnahme des Rechtsstreits, der zwischenzeitlich vor dem Hintergrund des ebenfalls den VEB R betreffenden Revisionsverfahrens B 4 RS 3/06 R zum Ruhen gebracht worden war, bezog sich die Beklagte auf das in dieser Sache ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 (in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 4-8570 § 1 Nr. 16). Die strittige Rechtsfrage, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers die betriebliche Voraussetzung für die AVItech erfülle, sei damit entschieden.

Der Kläger erklärte in der Folge, er erkenne das Urteil des BSG, welches keine Tatsachenfeststellungen vorgenommen habe, nicht an. Zu der Entscheidung sei es nur deshalb gekommen, weil vom Kläger im dortigen Verfahren keine begründeten Verfahrensmängel unberücksichtigter Beweismittel und fehlerhafter Beweiswürdigung vorgebracht worden seien. Er machte Ausführungen dazu, warum das BSG in der Folge aus seiner Sicht unzutreffend davon ausgegangen war, dass es sich bei seinem Beschäftigungsbetrieb nicht um einen industriellen Fertigungsbetrieb gehandelt habe. Zur Unterstützung seiner Auffassung legte er in Kopie die ab 1982 gültigen Richtlinien der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR zur Industrieberichterstattung für zentralgeleitete Industriebetriebe mit General- bzw. Hauptauftraggeberfunktion sowie für Anlagenbaubetriebe mit General- bzw. Hauptauftragnehmerfunktion vor.

Durch Urteil vom 1. Dezember 2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Zeiten als solche der Zugehörigkeit zur AVItech. Er sei bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft gewesen. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech erfülle er von daher nicht, als er nicht in einem volkseigenen Betrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Die industrielle Produktion habe dem VEB Rnicht das Gepräge gegeben. Solches habe sich auch nach Auswertung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht feststellen lassen, selbst wenn ihm insoweit gefolgt werden könne, dass die Rationalisierung dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben habe und die Projektierung Teil der Tätigkeit des Hauptauftragnehmers gewesen sei, folglich nicht seinem Beschäftigungsbetrieb zugerechnet werden könne. Dies ändere aber nichts daran, dass der Betrieb nicht als Produktionsbetrieb angesehen werden könne, welcher auf eine standardisierte Massenproduktion ausgerichtet sei.

Mit der Berufung (LSG Berlin-Brandenburg L 22 R 31/10) verfolgte der Kläger sein Anliegen weiter und wiederholte und vertiefte seine Auffassung dazu, dass es sich beim VEB R um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe eine Massenproduktion stattgefunden. Er sehe auch eine Ungleichbehandlung zu den Mitarbeitern des VEB R K-, welcher der ehemalige Stammbetrieb seines Beschäftigungsbetriebes und mit diesem strukturgleich gewesen sei. Für diesen Betrieb sei die betriebliche Voraussetzung zur Einbeziehung in die AVItech in einer Entscheidung des SG Chemnitz anerkannt worden. Zur Unterstützung seiner Auffassung hat er weitere Unterlagen eingereicht, darunter den Jahresgeschäftsbericht des VEB R betreffend das Jahr 1988 und Arbeitsverträge sowie weitere Schriftstücke betreffend sein Arbeitsverhältnis. Zum Termin für die mündliche Verhandlung vor dem 22. Senat des LSG Berlin-Brandenburg legte er eine von ihm so bezeichnete Produktionsfluss-Grafik vor.

Durch Urteil vom 10. Februar 2011 wies der 22. Senat die Berufung zurück. Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Einbeziehung in die AVItech gemäß der Rechtsprechung des BSG hätten am Stichtag 30. Juni 1990 nicht vorgelegen. Der VEB R sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen. Es habe sich um einen Generalauftraggeber und Generallieferanten gehandelt, der nicht als Hauptzweck die industrielle - also serienmäßige - Fabrikation von Sachgütern oder die Errichtung von baulichen Anlagen im Sinne einer Massenproduktion betrieben habe. Der Betrieb sei zum 1. Januar 1974 als juristisch selbstständiger Betrieb gegründet worden. Sein übergeordnetes Organ sei das MALF gewesen, dem er direkt unterstellt gewesen sei. Er habe bis zum 30. Juni 1990 als VEB bestanden. Nach der seit 1. September 1974 geltenden Arbeitsordnung 1974 habe der Betrieb entsprechend der Nomenklatur der General- und Hauptauftragnehmer die Funktion eines GAN für komplette Industrieanlagen zur Herstellung von Erzeugnissen des vom MALF abgedeckten Industriebereichs wahrgenommen. Nach dem am 1. Mai 1983 in Kraft getretenen Statut habe der Betrieb für den vom MALF abgedeckten Industriebereich ebenfalls den Aufbau kompletter Industrieanlagen zur Herstellung von Erzeugnissen als GAN sowie die Übernahme von diversen Funktionen als Generalprojektant, von Projektierungsleistungen und als Generallieferant (GL) zur Aufgabe gehabt. Nach der Nomenklatur der General- und Hauptauftragnehmer, Ausgabe 1985, habe der Betrieb als GAN komplette Anlagen zur Herstellung von Erzeugnissen des vom MALF abgedeckten Industriebereichs und als GL komplette Montagewerke und Servicewerkstätten für Nutzkraftwagen, Pkw und Zweirad-Kfz sowie dazugehörige Ausbildungsstätten des vom MALF abgedeckten Industriebereichs zu erbringen gehabt. Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht habe sich deshalb zu keinem Zeitpunkt, auch nicht 1985, eine Änderung des Tätigkeitsschwerpunktes des Betriebs ergeben. Selbst nach dem Vorbringen des Klägers sei deshalb nicht zweifelhaft, dass der Betrieb als GAN und GL tätig gewesen sei. Ein GAN bzw. GL sei nach seinem Aufgabenbereich aber kein Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens gewesen. Er habe weder selbst komplette Produktionsanlagen hergestellt noch sich dazu der komplexen Fließfertigung bedient (Hinweise auf die Beschreibung von GAN im Ökonomischen Lexikon, Berlin [DDR] 1978, und die Grundsatzordnung für die Generalauftragnehmerschaft bei strukturbedingten Industrieinvestitionen vom 26. Juni 1968). Aus den Bestimmungen über den Grundfonds B ergebe sich ebenso wenig etwas anderes wie aus der Invest-Verordnung, die am 1. Januar 1989 in Kraft getreten sei. Dem Vortrag des Klägers sei nichts dafür zu entnehmen gewesen, dass sich die Aufgaben des GAN bzw. GL in dem Betrieb anders als dargestellt vollzogen hätten. Der Kläger verweise vielmehr selbst auf diese rechtlichen Regelungen und habe betont, dass die komplexen Industrieanlagen durch vertragliche Kooperationsbeziehungen im Schwerpunkt durch Fremdbetriebe projektiert und errichtet worden seien. Die Wirtschaftsgruppe, welcher der Betrieb gemäß der vorliegenden Bilanz zum 30. April 1990 angehört habe, weise auch nicht auf einen anderen Hauptzweck als den des GAN und GL hin. Ohne Belang sei, ob die namensgebende Projektierung nur noch eine untergeordnete Aufgabe des Betriebs gewesen sei. Die Industrieberichterstattungs- und die Nettoproduktions-Richtlinie belegten in Verbindung mit der Übersicht zur Erfüllung wichtiger Kennziffern, dass die nichtindustrielle Warenproduktion Hauptzweck des Betriebs als GAN und GL gewesen sei. Entscheidend sei schließlich nicht, dass der Betrieb dem MALF unterstellt gewesen sei. Neben der organisatorischen Zuordnung zum industriellen Produktionssektor komme es maßgeblich darauf an, dass der betroffene Betrieb seinem Hauptzweck nach auf die industrielle Massenproduktion ausgerichtet gewesen sei. Dies erkläre sich dadurch, dass dieser Sektor der Volkswirtschaft besondere Bedeutung für den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft gehabt habe. Einer Vernehmung des Zeugen M, von dem eine schriftliche Erklärung vorliege, habe es ebenso wenig bedurft wie der des angebotenen weiteren Zeugen K R. Die Erklärung des Zeugen M bestätige im Wesentlichen den Vortrag des Klägers. Im Übrigen werde zu seinen Gunsten unterstellt, dass Fertigungshilfsanlagen in industrieller - also serienmäßig wiederkehrender - Fertigung hergestellt worden seien. Die vom Sozialgericht Chemnitz betreffend den VEB R getroffene Entscheidung, in der das Gericht eine Sachgüterherstellung angenommen habe, sei selbst dann nicht wesentlich, wenn sich dieser Betrieb nicht vom Beschäftigungsbetrieb des Klägers unterschieden habe. Eine Gleichbehandlung könne der Kläger nicht beanspruchen, wenn diese einen Rechtsverstoß bedinge. Keine rechtliche Bedeutung habe deshalb auch, dass Mitarbeiter des Beschäftigungsbetriebs des Klägers vor 2000 durch die BfA eine Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech erlangt hätten. Ein den volkseigenen Betrieben der Industrie und des Bauwesens gleichgestellter Betrieb sei der Beschäftigungsbetrieb des Klägers schließlich auch nicht gewesen, weil er in den maßgeblichen Bestimmungen zur AVItech nicht erwähnt werde.

Die gegen das Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG als unzulässig (Beschluss vom 20. Juni 2011 - B 5 RS 16/11 B -).

Im Juli 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut, den Zeitraum vom 1. April 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die in diesem Zeitraum tatsächlich Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung führte er aus, dass die Beklagte bzw. die BfA während der Zeit der verzögerten Bearbeitung seines ersten Antrags noch "Zustimmungen zur Altersversorgung" erteilt hätten, was sich für ihn als grobe Verletzung der Gerechtigkeit darstelle. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin am 1. Dezember 2009 habe ein Mitarbeiter der BfA zudem ausgesagt, dass diese Zustimmungen in der nächsten Zeit rückgängig gemacht würden. Er habe nun absichtlich sieben Jahre vergehen lassen, damit er die Umsetzung dieser Absicht verfolgen könne. Da hierzu bisher keine Äußerung der Beklagten vorliege, gehe er davon aus, dass alle seine Vorgänger ihre zusätzliche Altersversorgung zu Recht behalten hätten und die Beklagte damit indirekt bestätige, dass alle Bedingungen zur zusätzlichen Altersversorgung erfüllt seien. Im Übrigen habe der VEB R zu 80 % aus industrieller Produktion bestanden. Dies ergebe sich aus seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem 22. Senat des LSG Berlin-Brandenburg vorgelegten - dem Neuantrag nochmals beigefügten - Produktionsfluss-Grafik, zu der die anwesenden Richter keinerlei Fragen gestellt hätten. Viele Vorhaben wie zum Beispiel transportable Reparatur-Container-Systeme mit zahlreichen Dachelementen seien außerdem im Betriebsteil Eberswalde fertiggestellt und in mehreren Ländern übergeben worden. Die Entscheidung des 22. Senats habe die Vorschriften zur AVItech nicht zutreffend angewendet. Sie habe auch unberücksichtigt gelassen, dass eine Petition von mehreren Mitarbeitern ehemaliger Rationalisierungsbetriebe vom Bundestag unter Zustimmung aller Parteien angenommen worden sei (BT-Dr. 17/10137).

Durch Bescheid vom 29. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 zurückzunehmen und die vom Kläger beantragten Feststellungen zu treffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setze ein Anspruch auf fiktive Einbeziehung in die AVItech unter anderem voraus, dass am 30. Juni 1990 (Tag der Schließung der Zusatzversorgungssysteme der DDR) eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens verrichtet worden sei. Dies sei nicht der Fall gewesen. Das Urteil des 22. Senats in dem vorangegangen Rechtsstreit sei zutreffend, auf das Urteil des BSG vom 28. September 2011 – B 5 RS 8/10 R (dort Rn 19) – werde ergänzend hingewiesen. Aus möglicherweise rechtsfehlerhaften Entscheidungen des Zusatzversorgungsträgers, in denen Zeiten der Zugehörigkeiten zur AVItech bei anderen Angehörigen des VEB R anerkannt worden seien, könne der Kläger keine Rechte herleiten.

Mit seiner Klage hat der Kläger seine Auffassung wiederholt und vertieft, dass sein Beschäftigungsbetrieb ein Produktionsbetrieb im Sinne der Vorschriften über die AVItech gewesen sei. Im Besonderen hat er erneut geltend gemacht, dass die Auffassung des BSG in dessen Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 3/06 R - zur fehlenden betrieblichen Voraussetzung betreffend den VEB R nicht im Einklang mit den Vorschriften des DDR-Versorgungsrechts und dem AAÜG stehe und dass die Beklagte Aussagen des Petitionsausschusses des Bundestags außer acht lasse, welche seine Auffassung stützten. Manche Betriebsteile des Beschäftigungsbetriebes hätten sogar ausschließlich Produktionsaufgaben wahrgenommen. Die Betriebsbezeichnung sei unvollständig und falsch gewesen und besage nichts zum tatsächlichen Betriebszweck. Das Urteil des 22. Senats sei entgegen der Fakten- und Beweislage getroffen worden und damit "ungültig". Im Besonderen sei die Nettoproduktion falsch bewertet worden. Er und sein Kollege M hätten wegen eines massiven Vertrauensverlustes in die Beklagte und die Sozialgerichte mit Datum des 21. März 2017 eine Beschwerde an das Generalsekretariat der Europäischen Kommission und weitere Behörden wegen Verletzung der Charta der Grundrechte gerichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 7. Januar 2017 und die Schriftsätze des Klägers vom 14. Februar 2017, 29. März 2017, 16. Mai 2017 und 8. Juni 2017 mit den jeweiligen Anlagen Bezug genommen. In dem Schriftsatz vom 8. Juni 2017 hatte der Kläger insgesamt sieben, mit A1 bis A7 bezeichnete Beweisanträge gestellt. Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Der Kläger habe im Vergleich zu dem ersten Rechtsstreit der Sache nach nichts Neues vorgetragen.

Durch Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Zurücknahme des Bescheides vom 22. April 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 lägen nicht vor. Dieser Bescheid sei rechtmäßig gewesen. Der Kläger könne von der Beklagten nicht beanspruchen, dass sie die Zeit vom 1. April 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte feststelle. Er habe am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die AVItech erfüllt, welche von der Rechtsprechung des BSG entwickelt worden seien. Er habe nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb gearbeitet. Auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des 22. Senats des LSG Berlin-Brandenburg werde Bezug genommen. Den Beweisanträgen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 8. Juni 2017 sei nicht nachzugehen gewesen. Es habe sich nicht um Beweisanträge im prozessrechtlichen Sinn gehandelt, sondern um Äußerungen von Rechtsmeinungen, die durch Gesetzestexte und sonstige Unterlagen bewiesen werden sollten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Begründung wiederholt und erweitert er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Verfahren erster Instanz, im Besonderen zu der aus seiner Sicht unzutreffenden Würdigung von Umständen in dem Urteil des 22. Senats des LSG Berlin-Brandenburg in seiner eigenen Sache und im Urteil des BSG vom 23. August 2007 - B 4 RS 3/06 R -. Das SG habe sich außerdem nicht bzw. nicht vollständig mit seiner Begründung auseinandergesetzt, was ebenso verfahrensfehlerhaft sei wie die Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne seine Zustimmung. Die Beklagte habe es bezeichnenderweise abgelehnt, einer Sprungrevision zuzustimmen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird neben der Berufungsschrift vom 21. Juli 2017 im Besonderen auf die Schriftsätze des Klägers vom 29. August 2017, 12. und 19. September 2017, 2. Oktober 2017, 29. Dezember 2017, 13. Januar 2018 , 2. und 20. März 2018 sowie vom 6. und 19. August 2019 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 zurückzunehmen und den Zeitraum vom 1. April 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Ferner beantragt er, die Revision zuzulassen und stellt die Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 19. August 2019.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend.

Die Gerichtsakte des vorliegenden Rechtsstreits, des Rechtsstreits SG Berlin S 14 R 3681/08 / LSG Berlin-Brandenburg L 22 R 31/10 sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat aufgrund der Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter (Beschluss vom 12. Dezember 2017) in der in diesem Fall vorgesehenen Besetzung mit dem Berichterstatter als Vorsitzendem und den ehrenamtlichen Richtern über das Rechtsmittel mündlich verhandelt und entschieden (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz [SGG])

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage dementsprechend zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) statthaft (s. dazu BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 22/00 R –, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20). Sie ist – unter Aufhebung des eine Rücknahme ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 29. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 –der Sache auf die Beseitigung (Rücknahme) des nach erfolglos gebliebenem gerichtlichem Verfahren bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes der Beklagten vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 gerichtet, durch den die vom Kläger angestrebten Feststellungen in einem ersten Verwaltungsverfahren bestandskräftig abgelehnt worden waren, sowie darauf, dass die Beklagte die vom Kläger angestrebten Feststellungen trifft.

Als Rechtsgrundlage für die erstrebte Rücknahmeentscheidung kommt nur § 44 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 SGB X über das Zugunstenverfahren in Betracht (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R -, SozR 4-8570 § 6 Nr. 6). Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Gemäß § 44 Abs. 2 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt im Übrigen - also in den nicht von Abs. 1 erfassten Fällen -, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). In den Fällen des § 44 Abs. 2 SGB X besteht dementsprechend ein Anspruch auf Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft, während der Behörde über eine Rücknahme für die Vergangenheit Ermessen zusteht.

Die Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung über den Antrag folgt gemäß § 44 Abs. 3 SGB X aus ihrer jetzigen Zuständigkeit als Träger der Zusatzversorgung der AVItech (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 i.V. mit Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG).

Das Zugunstenverfahren ist auf die Prüfung eines Anliegens "im Einzelfall" gerichtet (s. ausführlich BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R -, SozR 4-1300 § 44 Nr. 28). Der von der Beklagten durch Verwaltungsakt zu erledigende Prüfauftrag im Einzelfall ist deshalb grundsätzlich auf den Sachverhalt beschränkt, welcher mit dem Überprüfungsantrag und spätestens im Widerspruchsverfahren gegen einen die Rücknahme gemäß § 44 SGB X ablehnenden Bescheid vorgetragen wird (s. zur Möglichkeit und den prozessualen Folgen des "Aufteilens" von Überprüfungsgründen etwa BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 82/09 R, SozR 4-6480 Art. 22 Nr. 2

Die Beklagte hatte vor diesem Hintergrund bereits keine Rücknahmeentscheidung in der Sache gemäß § 44 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Satz 1 SGB X zu treffen. Obwohl diese Bestimmungen nicht ausdrücklich vor einer erneuten Sachprüfung das Durchlaufen weiterer formaler Prüfungsabschnitte verlangen, ist auch das Rücknahmeverfahren in der allgemeinen Verwaltung in Anlehnung an das Wiederaufnahmeverfahren für rechtskräftige Urteile (§ 179 SGG) als dreistufiges Verfahren anzusehen (s. bereits BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 – 9/9a RV 18/86 –, SozR 1300 § 44 Nr. 33, und im Anschluss daran im Besonderen BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 22/00 R –, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20). In eine erneute Sachprüfung muss die Verwaltung erst dann eintreten, wenn Gründe geltend gemacht werden, die ihrer Art nach geeignet sind, die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen (erster Schritt) und diese Gründe tatsächlich vorliegen sowie wenn die fragliche Verwaltungsentscheidung auf einen Umstand gestützt ist, welcher infolge der geltend gemachten Überprüfungsgründe nunmehr zweifelhaft geworden ist (zweiter Schritt). Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Erteilung eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung (dies wäre der dritte Schritt) auf die Bindungswirkung des ursprünglichen Bescheides berufen.

Diese Prüfungsabfolge begründet sich auch dadurch, dass mittels des Überprüfungsantrags zwar die Rechtskraft einer entgegenstehenden gerichtlichen Entscheidung beseitigt werden kann, die in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des zu überprüfenden Ausgangsbescheides oder eines Bescheides in einem früheren Überprüfungsverfahren ergangen ist. Die verfahrens- und materiellrechtliche "Richtigkeit" dieser gerichtlichen Entscheidung kann aber als solche nicht Gegenstand des Überprüfungsverfahrens sein. § 44 SGB X ermöglicht nur der Verwaltung eine Selbstkontrolle oder verpflichtet sie sogar dazu. Die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung vollzieht sich dagegen ausschließlich in dem in der maßgeblichen Prozessordnung – hier dem SGG – vorgesehenen Instanzenzug. Ist dieser erschöpft, tritt die Rechtskraft der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung ein und bindet die Verfahrensbeteiligten (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Von der Bindungswirkung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung kann nur im Wege der Wiederaufnahme des abgeschlossenen Rechtsstreit abgewichen werden, für die gemäß § 179 SGG weitaus strengere Voraussetzungen gelten als für das Zugunstenverfahren (s. auch insoweit BSG a.a.O. SozR 1300 § 44 Nr. 33). Mit anderen Worten ermöglicht § 44 SGB X nicht, bei unveränderter Tatsachengrundlage und Rechtslage so lange eine wiederholte Sachprüfung durch die Behörde und in der Folge durch die Gerichte zu erlangen, bis dem Anliegen stattgegeben wird.

Die Beklagte war danach berechtigt, sich auf die Bestandskraft des Bescheides vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 zu berufen. Der Kläger hatte mit seinem Überprüfungsantrag nichts vorgetragen, was der Beklagten zu einer neuen Sachprüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des AAÜG nach dessen § 1 und zur Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech (§§ 5, 8 Abs. 1 AAÜG) sowie des in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts (§§ 6, 8 Abs. 2 AAÜG) im Rahmen ihrer Funktion als Zusatzversorgungsträger hätte Anlass geben müssen.

Soweit der Kläger die von ihm gesehene Ungerechtigkeit geltend gemacht hat, dass sowohl frühere Kollegen seines eigenen Betriebs noch Feststellungen nach dem AAÜG hätten erlangen können, welche die Beklagte nicht rückgängig gemacht habe, als auch Kollegen des von ihm als gleichartig bezeichneten VEB R nach einer instanzgerichtlichen Entscheidung, hat er weder tatsächlich noch rechtlich einen Umstand vorgetragen, der nicht bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsstreits gegen den Bescheid vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 durch das rechtskräftig gewordene Urteil des 22. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. Februar 2011 vorlag. Der 22. Senat hatte bereits zutreffend ausgeführt, dass als Rechtsgrundlage für sein Anliegen ein Anspruch auf Gleichbehandlung nicht in Betracht kommt (Seiten 28, unten, und 29, oben, des Urteils). Im Bereich der hier vorliegenden sogenannten gebundenen Verwaltung, in dem der Beklagten weder Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rücknahme und Feststellungen nach dem AAÜG zusteht, in dem eine Verwaltungsentscheidung also in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist, kann selbst eine tatsächlich gegebene Vergleichbarkeit des Falles eines anderen Anspruchsberechtigten nicht zu einem Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung führen. Durch einen gebundenen Verwaltungsakt wird Recht lediglich angewendet, aber keine Rechtsgrundlage "auf Gleichbehandlung" geschaffen, selbst wenn eine fehlerhafte Rechtsanwendung gleichförmig in zahlreichen Fällen geschieht. Sofern die Rechtsanwendung in Parallelfällen objektiv rechtswidrig gewesen sein sollte, würde ein Anspruch überdies daran scheitern, dass niemand eine Gleichheit im Unrecht – also die Erweiterung eines rechtswidrigen Zustandes – verlangen kann (unbestritten, s. stellvertretend BSG, Urteil vom 28. Juni 2017 – B 6 KA 12/16 R –, SozR 4-2500 § 75 Nr. 19 mit weiteren Nachweisen).

Soweit der Kläger mit seinem Zugunstenantrag geltend gemacht hat, dass das Urteil des 22. Senats (und die ihm zugrunde liegende Rechtsprechung des BSG) das aus Sicht des Klägers maßgebliche Recht unzutreffend angewendet habe, macht er ebenfalls nicht geltend, dass nach Abschluss des Rechtsstreits neue Tatsachen oder Erkenntnisse hinzugetreten sind, die eine erneute Sachprüfung rechtfertigen. Keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse ergaben sich schließlich aus dem Ergebnis der erst nach dem Ende des Rechtsstreits gegen den Ausgangsbescheid am 28. Juni 2012 durch den Deutschen Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung 3 des Petitionsausschusses vom 27. Juni 2012 (Plenarprotokoll 17. Wahlperiode, S. 22358 (B), BT-Dr. 17/10137, S. 11). Abgesehen davon, dass die Beschlussempfehlung lediglich darin bestand, die Petitionen der Bundesregierung – konkret dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales – als Material zu überweisen, hat der Petitionsausschuss nach Art. 45c Grundgesetz (GG) weder im Einzelfall noch abstrakt generell die Befugnis, gesetzesausführenden Behörden oder Gerichten Anweisungen zu erteilen oder anderweitige Vorgaben bei der Anwendung von Gesetzen zu machen. Mehr als ein Anspruch auf Behandlung der Petition und deren Bescheidung folgt aus dem Grundrecht auf Anbringung einer Petition (Art. 17 GG) im Übrigen nicht (s. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. März 2007 – 1 BvR 138/07 –, mit weiteren Nachweisen).

Der Senat kann offen lassen, ob die Beklagte selbst dann, wenn die Voraussetzungen der ersten oder zweiten Stufe nicht erfüllt sind, gleichwohl im Ermessensweg in eine Sachprüfung eintreten dürfte (so wohl BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 22/00 R –, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20). Den Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 29. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 ist trotz ihres Umfangs jedenfalls nicht mehr zu entnehmen, als dass sie die Voraussetzungen der ersten und zweiten Stufe geprüft – und verneint – hat (s. beispielhaft für den möglichen Prüfungsumfang in diesem Rahmen etwa auch LSG Hamburg, Urteil vom 24. Mai 2016 – L 3 U 18/13 –). Dies folgt im Besonderen daraus, dass die Beklagte letztlich nur die einschlägigen Rechtsgrundlagen für ihre Entscheidung und dazu ergangene Rechtsprechung des BSG genannt, im Übrigen aber auf das Urteil des 22. Senats des LSG Berlin im Vorprozess Bezug genommen und darauf verwiesen hat, dass der Kläger lediglich seine bereits aus dem vorangegangenen Rechtsstreit bekannten Einwände und Bedenken wiederholt habe.

Der Senat hatte sich deshalb mit dem Vortrag des Klägers im Weiteren nicht zu befassen, weil er nicht entscheidungserheblich war. Mangels Entscheidungserheblichkeit war auch den von ihm in der mündlichen Verhandlung am 28. August 2019 ausdrücklich gestellten Beweisanträgen aus den Schriftsätzen vom 21. Juli 2017 und 19. August 2019 nicht nachzukommen. Sie entsprachen im Übrigen durchgängig auch inhaltlich nicht den bereits vom Sozialgericht genannten Anforderungen an beachtliche Beweisanträge (Seite 4, letzter Absatz, des angefochtenen Gerichtsbescheids, mit der dort genannten Fundstelle). Dies aus den ebenfalls bereits vom Sozialgericht für die erstinstanzlich gestellten Beweisanträge genannten Gründen: Sie bezogen sich nicht auf die Aufklärung der Tatsachengrundlage für eine Entscheidung, sondern stellten rechtliche Auffassungen des Klägers dar, welche durch die beantragten Beweiserhebungen belegt werden sollten. Die Rechtsanwendung ist jedoch Aufgabe des Gerichts, unabhängig von den von den Verfahrensbeteiligten vertretenen Rechtsmeinungen.

Den Beweisanträgen wäre deshalb auch nicht nachzukommen gewesen, wenn der Senat in eine Sachprüfung des Rücknahmebegehrens nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB X hätte eintreten müssen. Nur ergänzend weist er angesichts dessen darauf hin, dass die Berufung selbst bei einer Sachprüfung und unabhängig von den gestellten Beweisanträgen ohne Erfolg geblieben wäre. Der 22. Senat hatte bereits in dem vorangegangenen Rechtsstreit die Sach- und Rechtslage ausführlich und zutreffend dargestellt und gewürdigt. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Verfahren – wie gesagt – das Urteil des 22. Senats nicht auf seine "Richtigkeit" hin zu überprüfen war, wäre der Senat diesem Urteil sowohl in dem auf der ständigen Rechtsprechung des BSG beruhenden rechtlichen Ansatz als auch in der Würdigung der damals vorhandenen und auch im vorliegenden Rechtsstreit praktisch unverändert gebliebenen Tatsachengrundlage gefolgt.

Soweit der Kläger ferner gegen den Gerichtsbescheid eingewendet hat, dass er sich nicht vollständig mit seiner Begründung auseinandersetze und ohne seine Zustimmung ergangen sei, konnte dies der Berufung unter keinen Umständen in der Sache zum Erfolg verhelfen. Beide Einwendungen zielen darauf ab, dass der Gerichtsbescheid nicht in verfahrensordnungsgemäßer Weise zustande gekommen ist. Selbst wenn dies zuträfe (s. zum Begriff des Verfahrensmangels zusammenfassend Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rdnr. 32ff), könnte dies nur die Rechtsfolge einer Zurückverweisung an das SGG auf der Grundlage des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG auslösen. Nach dieser Bestimmung kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Schon diese gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung sind aber nicht erfüllt.

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist im Sinne des Gesetzes mit Entscheidungsgründen versehen (§ 105 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG) und deshalb als solcher verfahrensfehlerfrei. An der erforderlichen Begründung fehlte es – erst – dann, wenn Entscheidungsgründe nach Umfang oder Inhalt nicht mehr ihre Funktion erfüllen, die Beteiligten darüber zu informieren, von welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen ist, sowie dem Rechtsmittelgericht eine Grundlage für seine Nachprüfung zu geben (zusammenfassend Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 136 Rdnr. 7e ff m.w.Nachw.; aus der Rechtsprechung des BSG etwa Beschluss vom 15. März 2018 – B 9 V 91/16 B –, SozR 4-1500 § 136 Nr. 3 ebenfalls m.w.Nachw.). Dementsprechend ist ein Gericht nicht verpflichtet, auf den Vortrag eines Verfahrensbeteiligten in allen Einzelheiten einzugehen: "Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung einer bündigen Kürze befleißigt und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandelt oder wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder nur wenig überzeugend sind" (BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 56/03 R –, SozR 4-4300 § 223 Nr. 1). Es reicht aus, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass und warum ein Gericht Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich gehalten hat und eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Vorbringens noch erkennbar wird (s. in diesem Sinn etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R –, SozR 4-2500 § 87 Nr. 26). Statthaft ist dabei auch, auf die Begründung einer zuvor zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidung zu verweisen (dazu, dass weitergehend sogar eine Verweisung auf – den Beteiligten bekannte – Entscheidungen in Betracht kommt, die zwischen Dritten ergangen ist, s. zum insoweit zum SGG gleichartigen Verfahrensrecht nach der Verwaltungsgerichtsordnung Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 3 B 67/15 –, Buchholz 418.6 TierSG Nr. 25). Nach diesen Maßstäben konnte das SG sich wie geschehen darauf beschränken, die Rechtsgrundlage darzustellen, die für den angefochtenen Bescheid in Betracht kam, im Übrigen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid (ausdrückliche – vom SG auch genannte – Rechtsgrundlage hierfür: § 136 Abs. 3 SGG) sowie das im Vorprozess ergangene Urteil des 22. Senats zu verweisen und die Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Klägers darauf beschränken, dass die im hiesigen Verfahren von ihm vorgelegten Hinweise und Dokumente zu keinen Änderungen führten.

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht von seiner Zustimmung abhängig, sondern nur davon, dass er zuvor angehört worden ist (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das ist in Gestalt des Schreibens vom 19. Mai 2017 geschehen. Ob das Sozialgericht rechtlich gehalten gewesen wäre, dem Kläger nach seiner umfangreichen Antwort mit Schreiben vom 8. Juni 2017 mitzuteilen, dass es auch in deren Kenntnis bei der Absicht einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid verbleibe, kann offen bleiben. Es fehlt jedenfalls an der zweiten Voraussetzung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, dass infolge des Verfahrensmangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Sind bereits die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht erfüllt, so hatte der Senat auch nicht das ihm bei der Entscheidung über eine Zurückverweisung zukommende Ermessen auszuüben. Nur vorsorglich wird deshalb darauf hingewiesen, dass er angesichts der oben dargestellten Sach- und Rechtslage auch keinen Grund dafür gesehen hätte, das SG nochmals mit der Sache zu befassen.

Ob die Beklagte schließlich einer Sprungrevision (§ 161 SGG) zustimmt oder nicht, liegt in ihrer eigenen, freien Entscheidung. Die im vorliegenden Fall nicht erteilte Zustimmung hat deshalb keinen rechtlichen Aussagewert für die Beurteilung des Anliegens des Klägers.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor. Die Voraussetzungen für eine sogenannte fiktive Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech und damit für die Anwendbarkeit des AAÜG nach dessen § 1 sowie für das Vorliegen von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des § 5 AAÜG im vorliegenden Fall sind durch die Rechtsprechung des BSG ebenso geklärt wie die Voraussetzungen für die Prüfung eines Zugunstenantrags nach § 44 SGB X.
Rechtskraft
Aus
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