L 18 AS 1567/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 32 AS 1286/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1567/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 67/20 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Juni 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu er-statten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten zweier Widerspruchsverfahren.

Der Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) an die 1957 geborene Klägerin auf den Weiterbewilligungsantrag vom 13. März 2018 für die Zeit ab 1. April 2018 ab, da verwertbares Vermögen ua in Gestalt einer Lebensversicherung mit einem Rück-kaufswert von 13.264,13 EUR vorliege (Bescheid vom 27. April 2018). Mit dem vom Be-vollmächtigten eingelegten Widerspruch vom 29. Mai 2018 legte die Klägerin einen Nachweis über einen mWv 18. Mai 2018 eingerichteten Verwertungsausschluss der in Rede stehenden fondsgebundenen Lebensversicherung bei der Nürnberger Le-bensversicherung AG (L 040657 151 012) gemäß § 168 Abs. 3 Versicherungsver-tragsgesetz vor. Der Beklagte half daraufhin dem Widerspruch insoweit ab, als er der Klägerin nunmehr für die Zeit vom 18. Mai 2018 bis 30. November 2018 vorläufig SGB II-Leistungen ohne Anrechnung von Vermögen bewilligte (Bescheid vom 24. August 2018 mit Rechtsbehelfsbelehrung "Widerspruch"). Den Widerspruch im Übri-gen wies der Beklagte zurück und lehnte die Erstattung notwendiger Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren ab, weil ursächlich für die Teilabhilfe nicht der Widerspruch, sondern der Verwertungsausschluss gewesen sei (Widerspruchsbe-scheid vom 27. August 2018 – W 1236/18 -). Hinsichtlich der im Widerspruchsbe-scheid getroffenen Kostenentscheidung hat die Klägerin am 27. September 2018 Klage erhoben.

Den gleichwohl vom Bevollmächtigten am selben Tag gegen den Bescheid vom 24. August 2018 eingelegten gesonderten Widerspruch verwarf der Beklagte nach zwi-schenzeitlich angestrengter Untätigkeitsklage (- S 32 AS 2/19 -) als unzulässig (Wi-derspruchsbescheid vom 9. Januar 2019 – W 2070/18 -). Die Klägerin hat hierauf das Untätigkeitsklageverfahren und in der Folge auch das auf den Widerspruchsbe-scheid vom 9. Januar 2019 angestrengte Klageverfahren (- S 32 AS 171/19 -) in der Hauptsache als erledigt angesehen und begehrt nunmehr auch insoweit Kostener-stattung für das Widerspruchsverfahren.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Erstattung der Kosten für die beiden Wi-derspruchsverfahren dem Grunde nach gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Juni 2019). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Kosten der Widerspruchsverfahren seien gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht zu erstatten, weil der Widerspruch – W 2070/18 – unzulässig gewesen sei und der Widerspruch – W 1236/18 – entsprechend der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbeschei-des nicht ursächlich für die Teilabhilfeentscheidung gewesen sei.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht für beide in Re-de stehende Widerspruchsverfahren Kosten ihres Bevollmächtigten in einer Gesamt-höhe von mindestens 761,60 EUR geltend.

Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Juni 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2019 zu verurteilen, ihr die notwendigen Aufwendungen der Widerspruchsverfahren dem Grunde nach zu erstatten.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Ausdrucke der bei dem Beklagten geführten elektronischen Leistungsakten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel ein-stimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich ge-halten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die – in Bezug auf die bezifferten Aufwendungen in den beiden Widerspruchsverfah-ren iHv mindestens 761,60 EUR - im Hinblick auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zuläs-sige Berufung ist nicht begründet. § 144 Abs. 4 SGG ist nicht einschlägig, wenn – wie hier – isoliert über Kosten eines Vorverfahrens gestritten wird (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 62/12 R – und vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 83/08 R – juris). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten notwendigen Aufwendungen für die in Rede stehenden Widerspruchsverfahren – W 1236/18 – und – W 2070/18 – zu.

Die gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungskla-ge statthaften Klagen unmittelbar gegen die Entscheidung des Beklagten in den be-nannten Widerspruchsbescheiden über die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach sind zulässig. Insbesondere bedurfte es nicht eines gesonderten Vor-verfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG. Zwar ist die Kostenentscheidung, die regelmäßig ein Teil des Widerspruchsbescheids ist, eine erstmalige Entscheidung, gegen die aber - als Teil des Widerspruchsbescheids sogleich der Klageweg beschritten werden kann, wenn sie über den angefochtenen Bescheid hinaus eine weitere Beschwer enthält (vgl BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 142/11 R = NZS 2012, 957- Rn 10; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 6 KA 7/08 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 9). Gegen-stand des Klageverfahrens ist dann allein der Widerspruchsbescheid. Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefoch-tenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Erfolg iSd § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat nach der st Rspr des BSG der Widerspruch nur dann, wenn die Behörde ihm stattgibt (vgl BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 – B 4 AS 142/11 R - mwN). Der Widerspruch (-W 2070/18 -) der Klägerin gegen den Bescheid vom 24. August 2018 hatte somit schon deswegen keinen Erfolg, weil er vom Beklagten mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2019, der nach Hauptsachenerledigungserklärung der Klägerin im Verfahren – S 32 AS 171/19 - in Bestandskraft erwachsen und für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl § 77 SGG) ist, als unzulässig verworfen worden ist. Aus der Tatsache, dass der Beklagte im Bescheid vom 24. August 2018 eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ver-wendet hat, folgt keine andere Beurteilung. Er hat damit zwar den Eindruck erweckt, der Bescheid sei mit dem Widerspruch anzufechten. In diesen Fällen ist es grund-sätzlich gerechtfertigt, der Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuer-legen (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 42/00 R – juris – Rn 14), sofern der Bescheid nicht Gegenstand eines anhängigen bzw anhängig gewesenen Gerichtsverfahrens war (vgl hierzu BSG, Beschluss vom 27. September 2011 – B 4 AS 137/11 B – juris – Rn 8), weil die Einlegung des Widerspruchs durch das Verhal-ten der Behörde verursacht worden ist. Insoweit ist auch bei Bescheiden, die – wie der Bescheid vom 24. August 2018 – nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind, ein gesondertes Verfahren nach § 63 SGB X möglich (BSG aaO).

Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass der rechtskundig vertretenen Kläge-rin bereits mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2018, dh zu einem Zeitpunkt, als sie gegen den Bescheid vom 24. August 2018 noch gar keinen gesonderten Wi-derspruch eingelegt hatte, der durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung hätte ver-anlasst sein können (dies geschah erst durch Widerspruch vom 27. September 2018), die – zutreffende – Auffassung des Beklagten mitgeteilt worden war, dass der Teilabhilfebescheid vom 24. August 2018 nach § 86 SGG Gegenstand des Wider-spruchsverfahrens gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. April 2018 geworden war. Die rechtskundig vertretene Klägerin, deren Bevollmächtigtem die st Rspr des BSG zur Einbeziehung von Bescheiden nach § 86 SGG bekannt war, konnte und musste sich daher nicht mehr veranlasst sehen, einen – unzulässigen – gesonderten Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. August 2018 zeitgleich mit der Klage ge-gen den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2018 (erst) am 27. September 2018 einzulegen.

Der Widerspruch (- W 1236/18 -) gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. April 2018 war indes ebenfalls nicht erfolgreich iSv § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zwar hatte der Beklagte diesem Widerspruch teilweise abgeholfen und die Teilabhilfe mit dem – gemäß § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Vorverfahrens gewordenen - Be-willigungsbescheid vom 24. August 2018 umgesetzt. Dem Widerspruch ist indes nur dann "stattzugeben" und er mithin nur dann erfolgreich, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 – 4 RA 20/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr 3 – Rn 18; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 42/00 R – juris – Rn 13). Eine bloße (Teil-)Abhilfe ohne Kausalität im dargelegten Sinn reicht nicht aus (vgl ausdrücklich BSG aaO).

Es kann dahinstehen, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Rechtsbe-helf und "abhelfender" Entscheidung des Verwaltungsträgers immer schon dann an-zunehmen ist, wenn - wie hier - belastender Verwaltungsakt, Widerspruch des Be-troffenen hiergegen und "stattgebender" Verwaltungsakt in zeitlicher Abfolge stehen. Vorliegend ist jedoch von einer anderen kausalen Verknüpfung iSd der Rspr des BSG auszugehen. Die Abhilfe des Beklagten beruhte nämlich einzig darauf, dass sich die Sachlage durch den mWv 18. Mai 2019, dh erst nach Bekanntgabe des Ab-lehnungsbescheides vom 27. April 2018, vereinbarten Verwertungsausschluss für die Lebensversicherung geändert hatte mit der Folge, dass verwertbares Vermögen nicht mehr zu berücksichtigen war. Die Teilabhilfe erfolgte maW nicht wegen des Wi-derspruchs der Klägerin, sondern unabhängig davon wegen des von der Klägerin mit ihrer Versicherung vereinbarten Verwertungsausschlusses.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved