L 3 U 82/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 89/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 82/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls eine höhere Verletztenrente.

Der 1938 geborene Kläger erlitt am 19. März 2010 während seiner Beschäftigung als Maurerpolier einen von der Beklagten späterhin anerkannten Arbeitsunfall, als er bei einem Kontrollgang in einem Obergeschoss, in dem eine neue Decke verlegt worden war, durch die noch nicht befestigte Deckenauskleidung zwischen zwei Deckenbalken einbrach, mit dem Oberkörper hängenblieb und sich hierbei die linke Schulter auskugelte. Im Zwischenbericht vom 01. April 2010 wurde nach Auswertung der MRT-Diagnostik vom 25. März 2010 eine komplexe Läsion der linken Schulter bei Zustand nach einer älteren Ruptur der Sehne des M. supraspinatus festgehalten. Als Unfallfolge bestehe eine Ruptur des AC-Gelenks (Tossy II) sowie ein flacher Hill-Sachs-Defekt sowie eine Läsion des vorderen unteren Labrums, begleitend mit einem deutlichen Schultergelenkerguss und massiver Bursitis subacromialis. Der Arm wurde in einer Schiene ruhig gestellt. Im Zwischenbericht vom 26. April 2010 wurde als weitere Diagnose die Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule (HWS) genannt. Nach einer Untersuchung des Klägers im U(U) wurde von dort der Verdacht auf eine Nervus-axillaris-Läsion links nach Schulterluxation geäußert. Eine MRT-Untersuchung vom 17. Mai 2010 erbrachte keinen Nachweis ossärer oder discoligamentärer Traumafolgen der HWS. Seitens des UKB wurde unter dem 08. Juli 2010 ein neurologischer Befundbericht erstellt, wonach eine leichte axonale Schädigung des N. axillaris aus der Schulterluxation resultiert sei. Die derzeitige Bewegungseinschränkung in der linken Schulter sei nicht durch das Ausmaß der Axillarisschädigung erklärbar. Die Reinnervation habe bereits begonnen. Im neurologischen Befundbericht vom 12. August 2010 wird berichtet, dass sich keine neurologischen Defizite mehr zeigten, hingegen jedoch deutliche Aspekte einer depressiven Reaktion. Seitens der Dipl.-Psych. P wurde ein Befundbericht vom 09. August 2010 vorgelegt, wonach der Kläger unter einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Symptomen nach dem Arbeitsunfall vom 19. März 2010 leide, der auch als eine posttraumatische Belastungsstörung verinnerlicht sei. Am 19. August 2010 wurde eine MRT-Schultergelenksarthrographie links durchgeführt, welche eine weit retrahierte transmurale Ruptur der Supraspinatussehne über die gesamte Breite, eine konsekutive Muskelbauchatrophie, eine ausgedehnte Ruptur der Subscapularissehne, ebenfalls mit Retraktion und Atrophie des Muskelbauchs, eine Atrophie des Musculus teres minor, einen konsekutiven Humeruskopfhochstand mit weitgehend aufgebrauchtem Subakromialraum, eine Umverteilung des Kontrastmittels bis in den AC-Gelenkspalt nach Resektion des AC-Gelenks über den Defekt der Supraspinatussehne und eine Ruptur der langen Bizepssehne erbrachte.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. S am 24. September 2010 eine beratungsärztliche Stellungnahme. Hierbei kam er zu der Einschätzung, dass unfallbedingt keine psychotherapeutische Behandlung angezeigt sei. Eine depressive Störung des Klägers sei befundlich nicht gesichert. Dokumentiert sei lediglich die Mitteilung, der Kläger habe Probleme damit, beruflich nicht mehr gebraucht zu werden und auch häusliche wie familiäre Schwierigkeiten zu bewältigen. Eine derartige Problematik sei für sich allein noch nicht als psychiatrisch krankheitswertig im Sinne einer unfallbedingten depressiven Episode zu werten.

Der Kläger entschied sich auf Vorschlag der Beklagten für eine Begutachtung durch den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. K. Dieser erstellte unter dem 04. Oktober 2010 ein sog. Erstes Rentengutachten zur Rentenfeststellung. Er stellte als wesentliche Unfallursachen eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenmassenruptur nach Schulterluxationen im Bereich des linken Schultergelenks mit massiven Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter, insbesondere für die Seitwärtshebung, Rückwärtsbewegung und Vorwärtsbewegung bei im Vergleich zur gegenseitigen Schulter nur gering beeinträchtigter Drehbeweglichkeit und eine Verschmächtigung der Muskulatur im Bereich der Schulter mit Veränderung des Schulterreliefs im Sinne einer veränderten Stellung des Schulterblatts fest. Unfallunabhängig bestünden eine multilokuläre Osteochondrose intervertebralis mit Bandscheibenprotrusion im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hände (Fingerbereich) als Folge einer dupuytrenschen Kontraktur und als Folge einer Fingerfraktur im Bereich des fünften Fingers der linken Hand im körpernahen Fingergelenk. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er vom 01. September 2010 bis andauernd mit 20 von Hundert (vH) ein.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 19. März 2010 als Arbeitsunfall an. Als Folgen des Arbeitsunfalls habe der Kläger mittel- bis hochgradige Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk, eine Einschränkung der groben Kraft im linken Arm und eine veränderte Stellung des linken Schulterblattes nach Schulterluxationen mit Ruptur der Rotatorenmanschette links erlitten. Keine Folgen des Arbeitsunfalls seien bei dem Kläger vorliegende Bewegungseinschränkungen im Bereich beider Hände als Folge einer dupuytrenischen Kontraktur und einer Fingerfraktur im Bereich des fünften Fingers der linken Hand, eine Osteochondrose intervertebralis mit Bandscheibenprotrusion im Bereich der HWS sowie psychische Belastungsstörungen. Die Beklagte gewährte wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente nach einer MdE von 20 vH als vorläufige Entschädigung ab dem 04. September 2010 bis auf weiteres.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die MdE sei zu niedrig bemessen. Es habe nicht nur eine Ruptur der Rotatorenmanschette, sondern eine diesbezügliche Massenruptur vorgelegen. Überdies schilderte der Kläger den Unfallhergang nochmals aus seiner Sicht und ergänzte, dass auch die Beschwerden der HWS als weitere Unfallfolgen anzuerkennen seien. Zuletzt wandte sich der Kläger gegen die Höhe des im Rahmen der Rentenbemessung angesetzten Jahresarbeitsverdientes (JAV), weil dieser zu hoch angesetzt sei und über die darauf beruhende Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge zu einer unrechtmäßigen Kürzung seiner Altersrente führen würde. Demgegenüber habe er bis zum Arbeitsunfall innerhalb der Hinzuverdienstgrenzen (325-EUR-Job) gearbeitet und die Altersrente in ungeschmälerter Höhe beziehen können.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2011 unter Bezugnahme auf das Rentengutachten von Dr. K zurück. Eine höhere MdE als 20 vH liege aufgrund der unfallbedingten Funktionseinschränkungen nicht vor. Auch die im Bescheid verankerte Feststellung des JAV in Höhe des Mindest-JAV sei nicht zu beanstanden. Die Anrechnungsvorschriften würden im Ergebnis nicht zu einer finanziellen Schlechterstellung führen.

Am 16. August 2011 hat der Kläger sein Begehren mit der zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat hierzu nochmals das Unfallgeschehen zusammengefasst. Er sei nach dem Deckendurchbruch zwischen den Dachbalken eingeklemmt gewesen und habe sich in akuter Gefahr befunden, in das Erdgeschoss abzustürzen. Er habe wahnsinnige Schmerzen und Angst verspürt, da er starke Atemnot gehabt habe und sich nicht habe bewegen können. Im Übrigen hat er seine bisherige Krankengeschichte ausführlich zusammengefasst und ist im Wesentlichen bei seiner Argumentation im Widerspruchsverfahren geblieben. Er hat betont, vor dem Unfall weder unter HWS- noch unter psychischen Beschwerden gelitten zu haben, weshalb diese als Unfallfolgen mit zu entschädigen seien. Die Verletztenrente werde ihrer Höhe nach auch nicht der Schwere der Schulterverletzung gerecht. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat er u.a. ein Attest seines Hausarztes Dr. F vom 11. Mai 2011 vorgelegt. Unter dem 30. September 2011 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er begehre die Berechnung der Unfallrente auf der Basis seines tatsächlichen Zuverdienstes, welcher 325,00 EUR monatlich betragen habe. Die Ansetzung eines Mindest-JAV von 15.624,00 EUR sei nicht gerechtfertigt. Eben hierauf beruhe eine Kürzung seiner Altersrente. Alternativ hat er die Zahlung einer Abfindung begehrt. Zur weiteren Begründung seines Klagebegehrens hat der Kläger darüber hinaus einen "Ärztlichen Bericht zur Unfallversicherung" für seine private Unfallversicherung (A-Versicherungs-AG) vom 06. Juni 2011 des seines Erachtens befangenen Dr. K vorgelegt.

Das SG hat den Orthopäden und Chirurgen Dr. T das orthopädisch-unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten vom 03. Juli 2012 erstellen lassen, wonach es beim Kläger bedingt durch den Arbeitsunfall vom 19. März 2010 zu einer traumatischen Luxation der linken Schulter mit begleitenden Schäden an den Gelenkslippen sowie an der Rotatorenmanschette gekommen sei. Darüber hinaus sei als Begleitschaden auch eine axonale Läsion des Nervus axillaris eingetreten. Die an der HWS bestehenden Beweglichkeitseinschränkungen seien als degenerative Veränderungen nicht kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Die unfallbedingte MdE hat er mit maximal 20 vH eingeschätzt. Es seien lediglich leichte bis mäßige Funktionsstörungen am linken Schultergelenk festzustellen. Es habe eine Diskrepanz zwischen der demonstrierten Beweglichkeit und der Beweglichkeit im vermeintlich unbeobachteten Bewegungsablauf festgestellt werden können. Die von dem Kläger empfundene Gebrauchsunfähigkeit und Kraftminderung am linken Arm könne aufgrund der Messung der Armumfänge nicht objektiv untermauert werden. Auch die von dem Kläger angegebenen Aktivitäten und Partizipation unterstützten die These, dass die Funktionsstörungen auf der Grundlage des Unfallereignisses am linken Schultergelenk keinesfalls so stark seien, wie von dem Kläger angegeben. Dr. T hat eine Zusatzbegutachtung auf neurologischem sowie psychiatrischem und psychosomatischem Fachgebiet empfohlen.

Aufgrund zunehmender Luxationsneigung mit etlichen Luxationen oder Subluxationen der linken Schulter und diesbezüglicher Schmerzhaftigkeit befand sich der Kläger vom 22. bis zum 27. November 2012 in stationärer Behandlung der DRK Kliniken B. Hierbei wurde eine Implantation einer Totalendoprothese des linken Schultergelenks durchgeführt.

Mit Bescheid vom 05. März 2013 gewährte die Beklagte anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 vH. Hierbei hat sie Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk und Einschränkungen der groben Kraft nach einer mit Schultertotalendoprothese versorgten Schulterverrenkung mit Riss der Rotatorenmanschette links als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. März 2010 anerkannt. Unfallunabhängig lägen Bewegungseinschränkungen im Bereich beider Hände als Folge einer dupuytrenschen Kontraktur und einer Fingerfraktur im Bereich des 5. Fingers der linken Hand sowie eine Osteochondrose intervertebralis mit Bandscheibenprotrusion im Bereich der HWS sowie psychische Belastungsstörungen vor.

Das SG das schriftliche Sachverständigengutachten des Nervenarztes Dr. T vom 19. Oktober 2013 eingeholt, wonach beim Kläger unfallbedingt eine partielle obere Armplexusschädigung linksseitig mit schwerpunktmäßiger Betroffenheit des Nervus axillaris vorliege. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung habe keine Störung von Krankheitswert auf psychiatrischem Fachgebiet mehr vorgelegen. Jedoch müsse eine unfallbedingte depressive Episode als Anpassungsstörung für den Zeitraum vom 19. August 2010 bis zum 15. Oktober 2013 in die MdE-Bewertung mit einbezogen werden. Die unfallbedingte Gesamt-MdE betrage in der Zeit vom 19. August 2010 bis zum 15. Oktober 2013 40 vH, ab dem 15. Oktober 2013 (dem Tag der gutachterlichen Untersuchung) wegen fehlender psychiatrischer Einschränkungen insgesamt nur noch 30 vH. Dr. That aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Implantation des künstlichen Schultergelenks des Klägers eine erneute unfallchirurgische Begutachtung für erforderlich erachtet.

Nachdem der Kläger unter dem 27. September 2016 eine weitere Begutachtung durch Dr. T abgelehnt (und diesen als befangen angesehen) hatte, hat das SG das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. H vom 20. August 2016 eingeholt, wonach die Implantation der Schultergelenkprothese im Vergleich zu den Vorgutachten zu keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse geführt habe. Die Bewegungseinschränkungen seien etwas gebessert, dafür bestünde eine deutliche Muskel- und Kraftminderung im Bereich der linken Schulter. Seine MdE-Bewertung entspreche derjenigen von Dr. T in seinem Sachverständigengutachten. Eine MdE von 40 vH zum Zeitpunkt seiner Untersuchung sei nicht gegeben, da dies unter Berücksichtigung der Begutachtungsliteratur nur bei einer vollständigen Versteifung des Schultergelenks und des Schultergürtels in Ansatz zu bringen sei. Ein derartiger Befund liege bei dem Kläger nicht vor, da das Schultergelenk durchaus noch eine hilfreiche Restfunktion aufweise. Die Arthrose im rechten Schultergelenk sowie die erheblichen degenerativen Veränderungen der HWS seien keine weiteren Unfallfolgen, sondern degenerative Verschleißleiden.

Das gegen den Sachverständigen Dr. H gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers vom 30. September 2016 hat das SG nach Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen vom 05. November 2016 mit Beschluss vom 29. November 2016 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) mit Beschluss vom 06. Februar – L 21 SF 30/17 B AB – als unzulässig verworfen.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2017 hat die Beklagte ein von dem Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und unter Abänderung ihres Bescheids vom 27. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2011 in der Fassung des Bescheids vom 05. März 2013 als weitere Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 19. März 2010 die partielle Armplexusläsion links sowie die abgeklungene vorübergehende mittelgradige depressive Episode als Anpassungsstörung anerkannt und sich verpflichtet, dem Kläger aufgrund sämtlicher Unfallfolgen ab dem 04. September 2010 eine Rente nach einer MdE von 40 vH und ab dem 15. Oktober 2013 eine Rente nach einer MdE von 30 vH zu zahlen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2017, soweit sich der Rechtsstreit nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt hat, (im Übrigen) abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2011 in der Fassung des Bescheids vom 05. März 2013 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnisses, welches der Kläger angenommen habe, habe der Kläger hinsichtlich des verbliebenen Streitgegenstands keinen Anspruch auf die Feststellung, dass seine Beschwerden an der HWS eine weitere Unfallfolge des Arbeitsunfalls darstellten und dementsprechend auch keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente. Zwar liege unzweifelhaft aufgrund des Ereignisses vom 19. März 2010 ein Arbeitsunfall vor. Diesbezüglich habe auch die Beklagte bereits mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden das Ereignis vom 19. März 2010 grundsätzlich als Versicherungsfall anerkannt. Es stehe aber nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die HWS-Beschwerden des Klägers wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht worden seien. Die Kammer folge insofern den übereinstimmenden, schlüssigen und wohlbegründeten Sachverständigengutachten von Dr. T vom 13. September 2016, Dr. H vom 20. August 2016 sowie dem Verwaltungsgutachten von Dr. K vom 04. Oktober 2010. Wie der Sachverständige Dr. T unter Berücksichtigung der beim Kläger durchgeführten Kernspintomographie vom 17. Mai 2010 ausgeführt habe, hätten ossäre und diskoligamentäre Traumafolgen der HWS nicht nachgewiesen werden können. Es hätten sich beim Kläger lediglich degenerative Veränderungen, insbesondere eine multilokuläre Osteochondrosis intervertebralis mit multilokülären, partiell spondylophytär abgestützten Bandscheibenprotrusionen hauptsächlich in Höhe Halswirbelkörper (HWK) 3/4 und HWK 4/5, bei letzterer mit geringer Einengung des Spinalkanals, eine geringe Einengung der Neuroforamina in Höhe HWK 3/4 rechts, HWK 4/5 links und HWK 6/7 rechtsbetont gezeigt. Diese degenerativen Veränderungen, die zu einer HWS-Beschwerdesymptomatik des Klägers geführt hätten und führten, seien als degenerative Verschließerscheinungen nach überzeugender Auffassung von Dr. T nicht wesentlich auf den Arbeitsunfall des Klägers zurückzuführen und dementsprechend nicht als weitere Unfallfolge anerkennungsfähig. Zu derselben gutachterlichen Einschätzung bezüglich des Ursachenzusammenhangs zwischen den HWS-Beschwerden des Klägers und dem Arbeitsunfall sei auch Dr. H in seinem Gutachten vom 20. August 2016 sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. November 2016 gelangt. Der Sachverständige habe insbesondere auf eine jüngere MRT-Untersuchung der HWS des Klägers vom 18. Juni 2015 verwiesen, wonach ebenfalls massive degenerative Verschleißerscheinungen im Sinne einer Osteochondrose und Spondylosis deformans in allen Etagen, hauptsächlich zwischen C3 und C4 mit dort bestehender Spinalkanalstenose, und im a/p-Bild seitlich sichtbare Spondylophyten erkennbar gewesen seien. Zu Recht habe Dr. H darauf hingewiesen, dass sich die Verschleißerscheinungen an allen Etagen der HWS gezeigt hätten, was sich als typisch für degenerative Veränderungen, nicht aber für traumatische Unfallfolgen darstelle. Der Sachverständige habe für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass der durch das jüngere MRT aus 2015 nachgewiesen Befund nicht in der Zeit zwischen dem Arbeitsunfall 2010 und dem Jahr 2015 entstanden sein könne, weil es für die Entwicklung eines derartigen Verschleißes eines sehr langen Zeitraums bedürfe.

Die Einschätzung von Dr. T und Dr. H deckten sich auch mit der Einschätzung des Verwaltungsgutachters Dr. K in seinem Gutachten vom 04. Oktober 2010. Das beklagtenseits veranlasste Verwaltungsgutachten sei ebenfalls im Rahmen der freien Beweiswürdigung im Wege des Urkundenbeweises verwertbar, weil die Beklagte das Gutachten eingeholt habe, nachdem sie dem Kläger gemäß § 200 Abs. 2 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) drei Gutachter vorgeschlagen, ihn auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) hingewiesen und über den Zweck des Gutachtens informiert habe. Es gebe grundsätzlich keine Beweisregel, dass einem Verwaltungsgutachten stets, also unabhängig von seinem Inhalt und den hiergegen erhobenen Einwänden, ein geringerer Beweiswert zukomme als einem gerichtlichen Gutachten. Denn die bei den Unfallversicherungsträgern tätigen Ärzte unterlägen in der Regel keiner Weisungsgebundenheit. Anhaltspunkte dafür, dass es im konkreten Fall anders gewesen sein könnte, seien nicht ersichtlich. Auch der Verwaltungsgutachter Dr. K sei zur Einschätzung gelangt, beim Kläger lägen unabhängig von dem Arbeitsunfall an der HWS krankhafte Veränderungen in Form von multilokulärer Osteochondrose intervertebralis mit Bandscheibenprotusion vor. Den für die private Unfallversicherung des Klägers erstatteten "Ärztlichen Bericht zur Unfallversicherung" von Dr. K vom 06. Juni 2011 habe die Kammer indes nicht berücksichtigt. Die private Unfallversicherung gewähre grundsätzlich Leistungen bei Invalidität, unter der man eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit verstehe. Derartige Einschätzungen auf dem Gebiet der privaten Unfallversicherung korrelierten nicht mit den Einschätzungen, die im Rahmen einer Prüfung von Ansprüchen nach dem SGB VII erfolgen, insbesondere in Bezug auf die Erörterung von Ursachenzusammenhängen. Eine Gleichsetzung der Maßstäbe der privaten Unfallversicherung mit denen der gesetzlichen Unfallversicherung sei wegen der unterschiedlichen Funktion und Zielsetzung nicht zulässig. Die Sachverständigengutachten von Dr. T, Dr. H und Dr. K seien schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Die Sachverständigen blieben im Rahmen ihres Fachgebiets. Sie hätten die vorliegenden Befundberichte, Vorgutachten und vorhandenen Bildaufnahmen ausführlich analysiert und ausgewertet. Da sämtliche Sachverständige übereinstimmend zum Ergebnis gekommen seien, dass die HWS-Beschwerden des Klägers nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt seien, sondern unfallunabhängige degenerative Verschleißerscheinungen darstellten, seien weitere Ermittlungsansätze des Gerichts zur Feststellung eines Ursachenzusammenhangs nicht ersichtlich. Zuletzt habe auch die Angabe des Klägers, er habe vor dem Arbeitsunfall unter keinen HWS-Beschwerden gelitten, zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung geführt. Denn dieser von ihm vorgenommene Rückschluss von einem Gesundheitsschaden auf dessen Ursache sei im Unfallversicherungsrecht unzulässig. Die bloße theoretische Möglichkeit eines derartigen Zusammenhangs reiche im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zum Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht aus.

Da die HWS-Beschwerden des Klägers keine weitere Unfallfolge seines Arbeitsunfalls vom 19. März 2010 darstellten, scheide auch eine diesbezügliche unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung aus, die zu einer weiteren Erhöhung der dem Kläger aufgrund des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 21. April 2017 gewährten Verletztenrente nach § 56 SGB VII führen könnte.

Der Kläger hat gegen die Verkündung des Urteils unter dem 09. Mai 2017 Berufung eingelegt und den Widerruf der Annahme des Teilanerkenntnisses erklärt. Gegen das ihm am 17. Mai 2017 zugestellte Urteil hat sich der Kläger u.a. mit dem am 08. Juni 2017 bei Gericht eingegangenen Schreiben gewandt. Er sei durch die Nebenwirkungen seiner Medikamente nicht in der Lage gewesen, der Verhandlung zu folgen. Seine Klageschrift sei nicht verlesen worden. Seine Stellungnahmen, Beweisanträge etc. seien nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Er hat sich weiterhin kritisch mit dem Ergebnis der Begutachtung auseinandergesetzt und seine Verärgerung über den Behandlungsverlauf zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft. Bei der Bildung der Gesamt-MdE seien die Einzel-MdEen zu addieren. Der Beweis einer degenerativen Vorschädigung der HWS liege nicht vor. Die Beklagte müsse ihm Schmerzensgeld zahlen. Soweit das Berufungsverfahren anwaltspflichtig sei oder mit Verfahrenskosten verbunden sei, müsse er es abbrechen.

Zwischenzeitlich führte die Beklagte das Teilanerkenntnis mit Bescheid vom 15. Mai 2017 aus.

Die Vorsitzende hat dem Kläger einen Hinweis zum erklärten Widerruf des Teilanerkenntnisses erteilt, woraufhin dieser von der Erklärung seines Widerrufs nicht abgerückt ist.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2011 und der Bescheide vom 05. März 2013 und 15. Mai 2017 zu ändern, festzustellen, dass die Beschwerden in der Halswirbelsäule weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. März 2010 sind, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 40 vom Hundert und einem geringeren Jahresarbeitsverdienst zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Radiologen Prof. Dr. M vom 01. Juni 2018 eingeholt, wonach sich in den MRT-Aufnahmen vom 17. Mai 2010 und 18. Juni 2015 keine Hinweise auf frische oder stattgehabte ossäre oder diskoligamentäre Traumafolgen im Bereich der HWS fänden, jedoch die dort zu findenden krankhaften Veränderungen vielmehr als degenerativ zu bewerten seien.

Der Kläger ist mit Postzustellungsurkunde vom 27. September 2019 und dem Hinweis, dass auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, von der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2019 in Kenntnis gesetzt worden, in welcher er nicht vertreten gewesen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch ohne den der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2019 ferngebliebenen Kläger verhandeln und entscheiden, nachdem er in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf eben diese Möglichkeit hingewiesen worden war, vgl. §§ 153 Abs. 1, 126, 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit die Beklagte den klägerischen Anspruch nicht mit dem am 21. April 2017 abgegebenen und vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnis teilweise anerkannt hat. Insbesondere ist der Senat auch nicht im Hinblick auf den erklärten Widerruf der Annahme des Teilanerkenntnisses an einer vollständig instanzbeendenden Entscheidung gehindert, zumal dem klägerischen Begehren, soweit es sich gegen das angenommene Teilanerkenntnis wendet, auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil die Beklagte mittlerweile unter dem 15. Mai 2017 einen den Kläger begünstigenden Ausführungsbescheid erlassen hat. Der Kläger hat sich trotz Hinweises der Vorsitzenden vom 12./ 15. Juni 2017 nicht dazu entschlossen, bzgl. des durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigten Teils des Rechtsstreits beim SG die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen, sondern hält vollumfänglich an seiner Berufung fest. Bei verständiger Würdigung seines Gesamtvorbringens (§ 123 SGG) geht es ihm der Sache nach – über das angenommene Teilanerkenntnis hinaus – um die Anerkennung der HWS-Beschwerden als weitere Arbeitsunfallfolge und die Gewährung einer höheren Verletztenrente. Dass er ggf. infolge der – durch das Teilanerkenntnis sogar noch höheren - Rentengewährung eine faktische Kürzung seiner Altersrente durch die höhere Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen hinzunehmen hat, hat für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrensgegenstands außer Betracht zu bleiben.

Mithin ist die Klage in der geschehenen Weise auszulegen, wobei die Bescheide vom 05. März 2013 und 15. Mai 2017 gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 96 SGG zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sind, weil sie nach Klageerhebung ergangen sind und den ursprünglich angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2011 ändern.

Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente nach einem geringeren JAV geltend macht. Insoweit ist er durch die Entscheidung der Beklagten nicht beschwert. Ein geringerer JAV hätte einen geringeren Zahlbetrag seiner Verletztenrente zufolge, deren Höhe sich nach der Höhe des zugrunde gelegten JAV richtet, vgl. § 56 Abs. 3 S. 1 SGB VII.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die HWS-Beschwerden als weitere Arbeitsunfallfolge festgestellt wissen will. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Versicherte Tätigkeit ist dabei insbesondere die Beschäftigung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a. a. O.). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gebotenen Maße überzeugt, dass an der HWS entschädigungspflichtige Unfallfolgen bestehen. Es besteht insofern keine haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfall bzw. dem hierbei erlittenen Gesundheitserstschaden und beim Kläger anhaltenden HWS-Beschwerden. Der Gesetzgeber bringt mit der wiederholten Formulierung "infolge" – vgl. §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Versicherungsfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob der Versicherungsfall wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und den Krankheitsfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20).

Dies zugrunde gelegt ist nichts dafür ersichtlich, dass die HWS-Beschwerden des Klägers im Wesentlichen auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen sind. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren zu verweisen. Das schriftliche Sachverständigengutachten des Radiologen Prof. Dr. M vom 01. Juni 2018 hat bestätigt, dass sich in den MRT-Aufnahmen vom 17. Mai 2010 und 18. Juni 2015 in der Tat keine Hinweise auf frische oder stattgehabte ossäre oder diskoligamentäre Traumafolgen im Bereich der HWS finden, dass die dort zu findenden krankhaften Veränderungen vielmehr als degenerativ zu bewerten seien. Die vor dem Unfall bestandene Beschwerdefreiheit im HWS-Bereich steht dem nicht entgegen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente aus § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus nicht um mehr, als von der Beklagten anerkannt, gemindert ist. Soweit sich die haftungsausfüllende Kausalität hier nur bzgl. der Beschwerden in der linken Schulter annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen (BSG a.a.O., Rn. 18).

Hieran gemessen liegt nichts für eine höhere MdE aufgrund der festgestellten und mit den Schulterbeschwerden anhaltenden Unfallfolgen vor. Ausgehend von den zuletzt von Dr. Hin seinem für das SG erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachten, welches nach Ablehnung des gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuchs des Klägers mit Beschluss des SG vom 29. November 2016 verwertbar ist, festgehaltenen Bewegungsausmaßen (Arm seit-/ körperwärts heben 90-0-30° rechts gegenüber 60-0-10° links; Arm rück-/ vorwärts 30-0-140° heben rechts gegenüber 10-0-60° links; Arm aus-/ einwärts drehen 30-0-95° rechts gegenüber 30-0-40° links; Arm aus-/ einwärtsheben 40-0-40° rechts gegenüber 0-0-0° links) liegt für die auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet feststellbaren Funktionsbeeinträchtigungen noch nichts für eine Einzel-MdE von mehr als 30 vH vor, wofür eine Schulterversteifung in Funktionsstellung vorliegen müsste (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.4.7, S. 560).

Auch aus der vorgehenden Begutachtung durch Dr. Tergibt sich keine Schulterversteifung, die eine höhere Einzel-MdE rechtfertigen würde. Auch dieses Gutachten ist nach der Verwerfung des gegen Dr. T gerichteten Ablehnungsgesuchs durch den Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2019 verwertbar.

Bei der MdE-Bewertung gesondert in Ansatz zu bringende außergewöhnliche Schmerzen liegen nicht vor. Übliche Schmerzen stellen ein Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Gewebeschädigung bzw. -erkrankung dar. Sie spielen bei der Schmerzbegutachtung keine wesentliche Rolle, weil sie in den gängigen Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt sind. Demgegenüber sind außergewöhnliche Schmerzen im Rahmen der Schmerzbegutachtung zusätzlich zur Gewebeschädigung bzw. -erkrankung gesondert zu bewerten, weil sie zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen, die die aus der reinen Gewebeverletzung resultierende deutlich übersteigt. Typische Beispiele sind komplexe regionale Schmerzsyndrome (CRPS), Phantomschmerzen nach Amputationen sowie Thalamusschmerzen und andere zentrale neuropathische Schmerzsyndrome nach Läsionen des Zentralnervensystems (vgl. Schönberger et al., a.a.O., Kap.5.7.2.1, S. 231). Für das Vorliegen einer der vorgenannten Fallgruppen ist hier von vornherein nichts ersichtlich. Auch ist hier kein Fall gegeben, in welchem sich der Schmerz bei der hier objektiv gesicherten Gewebeschädigung mit einer psychischen Komorbidität (Fehlverarbeitung) oder als Leitsymptom einer länger anhaltenden, d.h. über den 14. Oktober 2013 hinausgehenden psychischen Erkrankung in Ansatz bringen lässt (vgl. Schönberger et al., a.a.O., Kap. 5.7.2.2 und 5.7.2.3, S. 235).

Hiervon ausgehend erscheint hier eine Gesamt-MdE von 30 auf Dauer sachgerecht. Dass mehr als 30 % aller denkbaren Erwerbsmöglichkeiten des gesamten Arbeitsmarkts dem Kläger aufgrund seiner in einseitigen Schulterbeschwerden bestehenden unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen verschlossen wäre, ist nicht ersichtlich. Dementsprechend befürworten letztlich alle mit dem vorliegenden Fall befassten Sachverständigen ab dem 15. Oktober 2013 eine Gesamt-MdE von 30 vH. Da dieselben beschriebenen Funktionseinschränkungen der linken Schulter sowohl auf orthopädisch-unfallchirurgischem als auch neurologischem Fachgebiet einheitlich zu beurteilen sind bzw. sich komplett überschneiden, worauf Dr. H in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 20. August 2016 plausibel hinweist (vgl. das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. T vom 19. Oktober 2013), fließen sie nur einmal in die Bildung der Gesamt-MdE ein. Entgegen der Ansicht des Klägers findet keine schlichte Addition, sondern eine sog. integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit statt (vgl. etwa KassKomm/ Ricke, 105. EL August 2019, SGB VII § 56 Rn. 23 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 15. März 1979 – 9 RVs 6/77 -, zitiert nach juris Rn. 18). Dass der Kläger bis zum Arbeitsunfall in fortgeschrittenem Alter körperlich überaus aktiv und sehr sportlich war und dieser Lebenswandel durch das Ereignis einen deutlichen Einschnitt erfuhr, kann bei der MdE-Bewertung leider nicht in Ansatz gebracht werden. Der Grad der individuellen bzw. subjektiven Beeinträchtigung wird nicht entschädigt. Die Entschädigung in der gesetzlichen Unfallversicherung wird von dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung bestimmt. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die in Form einer Verletztenrente zu gewährende Entschädigung allein nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten des Verletzten vor und nach dem Arbeitsunfall und – mit Ausnahme der in § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII geregelten besonderen beruflichen Betroffenheit, für welche hier von vornherein nichts ersichtlich ist - nicht nach der individuellen, lebensalltäglichen Beeinträchtigung zu bemessen ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 14/99 R -, zitiert nach juris Rn. 29).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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