L 3 U 234/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 U 116/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 234/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Fahrt- und Reisekosten im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1966 geborene Kläger erlitt am 06. Januar 2006 einen Arbeitsunfall.

Mit Bescheid vom 09. August 2016 erklärte sich die Beklagte zur dauerhaften beruflichen Wiedereingliederung des Klägers bereit, die Kosten einer Umschulung zum Techniker (Bautechniker) nach § 35 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) einschließlich eines Reha-vorbereitungslehrgangs (RVL) im - vom Kläger favorisierten - Berufsförderungswerk (BFW) München mit Sitz in Kirchseeon zu übernehmen. Der RVL verlief vom 10. Oktober 2016 bis zum 13. Februar 2017, die sich daran anschließende Umschulung dauerte weitere zwei Jahre und sollte planmäßig am 15. Februar 2019 enden. Zugleich erklärte sich die Beklagte im Bescheid bereit, neben Ausbildungskosten sowie Unterkunft und Verpflegung auch Fahrtkosten zu übernehmen und zwar " für die Hin- und Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (2. Klasse) sowie im Regelfall für zwei Familienheimfahrten im Monat, maximal jedoch 24 Heimfahrten im Jahr. Bei Benutzung eines Kfz wird eine Entschädigung i.H.v. 0,20 EUR für die tatsächlich gefahrenen Kilometer gewährt, höchstens jedoch 130,00 EUR pro Fahrt (Hin- und Rückfahrt).

Planmäßig nahm der Kläger an dieser Umschulung teil und legte die Fahrwege mit dem Pkw zurück.

Mit Schreiben vom 22. August 2017 beantragte er bei der Beklagten die Erstattung weiterer 1.632,00 Euro an Reise- und Fahrtkosten. In den vergangenen 10 Monaten habe er 19 Familienheimfahrten absolviert, wobei jede Strecke 582,5 km betrage. Addiert mit der Rückfahrt und multipliziert mit der Anzahl der Fahrten (19) ergebe sich eine Gesamtkilometerleistung von 22.135 km. Für jeden vollen Monat seien ihm an Reisekosten von der Beklagten 260,00 EUR und anteilig für Oktober 2016 195,00 EUR erstattet worden, in der Summe somit 2.795,00 EUR. Daraus ergebe sich rein rechnerisch ein Erstattungsbetrag pro Kilometer von 0,126 EUR. Verglichen mit einem Rehabilitanden, der nach zwei Wochen im Zuge der Familienheimfahrt 650 km nach Hause fahre (An- und Abreise), habe er beinahe die doppelte Leistung zu erbringen, einen deutlich höheren Zeitaufwand sowie an materiellen Mitteln. Dies sei aus Gründen der Gleichbehandlung unhaltbar. Nach § 53 SGB IX und § 5 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) sei zwar eine Deckelung der Kosten vorgesehen, jedoch sei nach § 53 Abs. 4 SGB IX auf Antrag eine Anpassung zu fordern, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauere. Zudem sei des BRKG nach dessen § 1 nur auf Beamte und Richter u. a. anwendbar, nicht jedoch auf ihn.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04. September 2017 die Gewährung höherer Reise-/Fahrtkostenerstattung ab. In Ziffer 4 des Bewilligungsbescheides vom 09. August 2016 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Fahrtkosten für Familienheimfahrten je Fahrt in Höhe von höchstens 130,00 EUR übernommen werden könnten. Maßgebend für die getroffene Entscheidung zur Höhe der Fahrtkostenerstattung im Zuge der Familienheimfahrten seien die gemeinsamen Richtlinien der Unfallversicherung nach § 43 Abs. 5 SGB VII über Fahrtkosten. Unter Ziffer 4.1.2 der Richtlinien sei geregelt, dass die Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges 0,20 EUR für Wege zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der Ausführung der Leistung, höchstens jedoch 130,00 EUR betrage. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein sogenannter Härtefall nach Ziffer 12 der Richtlinie bestehe. Mit Härtefallregelungen sollte ein bestimmter Personenkreis begünstigt werden. Härtefallregelungen stellten eine gesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. Eine unbillige Härte liege nach ständiger Rechtsprechung des Sozialgerichts allgemein dann vor, wenn das Ergebnis der Regelbemessung in einem Missverhältnis zu derjenigen Leistung stehe, welche Versicherte aufgrund ihrer bisherigen Leistung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erwarten dürften.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger u. a. aus, dass er nicht behaupte, dass in seinem Fall ein sogenannter Härtefall vorliege. Der Verweis auf eine besondere Unterstützung im Falle eines Härtefalles sei Bestandteil des § 39 SGB VII. Diese Norm i.V.m. § 43 SGB VII, § 53 SGB IX sehe zwei Familienheimfahrten mit Hin- und Rückreise pro Monat vor, ohne eine Höchstbetragsbegrenzung. Sein Anspruch werde auch durch § 5 Abs. 2 BRKG gestützt, wonach bei erheblichem dienstlichem Interesse die Wegstreckenentschädigung 0,30 EUR pro Kilometer zurückgelegter Strecke betrage. Mit der Ablehnung der Fahrtkostenerstattung verneine die Beklagte somit ein entsprechendes Interesse. Bei der Benutzung öffentlicher Beförderungsmittel würde sich seine Reisezeit erheblich verlängern, was sich zulasten seiner persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Belange auswirke.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07. November 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Reisekosten würden nach § 43 SGB VII i.V.m. § 53 SGB IX übernommen. Nach § 43 Abs. 5 SGB VII sei ausdrücklich vorgesehen, dass Näheres durch gemeinsame Richtlinien für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geregelt werden könne, hier durch Ziffer 4.1.2 der Reisekostenrichtlinie der Unfallversicherungsträger in der Fassung vom 01. Juli 2014. Sowohl § 53 SGB IX als auch diese Reisekostenrichtlinie verwiesen für alle Leistungsempfänger (nicht nur für Beamte) ausschließlich auf § 5 Abs. 1 BKRG, sodass danach eine Erstattung nach erhöhter Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 2 BKRG nicht möglich sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten werde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Sei verweisen sei darauf, dass der Kläger bereits vor Aufnahme der Maßnahme durch den Bewilligungsbescheid vom 09. August 2016 auf die Begrenzung der Reisekosten hingewiesen worden sei. Die Auswahl des BFW München für diese Umschulungsmaßnahme zum Bautechniker sei auch auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 10. November 2017 Klage zum Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Die von der Beklagten herangezogene Regelung des BRKG sei für ihn nicht anwendbar, da er nicht Beamter, Richter o.ä. sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2018 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. November 2017 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Gericht folge gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und mache sich nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung diese in vollem Umfang zu Eigen. Die Beklagte habe im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung die Höhe der Reise-/Fahrtkostenerstattung zutreffend an den Regelungen des BRKG ausgerichtet.

Gegen den ihm am 26. November 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der - nunmehr anwaltlich vertretene - Kläger am 21. Dezember 2018 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen: Der Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenersatz resultiere aus § 43 SGB VII i.V.m. § 73 SGB IX und hilfsweise aus § 39 Abs. 2 SGB VII. Die durch § 5 BRKG bewirkte Begrenzung des tatsächlichen Aufwand des Klägers für Hin- und Rückfahrt auf 130,- EUR stelle eine unverhältnismäßige Härte für ihn dar, da er auf der Basis der von der Beklagten angewandten Begrenzung der Fahrtkostenerstattung nur auf einen Erstattungsbetrag i.H.v. 0,126 EUR komme. Dies sei vom Sinn und Zweck des Vollkostenerstattungsanspruchs des Klägers nicht gedeckt. Der Härtefall des Klägers werde hilfsweise auf § 39 Abs. 2 SGB VII gestützt. Die von der Beklagten herangezogene Richtlinie komme hier nicht zur Anwendung, da § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII für die Erstattung erforderlicher Reisekosten ausdrücklich auf § 53 SGB IX alter Fassung (a. F.) bzw. § 73 SGB IX neuer Fassung (n. F.) verweise und sich die Regelungsbefugnis der Unfallversicherungsträger nach § 43 Abs. 5 SGB VII mithin nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VII nur auf Reisekosten bei der Ausführung einer Heilbehandlung beziehe. Dem Kläger seien nur Einrichtungen in der Nähe von Regensburg, in Würzburg, in Karlsruhe und eben in München zur Auswahl gestellt worden. Auch bei der Wahl anderer Standorte wäre ein Erstattungsansatz von 0,20 EUR pro gefahrenem Kilometer für den Kläger nicht auskömmlich gewesen, zudem lebe im Raum München eine Familienangehörige, sodass die Wahl des Standortes München auch nach Art. 6 des Grundgesetzes (GG) für den Kläger gerechtfertigt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 22. November 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. November 2017 zu verurteilen, ihm für die von ihm durchgeführten Familienheimfahrten während seiner Umschulung im Berufsförderungswerk München seit Oktober 2016, maximal für zwei Fahrten monatlich, Reisekosten pro gefahrenem Kilometer i.H.v. 0,20 EUR ohne Begrenzung auf 130 EUR je Fahrt - unter Anrechnung der bereits erstatteten Reisekosten - zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entgegen des klägerischen Vorbringens seien die Reisekostenrichtlinien nach § 73 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 5 Abs. 1 BRKG anzuwenden. Die Vorschrift finde auch für die Erstattung erforderlicher Reisekosten zur Ausführung von Leistungen zur medizinischen oder zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Verweisung in den für den jeweiligen Leistungsträger maßgeblichen Gesetzen Anwendung. Das gelte auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Soweit nach der Neufassung des SGB IX die Folgeänderung in § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht erfolgt sei und dort weiterhin auf die nicht mehr einschlägige Regelung in § 53 SGB IX verwiesen werde, beruhe dies auf einem gesetzgeberischen Versehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB VII seien nicht zu erkennen, wobei zu erwähnen sei, dass die Wahl des BFW München auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers erfolgt sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 21. November 2019 die Berufung der Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung haben sich die Beteiligten mit ihren am 27. November 2019 (Kläger) bzw. 03. Dezember 2019 (Beklagte) bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 21. November 2019 konnte die Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. November 2017 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Fahrtkosten, insbesondere die Erstattung seiner Fahrtkosten ohne eine Begrenzung auf 130,- EUR pro Fahrt.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Nach § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII werden die im Zusammenhang mit der Ausführung u. a. von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Reisekosten nach § 53 SGB IX übernommen. Zu den Reisekosten gehören nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 Fahr- und Transportkosten. In dieser Fassung gilt § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII seit dem 01. September 2005.

Soweit § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII hinsichtlich einer Erstattung von Reisekosten immer noch auf § 53 SGB IX verweist, ist ersichtlich die alte, bis zum 31. Dezember 2017 geltende Fassung des § 53 SGB IX gemeint. Durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I 2016, 3234), in Kraft getreten am 01. Januar 2018, wurde die Regelung inhaltlich unverändert in den § 73 SGB IX verschoben. Es erfolgten lediglich einige redaktionelle Änderungen; so wurde, wohl der besseren Übersichtlichkeit halber, die Aufzählung der einzelnen Kostenpositionen in Absatz 1 nunmehr in einem eigenen, in vier Ziffern gegliederten Satz 2 geregelt (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 53 SGB I, Rn. 4, Schlette in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 73 SGB IX Rn. 1-2; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Mai 2018, L 3 U 84/16). Dass die im Hinblick auf die Neufassung des SGB IX notwendige Folgeänderung in § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII (noch) nicht erfolgt ist und dort weiterhin auf die nicht mehr einschlägige Regelung in § 53 SGB IX verwiesen wird, beruht dabei offensichtlich auf einem gesetzgeberischen Versehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Mai 2018, L 3 U 84/16).

Nach § 74 Abs. 4 SGB IX (§ 53 Abs. 4 SGB IX) werden Fahrkosten in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG). Das gilt auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

§ 5 Abs. 1 BRKG ist daher aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 73 Abs. 4 S. 1 SGB IX anwendbar, ohne dass es hier der Eröffnung des persönlichen Geltungsbereiches (Beamte, Richter o. ä.) über § 1 BRKG bedürfte.

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 BRKG wird für Fahrten mit anderen als den in § 4 (Bahn, Flugzeug u. a.) genannten Beförderungsmitteln eine Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 Euro (§ 5 Abs. 1 S. 2 BRKG). Die oberste Bundesbehörde kann den Höchstbetrag auf 150 Euro festsetzen, wenn dienstliche Gründe dies im Einzelfall oder allgemein erfordern (S. 3 der Norm).

Danach gilt im vorliegenden Fall die Höchstgrenze von 130 EUR pro Fahrt (Hin-und Rückfahrt). Eine abweichende Festsetzung der Obergrenze durch die oberste Bundesbehörde ist nicht erfolgt.

Die gesetzliche Begrenzung der Wegstreckenentschädigung auf 130 EUR je Fahrt durch § 5 Abs. 1 S. 2 BRKG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zusätzlich zu der Beschränkung der Kilometerpauschale wird der Gesamtbetrag der Wegstreckenentschädigung nach Absatz 1 (gilt nicht für Absatz 2) auf 130 Euro begrenzt. Der Gesetzgeber hat diesen Höchstbetrag zusätzlich aufgenommen, da ansonsten nur eine noch erheblich geringfügigere Kilometerpauschale politisch durchsetzbar gewesen wäre (Meyer/Fricke/Baez u.a. in: Meyer/Fricke/Baez u.a., Reisekosten im öffentlichen Dienst, 52. Update November 2019, § 5 Wegstreckenentschädigung, Rn. 18)

Dem seit dem 01. September 2005 geltenden neuen Satz der Wegstreckenentschädigung nach Absatz 1 liegt keine Berechnung der konkreten Kraftfahrzeugkosten mehr zu Grunde, viel mehr haben ökologische Gründe ("runter von der Straße") zu seiner Festsetzung geführt. Infolge dessen können auch immer weiter steigende Kosten auf dem Sektor der Kraftfahrzeugbeschaffung und -unterhaltung keinen Druck auf die Anpassung dieses Pauschalbetrages ausüben. Um ökologische Gründe handelt es sich insoweit, als in Fällen, in denen andere umweltfreundlichere Beförderungsmittel genutzt werden können, die Kraftfahrzeugbenutzung eingedämmt werden soll. Daher musste der Kilometersatz unterhalb einer Kostendeckung festgelegt werden. Besteht allerdings für die Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse (Absatz 2), sind die Kraftfahrzeugkosten weiterhin Grundlage für die festzusetzende Kilometerpauschale (derzeit 30 Cent/km) (Meyer/Fricke/Baez u.a., Reisekosten im öffentlichen Dienst, 52. Update November 2019, § 5 Wegstreckenentschädigung, juris Rn. 17).

Zusätzlich zu der Beschränkung der Kilometerpauschale wird der Gesamtbetrag der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 BRKG (gilt nicht für Absatz 2) auf 130 Euro begrenzt. Der Gesetzgeber hat diesen Höchstbetrag zusätzlich aufgenommen, da ansonsten nur eine noch erheblich geringfügigere Kilometerpauschale politisch durchsetzbar gewesen wäre.

Nach § 5 Abs. 2 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke – ohne Begrenzung auf eine Höchstwert wie in Absatz 1 der Norm -, wenn an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse besteht, welches vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss. Eine Kostenerstattung nach § 5 Abs. 2 BRKG käme für den Kläger nicht in Betracht, da ein erhebliches dienstliches Interesse nicht ersichtlich ist und auch nicht vor Reisebeginn/Umschulungsbeginn festgestellt wurde.

Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 73 Abs. 4 S. 2 SGB IX stützen. Danach hat bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Diese Regelung gilt für die Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels nach § 73 Abs. 4 S. 1, 1. HS SGB IX (Schlette in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 73 SGB IX, Rn. 20; Sächsisches LSG, Urteil vom 01. Dezember 2016 – L 3 AL 100/15 –, juris). Eine entsprechende Regelung des Gesetzgebers für den hier vorliegenden Fall der Benutzung sonstiger Verkehrsmittel nach § 73 Abs. 4 S. 1 2. HS SGB IX i.V.m. § 5 Abs. 1 BRKG existiert nicht. Auch erscheint eine Analogie nicht zwingend geboten, da der die regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel benutzende Leistungsempfänger dem Preisregime der Beförderungsunternehmen zwingender ausgesetzt ist und nicht durch eigenes Verhalten Einfluss auf den Fahrpreis nehmen kann, als etwa ein Leistungsempfänger, der einen Pkw benutzt und hierbei zumindest durch gezielte Auswahl von Ort und Zeit des Kraftstofferwerbes kostensparender agieren kann. Auch diese Regelung orientiert sich an der ökologische Zielrichtung des Gesetzgebers.

Der Anspruch des Klägers kann auch nicht aus § 43 Abs. 5 SGB VII i.V.m. den UV-Reisekostenrichtlinien hergeleitet werden, was auch keine weitergehenden Ansprüche für den Kläger zur Folge hätte (Ziffer 4.1.2 der Richtlinie sieht ebenfalls die Begrenzung auf 130 EUR pro Fahrt vor). Insoweit verweist § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VII für die im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Reisekosten ausschließlich auf § 53 SGB IX/§ 73 SGB IX und dieser auf § 5 Abs. 1 BRKG. Hingegen regelt sich die Übernahme/Erstattung von Reisekosten zur Heilbehandlung nach den Abs. 2 bis 5 des § 43 SGB VII (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VII).

Schließlich ist die vom Kläger begehrte höhere Fahrtkostenerstattung auch nicht als besondere Unterstützung zum Ausgleich besonderer Härten nach § 39 Abs. 2 SGB VII zu gewähren. Nach dem Wortlaut der Norm kann den Versicherten (oder deren Angehörigen) zum Ausgleich besonderer Härten eine besondere Unterstützung gewährt werden.

Ob eine besondere Härte vorliegt, ist durch Wertung der individuellen Verhältnisse festzustellen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der kein eigenes Ermessen des Versicherungsträgers eröffnet, sondern der sozialgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Bei der Auslegung ist die Funktion der Vorschrift als Auffangtatbestand zu beachten. Es müssen besondere Belastungen als Folge des Versicherungsfalles vorliegen, die auch unter Berücksichtigung der im Übrigen gewährten Leistungen der gesetzlichen UV und der Situation anderer Versicherter dem Betroffenen nicht zuzumuten sind (Römer in: Hauck/Noftz, SGB, 01/10, § 39 SGB VII, Rn. 32 ff).

Eine besondere Härte zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass bei einem Versicherten eine besondere Bedarfssituation besteht, die ihn von anderen Versicherten mit der gleichen Berufskrankheit oder den gleichen Arbeitsunfallfolgen unterscheidet. Die besondere Bedarfssituation kann in einer wirtschaftlichen Notlage bestehen, möglich ist aber z.B. auch eine ungewöhnliche Schwierigkeit in der Familie (z.B. der verletzte Versicherte hat ein schwerbehindertes Kind, das ebenfalls besonderer Betreuung bedarf, so dass Kinderbetreuungskosten und Pflegekosten anfallen, die von § 42 SGB VII nicht erfasst sind) (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 39 SGB VII, Rn. 54).

Nach diesen Kriterien ist eine individuelle Bedarfssituation des Klägers, die eine besondere Härte nach § 39 Abs. 2 SGB VII darstellt, weder vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich. Soweit der Kläger der Meinung ist, dass sich für ihn ein rein rechnerischer Erstattungsbetrag pro Kilometer von nur 0,126 EUR pro Kilometer ergebe, der weit unterhalb der Kilometerpauschale von 0,20 EUR pro Kilometer liege, daher unverhältnismäßig sowie dies aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Rehabilitanden unhaltbar sei, vermag diese Argumentation eine besondere Härte im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB VII nach den dargelegten Kriterien nicht zu begründen. Insbesondere ist hieraus nicht ersichtlich, dass beim Kläger im Vergleich zu anderen Rehabilitanden besondere Belastungen, etwa als Folge seines individuellen Versicherungsfalles, seiner persönlichen, familiären oder finanziellen Situation, vorliegen, die dem Kläger in der jeweiligen besonderen Belastungssituation im Vergleich zu anderen Versicherten nicht zuzumuten sind.

Eine Reduzierung seiner Fahrtkosten hätte der Kläger seinerseits durch die Entscheidung für ein - wohnortnäheres – Berufsförderungswerk, z. B. jenes in Regensburg bewirken können. Statt der nach Kirchseeon zurückzulegenden ca. 600 km und ca. 6,5 Stunden Fahrzeit hätte der Kläger nach Regensburg nur ca. 460 km und ca. 5 Stunden Fahrzeit einplanen müssen. Inwieweit Art. 6 GG i.V.m. § 39 Abs. 2 SGB VII dem Kläger als Anspruchsgrundlage für eine höhere Fahrtkostenerstattung dienen könnte, erhellt sich für den Senat nicht, zumal der Kläger den von ihm favorisierten Umschulungsort (BFW München) von der Beklagten auch bewilligt bekommen hat.

Eine vollständige Erstattung entstehender Fahrtkosten kann auch nicht aus dem Rechtsgedanken eines im SGB VII verankerten Schadensersatzanspruches begründet werden. Soweit das SGB VII – z. B. i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) - Leistungsansprüche vorsieht, zielen diese nicht auf den Ersatz des dem Versicherten danach verbleibenden vollen Schadens im Sinne der sogenannten Naturalrestitution (vgl. §§ 249 S. 1, 252 Bürgerliches Gesetzbuch). Denn durch Gesetz- bzw. Verordnungsgeber werden Obergrenzen festgesetzt – z. B. § 3 Abs. 2 S. 2 BKVO -, die keineswegs ausgeschöpft werden müssen und die - selbst bei voller Ausschöpfung - nicht immer den vollen wirtschaftlichen Schaden des Versicherten ersetzen können (Bundessozialgericht, BSG, Urteile vom 04. Dezember 2001 – B 2 U 6/01 R –, juris m.w.N.).

Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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