L 1 KR 338/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 143 KR 2168/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 338/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit dem Arzneimittel Votum (Wirkstoff: Olmesartan) ohne Begrenzung auf den hierfür festgesetzten Festbetrag.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet u. a. neben einer Posttraumatischen Belastungsstörung, multipler Arzneimittel- und Nahrungsmittelunverträglichkeit, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer lumbalen Spinalstenose/Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, persistierender Hyponatriämie und seit 2012 an arterieller Hypertonie (Bluthochdruck). Seit Oktober 2013 verordnete ihr ihr behandelnder Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S das Medikament Votum.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 23. September 2014 die vollständige Kostenübernahme für dieses Arzneimittel. Sie habe im vergangenen Jahr verschiedene Alternativpräparate getestet, die aber entweder unvertretbare Nebenwirkungen mit sich gebracht hätten bis hin zu allergischen Reaktionen oder nur unzufriedenstellende Wirkung gehabt hätten. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Der angehörte Behandler Dr. Steilte unter dem 13. Dezember 2014 mit, als Alternativarzneimittel seien für jeweils drei Wochen solche mit den Wirkstoffen Irbesartan und Candesartan verordnet worden. Die Einnahme habe zu Nebenwirkungen geführt. Im Auftrag der Beklagten gab der Medizinische Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) ein sozialmedizinisches Gutachten ab. Die Gutachterin L gelangt darin zum Ergebnis, dass ein atypischer Einzelfall, welcher eine Kostenübernahme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ermögliche, nicht vorliege, da bislang nicht alle Angiotensin-II-Antagonisten (Sartane) zum Einsatz gekommen seien, ein Zusammenhang zwischen den geschilderten Nebenwirkungen und den alternativ getesteten Medikamenten nicht nachvollziehbar sei, Meldebögen für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nicht vorgelegt worden seien und prinzipiell noch andere blutdrucksenkende Medikamente zur Verfügung stünden (Gutachten vom 6. Januar 2015). Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 zurück (zugestellt 23. Juni 2015).

Die Klägerin hat hiergegen am 22. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur deren Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, es seien alle der Klägerin zumutbaren Arzneimittelalternativen zum Arzneimittel Votum erfolglos ausprobiert worden. Die Nebenwirkungen in der Testphase seien nicht akzeptabel gewesen. Diese Nebenwirkungen wie Ekzeme, Durchfälle und Schlaflosigkeit kämen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung gleich und müssten von ihr nicht akzeptiert werden. Da sie noch andere Arzneimittel benötigte, sei eine Einstellung auf eine optimale Medikation sehr kompliziert. Bei ihr sei dies endlich im Oktober 2013 gelungen. Nur aufgrund der ab 1. Juli 2014 geltenden Festbetragsgrenzen sei es ihr nicht zuzumuten, auf ein anderes Medikament umzustellen. Ihr Anspruch folge jedenfalls aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Dr. S hat unter dem 29. November 2015 mitgeteilt, weshalb er der Klägerin "die Medikamentenstoff Losartan, Eprosartan und Telmisartan nicht verordnet habe". Er hat ferner auf Aufforderung des SG eine Kopie der Patientenakte der Klägerin eingereicht. Das SG hat ihn als am 8. März 2017 und am 10. März 2017 als Zeugen vernommen. Die Gutachterin des MDK Dr. K hat sich in der mündlichen Verhandlung ergänzend geäußert. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird ergänzend Bezug genommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Rechtsauffassung des BSG zu folgen, wonach Versicherte eine Versorgung mit Arzneimitteln ohne Begrenzung auf den Festbetrag nur dann beanspruchen könnten, wenn aufgrund ungewöhnlicher persönlicher Verhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei. Eine solche Situation liege hier nicht vor. Ungeachtet der umfangreichen Beweisaufnahme habe nicht festgestellt werden können, dass die Klägerin überhaupt alle anwendbaren Festbetrags-Arzneimittel indikationsgerecht genutzt habe. Es seien nicht alle Substanzen der Wirkstoffgruppe der Sartane zum Einsatz genommen, auch nicht Alternativ-Arzneimittel. Das SG habe aber auch nicht feststellen können, dass die wenigen Festbetrags-Arzneimittel, welche der Klägerin verordnet worden seien, eine behandlungsbedürftige Erkrankung verursacht hätten. Dabei könne dahinstehen, ob die von der Klägerin als Folge der Arzneimitteleinnahme genannten Gesundheitsstörungen der Müdigkeit bzw. des gestörten Schlafes überhaupt behandlungsbedürftige Erkrankungen seien. Jedenfalls lasse sich der Patientenakte von Dr. S nicht entnehmen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Störungen und der Einnahme der Festbetrags-Arzneimittel bestanden habe. In der Patientenakte finde sich auch kein Hinweis darauf, dass diese gesundheitlichen Einschränkungen vermehrt aufgetreten seien, wie dies der Zeuge bekundet habe. Es werde deutlich, dass sich Dr. S alleine von dem subjektiven Eindruck der Klägerin habe beeinflussen lassen. Beispielsweise seien vergleichbare Beschwerden in der Patientenakte auch in einem Zeitpunkt dokumentiert, in dem dass Wunsch-Arzneimittel der Klägerin längst angewandt worden sei. Wäre Dr. S ernsthaft davon ausgegangen, dass die Festbetrags-Arzneimittel die behaupteten Nebenwirkungen hervorgerufen hätten, wäre er zu einer Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verpflichtet gewesen. Die Klägerin stehe auch kein Anspruch gegenüber dem Beigeladenen zu. Grundsicherungsleistungen seien bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin durch die von der Beklagten angebotenen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend versorgt werden könne.

Gegen diese am 13. Juli 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 1. August 2017. Zu deren Begründung wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Eine Erprobung sämtlicher Medikamente scheide bereits rein zeitlich in einem zumutbaren Rahmen aus. Verfehlt habe sich das SG hinsichtlich der medizinischen Sachaufklärung alleine auf die Vernehmung des behandelnden Arztes gestützt. Auch habe das SG einen überzogenen Maßstab an die Erbringung des Vollbeweises für ein behauptetes Hinzutreten einer Erkrankung bei der Einnahme anderer Wirkstoffgruppen gestellt. Einem Kläger sei vielmehr ein Vollbeweis dann nicht zuzumuten, wenn damit das Risiko einer vitalen Gefährdung einherginge. Die Klägerin hat Kopien von von ihr verfassten Berichten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen eingereicht über Nebenwirkungen der Einnahme des Arzneimittels Olmetor, eines Generika-Arzneimittels mit dem Wirkstoff Olmesartan, sowie des weiteren Generika-Arzneimittels Olmesartan-1a Pharma. Von einer Verträglichkeit dieser Generika wegen der Wirkstoffgleichheit und ähnlicher Hauptbestandteile könne deshalb nicht ausgegangen werden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 10. März 2017 und des Bescheides vom 23. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2015 nach jeweiliger ärztlicher Verordnung die vollständigen Kosten für das Medikament Olmesartan/Votum 20 mg und 40 mg vom 17. Juli 2014 an bis auf weiteres zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Auf die erwähnten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht so vorzugehen zuletzt mit Hinweisschreiben vom 2. Juli 2019 informiert worden.

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Der geltend gemachte Sachleistungs- und Kostenerstattungsanspruch besteht jedoch nicht. Der angefochtene Bescheid vom 23. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (künftige) Übernahme der vollständigen Kosten für das Arzneimittel Votum mit dem Wirkstoff Olmesartan. Für die Vergangenheit scheidet ein Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten Kosten aus.

Rechtsgrundlage des Anspruchs gegen die Beklagte auf eine festbetragsfreie Arzneimittelversorgung mit Votum ist §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 31 SGB V. Aufgrund einer vertragsärztlicher Verordnung erhalten Versicherte die krankheitsbedingt notwendigen, nicht der Eigenverantwortung (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB V) zugeordneten, Arzneimittel (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V) aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ist für ein Arzneimittel wirksam ein Festbetrag festgesetzt, trägt die Krankenkasse aber grundsätzlich - abgesehen von der Zuzahlung nach § 31 Abs. 3 SGB V - die Kosten nur bis zur Höhe des Festbetrags (§ 31 Abs. 2 S. 1 bis 5 SGB V). Ist für ein Arzneimittel - wie hier für Votum - wirksam ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten regelmäßig mit dem Festbetrag (§ 12 Abs. 2 SGB V). Die Festbetragsregelung ist Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V; BSG, Urt. vom 3. Juli 2012 –B 1 KR 22/11 R- Rdnr. 13 mit Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht BVerfGE 106, 275, 301, 302, 303). Arzneimittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen oder unwirtschaftlich sind, weil sie gegenüber gleich geeigneten, ausreichenden und erforderlichen Mitteln teurer sind, sind aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich ausgeschlossen. Betroffene Versicherte müssen unmittelbar die Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel selbst gerichtlich überprüfen lassen, wenn sie hiermit nicht einverstanden sind. Die Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebots begrenzt zugleich die Wirkkraft der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel. Die Versicherten haben unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots Anspruch auf eine in der Qualität gesicherte Vollversorgung durch Sachleistungen aus einer Pflichtversicherung (BSG, a. a. O. Rdnr. 14). Die Festbetragsregelung des § 35 SGB V garantiert für die Versicherten im Wesentlichen eine Gleichbehandlung, indem sie die Rechtsgrundlage schafft, um typische Fälle in Gruppen von Arzneimitteln (§ 35 Abs. 1 S 2 SGB V) zusammenzufassen. Eine Festbetragsfestsetzung gilt jeweils für eine Gruppe und setzt hierfür die Geldbeträge fest, mit denen einerseits eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet, andererseits aber ein Preiswettbewerb unter den Herstellern ermöglicht werden soll (§ 35 Abs. 5 S. 1 und 2 SGB V). Die gesetzlich vorgegebenen Kriterien der Festbetragsfestsetzung sind nicht an den individuellen Verhältnissen des einzelnen Patienten ausgerichtet, sondern orientieren sich in generalisierender Weise an allen Versicherten. Dementsprechend sind die Festbeträge so festzusetzen, dass sie lediglich "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten (§ 35 Abs. 5 S 1 SGB V).

Hier konkret besteht die Festbetragsgruppe der Angiotensin-II-Antagonisten (Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage IX – Festbetragsgruppenbildung Angiotensin-II-Antagonisten, Gruppe 1, in Stufe 2 nach § 35 Absatz 1 SGB V vom 18. Oktober 2012 mit Inkrafttreten am 01. Dezember 2012; BAnz AT 30.11.2012 B1).

Geht es dagegen um einen atypischen Ausnahmefall, in dem - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist, greift die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag nicht ein. Dies ist der Fall, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgehen und damit die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit (§ 27 Abs. 1 S. 1 SGB V) erreichen. Die Beurteilung der Verursachung richtet sich nach der im Sozialrecht maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen muss in Gerichtsverfahren grundsätzlich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Lediglich für die zu prüfenden Kausalzusammenhänge genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit. Nach allgemeinen Grundsätzen tragen die Versicherten hierfür die objektive Beweislast (BSG, a. a. O. Rdnr. 16f). Dabei ist das objektivierbar gesicherte Hinzutreten einer neuen Krankheit oder die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit nach der Verabreichung eines Festbetragsarzneimittels in einem Behandlungsbedürftigkeit begründenden Ausmaß erste Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Anspruch auf Vollkostenübernahme eines anderen, in die Festbetragsgruppe einbezogenen, den Festbetrag überschreitenden Arzneimittels in Betracht kommt. Diese Umstände müssen im Sinne des Vollbeweises nach den Regeln der ärztlichen Kunst gesichert sein (BSG, Beschluss vom 25. Januar 2017 – B 1 KR 8/16 BH –, Rdnr. 8 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 3. Juli 2012, Rdnr. 20). Der erforderliche kausale Zusammenhang zwischen Arzneimittelanwendung und unerwünschter Nebenwirkung im Ausmaß einer behandlungs-bedürftigen Krankheit oder einer Verschlimmerung muss auch hinsichtlich aller anderen Festbetragsarzneimittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehen. Notwendige Bedingung dafür, dass die Festbetragsgrenze im Einzelfall infolge der inneren Begrenzung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) entfällt, ist nämlich grundsätzlich, dass der Arzt unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst dem Versicherten die in Betracht kommenden, zum Festbetrag erhältlichen und nach ihrer Wirkungsweise therapeutisch geeigneten Arzneimittel verordnet und der Versicherte die verordneten Arzneimittel über einen therapeutisch relevanten Zeitraum hinweg auch tatsächlich in vorgeschriebener Weise anwendet (BSG, a. a. O. Rdnr. 25).

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen der hiesige Senat aus eigener Überzeugung folgt, scheidet ein Anspruch der Klägerin aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass bei ihr nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden, Arzneimittel objektiv nachweisbar eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit vorliegt, die zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die Anwendung eines den Festbetrag im Preis unterschreitenden Arzneimittels bedingt ist. Auch ist nicht davon auszugehen, dass die Anwendung des nicht zum Festbetrag verfügbaren Festbetragsarzneimittels Votum als einziges blutdrucksenkendes Arzneimittel ohne Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit bleibt und in diesem Sinne alternativlos ist.

Der Senat stützt sich hierbei wie das SG nicht nur auf die Ausführungen des den Blutdruck der Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. St, sondern auch auf die gutachterlichen Ausführungen des MDK:

Wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat, sind noch nicht einmal alle Wirkstoffe der Festbetragsgruppe der Sartane testweise verordnet worden. Dr. S hat selbst ausgeführt, den Wirkstoff Eposartan nicht verordnet zu haben, weil er mit diesem keine Erfahrung besitze. Er hat auch ausgeführt, den Wirkstoff Telmisartan der Klägerin nur "angeboten" zu haben. Eine Verordnung sei unterblieben, weil die Klägerin "nicht mehr dazu bereit war". Dass der behandelnde Arzt mit dem in Frage stehenden Alternativarzneimittel keine fachliche Erfahrung hat und deshalb nicht verordnen will, kann keinen atypischen Fall begründen, ebenso wenig wie die fehlende Bereitschaft des Versicherten, Alternativarzneimittel zu testen. Dass die Einnahme von Eposartan oder Telmisartan zu Nebenwirkungen im Sinne einer zusätzlichen Krankheit führen würden, kann nicht einfach unterstellt werden. Es gab und gibt nach dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte, dass –bei der Verträglichkeit des Arzneimittels Votum mit dem Wirkstoff Olmesartan- die anderen Sartane von vornherein ausscheiden müssen.

Bluthochdruck-Arzneimittel anderer Wirkstoffgruppen –zum Beispiel ACE-Hemmer- sind zudem unstreitig gar nicht erwogen worden, ohne dass dies erläutert wurde.

Zudem hat bereits das SG ausführlich dargestellt, dass die von der Klägerin festgestellten Nebenwirkungen in Folge der Einnahme von Arzneimitteln mit anderen Sartanen als Wirkstoff als dem in Votum nur subjektiv empfunden sind und nicht auf objektivierbaren, nach den Regeln der ärztlichen Kunst gesicherten Annahmen beruhen. Von gesicherten Annahmen ist weder nach den Ausführungen des Behandlers Dr. Stein auszugehen, geschweige denn ergeben sich diese aus den sachkundigen Einlassungen und Gutachten des MDK. Auch hat das SG zutreffend dargelegt, dass von Nebenwirkungen als Folge der anderen Bluthochdruck-Arzneimittel bereits deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil diese Beeinträchtigungen bereits über ein Jahr vor dem Zeitpunkt aufgetreten sind, zu welchem der Bluthochdruck der Klägerin erstmals behandelt worden ist. Das SG hat es dabei richtig dahingestellt sein lassen, ob die vorgetragenen Nebenwirkungen als Krankheiten im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des BSG zu werten sind, also über bloße Unannehmlichkeiten und Befindlichkeitsstörungen hinausgehen.

Zu Recht geht das SG ferner davon aus, dass auch die weitere Voraussetzung eines Anspruches auf volle Kostenübernahme, dass der Wegfall bzw. deutliche Rückgang der nebenwirkungsbedingten behandlungsbedürftigen Krankheiten bei Verwendung speziell des Wunscharzneimittels bewiesen sein muss, hier nicht angenommen werden kann. Es ist hier nicht gesichert, dass die Nebenwirkungsfreiheit bzw.-armut der Blutdruck-Behandlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf der Therapie speziell mit dem Arzneimittel Votum beruht. Das SG hat hierzu im angefochtenen Urteil dargestellt, dass die von der der Klägerin beklagten Beeinträchtigungen auch zu Zeiten aufgetreten sind, in denen ihr Arzt ihr Votum verordnet hat. Dass es vielmehr (nur) dem subjektiven Empfinden zu zurechnen ist, ausschließlich die Behandlung mit Votum für nebenwirkungsarm anzusehen, ergibt sich abschließend augenscheinlich auch aus dem Umstand, dass die Klägerin selbst die mittlerweile zum Festbetrag erhältlichen Generika-Arzneimittel mit demselben Wirkstoff Olmesartan nicht vertragen will.

Auf die Ausführungen des SG wird ergänzend verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.

Ein Kostenerstattungsanspruch für die Vergangenheit könnte sich vorliegend nur aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ergeben. Allerdings reicht der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch Die Krankenkasse muss ihren Versicherten Aufwendungen für selbst beschaffte Leistungen nur erstatten, wenn sie eigentlich als Sachleistung zu erbringen gewesen wären oder nur wegen eines Systemversagens nicht erbracht werden konnten (BSG v. 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R – juris-Rdnr. 17). Der Kostenerstattungsanspruch scheitert hier –wie ausgeführt- daran, dass die Beklagte die Übernahme der Kosten für Votum über den Festbetrag hinaus nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Senat hat deshalb davon abgesehen, der Klägerin die an sich gebotene Bezifferung des Kostenerstattungsanspruches aufzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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