L 1 KR 401/19 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 2168/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 401/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2019 ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den am 10. Oktober 2019 gestellten Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin mit medizinisch notwendigem Gehörschutz zu versorgen, hilfsweise das Sozialamt Spandau beizuladen, mit Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Nach diesen Grundsätzen konnte die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass sie in der Sache einen Anspruch auf Übernahme des Gehörschutzes gegen die Antragsgegnerin haben könnte.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellerin kommt § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Nach diesen Vorschriften besteht Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Zutreffend haben bereits das Sozialgericht und vor ihm die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass der von der Antragstellerin begehrte Gehörschutz ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist. Gehörschutz wird nämlich auch von gesunden Menschen getragen, um sich vor übergroßem Lärm zu schützen. Das gilt auch für individuell angepassten Hörschutz. Aus dem Internetauftritt der Firma B (www.bachmeier.de), welche Herstellerin des von der Antragstellerin begehrten Gehörschutzes ist, ergibt sich, dass die Firma B ihr Leistungsangebot insoweit (auch) an gesunde Menschen richtet. Ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens wird nicht dadurch zu einem Hilfsmittel, dass kranke und behinderte Menschen mehr auf ihn angewiesen sind als Gesunde. Die Richtigkeit des Ergebnisses, dass ein Gehörschutz kein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wird dadurch bestätigt, dass er nicht in dem nach § 139 SGB V zu erstellendem Hilfsmittelverzeichnis gelistet wird.

Auch eine Beiladung des Sozialamts Spandau oder gar seine Verpflichtung zur Übernahme des Gehörschutzes kam nicht in Betracht. Im Rahmen des SGB IX ist die Antragsgegnerin als erstangegangener Leistungsträger nach § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) selbst zur Bescheidung des Antrags unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zuständig, weil sie den Leistungsantrag nicht kurzfristig an das Sozialamt als Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX weitergeleitet hat. Der Begriff des Hilfsmittels im Rahmen des SGB IX ist aber gem. § 47 SGB IX hinsichtlich des Ausschlusses von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens kein anderer als in § 33 Abs. 1 SGB V. Auch im Rahmen des SGB IX kann sich daher kein Anspruch der Antragstellerin auf Versorgung mit Gehörschutz ergeben.

Der mögliche Anspruch der Antragstellerin gegen das Sozialamt auf Übernahme der Kosten des Gehörschutzes im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (einmaliger Bedarf im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) bedingt keine Beiladung. Eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alternative 2 SGG in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zwar möglich, aber nicht zwingend erforderlich (Gall in jurispkSGG, § 75 Rn 24). Der Senat hält sie hier für untunlich, weil das Sozialamt nach Aktenlage bisher noch keine Entscheidung über die Übernahme der Kosten für einen Gehörschutz getroffen hat, dies aber nachholen will, sobald ihm eine ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin vorliegt. Danach ist nicht erkennbar, ob für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen das Sozialamt überhaupt ein Bedürfnis besteht.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved