L 32 AS 255/20 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 107 AS 861/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 255/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2020 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar 2020 bis 31. Juli 2020.

Die im September 1972 geborene Antragstellerin zu 1 und der im Mai 2005 geborene Antragsteller zu 2, der Sohn der Antragstellerin zu 1, sind rumänische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 1 reiste am 10. Oktober 2017 erneut aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Antragsteller zu 2 zog am 28. April 2019 aus Rumänien zur Antragstellerin zu 1.

Mit Bescheid vom 23. April 2019 hatte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Februar 2019 bis 31. Januar 2020 bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 16. Mai 2019 hatte der Antragsgegner auch dem Antragsteller zu 2 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2019 bis 31. Januar 2020 bewilligt.

Nachdem die Antragsteller zur Abwendung weiterer Obdachlosigkeit erneut bis 22. August 2019 in die Unterkunft zugewiesen worden waren, erfolgte anschließend ihre Zuweisung in die Unterkunft Wohnheim, S Straße in B für die Zeit vom 22. August 2019 bis 24. Januar 2020 zu einem Tagessatz in Höhe von 29,17 Euro pro Person.

Die Antragstellerin zu 1 erhält Kindergeld für den Antragsteller zu 2 von 204 Euro monatlich. Am 31. Oktober 2019 schloss sie mit der J GmbH einen auf die Zeit vom 1. November 2019 bis 31. Oktober 2020 befristeten Arbeitsvertrag als Hauswirtschafterin/Hilfe zur Pflege bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1.680 Euro, fällig am 1. des Folgemonats. Nach der Abrechnung für Januar 2020 bezieht sie ein Bruttoarbeitsentgelt ohne Zuschläge von 1.824,00 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 22. November 2019 hob der Antragsgegner die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 1. Dezember 2019 ganz auf: Die Antragstellerin zu 1 habe eine Beschäftigung aufgenommen, aus der sie Einkommen erziele. Das Einkommen führe voraussichtlich nicht zum vollständigen Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Daher erfolge eine Aufhebung der bereits bewilligten Leistungen. Die Leistungen würden unter Berücksichtigung des voraussichtlich erzielten Einkommens nahtlos vorläufig weiterbewilligt; hierüber erhalte sie einen gesonderten Bescheid.

Im Anschluss wurden die Antragsteller erneut für die Zeit vom 6. Dezember 2019 bis 31. Januar 2020, vom 1. Februar 2020 bis 18. Februar 2020 und vom 19. Februar 2020 bis 29. Februar 2020 in eine Unterkunft Wohnheim, S Straße , Berlin zu einem Tagessatz in Höhe von 29,17 Euro zugewiesen.

Am 17. Januar 2020 haben die Antragsteller Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II beantragt.

Am 3. Februar 2020 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens für sechs Monate, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von mindestens 90 v. H. zu bewilligen. Sie haben außerdem Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu 1 nebst Belegen beantragt.

Sie haben vorgetragen, es sei zu erwarten, dass ihr Weiterbewilligungsantrag aufgrund mangelnder Hilfebedürftigkeit abgelehnt werde. Trotz ihrer Vollzeitstelle sei das Einkommen nach Abzug der Freibeträge nicht ausreichend. Grund dafür seien insbesondere die Kosten für die Wohnheimunterbringung. Aufgrund der mangelnden Tragung der Unterkunftskosten sei ihre ohnehin prekäre Wohnsituation noch weiter gefährdet, so dass dringend Handlungsbedarf bestehe.

Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, eine Prüfung des Anspruches sei bislang nicht möglich gewesen, da weder die erforderliche Anlage zum Einkommen eingereicht, noch Angaben über die Einkommen der Antragsteller gemacht worden seien. Der Antragstellerin zu 1 sei am 31. Januar 2020 eine Bescheinigung über die Kostenübernahme der Wohnheimkosten bis einschließlich 18. Februar 2020 ausgehändigt worden. Es liege eine Zuweisung in das Wohnheim bis zum 18. Februar 2020 vor. Kosten der Unterkunft würden nach Vorlage der Rechnung und Bestätigung über die tatsächliche Nutzung des Wohnheims an den Wohnheimbetreiber angewiesen. Die Regelbedarfe könnten die Antragsteller aus eigenem Einkommen decken.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2020 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Soweit die Antragsteller laufende Leistungen für Zeiten vor der Entscheidung begehren sollten, mangele es am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Darüber hinaus hätten die Antragsteller aktuell bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Dass sich die Antragsteller angesichts des erzielten Arbeitseinkommens der Antragstellerin zu 1, welches im Eilverfahren vorläufig auch ohne Abzug von Freibeträgen einsetzbar sei, und dem Kindergeld für den Antragsteller zu 2 aktuell in einer eiligen regelungsbedürftigen Notlage befänden, sei weder glaubhaft dargetan noch sonst ersichtlich. Die Kosten der Wohnheimzuweisung würden offenbar nachträglich bei entsprechender Rechnungslegung gewährt, welches den Antragstellern bekannt sein dürfte. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei mangels hinreichender Erfolgsaussichten ebenfalls abzulehnen gewesen.

Gegen den ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 12. Februar 2020 zugestellten Beschluss richtet sich die am 17. Februar 2020 eingelegte Beschwerde der Antragsteller, mit der zugleich Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt worden ist.

Sie tragen vor, sie seien derzeit in einer Wohnheimunterkunft untergebracht. Sich darauf zu verlassen, dass die Ablehnungsentscheidung nach Rechnungslegung wohl monatlich revidiert und dann doch eine Bewilligung - nachträglich - erlassen werde, sei den Antragstellern nicht zumutbar. Auch eine Kostenübernahmeerklärung reiche hierfür nicht aus, da diese keine bindende Verpflichtung des Erklärenden begründe. Es sei nicht zumutbar, die Verwaltungsentscheidung des Antragsgegners abzuwarten, da eine Ablehnung aufgrund mangelnder Hilfebedürftigkeit zu erwarten sei. Die ersten Lohnabrechnungen müssten dafür nicht abgewartet werden. Da der Antrag somit Aussicht auf Erfolg gehabt habe, sei zudem Prozesskostenhilfe zu gewähren gewesen. Sie müssten noch immer nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) untergebracht werden. Sie seien daher akut dem Kostenrisiko der weiteren Unterbringung ausgesetzt. Im schlimmsten Falle drohe der Verlust des Wohnheimplatzes. Sie haben u. a. die Zuweisungsverfügung des Bezirksamtes Treptow-Köpenick von Berlin vom 18. Februar 2020 vorgelegt. Zwischenzeitlich habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. Februar 2020 zwar Leistungen vorläufig von 1.396,38 Euro, jedoch nur für Januar 2020 bewilligt. Es gebe weiterhin keine verbindliche Erklärung des Antragsgegners hinsichtlich der Übernahme zukünftig anfallender Unterkunftskosten. Dies bedeute, dass, soweit nicht das zuständige Bezirksamt als Ordnungsbehörde die Unterbringung anordne und für die Kosten eintrete, ein Beherbergungsvertrag der untergebrachten Personen mit dem Wohnheimbetreiber zustande komme, woraus sich die Pflicht der Antragsteller ergebe, die entsprechenden Kosten zu übernehmen.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2020 aufzuheben und 1. den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens für sechs Monate, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren, 2. den Antragstellern für das Antragsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er meint, das offenbar weiterhin bestehende Beschäftigungsverhältnis der Antragstellerin zu 1 lasse darauf schließen, dass sie und der Antragsteller zu 2 in der Lage seien, ihre Regelbedarfe aus eigenem Einkommen zu decken. Die Wohnheimzuweisung bestehe laufend bis vorerst 29. Februar 2020. Die Wohnheimrechnungen für die Unterbringung würden durchgehend an die entsprechende Einrichtung gezahlt. Eine Wohnheimrechnung für Februar 2020 liege noch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund liegen nicht vor bzw. sind nicht glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht hat deswegen zutreffend auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung des Vorliegens des Anordnungsgrundes (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und des Anordnungsanspruches (der materielle Leistungsanspruch). Ein Anordnungsgrund kann bejaht werden, wenn schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -, NJW 2003, 1236 m. w. N.). Der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen das Vorliegen der insoweit entscheidungserheblichen Tatsachen spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 86b Rdnr. 16b i. V. m. §128 Rdnr.3c). Maßgeblich für das Vorliegen der Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

1. Ein Anordnungsanspruch besteht – vorbehaltlich von Kosten der Unterkunft und Heizung – nicht.

Rechtsgrundlage des von den Antragstellern erhobenen Begehrens ist § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach gilt: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II nicht.

Die Antragsteller erfüllen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören u. a. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den § 7 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 SGB II genannten Personen (also insbesondere der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten), wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28 SGB II, benötigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Die im September 1972 geborene Antragstellerin zu 1 und der im Mai 2005 geborene Antragsteller zu 2, die sich damit in den Grenzen der maßgebenden Lebensjahre befinden, sind erwerbsfähig. Dies zeigt die von der Antragstellerin zu 1 ausgeübte Beschäftigung; Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers zu 2 sind nicht ersichtlich. Die Antragsteller haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Sie sind jedoch – vorbehaltlich von Kosten der Unterkunft und Heizung - nicht hilfebedürftig.

Die Leistungen auf Arbeitslosengeld II umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt: monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nr. 1 SGB II).

Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen 1. in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 SGB II maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder 2. in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 SGB II maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 SGB II maßgebenden Regelbedarfs (§ 21 Abs. 3 SGB II).

Als Regelbedarf stehen der Antragstellerin zu 1 nach Regelbedarfsstufe 1 432 Euro und dem Antragsteller zu 2 nach Regelbedarfsstufe 4 328 Euro zu (§ 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020; BGBl 2019, 1452). Bei der Antragstellerin zu 1 kommt ein Mehrbedarf für Alleinerziehende von 51,84 Euro (12 v. H. aus 432 Euro) hinzu. Daraus folgt ein Bedarf für die Antragstellerin zu 1 von 483,84 Euro und für den Antragsteller zu 2 unter Berücksichtigung des Kindergeldes von 204 Euro, denn das Kindergeld wird zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt, von 124,00 Euro.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe dieser Bedarfe erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II).

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Danach ist (neben dem Kindergeld) noch das von der Antragstellerin zu 1 erzielte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

Als monatliches Arbeitsentgelt legt der Senat hierbei das nach der Abrechnung für Januar 2020 erhöhte Bruttoarbeitsentgelt ohne Zuschläge von 1.824,00 Euro und ein Nettoarbeitsentgelt von 1.578,68 Euro zugrunde.

Der Senat hält es vorliegend nicht für geboten, die Regelung des § 41a Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II entsprechend bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens anzuwenden.

Nach dieser Vorschrift gilt: Die vorläufige Leistung ist so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; dabei kann der Absetzbetrag nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten und prognostizierten Verhältnisse zugrunde zu legen.

Diese Vorschrift stellt die Nichtberücksichtigung dieses Absetzbetrages und seiner Höhe in das Ermessen des Leistungsträgers. Der Senat lässt offen, bei welchen Sachverhalten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf diese Vorschrift zurückgegriffen werden kann. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein gleichbleibendes monatliches Arbeitsentgelt gezahlt wird, besteht kein Bedürfnis nach entsprechender Anwendung dieser Regelung.

Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 SGB II (also zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen bzw. mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben) ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen.

§ 11b Abs. 3 SGB II regelt: Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent. Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro.

Ausgehend davon ergibt sich ein anrechenbares Einkommen von 1.248,68 Euro (1.578,68 Euro Nettoarbeitsentgelt abzüglich Grundfreibetrag von 100 Euro und abzüglich Erwerbstätigenfreibetrag von 230 Euro, ausgehend von einem Bruttoarbeitsentgelt ohne Zuschläge von 1.824,00 Euro).

Mit diesem Einkommen von 1.248,68 Euro können die o. g. Bedarfe der Antragsteller von insgesamt 607,84 Euro (483,84 Euro + 124,00 Euro) gedeckt werden.

Es verbleiben danach 640,84 Euro (1.248,68 Euro – 607,84 Euro).

2. Hinsichtlich von Kosten der Unterkunft und Heizung mangelt es jedenfalls an einem Anordnungsgrund.

Für die Zeit vor der Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Dies ergibt sich daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich. Sie kann jedoch nur ausnahmsweise zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Dies setzt voraus, dass ein besonderer Nachholbedarf besteht, dass also die Nichtgewährung der begehrten Leistung in der Vergangenheit noch in die Zukunft fortwirkt und daher eine weiterhin gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigte Notlage begründet.

Ein solcher besonderer Nachholbedarf ist weder dargetan noch ersichtlich.

Mit dem verbleibenden Einkommen von 640,84 Euro können zwar nicht die für das Wohnheim S Straße in B anfallenden Kosten von 29,17 Euro täglich / Person, also von ca. 1.750,20 Euro (zu 30 Tagen monatlich) gedeckt werden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Antragsteller einer Forderung des Wohnheimbetreibers in dieser Höhe ausgesetzt wären und wegen nachträglicher Zahlung obdachlos würden.

Der Aufenthalt der Antragsteller im Wohnheim S Straße beruhte und beruht auf einer Zuweisungsverfügung des Bezirksamtes Treptow-Köpenick von Berlin als Ordnungsbehörde, wie insbesondere der vorgelegten Zuweisungsverfügung vom 18. Februar 2020 für die Zeit vom 19. Februar 2020 bis 29. Februar 2020 zu entnehmen ist. Dies schließt es aus, dass zwischen den Antragstellern und dem Betreiber dieses Wohnheimes ein Beherbergungsvertrag zustande kommt.

Nach § 13 Abs. 1 ASOG gilt: Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen diese Person zu richten. Nach § 64 Abs. 1 ASOG kann die nach § 63 ausgleichspflichtige Körperschaft von u. a. dem nach § 13 ASOG Verantwortlichen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, wenn sie aufgrund des § 59 Abs. 1 oder Abs. 3 ASOG einen Ausgleich gewährt hat. Diese Vorschrift bestimmt: Erleidet jemand 1. infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 16 ASOG, 2. als unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei, 3. bei der Erfüllung einer ihm nach § 323c des Strafgesetzbuches obliegenden Verpflichtung zur Hilfeleistung einen Schaden, ist ihm ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Der Ausgleich ist auch Personen zu gewähren, die mit Zustimmung der Ordnungsbehörden oder der Polizei bei der Wahrnehmung von Aufgaben dieser Behörden freiwillig mitgewirkt oder Sachen zur Verfügung gestellt und dadurch einen Schaden erlitten haben.

Wie der Zuweisungsverfügung vom 18. Februar 2020 zu entnehmen ist, entstehen der Ordnungsbehörde durch die Zuweisung die o. g. Kosten, entweder auf der Grundlage des § 59 Abs. 1 ASOG oder des § 59 Abs. 3 ASOG. Dementsprechend sind, wie in dieser Zuweisungsverfügung auch ausgeführt, die Antragsteller zur Zahlung gegenüber der ausgleichspflichtigen Körperschaft verpflichtet. Soweit die Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner im Rahmen ihrer Hilfebedürftigkeit Anspruch auf entsprechende Leistungen für Unterkunft und Heizung haben, ist dieser Anspruch im Wege der Freistellung von einer Verbindlichkeit vom Antragsgegner zu erfüllen. Der Antragsgegner erfüllt diesen Anspruch auch, wie der von den Antragstellern vorgelegte Bescheid vom 11. Februar 2020 für den Monat Januar 2020 belegt. Er hat ihn wohl auch in der Vergangenheit erfüllt, denn von den Antragstellern wird insoweit nichts Gegenteiliges vorgetragen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich an der gegenwärtigen Situation etwas ändern könnte. Die Zuweisung hat zwar lediglich Überbrückungscharakter, so dass die Antragsteller verpflichtet sind, alles zu tun, um ihre Obdachlosigkeit zu beseitigen (so auch die Begründung im Bescheid des Bezirksamtes Treptow-Köpenick von Berlin vom 18. Februar 2020). Soweit eine Beseitigung der Obdachlosigkeit von ihnen jedoch nicht erreicht werden kann, weil sie aus welchen Gründen auch immer eine Unterkunft nicht anmieten können, besteht weiterhin im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens (§ 12 ASOG) eine Verpflichtung der zuständigen Ordnungsbehörde, eine Obdachlosigkeit der Antragsteller im Rahmen ihrer Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ASOG), durch (eine) weitere Zuweisungen in eine Unterkunft zu verhindern. Es wird von den Antragstellern nicht vorgetragen, dass sie zwischenzeitlich eine Unterkunft angemietet hätten. Bei dieser Sachlage ist ebenfalls nicht zu erwarten, dass die Antragsteller deswegen obdachlos würden, weil der Antragsgegner Leistungen für Unterkunft und Heizung erst nachträglich erbringt.

Die Beschwerde hat daher, soweit der Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, keinen Erfolg.

Mithin muss auch die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren erfolglos bleiben.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.

Es fehlt danach an der hinreichenden Erfolgsaussicht.

3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kommt unabhängig von diesem Ergebnis auch deswegen nicht in Betracht, weil es an der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mangelt.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (§ 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dem nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe, der nach § 117 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ZPO bei dem Prozessgericht zu stellen ist, sind nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Damit soll zum einen insbesondere sichergestellt werden, dass sich der Antragsteller umfassend erklärt. Zum anderen wird frühestens ab Eingang des insoweit vollständigen Antrages das Gericht überhaupt erst in die Lage versetzt, die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe zu prüfen. Letzteres bedeutet, dass Prozesskostenhilfe frühestens ab dem Zeitpunkt bewilligt werden kann, zu dem neben dem Antrag die diesem Antrag beizufügende Erklärung des Antragstellers nebst entsprechender Belege bei Gericht eingereicht wird, denn frühestens ab diesem Zeitpunkt liegt Bewilligungsreife vor.

Entbehrlich ist eine gesonderte Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur, wenn der Antragsteller auf eine bereits früher vorgelegte Erklärung Bezug nimmt und dabei unmissverständlich mitteilt, dass seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seitdem unverändert geblieben sind (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – IX ZA 17/10, Rdnr. 5, m. w. N.). Da es sich bei der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse um eine persönliche Erklärung handelt, die deswegen nicht durch einen Bevollmächtigten abgegeben werden kann, gilt für die genannte Mitteilung, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert haben, mithin nichts anderes. Auch diese Mitteilung muss durch den Antragsteller erfolgen (Bundesfinanzhof – BFH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – III S 32/07 PKH, Rdnr. 6, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 214/10, Rdnr. 6, zitiert nach juris, Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 3 ZO 647/14, Rdnr. 8, zitiert nach juris).

Vorliegend hat lediglich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller auf die im Verfahren erster Instanz vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu 1 (vom 29. Januar 2020) Bezug genommen. Eine Erklärung, dass die dort angegebenen Verhältnisse unverändert fortbestehen, hat die Antragstellerin zu 1 nicht abgegeben.

Fehlt die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (Vordruck), ist allein deswegen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. auch Bundessozialgericht - BSG , Beschluss vom 17. August 2007 B 1 KR 6/07 BH, m. w. N.; BSG, Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 2 U 131/07 B, jeweils zitiert nach juris), denn dem Gericht ist es in einem solchen Fall bereits dem Grunde nach unmöglich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abschließend zu beurteilen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und auf § 127 Abs. 4 ZPO und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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