S 9 (3) AL 17/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 9 (3) AL 17/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 160/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Abzweigung von der Arbeitslosenhilfe des Klägers zugunsten des Beigeladenen streitig.

Der am 22.02.1953 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 1997 laufend Arbeitsloshilfe, zuletzt ab 1.07.2001 in Höhe von 20,12 EUR (39,36 DM) täglich.

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 24.6 1999 Az.: 7 F 236/98 ist der Kläger rechtskräftig verurteilt, seinem Sohn Q ab Januar 1999 monatlichen Unterhalt in Höhe von 377,00 DM (192,76 EUR) zu zahlen. Dabei ging das Amtsgericht Gütersloh in seinem Urteil davon aus, dass der Kläger nach familienrechtlichen Vorschriften seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Es geht daher in seinem Urteil trotzt des laufenden Arbeitslosenhilfebezuges von einem fiktivem Erwerbseinkommen aus, das über dem Arbeitslosenhilfebezug des Klägers liegt.

Am 13.08.2001 teilte die geschiedene Ehefrau des Klägers der Beklagten mit, dass der Kläger seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für seinen Sohn Q nicht nachkomme. Es werde daher um Abzweigung des titulierten Betrages aus dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh von der laufenden Arbeitslosenhilfe gebeten.

Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger zu der beabsichtigten Abzweigung mit Schreiben vom 15.08.2001 an und zweigte mit Bescheid vom 7.9.2001 mit Wirkung zum 1.9.2001 von der Arbeitslosenhilfe des Klägers einen Betrag in Höhe von 6,35 EUR (12,42 DM) täglich ab.

Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein und reichte eine Bescheinigung des Sozialamtes der Stadt Bielefeld über seinen monatlichen Sozialhilfebedarf in Höhe von 358,54 EUR monatlich zu den Akten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Der Kläger sei seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn Q nicht in der titulierten Höhe nachgekommen. Die Arbeitslosenhilfe könne daher in angemessener Höhe gemäß § 48 Abs. 1 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit an den Unterhaltsberechtigten ausgezahlt werden. Dabei sei grundsätzlich bei Vorliegen eines Titels von der titulierten Summe auszugehen, sofern seit der Titulierung keine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eingetreten sei. Dies sei hier nicht der Fall, da der Unterhalt zu einer Zeit tituliert worden sei, als der Kläger bereits Arbeitslosenhilfe in gleicher Höhe bezogen habe. Der Kläger werde auch durch die Abzweigung nicht sozialhilfebedürftig.

Mit der am 18.01.2002 eingelegten Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Arbeitslosengeldes in vollem Umfang weiter.

Er ist der Ansicht, dass die Abzweigung in Höhe von 6,35 EUR täglich unangemessen sei, da dieses unter der Pfändungsgrenze liege. Zumindest habe er einen Anspruch darauf, dass ihm als notwendiger Eigenbedarf nach den Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgericht Hamm vom 1.7.2001 monatlich 730,- EUR netto verblieben. Die Beklagte dürfe auch das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh nicht berücksichtigen, da dieses falsch sei. Er habe daher Anspruch auf Auszahlung seiner ungekürzten Arbeitslosenhilfe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an ihn Arbeitslosenhilfe ab 01.09.2001 nach den gesetzlichen Bestimmungen ohne Abzweigung zu zahlen und ihm den einbehaltenen Betrag auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Vers.-Nr.: 316152) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 7.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2002 beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des SGG, da dieser rechtmäßig ist. Denn die Beklagte hat zu Recht von der laufenden Arbeitslosenhilfe des Klägers einen Betrag in Höhe von täglich 6,35 EUR an den Beigeladenen abgezweigt. Dies folgt aus § 48 Abs. 1 S. 1 des ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I).

Nach dieser Vorschrift können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommt. Die Auszahlung kann auch an die Person oder die Stelle erfolgen, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt. Dies ist hier der Fall.

Der Kläger ist aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Gütersloh vom 24.6 1999 Az.: 7 F 236/98 seinem Sohn Q gegenüber verpflichtet Unterhalt in Höhe von monatlich 192,76 EUR (377,00 DM) zu zahlen. Dieser Verpflichtung kommt der Kläger unstreitig nicht nach. Die Arbeitslosenhilfe ist auch eine Leistung, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt ist.

Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB I vor, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, ob und in welcher Höhe Geldleistungen des Leistungsberechtigten an den Ehegatten oder die Kinder, oder an die Stelle, die den Kindern Unterhalt gewährt, aus dem laufenden Leistungsbezug ausbezahlt werden. Entscheidet sich die Beklagte wie im vorliegenden Fall für die Abzweigung, bestimmt sie grundsätzlich auch, welcher "angemessene" Betrag ausgezahlt wird. Auch hier steht der Beklagten ein Ermessensspielraum zu, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Dabei handelt es sich bei dem Begriff "angemessen" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der ebenfalls gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar ist, ob die Verwaltung den ihr zustehenden Spielraum bei der Begrenzung und Auslegung des Begriffes eingehalten hat. Die Verwaltung muss dabei in ihren Ermessenserwägungen eine nachvollziehbare unterste "Opfergrenze" für die Abzweigung darlegen.

Diesen, einer gerichtlichen Überprüfung zugänglichen Anforderungen, wird die Entscheidung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 11.07.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1.08.2002 und der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2002 gerecht. Ermessensfehler liegen hier weder bei der Prüfung, ob die Beklagte abzweigt, noch bezüglich der Höhe der Abzweigung vor. Insbesondere ist es nach Auffassung der Kammer von der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie bei Vorliegen eines familienrechtlichen Unterhaltstitels grundsätzlich die Abzweigung in Höhe des titulierten Betrages vornimmt und hiervon nur abweicht, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten seit Vorliegen des Titels wesentlich verschlechtert hat. Denn Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 SGB 1 ist es, dem Unterhaltsberechtigten durch sofortige Feststellung der Leistung eine schnelle "Soforthilfe" zukommen zu lassen. Dieses ist aber nicht möglich, wenn die Beklagte erst in jedem Einzelfall die familienrechtlichen Bestimmungen prüfen muss, obwohl bei gleicher Vermögenslage bereits ein familienrechtlicher Titel vorliegt. Denn entgegen der Ansicht des Klägers reichen die pauschalierten Beträge der jeweils zuständigen OLG´s allein nicht aus. Vielmehr sind auch die hierzu weiteren familierechtlichen Vorschriften, wie etwa fiktiver Unterhalt bei Verletzung der Erwerbsobliegenheit oder die zu den jeweiligen Unterhaltstabellen ergangenen Leitlinien zu berücksichtigen. Es ist aber nicht Aufgabe der Beklagten ein rechtskräftiges familienrechtliches Urteil auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Denn dem Kläger stehen gegen einen familienrechtlichen Unterhaltstitel ausreichend eigene Rechts- mittel, wie Berufung oder Abänderungsklage zu. Daher ist es ausreichend, wenn die Beklagte bei Ausübung ihres Ermessen als Opfergrenze für einen angemessenen Betrag, den Sozialhilfesatz annimmt. Dies hat die Beklagte hier berücksichtigt. Dem Kläger verbleiben nach der Abzweigung täglich 15,31 EUR. Sein Sozialhilfebedarf liegt unter Berücksichtigung des Regelsatzes und des Kleiderzuschusses bei täglich 11,94 EUR laut der Bescheinigung der Stadt Bielefeld vom 12.12.2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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