Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 724/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 445/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Oktober 2017 (Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung) wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Oktober 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig eine Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten sowie einem Vaporizer zur Inhalation zu gewähren,
ist in der Sache nicht begründet.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der vorliegend allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG und insoweit insbesondere des Vorliegens und der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch im Beschwerdeverfahren nicht gegeben. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gem. § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Gem. § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V bedarf die Leistung bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Die weiteren Regelungen nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB V sind vorliegend nicht einschlägig, da keine Verordnung im Rahmen der Versorgung nach § 37b SGB V (ambulante Palliativversorgung) streitig ist.
Vorliegend ist nicht glaubhaft gemacht, dass diese Voraussetzungen zugunsten des Antragstellers erfüllt sind.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 31 Abs. 6 SGB V ist zunächst das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sog. "off-label-use" ist von einer schwerwiegenden Erkrankung dann auszugehen, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R –, juris Rn. 24). In diesem Sinne besteht bei dem Antragsteller eine schwerwiegende Erkrankung. Die bei dem Antragsteller seit 2008 vorliegende Erkrankung Cluster Kopfschmerzen ist schwerwiegend. Nach dem ärztlichen Attest von Dr. med. C. vom 6. November 2017 treten beim Kläger täglich stundenlange schwerste Schmerzattacken auf. Die Schwere der Erkrankung wird bestätigt durch den Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Frankfurt vom 21. Dezember 2017, mit dem wegen Cluster-Kopfschmerz ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt wurde.
Fraglich und letztlich nicht glaubhaft gemacht ist allerdings die weitere Voraussetzung des § 31 Abs. 6 Nr. 1 SGB V, dass zur Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, sowie des weiteren, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Zwar hat die behandelnde Vertragsärztin Frau Dr. med. C. dies dem Antragsteller mehrfach attestiert und eine Verordnung vom 27. Juli 2017 über die Cannabisblüten der Sorten Pedanios/Princeton mit dem Wirkstoff TBD/THC mit einer Tagesdosis 3gr. bzw. Monatsdosis 90 gr. ausgestellt und Frau Dr. med. C. führt in ihrem ärztlichen Attest vom 28. Juni 2017 u.a. aus, bei einem medizinischen Selbstversuch sei Cannabis das einzige Medikament gewesen, welches ihm bei seinem Leiden geholfen habe. Demgegenüber trägt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vor, er habe sich trotz der ihm erteilten Ausnahmegenehmigung des BfArM aus finanziellen Gründen Cannabis nicht besorgen können. Auch blieb die Anfrage des Senats bei Frau Dr. med. C. vom 15. Januar 2018 u.a. zur Frage der durchgeführten Behandlungen unbeantwortet. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, welche anderen Behandlungsversuche mit Ausnahme von Sauerstoffgaben mit welchen Ergebnis durchgeführt wurden, insbesondere, welche Behandlung des Antragstellers orientiert an der Richtlinie "Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen" stattgefunden hat.
Zudem fehlt es für einen Therapieversuch mit Cannaboiden bei Cluster-Kopfschmerzen an einer ausreichenden Datenlage. Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Diese gesetzliche Formulierung ist weit gefasst und verlangt keinen Wirksamkeitsnachweis nach den Maßstäben evidenzbasierter Medizin. Vielmehr genügen schon (Wirksam-keits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. etwa BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 4/13 R –, juris Rn. 17 f.). Für die Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen, hat die Rechtsprechung dabei Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise" aufgestellt. Andererseits genügen das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 7. November 2006, - B 1 KR 24/06 R -, juris Rn. 22 ff.). Vielmehr ist die entsprechende ärztliche Prognose, auf Indizien gestützt, zu begründen (BVerfGE 115, 25 ff., juris Rn. 66; eingehend BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 48/09, juris Rn. 23 ff.). Erforderlich ist insoweit eine gewisse Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass bei dem konkreten Krankheitsbild durch den Einsatz von Cannaboiden ein therapeutischer Erfolg zu erwarten ist.
Für die symptomatische Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen fehlt es nach derzeitigem Ermittlungsstand an in dem dargelegten Sinne ausreichenden Indizien, dass durch den Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten ein therapeutischer Erfolg zumindest möglich erscheint. Als Beurteilungsgrundlage kommen insoweit – wenn höherwertige Studien fehlen – auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen in Betracht (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R –, juris Rn. 40). Der Arzt/Apotheker des MDK Dr. D. legt in seinem Gutachten vom 7. Juli 2017 dar, dass die klinische Evidenz bei Cannabioiden bereits in der Kopfschmerzbehandlung gering sei. Selbst eine Mindestevidenz im Sinne einer vergleichenden Untersuchung mit kleiner Fallzahl werde noch nicht erreicht. Bei Cluster-Kopfschmerz sei die Datenlage noch schlechter als bei Migräne. Dieser Beurteilung legte Dr. D. drei Veröffentlichungen aus den Jahren 2016, 2015 und 2013 zugrunde. Die Veröffentlichungen von 2016 und 2015 betrafen Migränepatienten und die Wirkung von Marihuana auf diese Erkrankung. Lediglich im Jahr 2013 wurde eine Befragung von 139 Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen durchgeführt. Die Veröffentlichung kam zu dem Ergebnis, dass Cannabis für diesen Patientenkreis nicht empfohlen werden kann, bevor eine kontrollierte Studie therapeutische Effekte gezeigt habe. Dr. D. führt darauf basierend nachvollziehbar aus, Cannabis könne derzeit beim Cluster-Kopfschmerz nicht befürwortet werden.
Der Senat hat keine Bedenken, seiner Entscheidung die Ausführungen von Dr. D. zugrunde zu legen. Die Gutachter des MDK sind wie alle Ärzte bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und nicht an Weisungen gebunden (§ 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V); ihre Gutachten sind grundsätzlich gerichtsverwertbar (BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 – B 1 KR 84/04 B –, juris). Anhaltspunkte für eine mangelnde Objektivität oder gar Parteilichkeit von Dr. D. zugunsten der Antragsgegnerin ergeben sich aus seinen Ausführungen nicht.
Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass sich aus § 31 Abs. 6 S. 2 SGB V eine Therapiehoheit des behandelnden Arztes ergebe, von der die Krankenkassen nur in begründeten Fällen abweichen dürften, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Die Antragsgegnerin kann sich für ihre abweichende Entscheidung auf einen solchen Ausnahmefall berufen, da die Ausführungen der behandelnden Ärztin weder die Alternativlosigkeit der Behandlung mit Cannaboiden ausreichend begründen noch die Darlegungen des MDK zur fehlenden hinreichenden Evidenz von Cannaboiden bei Cluster-Kopfschmerz in Zweifel ziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Oktober 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig eine Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten sowie einem Vaporizer zur Inhalation zu gewähren,
ist in der Sache nicht begründet.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der vorliegend allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG und insoweit insbesondere des Vorliegens und der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch im Beschwerdeverfahren nicht gegeben. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gem. § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Gem. § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V bedarf die Leistung bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Die weiteren Regelungen nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB V sind vorliegend nicht einschlägig, da keine Verordnung im Rahmen der Versorgung nach § 37b SGB V (ambulante Palliativversorgung) streitig ist.
Vorliegend ist nicht glaubhaft gemacht, dass diese Voraussetzungen zugunsten des Antragstellers erfüllt sind.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 31 Abs. 6 SGB V ist zunächst das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sog. "off-label-use" ist von einer schwerwiegenden Erkrankung dann auszugehen, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R –, juris Rn. 24). In diesem Sinne besteht bei dem Antragsteller eine schwerwiegende Erkrankung. Die bei dem Antragsteller seit 2008 vorliegende Erkrankung Cluster Kopfschmerzen ist schwerwiegend. Nach dem ärztlichen Attest von Dr. med. C. vom 6. November 2017 treten beim Kläger täglich stundenlange schwerste Schmerzattacken auf. Die Schwere der Erkrankung wird bestätigt durch den Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Frankfurt vom 21. Dezember 2017, mit dem wegen Cluster-Kopfschmerz ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt wurde.
Fraglich und letztlich nicht glaubhaft gemacht ist allerdings die weitere Voraussetzung des § 31 Abs. 6 Nr. 1 SGB V, dass zur Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, sowie des weiteren, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Zwar hat die behandelnde Vertragsärztin Frau Dr. med. C. dies dem Antragsteller mehrfach attestiert und eine Verordnung vom 27. Juli 2017 über die Cannabisblüten der Sorten Pedanios/Princeton mit dem Wirkstoff TBD/THC mit einer Tagesdosis 3gr. bzw. Monatsdosis 90 gr. ausgestellt und Frau Dr. med. C. führt in ihrem ärztlichen Attest vom 28. Juni 2017 u.a. aus, bei einem medizinischen Selbstversuch sei Cannabis das einzige Medikament gewesen, welches ihm bei seinem Leiden geholfen habe. Demgegenüber trägt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vor, er habe sich trotz der ihm erteilten Ausnahmegenehmigung des BfArM aus finanziellen Gründen Cannabis nicht besorgen können. Auch blieb die Anfrage des Senats bei Frau Dr. med. C. vom 15. Januar 2018 u.a. zur Frage der durchgeführten Behandlungen unbeantwortet. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, welche anderen Behandlungsversuche mit Ausnahme von Sauerstoffgaben mit welchen Ergebnis durchgeführt wurden, insbesondere, welche Behandlung des Antragstellers orientiert an der Richtlinie "Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen" stattgefunden hat.
Zudem fehlt es für einen Therapieversuch mit Cannaboiden bei Cluster-Kopfschmerzen an einer ausreichenden Datenlage. Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Diese gesetzliche Formulierung ist weit gefasst und verlangt keinen Wirksamkeitsnachweis nach den Maßstäben evidenzbasierter Medizin. Vielmehr genügen schon (Wirksam-keits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. etwa BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 4/13 R –, juris Rn. 17 f.). Für die Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen, hat die Rechtsprechung dabei Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise" aufgestellt. Andererseits genügen das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 7. November 2006, - B 1 KR 24/06 R -, juris Rn. 22 ff.). Vielmehr ist die entsprechende ärztliche Prognose, auf Indizien gestützt, zu begründen (BVerfGE 115, 25 ff., juris Rn. 66; eingehend BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 48/09, juris Rn. 23 ff.). Erforderlich ist insoweit eine gewisse Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass bei dem konkreten Krankheitsbild durch den Einsatz von Cannaboiden ein therapeutischer Erfolg zu erwarten ist.
Für die symptomatische Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen fehlt es nach derzeitigem Ermittlungsstand an in dem dargelegten Sinne ausreichenden Indizien, dass durch den Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten ein therapeutischer Erfolg zumindest möglich erscheint. Als Beurteilungsgrundlage kommen insoweit – wenn höherwertige Studien fehlen – auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen in Betracht (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R –, juris Rn. 40). Der Arzt/Apotheker des MDK Dr. D. legt in seinem Gutachten vom 7. Juli 2017 dar, dass die klinische Evidenz bei Cannabioiden bereits in der Kopfschmerzbehandlung gering sei. Selbst eine Mindestevidenz im Sinne einer vergleichenden Untersuchung mit kleiner Fallzahl werde noch nicht erreicht. Bei Cluster-Kopfschmerz sei die Datenlage noch schlechter als bei Migräne. Dieser Beurteilung legte Dr. D. drei Veröffentlichungen aus den Jahren 2016, 2015 und 2013 zugrunde. Die Veröffentlichungen von 2016 und 2015 betrafen Migränepatienten und die Wirkung von Marihuana auf diese Erkrankung. Lediglich im Jahr 2013 wurde eine Befragung von 139 Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen durchgeführt. Die Veröffentlichung kam zu dem Ergebnis, dass Cannabis für diesen Patientenkreis nicht empfohlen werden kann, bevor eine kontrollierte Studie therapeutische Effekte gezeigt habe. Dr. D. führt darauf basierend nachvollziehbar aus, Cannabis könne derzeit beim Cluster-Kopfschmerz nicht befürwortet werden.
Der Senat hat keine Bedenken, seiner Entscheidung die Ausführungen von Dr. D. zugrunde zu legen. Die Gutachter des MDK sind wie alle Ärzte bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und nicht an Weisungen gebunden (§ 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V); ihre Gutachten sind grundsätzlich gerichtsverwertbar (BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 – B 1 KR 84/04 B –, juris). Anhaltspunkte für eine mangelnde Objektivität oder gar Parteilichkeit von Dr. D. zugunsten der Antragsgegnerin ergeben sich aus seinen Ausführungen nicht.
Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass sich aus § 31 Abs. 6 S. 2 SGB V eine Therapiehoheit des behandelnden Arztes ergebe, von der die Krankenkassen nur in begründeten Fällen abweichen dürften, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Die Antragsgegnerin kann sich für ihre abweichende Entscheidung auf einen solchen Ausnahmefall berufen, da die Ausführungen der behandelnden Ärztin weder die Alternativlosigkeit der Behandlung mit Cannaboiden ausreichend begründen noch die Darlegungen des MDK zur fehlenden hinreichenden Evidenz von Cannaboiden bei Cluster-Kopfschmerz in Zweifel ziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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