L 2 R 21/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 23 R 119/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 21/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 243/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die 1957 geborene Klägerin hat von September 1975 bis August 1977 eine Ausbildung zur Porzellanmalerin in der ehemaligen DDR absolviert. Es schlossen sich verschiedene Tätigkeiten an, zuletzt versicherungspflichtig von 2006-2009 eine Tätigkeit als Kassiererin in einem Drogeriemarkt. Von 2010 bis September 2014 übte die Klägerin eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung an der Rezeption eines Hotels aus. Im Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis zum 30. April 2017 bezog sie Arbeitslosengeld II.

Ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 8. März 2018 hat die Klägerin erstmals ab 1. September 1975 Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung zurückgelegt. Weitere Pflichtbeitragszeiten sind dem Versicherungsverlauf u.a. vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2009 zu entnehmen. Im Zeitraum vom 1. November 2009 bis 30. September 2014 sind im Versicherungsverlauf lediglich Zeiten einer geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung, im Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis zum 30. April 2017 Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II gespeichert.

Zur Begründung ihres am 11. August 2010 bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen gestellten Rentenantrags trug die Klägerin vor, sich wegen Depressionen, Diabetes, hohen Blutdrucks, Cholesterin, einer beginnenden Arthrose in den Beinen und Füßen, eines Hohlkreuzes und einer Konzentrationsschwäche für erwerbsgemindert zu halten.

Nach Beiziehung eines Befundberichts der Fachärztin für Allgemeinmedizin C. vom 2. Dezember 2010 veranlasste die DRV Hessen die sozialmedizinische Begutachtung der Klägerin. Der beratende Arzt D. - Facharzt für Innere Medizin - gelangte in seinem Gutachten vom 24. Februar 2011 aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 16. Dezember 2010 unter Zugrundelegung der Diagnosen

1. Bluthochdruck,
2. Übergewicht,
3. Neurasthenie,
4. belastungsabhängige Lumbalgien, derzeit erscheinungsfrei,

zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Kassiererin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschichtrhythmus, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung und ohne die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) verrichten könne.

Mit Bescheid vom 14. März 2011 lehnte die DRV Hessen den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin sich nicht nur gegen die Ablehnung der begehrten Rente wendete, sondern auch geltend machte, dass spanische Versicherungszeiten nicht berücksichtigt worden seien, hatte insoweit Erfolg, als die DRV Hessen den Bescheid vom 14. März 2011 am 17. Mai 2011 zurücknahm, da dieser von ihr als unzuständigem Versicherungsträger erteilt worden sei. Sie gab die Sache an den zuständigen Versicherungsträger, die Beklagte, ab.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ebenfalls ab, da die Klägerin nach der medizinischen Beurteilung mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da ihr sämtliche leidensgerechten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar seien.

Der hiergegen am 12. Juli 2011 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der am 27. Februar 2012 bei dem Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hielt sich aufgrund der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen nur noch in der Lage, Arbeiten von wesentlich unter sechs Stunden Dauer täglich verrichten zu können.

Das Sozialgericht zog zunächst Befundberichte bei von Dr. med. E. - Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie - vom 30. April 2012, bei der sich die Klägerin zweimal in Behandlung befand, der Dres. med. F., G., H., I. - Ärzte für Orthopädie, Chirurgie, Chirotherapie, Sportmedizin, Osteologie - vom 30. April 2012 sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin C., eingegangen am 11. Juli 2012, mit Krankenunterlagen. Des Weiteren übersandte die Klägerin eine Stellungnahme der Dipl.-Psych. J. vom 22. April 2013, bei der sie sich seit März 2013 in Behandlung befand.

Das Sozialgericht beauftragte von Amts wegen Dr. med. K. - Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - als Hauptgutachter und Dr. med. L. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie – als Zusatzgutachter mit der Erstellung von medizinischen Sachverständigengutachten.

In seinem fachorthopädisch-sozialmedizinischen Zusatzgutachten vom 17. Oktober 2013 kam Dr. med. L. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 17. September 2013 unter Zugrundelegung der Diagnose einer

beginnenden degenerativen Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit entgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik

zu der Einschätzung, dass die Klägerin in der Lage sei, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen (keine Zwangshaltungen wie ständiges Bücken oder Knien, ohne Tragen und Heben von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel, nur gelegentliche Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Arbeiten im ständigen Gehen und Stehen oder mit ständigem Treppensteigen, ohne permanente Arbeiten im Freien oder unter ständiger Exposition von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen, ohne Nachtschicht) zu verrichten. Betriebsunübliche Pausen seien nicht notwendig. Das Leistungsvermögen bestehe seit der Rentenantragstellung im August 2010. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine Fußstrecke von 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Das Benutzen von öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln zweimal täglich zur Hauptverkehrszeit sei ihr zumutbar.

Der Sachverständige Dr. med. K. gelangte unter Einbeziehung des Zusatzgutachtens des Dr. med. L. in seinem neurologisch-psychiatrischen Hauptgutachten vom 23. Oktober 2013 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 17. September 2013 unter Zugrundelegung der Diagnosen

1. anamnestisch depressive Verstimmungen reaktiver Genese im Sinne von Anpassungsstörungen bei belastender sozialer Situation, aktuell remittiert,
2. blande Polyneuropathie, gegebenenfalls diabetesbedingt, keine manifesten sensomotorischen Ausfälle,
3. arterielle Hypertonie, medikamentös therapiert,
4. Fettstoffwechselstörung, medikamentös therapiert,
5. Diabetes mellitus Typ II, medikamentös therapiert,
6. beginnende degenerative Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik,

zu der Einschätzung, dass die Klägerin zumutbar leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich mit Einschränkungen (keine Tätigkeiten mit vermehrter psychischer Belastung im Sinne von vermehrter emotionaler Belastung oder erhöhtem Konfliktpotenzial) verrichten könne. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen und Pausen seien nicht erforderlich. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich Fußstrecken von mehr als 500 Metern in jeweils unter 20 Minuten Gehzeit zurückzulegen und von ihrer Wohnung aus öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es bestünden keine derartigen Erkrankungen, die die Wegstrecke sozialmedizinisch relevant einschränken würden, wie beispielsweise eine schwere arterielle Verschlusskrankheit. Das Leistungsvermögen liege seit der Rentenantragstellung im Oktober 2010 vor.

Mit Bescheid vom 17. April 2015 lehnte die Beklagte den weiteren Antrag der Klägerin auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom 19. Februar 2015 unter Verweis auf das anhängige Klageverfahren ab.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab. Unter Bezugnahme auf die eingeholten Sachverständigengutachten führt es aus, dass die Klägerin weder voll nach teilweise erwerbsgemindert sei. Auch sei die Klägerin nicht berufsunfähig, da sie auf alle leidensgerechten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisbar sei.

Gegen den ihr am 21. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Januar 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beschwerden sei sie nicht in der Lage, regelmäßig Arbeiten von mehr als drei Stunden täglich zu erbringen. Aus diesem Grund habe sie auch ihren Job als Rezeptionistin in einem Hotel aufgegeben. Insbesondere ihre psychische Erkrankung sei nicht richtig berücksichtigt worden. Zudem bestünden aufgrund einer Krebserkrankung ihres Ehemannes seit April 2016 weitere Belastungen.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2012 sowie den Bescheid vom 17. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zunächst einen Befundbericht bei Dr. med. M. - Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - vom 19. September 2016 beigezogen. Bei ihm hat sich die Klägerin seit 16. Februar 2016 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung bei dysthymer Primärpersönlichkeit in Behandlung befunden. Des Weiteren hat die Klägerin einen Befundbericht des Orthopäden Dr. med. N. vom 7. September 2016 zur Akte gereicht.

Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Dr. med. O. - Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - von Amts wegen eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ist der Sachverständige in seinem Gutachten vom 15. Februar 2017 unter Zugrundelegung der Diagnosen

- Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion,
- chronische Lumbago ohne Wurzelreiz- oder -ausfallsymptome,
- Adipositas,

zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Heben und Tragen schwerer Gegenstände, ohne Zwangshaltungen, ohne erhöhte psychische Belastungen und ohne Schicht- oder Nachtarbeit) ausüben zu könne. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Die Klägerin sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt, Fußwegstrecken von mehr als 500 Metern viermal täglich zurückzulegen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit August 2010. Eine Zusatzbegutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet sei nicht erforderlich.

Die Klägerin hat ihre psychische Erkrankung durch das Gutachten des Dr. med. O. nicht korrekt bewertet gesehen und hat weitere medizinische Unterlagen vorgelegt. Ausweislich der Bescheinigung des Dr. med. N. vom 11. April 2017 leidet die Klägerin insbesondere an einem degenerativen SIG-Syndrom mit Spondylolisthesis. Aus diesem Grund könne sie längere Gehstrecke schmerzbedingt nicht zurücklegen. Darüber hinaus seien Arbeiten in gebückter Zwangshaltung und das Sitzen über einen längeren Zeitraum als absolut schmerzauslösend anzusehen. Aus dem Arztbrief des Dr. med. P. - Facharzt für Innere Medizin, Angiologie - vom 13. März 2017 ist zu entnehmen, dass die Klägerin insbesondere an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit leidet. Die Laufbandergometrie habe sie nach 19 Metern Gehstrecke wegen Schmerzen in den Hüften beidseits abgebrochen.

Der Senat hat sodann von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. med. Q. - Facharzt für Orthopädie - vom 10. August 2017 beigezogen. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 2. August 2017 ist er aufgrund der Diagnosen

- Verschleißerkrankungen der Lendenwirbelsäule,
- Verschleißerkrankungen der Kniegelenke,
- Verschlusskrankheit der Beinarterien,

zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten mit Einschränkungen (maximale Gewichtsbelastung 15 kg, in wechselnder Körperhaltung, ohne repetitive oder häufige Rumpf-Zwangshaltungen, keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, keine Tätigkeiten mit häufigem Treppengehen) zumutbar verrichten könne. Betriebsunüblichen Pausen seien nicht notwendig. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit August 2010. Aus orthopädischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, Wegstrecke von mehr als 500 Metern viermal täglich zurückzulegen. Allerdings könne sich eine Limitierungen der Gehstrecke im Rahmen der festgestellten Gefäßerkrankung mit Durchblutungsstörungen der Beine ergeben. Der Sachverständige hat deswegen eine Begutachtung auf internistischem/angiologischem Fachgebiet empfohlen.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2017 hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Landau einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) festgestellt. Als Beeinträchtigungen ist u.a. eine arterielle Verschlusskrankheit beider Beine (Einzel-GdB 40) aufgeführt. Der beigezogenen Verwaltungsakte des benannten Landesamtes ist zu entnehmen, dass erstmals mit Bescheid vom 3. Juli 2009 ein GdB von 20 aufgrund von Stoffwechselstörungen i.S.e. metabolischen Syndroms mit Diabetes mellitus, Bluthochdruck und seelischen Störungen festgestellt worden war. Mit dem ersten Änderungsantrag vom 27. Juli 2015 hatte die Klägerin geltend gemacht, dass sie nicht mehr richtig laufen könne und auf einen bevorstehenden Termin am 6. August 2015 bei einem Angiologen hingewiesen. Über diese Vorstellung ist der Arztbrief des Dr. med. P. vom 8. August 2015 zur Akte gelangt, aus dem sich ergibt, dass sich die Klägerin wegen einer Wadenclaudicatio und Fußschmerzen vorgestellt hatte. Die schmerzfreie Gehstrecke habe 78 Meter bzw. maximal 92 Meter betragen. Mit Bescheid vom 11. Januar 2016 stellte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Landau einen GdB von 30 unter Zugrundelegung u.a. einer arteriellen Verschlusskrankheit der Beine (Einzel-GdB 30) fest. Ausweislich der medizinischen Unterlagen, die zu weiteren Änderungsanträgen der Klägerin zur Akte gelangten, stellte sie sich bei Dr. med. P. zur Verlaufskontrolle erneut am 14. Oktober 2015 und am 14. März 2016 vor, wobei sich die Gehstrecke geringfügig verschlechterte.

Ausweislich des von Amts wegen bei Prof. Dr. R. - Facharzt für Innere Medizin, Angiologie, Phlebologie, Kardiologie - eingeholten Gutachtens vom 12. Dezember 2017 ist der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am selben Tag unter Zugrundelegung der Diagnose

- arterielle Verschlusskrankheit vom peripheren Typ Stadium IIA bei Zustand nach beidseitiger transluminaler Gefäßerweiterung mit Stent-Implantation an der Arteria femoralis,
- Bakerzyste bei Gonarthrose im linken Kniegelenk,
- degeneratives Sig-Syndrom mit Spondylolisthesis,
- HWS- und LWS-Syndrom,
- Lumbago,
- Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion,

zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin wegen der arteriellen Durchblutungsstörungen nur noch eine Erwerbstätigkeit von unter drei Stunden täglich mit Einschränkungen (im Umhergehen, ohne Zeitdruck, ohne Stehen auf Leitern und Gerüsten) ausüben könne. Die Klägerin könne unter Einhaltung von Pausen mit Stehenbleiben eine Fußwegstrecke von mehr als 500 Metern viermal täglich zurücklegen. Nach Aufdehnung der Beinarterien beidseits im November 2017 sei die Gehstrecke nicht mehr durch die Durchblutungsstörungen eingeschränkt, jedoch von Seiten der Gonarthrose. Auf die Frage, seit wann das Leistungsvermögen bestehe, hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Klägerin angegeben habe, seit sechs Jahren, also seit 2011, an der Verschlusskrankheit mit einer Gehstrecke von 50 Metern zu leiden. Es sei zukünftig wieder mit einer Verschlimmerung der arteriellen Durchblutungsstörungen zu rechnen, da die Klägerin weiter rauche.

Die Beklagte ist dem Gutachten des Prof. Dr. R. entgegengetreten. Zudem hat sie mit Schreiben vom 8. März 2018 einen Versicherungsverlauf übersandt und mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals am 30. November 2011 vorgelegen haben.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. R. vom 27. März 2018 beigezogen, in der er im Wesentlichen bei seiner Leistungseinschätzung verblieben ist. Es lägen zwei unterschiedliche Erkrankungen bei der Klägerin vor: Eine ausgeprägte Gonarthrose mit Bakerzyste und einer Gehstrecke von 110 Metern sowie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit beider Beine, die die Gehstrecke wahrscheinlich auf 150 200 Meter einschränke, auch wenn sie wegen der bestehenden Gonarthrose auf dem Laufband nicht messbar sei. Unter Verweis auf die Aussage der Klägerin, dass sie ab 2011 eine eingeschränkte Gehstrecke von 50 Metern gehabt habe, handele es sich von 2011-2017 um eine arterielle Verschlusskrankheit, die 2017 durch die Aufdehnung der Gefäße behoben worden sei.

Dr. med. Q. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Mai 2018 ausgeführt, dass eine Bakerzysten eine dauerhafte Limitierung der Belastbarkeit nicht begründen könne und sich keine abweichende Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin wie in seinem erstatteten Gutachten ergäbe.

Bereits mit Beschluss vom 15. September 2016 hat der Senat gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auf die Berichterstatterin übertragen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (Bd. I-III), der Verwaltungsakte der Beklagten und der Verwaltungsakte des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung in Landau, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 2015 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es die Klage abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und der Bescheid beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Dies gilt gleichermaßen für den Bescheid vom 17. April 2015, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden ist.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sogenannten Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ihre Erwerbsfähigkeit mittlerweile in rentenberechtigendem Ausmaß gemindert ist. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist jedoch letztmals für einen am 30. November 2011 eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Zur Überzeugung des Senats ist der Nachweis einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht erbracht. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bis zum 30. November 2011 ohne unmittelbaren Schaden für ihre Gesundheit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in der Lage war, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten mit Einschränkungen (in wechselnder Körperhaltung, keine Zwangshaltungen wie ständiges Bücken oder Knien, ohne repetitive oder häufige Rumpf-Zwangshaltungen, ohne Tragen und Heben von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel bzw. bis zu einer maximalen Gewichtsbelastung von 15 kg, nur gelegentliche Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Arbeiten im ständigen Gehen und Stehen oder mit ständigem Treppensteigen, ohne permanente Arbeiten im Freien oder unter ständiger Exposition von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen, ohne Schicht- und Nachtarbeit, keine Tätigkeiten mit vermehrter psychischer Belastung i.S.v. vermehrter emotionaler Belastung oder erhöhtem Konfliktpotenzial) zu verrichten. Damit war die Fähigkeit der Klägerin, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Ausmaß zu erzielen (Erwerbsfähigkeit) bis zum 30. November 2011 zur Überzeugung des Senats nicht rentenrelevant eingeschränkt.

Der Senat stützt sich bei seiner Einschätzung im Wesentlichen auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. med. L. vom 17. Oktober 2013 und des Dr. med. K. vom 23. Oktober 2013, als auch die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. med. O. vom 15. Februar 2017 und des Dr. med. Q. vom 10. August 2017. Durch die Sachverständigengutachten der genannten Gutachter in Zusammenschau mit den umfangreichen Befundunterlagen sind die Gesundheitseinschränkungen der Klägerin seit der Rentenantragstellung am 11. August 2010 hinreichend dokumentiert. Den Gutachten lässt sich für den Zeitraum ab Rentenantragstellung bis zum 30. November 2011 und weit darüber hinaus übereinstimmend und fortlaufend eine Leistungsbeurteilung der Klägerin für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in dem dargestellten Umfang entnehmen.

Die genannten Sachverständigen legen auf ihrem jeweiligen Fachgebiet die Leiden der Klägerin dar und kommen jeweils zu der Einschätzung, dass eine quantitative Leistungsminderung nicht feststellbar ist. Insgesamt sind die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen allesamt schlüssig und die jeweilige Leistungsbeurteilung wird nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender, ausführlicher Begründung aus den gestellten Diagnosen und unter Einbeziehung der beigezogenen Befundunterlagen abgeleitet. Die über den Zeitraum von mehreren Jahren eingeholten Gutachten unterschiedlicher Fachgebiete ergeben ein kohärentes Bild des Gesundheitszustandes und des daraus ableitbaren Leistungsvermögens der Klägerin. Ebenso zeichnen sie nachvollziehbar die stattgehabte Entwicklung nach. Für den Senat nachvollziehbar leiten die Sachverständigen die Diagnosen her und messen ihnen lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bei.

So hat Dr. med. L. in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 17. Oktober 2013 lediglich eine endgradige Funktionseinschränkung bei beginnender degenerativer Verschleißerkrankungen der Lendensäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik festgestellt. Die klinische Untersuchung der unteren als auch der oberen Extremitäten hat jeweils einen unauffälligen Befund ergeben. Er leitet für den Senat nachvollziehbar hieraus seit der Rentenantragstellung am 11. August 2010 lediglich qualitative Leistungseinschränkungen ab.

Dr. med. K. hat in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2013 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nach den anamnestischen Angaben der Klägerin depressive Verstimmungen reaktiver Genese im Sinne von Anpassungsstörungen bei belastender sozialer Situation sowie eine blande Polyneuropathie ohne manifeste sensormotorische Ausfälle diagnostiziert. In seiner zusammenfassenden Darstellung führt er insbesondere aus, dass der neurologische Untersuchungsbefund bis auf das geminderte Vibrationsempfinden beidseits malleolär und die leicht abgeschwächten Achillessehnenreflexe unauffällig gewesen sei. Der Seiltänzergang sei zwar diskret unsicher gewesen, wesentliche Einschränkungen der Motorik hätten jedoch nicht bestanden. Zum psychopathologischen Befund führt der Sachverständige aus, dass sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung bei der Klägerin gezeigt hat. Bis auf eine Persönlichkeitsakzentuierung habe ein unauffälliger psychopathologischer Befund bestanden. Im Zeitpunkt der Untersuchung habe sich kein Anhalt für eine relevante Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises ergeben. Unter der antidepressiven medikamentösen Therapie und der psychotherapeutischen Behandlung sei es zu einer Remission der vorbeschriebenen Symptomatik gekommen. Die hieraus abgeleitete Leistungsminderung lediglich im qualitativen Bereich ist für den Senat aufgrund der geringgradig ausgeprägten Einschränkungen überzeugend und plausibel. Dr. med. K. führt auch nachvollziehbar aus, dass das beschriebene Leistungsvermögen bereits seit Februar 2010 besteht und sich für eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes bzw. Leistungsvermögens im laufenden Renten- und Rechtsverfahren kein ausreichender Anhalt ergibt. Er verdeutlicht dies anschaulich an den Unterlagen des medizinischen Berichtswesens im Zeitraum seit der Rentenantragstellung, insbesondere anhand des sozialmedizinischen Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin D. aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 16. Dezember 2010, des Befundberichtes der Dr. med. E. vom 30. April 2012, des Befundberichtes der Dr. med. C. vom 11. Juli 2012 sowie des Berichtes der Diplom-Psychologin J. vom 23. April 2013. Für die dort teilweise ausgewiesene depressive Symptomatik konnte Dr. med. K. bei seiner Untersuchung keinen Anhalt finden. Unabhängig bedinge eine leichte depressive Episode auch keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens.

Auch Dr. med. O. kommt in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15. Februar 2017 zu dem Ergebnis, dass die bei der Klägerin vorliegenden Leiden einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und einer chronischen Lumbago ohne Wurzelreiz- oder -ausfallsymptome seit der Rentenantragstellung im August 2010 keine quantitative Leistungsminderung begründen können. So führt er zum psychopathologischen Untersuchungsbefund aus, dass dieser nicht so ausgeprägt sei, dass hierdurch eine geminderte Erwerbsfähigkeit zu begründen wäre. Die Stimmung sei euthym, der Antrieb imponiere nicht namhaft beeinträchtigt und auch anamnestisch scheine kein namhafter Freud-, Interessen-, oder Antriebsverlust vorzuliegen. Zwar beschreibe die Klägerin einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, ein leichtes Insuffizienzerleben sowie zeitweise Lebensunlust neben Zukunfts-und Existenzsorgen und Sorgen um ihren krebserkrankten Ehemann. Sie beschreibe aber auch, dass sie aktiv und selbstständig in der Lage sei, sich um Haushalt, Einkäufe und soziale Kontakte zu kümmern, sowie den Alltag ihren Interessen entsprechend zu gestalten, so dass eine wesentliche Alltagsbeeinträchtigung nicht plausibel zu erkennen sei. Hieraus leitet der Sachverständige nachvollziehbar das Vorliegen einer leichtgradig depressiven Symptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung mit längerer, in der Intensität wechselnder depressiv-ängstlicher Symptomatik im Kontext diverser belastender psychosozialer Umstände ab. Ergänzend weist er auf akzentuierte Persönlichkeitszüge der Klägerin hin, mit einer Neigung zu extrovertierter, überzeichnend imponierender Präsentation ihrer Beschwerden. Hinweise für eine Persönlichkeitsstörung fänden sich aber nicht. Den körperlich-neurologischen Untersuchungsbefund beschreibt Dr. med. O. abgesehen von einer Adipositas sowie einem Bewegungsschmerz im linken Kniegelenk als unauffällig. Es bestehe somit weitgehend Übereinstimmung mit den vorangegangenen Gutachten des Dr. med. K. sowie des Dr. med. L.

Schließlich kommt auch Dr. med. Q. in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 10. August 2017 aus orthopädischer Sicht unter Zugrundelegung einer Verschleißerkrankungen der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke zu einer Leistungsfähigkeit der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen. Dies ergibt sich nachvollziehbar für den Senat daraus, dass der Sachverständige im Rahmen der klinischen Untersuchung des Achsenskeletts eine allenfalls leichtgradige funktionelle Beeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule festgestellt hat. Im Hinblick auf die Kniegelenke finden sich links führend femoropatellare Reizzeichen sowie eine geschilderte schmerzhafte Belastbarkeit vorwiegend das linke Knie betreffend ohne Meniskuspathologien oder Bandinstabilitäten sowie ohne Ergussbildungen. Die hieraus abgeleiteten qualitativen Leistungseinschränkungen sind wiederum für den Senat nachvollziehbar, ebenso die Ausführungen des Sachverständigen, dass diese aufgrund der degenerativen Erkrankungen bereits seit 2010 als vorliegend zu erachten seien.

Das auf Anregung des Dr. med. Q. eingeholte angiologisch-internistische Gutachten des Prof. Dr. med. R. vom 12. Dezember 2017 kann dagegen eine bis zum 30. November 2011 eingetretene Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin für den Senat nicht überzeugend begründen. Der Sachverständige führt insbesondere aus, dass eine Aufdehnung der Arteria femoralis mit Stent-Implantation beidseits im November 2017 erfolgt sei und hiernach noch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit beidseits im Stadium IIA vorliege. Eine Laufbanduntersuchung habe eine freie Gehstrecke von 110 Metern ergeben. Der Stopp beim Gehen sei wegen Schmerzen im linken Knie notwendig geworden. Wadenschmerzen hätten nicht bestanden. Bereits die gezogene Schlussfolgerung, dass der Klägerin aufgrund der festgestellten arteriellen Verschlusskrankheit, die sich wegen des fortgesetzten Rauchens der Klägerin prognostisch wieder verschlimmern würde, nur noch eine Erwerbstätigkeit von unter drei Stunden täglich möglich sei, hat der Sachverständige für den Senat nicht nachvollziehbar begründet. Es fehlt an jeglicher Darstellung von einschränkenden Merkmalen, die eine quantitative Leistungsminderung plausibel begründen könnten. Die bloße Diagnose einer arteriellen Verschlusskrankheit und die Prognose, dass zukünftig wieder mit einer Verschlechterung zu rechnen sei, lassen keinen Rückschluss auf eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit zu. Maßgeblich sind vielmehr die im jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich vorliegenden funktionellen Einschränkungen, deren Darstellung das Gutachten des Dr. med. R. gänzlich vermissen lässt.

Auch ist zur Überzeugung des Senats die Wegefähigkeit der Klägerin bis zum 30. November 2011 nicht rentenrelevant eingeschränkt gewesen. Die Ausführungen des Prof. Dr. med. R. in seinem Gutachten vom 12. Dezember 2017 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. März 2018 sind diesbezüglich bereits widersprüchlich. In seinem Gutachten beschreibt er zunächst eine Laufbanduntersuchung, bei der die Klägerin die Untersuchung nach einer freie Gehstrecken von 110 Metern wegen Schmerzen im linken Knie abgebrochen habe, während Wadenschmerzen nicht bestanden hätten. Zur Frage der Wegefähigkeit führt er aus, dass die Klägerin eine Strecke von mehr als 500 Metern viermal täglich zurücklegen könne, sie jedoch Pausen mit Stehenbleiben wegen der Gonarthrose einhalten müsse. Weiter führt der Sachverständige aus, dass von Seiten der arteriellen Durchblutungsstörungen die Gehstrecke im Zeitpunkt seiner Begutachtung nicht eingeschränkt sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er dann aus, dass aufgrund der ausgeprägten Gonarthrose mit Bakerzyste die der Klägerin zumutbare Gehstrecke auf 110 Meter limitiert sei. Zudem schränke die arterielle Verschlusskrankheit beider Beine mit peripheren Gefäßverschlüssen die Gehstrecke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein, wahrscheinlich auf 150-200 Meter. Die Gehstreckeneinschränkung wegen der arteriellen Verschlusskrankheit sei wegen der bestehenden Gonarthrose auf dem Laufband nicht messbar. Somit divergieren die Angaben des Prof. Dr. med. R. in seinem Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme zur Frage der zumutbaren Gehstrecke.

Diese Widersprüchlichkeiten außer Acht lassend, ist aber jedenfalls kein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises erbracht, dass ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen oder eine rentenrelevante Gehstreckeneinschränkung bis zum letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 30. November 2011 eingetreten ist. Die durch Prof. Dr. med. R. getroffene Feststellung, dass das von ihm festgestellte aufgehobene Leistungsvermögen als auch die fehlende Wegefähigkeit seit 2011 bestünden, ist nicht nur zeitlich zu ungenau, um einen konkreten Leistungsfall bestimmen zu können, sondern basiert ausschließlich auf den Angaben der Klägerin, was für eine Objektivierung im Sinne eines Vollbeweises einer rentenrelevanten Leistungsminderung nicht ausreicht.

Für den Eintritt eines Leistungsfalls in der Vergangenheit gilt, dass der Beweiswert einer rückschauenden Leistungsbeurteilung umso größer ist, je genauer seitens des Sachverständigen differenziert wird zwischen den anlässlich der (eigenen) Untersuchung getroffenen aktuellen Feststellungen und der daraus bezogen auf diesen Zeitpunkt abgeleiteten Beurteilung einerseits und der hiervon ausgehend - unter Zuhilfenahme von geeigneten Anknüpfungspunkt der medizinischen Berichtswesen - entwickelten Einschätzung hinsichtlich der Vergangenheit andererseits. Je lückenloser die Kette der so genannten Brückensymptome in die Vergangenheit zurückreicht und je eingehender die Aussagekraft von Untersuchungsberichten aus früherer Zeit im Gutachten erläutert wird, umso nachvollziehbarer, einleuchtender und schließlich auch überzeugender kann eine rückschauende Leistungsbeurteilung sein, mit der Folge eines dann nachvollziehbar auch in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles.

Dies zugrunde gelegt, kann weder das Gutachten des Prof. Dr. med. R. noch dessen ergänzende Stellungnahme einen rückwirkenden Leistungsfall zur Überzeugung des Senates begründen. So hat Prof. Dr. med. R. in seinem Gutachten vom 12. Dezember 2017 zunächst ausgeführt, dass die Claudicatio mit einer Gehstrecke von 50 Metern nach Angaben der Klägerin seit sechs Jahren bestehe. Trotz anderslautendem Auftrag im gerichtlichen Schreiben vom 12. März 2018 mit der konkreten Frage nach Anknüpfungstatsachen im medizinischen Berichtswesen, fehlt es an der Benennung von solchen durch den Sachverständigen. Vielmehr ist er auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. März 2018 dabei verblieben, seine Ausführungen einzig auf die Angaben der Klägerin, die Erkrankung einschließlich Gehstreckeneinschränkung bestehe seit 2011, zu stützen. Außer den subjektiven Angaben der Klägerin hat der Sachverständige also keine objektiven Anknüpfungspunkte benannt. Die Ausführungen des Sachverständigen stehen bereits zu den Feststellungen der umfangreichen Vorgutachten im Widerspruch, mit denen er sich nicht ansatzweise substantiiert auseinandersetzt. Einzig das Gutachten des Dr. med. Q. nimmt er in Bezug. Er erhebt den Vorwurf, dass der Sachverständige ohne eine Laufbandprüfung durchgeführt zu haben, eine erhaltene Wegefähigkeit feststellt habe, um dann selber fachfremd die Einschränkung der Wegefähigkeit auf orthopädischem Fachgebiet zu beurteilen. Abgesehen von der Tatsache, dass Dr. med. Q. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Mai 2018 aus orthopädischer Sicht davon ausgeht, dass eine Bakerzyste eine dauerhafte Limitierung der Belastbarkeit nicht begründen könne, stehen jedenfalls die Gutachten des Dr. med. L., des Dr. med. K. und auch des Dr. med. O. der Einschätzung des Prof. Dr. med. R. entgegen, die allesamt die Wegefähigkeit der Klägerin als erhalten angesehen haben.

Bei der Untersuchung des Dr. med. L. am 17. September 2013 hat die Klägerin ausweislich der Ausführungen des Gutachters überdies selber angegeben, dass die maximale Gehstrecke ca. 500 Metern in zehn Minuten betrage. Die Klägerin ist zu diesem Untersuchungstermin mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist. Des Weiteren beschreibt der Sachverständige, dass die Klägerin mit zügigem, raumgreifendem und flüssigem Gangbild das Untersuchungszimmer betreten hat. Bei der ambulanten Untersuchung durch Dr. med. K. ebenfalls am 17. September 2013 hat die Klägerin auf Nachfrage zu ihren aktuellen Beschwerden eine Einschränkung ihrer Gehstrecke nicht beklagt. Trotz der Angabe, dass ihr das Laufen schwerfalle, konnte der Gutachter im Hinblick auf das physiologische Gangbild keine wesentlichen Einschränkungen feststellen. Vielmehr beschreibt Dr. med. K. als Facharzt für Innere Medizin, dass die Klägerin gesundheitlich im Stande sei, von ihrer Wohnung aus öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Sie sei auch zur Untersuchung allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist. Auch könne sie viermal täglich noch Wegstrecken von mehr als 500 Metern in jeweils unter 20 Minuten Zeit zurücklegen. Er führt explizit aus, dass keine Erkrankungen, die die Wegstrecke sozialmedizinisch relevant beschränken würden, bestünden, insbesondere bestünde keine schwere arterielle Verschlusskrankheit. Bei der ambulanten Untersuchung durch Dr. med. O. hat die Klägerin angegeben, bei längerem Gehen unter Schmerzen der rechten Wade und am Fuß zu leiden, die sich nach einer Pause dann wieder besserten. Der Sachverständige beschreibt jedoch, dass die Klägerin den Untersuchungsraum rasch und mit flüssigem Gangbild betreten habe. Der Zehen- und Hackengang beidseits sei normal. Seiltänzergang, Romberg und Unterberg Tretversuch seien mit Hinweis auf Knieschmerzen links etwas unsicher gewesen. Bei Ablenkung hätte sich jedoch eine Besserung des Gangbilds ergeben. Im Übrigen hat die Klägerin zum Tagesablauf angegeben, dass sie mit dem Hund spazieren gehe, mit dem Nahverkehr die Einkäufe besorge und den Haushalt verrichte. Überdies hat sie ausgeführt, dass sich bei ihrer Wohnung ein kleiner Garten befinde, um den sie sich kümmere. Auch begleite sie ihren krebskranken Mann zum Arzt. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass die Klägerin eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter viermal täglich in angemessener Zeit zurücklegen kann, erscheint unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin nicht fernliegend. Diese sachverständigen Feststellungen zugrunde gelegt, kann die Rückdatierung des Leistungsfalls des Prof. Dr. med. R. keinesfalls überzeugen. Die jeweiligen Untersuchungszeitpunkte lagen weit nach dem letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 30. November 2011.

Auch den zeitnah zum letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegenden medizinischen Unterlagen sind keine Befunde zu entnehmen, die eine eingeschränkte Gehstrecke oder eine rentenrelevante Leistungsminderung aufgrund des Vorliegens einer arteriellen Verschlusskrankheit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt belegen würden. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin C. hat in ihrem Befundbericht im Verwaltungsverfahren vom 2. Dezember 2010 weder eine entsprechende Diagnose gestellt, noch entsprechende Befunde oder Funktionseinschränkungen benannt. In ihrem Befundbericht im erstinstanzlichen Verfahren, eingegangen am 11. Juli 2012, und damit nach dem letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, hat sie erstmals als Befund "Schmerzen in beiden Beinen" angegeben. Eine Diagnose hat sie hierzu nicht gestellt. Konkrete Leistungseinschränkungen lassen sich aus der bloßen Feststellung nicht ableiten. Ebenfalls lassen sich dem Gutachten des beratenden Facharztes für Innere Medizin D. vom 24. Februar 2011 keine rentenrelevanten Einschränkungen entnehmen. Die Klägerin hatte ihm gegenüber lediglich angegeben, bei längerem Stehen ein Schweregefühl im Bereich der Beine zu empfinden. Dokumentiert sind ein flüssiges Gangbild und ein Leistungsvermögen von über sechs Stunden werktäglich mit Einschränkungen.

Erstmals mit dem Änderungsantrag bei dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung im Juli 2015 findet sich die Angabe der Klägerin, dass sie nicht mehr laufen könne, was angiologisch abgeklärt werden solle. Mit dem Arztbericht des Dr. med. P. vom 8. August 2015 ist eine Vorstellung bei einem Facharzt für Innere Medizin und Angiologie am 6. August 2015 dokumentiert. Diesem ist zu entnehmen, dass die Klägerin an einer Wadenclaudidatio und Fußschmerzen beidseits mit unterschiedlicher Gehstrecke leide. Erstmals ist hier auch eine Laufbandergometrie dokumentiert, der sich eine Gehstrecke von maximal 92 Metern entnehmen lässt. Ein Fortbestehen der Einschränkung lässt sich auch den weiteren Befunden der Folgetermine bei Dr. med. P. nachvollziehen.

Mit diesen medizinischen Befunddokumentationen hat sich Prof. Dr. med. R. in keiner Weise auseinandergesetzt. Die Dokumentation und insbesondere die eigenen Angaben der Klägerin im Jahre 2013 widersprechen eindrucksvoll den Annahmen des Prof. Dr. R. von einem Vorliegen des von ihm festgestellten aufgehobenen Leistungsvermögens und einer aufgehoben Wegefähigkeit bereits seit 2011 im Sinne eines Vollbeweises. Wegen des maßgeblichen Zeitpunktes des letztmaligen Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 30. November 2011 bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob und zu welchem Zeitpunkt danach eine rentenrelevante Leistungsminderung oder eine rentenrelevante Gehstreckenminderung konkret eingetreten ist. Denn zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin bis zum 30. November 2011 in dem dargestellten Ausmaß - und damit nicht rentenrelevant eingeschränkt – leistungsfähig war. Selbst wenn man aber – trotz der späteren Feststellungen des Dr. med. O. - die Untersuchung bei Dr. med. P. am 6. August 2015, die erstmals eine Verminderung der Gehstrecke objektiv belegen mag, als maßgeblichen Zeitpunkt zugrunde legen würde, sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht mehr erfüllt.

In Anbetracht des ausgeführten Restleistungsvermögens kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass ihre Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar ist. Denn es gab seit Rentenantragstellung und gibt zur Überzeugung des Gerichts auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die sie trotz ihres eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben kann. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei der Klägerin insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Insoweit bedarf es im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus fällt (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 = SozR 2200 § 1246 Nr. 90; vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79 = SozR 2200 § 1246 Nr. 75). Derart gravierende Einschränkungen liegen bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht vor, denn bei ihr besteht weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.

Ob im Übrigen die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie die Klägerin bis 30. November 2011 noch zumindest sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 u. GS 3/76) kann bei diesem Personenkreis grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Dass bis zum 30. November 2011 keine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit vorgelegen hat, hat der Senat bereits umfänglich ausgeführt. Zudem besteht nicht das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen. Hierbei stützt sich der Senat auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. med. L., Dr. med. K., Dr. med. O. und Dr. med. Q.

Damit ist ein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung oder einer eingeschränkte Wegefähigkeit bereits vor dem 1. Dezember 2011 nicht erbracht. Dies ergibt sich – wie dargelegt – aus der auswertenden Zusammenschau der medizinischen Sachverständigengutachtung und den sonstigen Unterlagen des medizinischen Berichtswesens. Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen hat weder die Klägerin aufgezeigt noch hätten sich solche dem Senat aufgrund der Aktenlage aufdrängen müssen.

Dann aber scheitert das Rentenbegehren der Klägerin daran, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn bei Eintritt des Leistungsfalls nach dem 30. November 2011 ist weder die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderliche Vorversicherungszeit (drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) noch einer der gesetzlich zugelassenen Ausnahmetatbestände gegeben.

Die Klägerin hat dem unbestrittenen Versicherungsverlauf vom 8. März 2018 zufolge in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für den fünfjährigen Vorbelegungszeitraum vom 29. November 2006 bis zum 30. November 2011 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge zurückgelegt. Bei einem späteren Leistungsfall sind damit die Vorversicherungszeiten nicht mehr erfüllt.

Für das Vorhandensein von Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI, die zu einem anderen Ergebnis führen würden, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Soweit die Klägerin vom 1. Juni 2015 bis 30. April 2017 Arbeitslosengeld II bezogen hat, führt dieser Verlängerungstatbestand zu keiner anderen Beurteilung. Auch kann auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Versicherungszeiten im vorliegenden Fall nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen des § 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 SGB VI nicht erfüllt sind. Des Weiteren gehört die Klägerin nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllen können. Zwar hat die Klägerin die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI) vor dem 1. Januar 1984 erfüllt. Es ist aber nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung der Berufsunfähigkeit mit Beitragszeiten oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. So ergeben sich aus dem Versicherungsverlauf der Kläger beispielsweise Lücken vom 1. Mai 1990 bis 30. Juni 1990, des Weiteren vom 15. Oktober 1991 bis 4. Mai 1998 und vom 17. Januar 1999 bis 1. August 1999. Die Erwerbsminderung der Klägerin ist im Übrigen auch nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten. Ebenso wenig kommt schließlich die Ausnahmevorschrift des §§ 43 Abs. 6 SGB VI zum Tragen, da die Klägerin nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen ist.

Mit dem beschriebenen Restleistungsvermögen ist die Klägerin vor dem 1. Dezember 2011 nicht erwerbsgemindert.

Für die 1957 geborene Klägerin ergibt sich vor dem 1. Dezember 2011 auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die

1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig

sind. Berufsunfähig sind der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI zufolge nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist nicht berufsunfähig im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen. Wie dargelegt, fehlt es an einem Nachweis, dass sie vor dem 30. November 2011 in ihrer Leistungsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt rentenrelevant eingeschränkt war. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin in der Lage war, ihren bisherigen Beruf bzw. ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit noch vollschichtig weiter auszuüben, denn allein der Umstand, im bisherigen Beruf nicht mehr im bis dahin erbrachten Umfang tätig sein zu können, führt noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit.

Das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren versicherungspflichtig ausgeübten - "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie - immer bezogen auf ihren bisherigen Beruf - auch einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (ggf. auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, 5/12 RJ 132/75, SozR 2200 § 1246 Nr. 11 = BSGE 41, 129, 131). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf verweisen lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes.

"Zugemutet werden" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch berufsfremden Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung - Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer Qualität – dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 25. März 1966, 5 RKn 77/64, SozR Nr. 22 zu § 45 RKG; vom 26. September 1974, 5 RJ 98/72, SozR 2200 § 1246 Nr. 4 = BSGE 38, 153; vom 19. Januar 1978, 4 RJ 81/77, SozR 2200 § 1246 Nr. 27; vom 15. März 1978, 1/5 RJ 128/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 29 - ständige Rechtsprechung).

Das zur Ausfüllung dieser Grundsätze von der Rechtsprechung entwickelte sog. Mehrstufenschema unterscheidet dabei für Arbeiterberufe - als unterste Gruppe – die Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten, schließlich die Gruppe mit dem Leitberuf der Gelernten (Facharbeiter) und darüber die zahlenmäßig kleine Gruppe mit dem Leitberuf der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der Facharbeiter mit besonders qualifizierten Tätigkeiten. Als im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Gruppe angenommen. Hiernach können z.B. Versicherte, die nach ihrem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter fallen, auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufe) verwiesen werden, in aller Regel jedoch nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten (vgl. BSG, Urteile vom 30. März 1977, 5 RJ 98/76 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16 u. BSGE 43, 243, 246; vom 24. März 1983, 1 RA 15/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107 u. BSGE 55, 45 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Unabhängig davon können Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. März 1983, a.a.O. m.w.N. ständige Rechtsprechung).

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sogenannten Mehrstufenschema kann die Klägerin unter Berücksichtigung der von ihr zuletzt vollschichtig im Hauptberuf ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit keinen besonderen Berufsschutz für sich beanspruchen. Die Klägerin hat zuletzt versicherungspflichtig als Kassiererin in einem Drogeriemarkt gearbeitet. Hierbei handelte es sich allenfalls um eine angelernte Tätigkeit (im unteren Bereich). Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten bzw. Angelernten (im unteren Bereich) können auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden und genießen daher keinen besonderen Berufsschutz, so dass im Falle der Klägerin zur Vermeidung von Berufsunfähigkeit kein besonderer Beruf benannt werden muss. Die Klägerin konnte jedenfalls bis zum 30. November 2011 sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die sie unter Beachtung der festgestellten qualitativen gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage war, zu verrichten. Damit ist im vorliegenden Fall eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI ganz offenkundig nicht gegeben.

Die Berufung der Klägerin konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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