Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 769/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 182/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie (Visuelle RestitutionsTherapie – VRT) streitig.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet nach einer Sinusvenenthrombose mit Stauungsblutung im Gehirn und anschließend durchgeführter Hemikraniektomie im Juni 2014 an linksseitig ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkungen auf beiden Augen. Sie beantragte am 8. Mai 2015 unter Vorlage einer Rechnung der Firma C. GmbH vom 4. Februar 2015, zweier Auswertungsberichte über die ersten beiden Therapiemonate vom 17. März 2015 und 27. April 2015, einer privatärztlichen Verordnung vom 20. April 2015 sowie weiterer Unterlagen die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 2.350,00 für die am 11. Februar 2015 begonnene Gesichtsfeldtherapie von insgesamt sechsmonatiger Dauer.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2015, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da es sich bei dem visuellen Restitutionstraining um eine neue Behandlungsmethode handle, welche bislang vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden sei. Das Verfahren befinde sich vielmehr noch in der Erprobungsphase. Eine solche außervertragliche Leistung könne nicht übernommen werden.
Am 26. Mai 2015 erhob die Klägerin Widerspruch und bat um Erstattung der verauslagten Kosten für die bislang erfolgreiche Gesichtsfeldtherapie. Die Beklagte holte eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Hessen ein. Die Fachärztin für Augenheilkunde D. kam unter dem 1. Juni 2015 zu dem Ergebnis, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder gleichgestellte Erkrankung nicht vorliege. Als anerkannte Behandlungsmethoden stünden ergotherapeutische Behandlungen bei sensomotorischen und perzeptiven Störungen zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 wies die Beklagte auf das Ergebnis der MDK – Begutachtung sowie den fehlenden Beschaffungsweg für die außervertragliche VRT hin. Am 13. August 2015 erhob die Klägerin nochmals Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, weil ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht gegeben sei. Es habe sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Beklagte habe die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, denn die Klägerin habe zuvor keinen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, sondern vielmehr mit der Behandlung begonnen, ohne die Beklagte einzuschalten. Die Kosten für die bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode könnten auch deshalb nicht erstattet werden, weil keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege.
Am 22. Oktober 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, es handle sich nicht um eine ärztliche Behandlung, sondern um die Versorgung mit einem Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V, auf die sie einen Anspruch habe. Selbst bei verspätetem Antrag habe die Therapie noch vier Monate gedauert, womit die Kosten zu erstatten seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 2017 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht mit Bescheiden vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 und Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 die Kostenerstattung für die Gesichtsfeldtherapie abgelehnt. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch sei § 13 Abs. 3 SGB V. Danach sei eine Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für eine von dem Versicherten selbst beschaffte Leistung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehe. Dieser Ursachenzusammenhang fehle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden sei, obwohl dies möglich gewesen wäre. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V scheide mangels unaufschiebbarer Leistung entsprechend dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 1. Juni 2015 aus. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V lägen ebenfalls nicht vor. Zum einen scheitere der Erstattungsanspruch bereits daran, dass sich die Klägerin vor Inanspruchnahme der Leistung nicht an die Beklagte gewandt habe. Zum anderen sei der Kostenerstattungsanspruch auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gegeben. Denn der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Nur wenn die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen Leistungen gehöre, welche von den Krankenkassen grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen gewesen wäre, könne ein Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG bestehen. Die visuelle Restitutionstherapie gehöre jedoch nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Sachleistungen. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei der visuellen Restitutionstherapie um eine Behandlungsmethode oder um ein Hilfsmittel handle, da die jeweiligen materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die visuelle Restitutionstherapie könne als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben habe. Der GBA habe bezüglich dieser Behandlung noch keine positive Empfehlung abgegeben, so dass die Behandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Auch ein Fall des sogenannten "Systemversagens" im Sinne der Rechtsprechung des BSG liege nicht vor. Weiter lasse sich ein Kostenerstattungsanspruch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V ableiten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend entsprechend dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 1. Juni 2015 nicht erfüllt. Die Erkrankung der Klägerin sei keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder gleichgestellte Erkrankung, eine Erblindung der Klägerin drohe nicht. Zudem stehe eine ergotherapeutische Behandlung für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin zur Verfügung. Betrachte man die Gesichtsfeldtherapie mit der Klägerin als Hilfsmittel, habe die Klage ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs richteten sich nicht allein nach § 33 SGB V. Denn die Klägerin habe sich vorliegend nicht nur ein Hilfsmittel selbst beschafft, sondern hierzu auch Leistungen einer ärztlichen Behandlung in Anspruch genommen. Die Verwendung der Therapie-Software erschöpfe sich nämlich nicht in der Überlassung eines Hilfsmittels. Vielmehr sei die Klägerin vor Beginn der Therapie untersucht worden. Des Weiteren werde sie während des Therapieprogramms durchgehend betreut. Die Verwendung der Software sei damit untrennbar mit ärztlichen Behandlungsleistungen verbunden. Deswegen müssten nach der Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die ärztlichen Behandlungen die Voraussetzungen einer Leistungspflicht der Beklagten gegeben sein, damit das Hilfsmittel übernommen werden könne. Da es sich bei der visuellen Restitutionstherapie um eine neue Behandlungsmethode handle und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt seien, komme eine Kostenübernahme für ein Hilfsmittel (hier: Computer-Software) ebenfalls nicht in Betracht.
Gegen das am 16. März 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. April 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, die zur Verfügung stehenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen ausgeschöpft und sich vor Beginn der Gesichtsfeldtherapie im Rahmen eines Beratungsgesprächs an die Beklagte gewandt zu haben. Eine Mitarbeiterin der Beklagten habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Kassenleistung handle und ein schriftlicher Antrag nicht gestellt werden müsse. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Gesichtsfeldtherapie nicht um ärztliche Behandlungsleistungen, sondern um die Gewährung eines Hilfsmittels handle. Eine Kostenerstattung müsse über § 33 SGB V vorgenommen werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 sowie die Bescheide vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie in Höhe von EUR 2.350,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte betont nochmals, dass die VRT nicht im Leistungskatalog enthalten sei und die Kosten auch nicht im Rahmen von Einzelfallentscheidungen übernommen würden.
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 ist nicht zu beanstanden. Es hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Visuelle Restitutionstherapie in Höhe von EUR 2.350,00.
Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass vorliegend die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse, und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14 R, Rn. 17 - juris, Urteil vom 24. September 1996 1 RK 33/95 –, BSGE 79, 125-128, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Nach § 2 Abs. 1 und 2 SGB V stellen die Krankenkassen ihren Versicherten die im Dritten Kapitel des Gesetzes genannten Leistungen als Sachleistungen kostenfrei zur Verfügung. Sie bedienen sich dabei zugelassener Leistungserbringer, mit denen sie entsprechende Verträge schließen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Von diesem Sachleistungssystem abweichend gibt § 13 Abs. 3 SGB V dem Versicherten einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V ist damit insbesondere auf Fälle zugeschnitten, in denen die Krankenkasse die Erbringung einer an sich geschuldeten Dienst- oder Sachleistung zu Unrecht ablehnt und der Anspruchsteller hierdurch gezwungen ist, sich außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln zu lassen, indem er einen nicht zugelassenen Leistungserbringer aufsucht oder mit einem zugelassenen Leistungserbringer vom öffentlich-rechtlichen Leistungsrahmen abweichende privatrechtliche Vereinbarungen trifft (vgl. BSG; Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14, Rn. 17 m.w.N. – juris).
Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klägerin den Beschaffungsweg durch persönliche Vorsprache in der Filiale der Beklagten in Hanau vor Therapiebeginn eingehalten hat. Das Sozialgericht hat jedenfalls zutreffend entschieden, dass die VRT nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Sachleistungen gehört, da es sich insoweit um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, bezüglich derer es an der erforderlichen positiven Bewertung durch den GBA mangelt. Der Anspruch des Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt. Ärztliche Behandlungsmethoden im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, welches sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Darum geht es bei der vorliegend streitigen VRT. Neu ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, B 3 KR 5/14 R, Rn. 32 –juris; Urteil vom 27. September 2005, B 1 KR 28/03 R; BSGE 81, 54, 58; BSGE 81, 73, 75 f). Als nicht vom GBA empfohlene neue Methode ist die VRT mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich vorliegend nicht lediglich um die Gewährung eines Hilfsmittels nach § 33 SGB V. Denn mit Rechnung der C. GmbH vom 4. Februar 2015 wurden folgende Leistungen abgerechnet: Eingangsdiagnostik durch ausgebildete Therapeuten, Starter-Set, Bereitstellung der individuell angepassten Therapie-Software, sechsmalige Auswertung der Trainingsdaten und telefonische Betreuung. Wie bereits das Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die zur Nutzung überlassenen Hilfsmittel untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode verbunden sind, nämlich der visuellen Restitutionstherapie, einer computergestützten Gesichtsfeldtherapie. Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem GBA vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen ist, sind die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen. Eine Bewertung durch den GBA ist auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese im Hinblick auf ihre diagnostische bzw. therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, B 3 KR 5/14 R, Rn. 13, und Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 17/16 R, Rn. 26, 29, beide juris).
Es liegt ferner auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist. Eine solche Ausnahme regelt § 2 Abs. 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat an dieser Stelle auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug und verzichtet insoweit auf eine erneute Darlegung der Entscheidungsgründe (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich ist eine Ausnahme für sogenannte Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen. Gleiches gilt für den Fall des sogenannten Systemversagens, d. h. dann, wenn der GBA dem in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 17/16 R, Rn. 53 juris). Derartige Ausnahmefälle sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie (Visuelle RestitutionsTherapie – VRT) streitig.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet nach einer Sinusvenenthrombose mit Stauungsblutung im Gehirn und anschließend durchgeführter Hemikraniektomie im Juni 2014 an linksseitig ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkungen auf beiden Augen. Sie beantragte am 8. Mai 2015 unter Vorlage einer Rechnung der Firma C. GmbH vom 4. Februar 2015, zweier Auswertungsberichte über die ersten beiden Therapiemonate vom 17. März 2015 und 27. April 2015, einer privatärztlichen Verordnung vom 20. April 2015 sowie weiterer Unterlagen die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 2.350,00 für die am 11. Februar 2015 begonnene Gesichtsfeldtherapie von insgesamt sechsmonatiger Dauer.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2015, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da es sich bei dem visuellen Restitutionstraining um eine neue Behandlungsmethode handle, welche bislang vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden sei. Das Verfahren befinde sich vielmehr noch in der Erprobungsphase. Eine solche außervertragliche Leistung könne nicht übernommen werden.
Am 26. Mai 2015 erhob die Klägerin Widerspruch und bat um Erstattung der verauslagten Kosten für die bislang erfolgreiche Gesichtsfeldtherapie. Die Beklagte holte eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Hessen ein. Die Fachärztin für Augenheilkunde D. kam unter dem 1. Juni 2015 zu dem Ergebnis, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder gleichgestellte Erkrankung nicht vorliege. Als anerkannte Behandlungsmethoden stünden ergotherapeutische Behandlungen bei sensomotorischen und perzeptiven Störungen zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 wies die Beklagte auf das Ergebnis der MDK – Begutachtung sowie den fehlenden Beschaffungsweg für die außervertragliche VRT hin. Am 13. August 2015 erhob die Klägerin nochmals Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, weil ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht gegeben sei. Es habe sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Beklagte habe die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, denn die Klägerin habe zuvor keinen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, sondern vielmehr mit der Behandlung begonnen, ohne die Beklagte einzuschalten. Die Kosten für die bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode könnten auch deshalb nicht erstattet werden, weil keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege.
Am 22. Oktober 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, es handle sich nicht um eine ärztliche Behandlung, sondern um die Versorgung mit einem Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V, auf die sie einen Anspruch habe. Selbst bei verspätetem Antrag habe die Therapie noch vier Monate gedauert, womit die Kosten zu erstatten seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 2017 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht mit Bescheiden vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 und Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 die Kostenerstattung für die Gesichtsfeldtherapie abgelehnt. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch sei § 13 Abs. 3 SGB V. Danach sei eine Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für eine von dem Versicherten selbst beschaffte Leistung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehe. Dieser Ursachenzusammenhang fehle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden sei, obwohl dies möglich gewesen wäre. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V scheide mangels unaufschiebbarer Leistung entsprechend dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 1. Juni 2015 aus. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V lägen ebenfalls nicht vor. Zum einen scheitere der Erstattungsanspruch bereits daran, dass sich die Klägerin vor Inanspruchnahme der Leistung nicht an die Beklagte gewandt habe. Zum anderen sei der Kostenerstattungsanspruch auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gegeben. Denn der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Nur wenn die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen Leistungen gehöre, welche von den Krankenkassen grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen gewesen wäre, könne ein Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG bestehen. Die visuelle Restitutionstherapie gehöre jedoch nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Sachleistungen. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei der visuellen Restitutionstherapie um eine Behandlungsmethode oder um ein Hilfsmittel handle, da die jeweiligen materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die visuelle Restitutionstherapie könne als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben habe. Der GBA habe bezüglich dieser Behandlung noch keine positive Empfehlung abgegeben, so dass die Behandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Auch ein Fall des sogenannten "Systemversagens" im Sinne der Rechtsprechung des BSG liege nicht vor. Weiter lasse sich ein Kostenerstattungsanspruch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V ableiten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend entsprechend dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 1. Juni 2015 nicht erfüllt. Die Erkrankung der Klägerin sei keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder gleichgestellte Erkrankung, eine Erblindung der Klägerin drohe nicht. Zudem stehe eine ergotherapeutische Behandlung für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin zur Verfügung. Betrachte man die Gesichtsfeldtherapie mit der Klägerin als Hilfsmittel, habe die Klage ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs richteten sich nicht allein nach § 33 SGB V. Denn die Klägerin habe sich vorliegend nicht nur ein Hilfsmittel selbst beschafft, sondern hierzu auch Leistungen einer ärztlichen Behandlung in Anspruch genommen. Die Verwendung der Therapie-Software erschöpfe sich nämlich nicht in der Überlassung eines Hilfsmittels. Vielmehr sei die Klägerin vor Beginn der Therapie untersucht worden. Des Weiteren werde sie während des Therapieprogramms durchgehend betreut. Die Verwendung der Software sei damit untrennbar mit ärztlichen Behandlungsleistungen verbunden. Deswegen müssten nach der Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die ärztlichen Behandlungen die Voraussetzungen einer Leistungspflicht der Beklagten gegeben sein, damit das Hilfsmittel übernommen werden könne. Da es sich bei der visuellen Restitutionstherapie um eine neue Behandlungsmethode handle und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt seien, komme eine Kostenübernahme für ein Hilfsmittel (hier: Computer-Software) ebenfalls nicht in Betracht.
Gegen das am 16. März 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. April 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, die zur Verfügung stehenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen ausgeschöpft und sich vor Beginn der Gesichtsfeldtherapie im Rahmen eines Beratungsgesprächs an die Beklagte gewandt zu haben. Eine Mitarbeiterin der Beklagten habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Kassenleistung handle und ein schriftlicher Antrag nicht gestellt werden müsse. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Gesichtsfeldtherapie nicht um ärztliche Behandlungsleistungen, sondern um die Gewährung eines Hilfsmittels handle. Eine Kostenerstattung müsse über § 33 SGB V vorgenommen werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 sowie die Bescheide vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie in Höhe von EUR 2.350,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte betont nochmals, dass die VRT nicht im Leistungskatalog enthalten sei und die Kosten auch nicht im Rahmen von Einzelfallentscheidungen übernommen würden.
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 ist nicht zu beanstanden. Es hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Visuelle Restitutionstherapie in Höhe von EUR 2.350,00.
Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass vorliegend die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse, und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14 R, Rn. 17 - juris, Urteil vom 24. September 1996 1 RK 33/95 –, BSGE 79, 125-128, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Nach § 2 Abs. 1 und 2 SGB V stellen die Krankenkassen ihren Versicherten die im Dritten Kapitel des Gesetzes genannten Leistungen als Sachleistungen kostenfrei zur Verfügung. Sie bedienen sich dabei zugelassener Leistungserbringer, mit denen sie entsprechende Verträge schließen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Von diesem Sachleistungssystem abweichend gibt § 13 Abs. 3 SGB V dem Versicherten einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V ist damit insbesondere auf Fälle zugeschnitten, in denen die Krankenkasse die Erbringung einer an sich geschuldeten Dienst- oder Sachleistung zu Unrecht ablehnt und der Anspruchsteller hierdurch gezwungen ist, sich außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln zu lassen, indem er einen nicht zugelassenen Leistungserbringer aufsucht oder mit einem zugelassenen Leistungserbringer vom öffentlich-rechtlichen Leistungsrahmen abweichende privatrechtliche Vereinbarungen trifft (vgl. BSG; Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14, Rn. 17 m.w.N. – juris).
Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klägerin den Beschaffungsweg durch persönliche Vorsprache in der Filiale der Beklagten in Hanau vor Therapiebeginn eingehalten hat. Das Sozialgericht hat jedenfalls zutreffend entschieden, dass die VRT nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Sachleistungen gehört, da es sich insoweit um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, bezüglich derer es an der erforderlichen positiven Bewertung durch den GBA mangelt. Der Anspruch des Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt. Ärztliche Behandlungsmethoden im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, welches sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Darum geht es bei der vorliegend streitigen VRT. Neu ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, B 3 KR 5/14 R, Rn. 32 –juris; Urteil vom 27. September 2005, B 1 KR 28/03 R; BSGE 81, 54, 58; BSGE 81, 73, 75 f). Als nicht vom GBA empfohlene neue Methode ist die VRT mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich vorliegend nicht lediglich um die Gewährung eines Hilfsmittels nach § 33 SGB V. Denn mit Rechnung der C. GmbH vom 4. Februar 2015 wurden folgende Leistungen abgerechnet: Eingangsdiagnostik durch ausgebildete Therapeuten, Starter-Set, Bereitstellung der individuell angepassten Therapie-Software, sechsmalige Auswertung der Trainingsdaten und telefonische Betreuung. Wie bereits das Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die zur Nutzung überlassenen Hilfsmittel untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode verbunden sind, nämlich der visuellen Restitutionstherapie, einer computergestützten Gesichtsfeldtherapie. Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem GBA vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen ist, sind die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen. Eine Bewertung durch den GBA ist auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese im Hinblick auf ihre diagnostische bzw. therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, B 3 KR 5/14 R, Rn. 13, und Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 17/16 R, Rn. 26, 29, beide juris).
Es liegt ferner auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist. Eine solche Ausnahme regelt § 2 Abs. 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat an dieser Stelle auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug und verzichtet insoweit auf eine erneute Darlegung der Entscheidungsgründe (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich ist eine Ausnahme für sogenannte Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen. Gleiches gilt für den Fall des sogenannten Systemversagens, d. h. dann, wenn der GBA dem in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 17/16 R, Rn. 53 juris). Derartige Ausnahmefälle sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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