L 5 R 137/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 R 352/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 137/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ist die Rücknahme einer Erwerbsunfähigkeitsrente bei Zahlung einer gleich hohen Altersrente für schwerbehinderte Menschen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme nicht mehr möglich.

2. Bei der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie der Altersrente für schwerbehinderte Menschen handelt es sich um verschiedene Geldleistungen im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsrechtszug zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung und Erstattung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von zuletzt noch 6.171,45 EUR für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010.

Der 1950 geborene und am 14. Februar 2018 zwischenzeitlich verstorbene C. A. (Versicherter) war in erster Ehe vom 1. Juni 1973 bis zur Ehescheidung am 31. Juli 1978 verheiratet mit Frau H. A. Nach der Ehescheidung fand 1979 mit Urteil des Familiengerichts Kassel ein Versorgungsausgleich zu Lasten seines Versicherungskontos statt. Seit April 1980 war der Versicherte mit seiner letzten Ehefrau, Frau A. A., der jetzigen Klägerin zu 1, verheiratet.

In einem erstmaligen Antrag auf eine Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vom 31. Oktober 1989 gab der Versicherte seinerzeit auf die Frage, ob eine Ehe nach dem 30. Juni 1977 aufgelöst wurde und hierbei über den Versorgungsausgleich (Übertragung oder Begründung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung) entschieden worden sei, "nein" an. Der Versicherte gab zudem an, verheiratet zu sein. Im Rahmen einer orthopädischen Begutachtung am 15. November 1989 gab der Versicherte bei den Angaben zur familiären Situation an, er sei verheiratet und habe zwei Kinder aus 2. Ehe sowie ein Kind aus 1. Ehe. Mit Rentenbescheid vom 4. Januar 1990 bewilligte die Beklagte dem Versicherten schließlich für die Zeit ab dem 2. Mai 1990 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31. Oktober 1991, ohne bei der Berechnung der Rente den nach Ehescheidung von seiner ersten Ehefrau ergangenen Versorgungsausgleich des Versicherten zu berücksichtigen.

Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 22. Mai 1991 gab der Versicherte bei einer orthopädischen Begutachtung am 26. Juni 1991 erneut an, er sei verheiratet und habe zwei Kinder aus 2. Ehe sowie ein Kind aus 1. Ehe. Mit Bescheid vom 9. August 1991 verlängerte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Mai 1993. Auf einen weiteren Weiterbewilligungsantrag vom 2. November 1992 wiederholte der Versicherte seine Angaben erneut anlässlich eines orthopädischen Gutachtens vom 5. Januar 1993. Mit Bescheid vom 2. Februar 1993 erkannte die Beklagte dem Versicherten die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer an.

Am 27. Januar 2010 stellte der Versicherte einen Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Im Rahmen der Antragstellung gab der Versicherte auf die Frage, ob ein Versorgungsausgleich wegen Ehescheidung/Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft durchgeführt worden sei, erneut "nein" an. Mit Bescheid vom 24. Februar 2010 bewilligte die Beklagte dem Versicherten ab dem 1. März 2010 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in gleicher Höhe wie die zuvor gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente, weiterhin ohne Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs.

Am 1. Mai 2015 erhielt die Beklagte eine automatisierte Meldung darüber, dass eine Rentenantragstellung eines durch den Versorgungsausgleich begünstigten früheren Ehepartners gemeldet worden sei. Auf ein Auskunftsersuchen der Beklagten zum Versorgungsausgleich der früheren Ehefrau des Versicherten übermittelte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Hessen das Urteil des Familiengerichts Kassel vom 10. Juli 1979 über den durchgeführten Versorgungsausgleich des Versicherten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau H. A. (Az. 79 B-74-F 963/78), eingegangen bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) am 30. August 1979. Danach wurden von der Rentenanwartschaft des Versicherten aus seinem Versicherungskonto bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau bei der BfA Anwartschaften in Höhe von 60,75 DM monatlich für die Ehezeit vom 1. Juni 1973 bis 31. Juli 1978 übertragen. Die BfA wurde vom Amtsgericht Kassel am 19. Oktober 1979 von der Rechtskraft und der Wirksamkeit der Entscheidung zum Versorgungsausgleich ab dem 2. Oktober 1979 informiert. Mit Schreiben vom 29. Februar 1980, eingegangen bei der BfA am 3. März 1980, teilte die LVA Hessen der BfA nochmals mit, dass aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Kassel vom 10. Juli 1979 eine Rentenanwartschaft in Höhe von 60,75 DM zu Lasten des Versicherten und zu Gunsten seiner geschiedenen Ehefrau übertragen wurde. Der geschiedenen Ehefrau wurde seitens der DRV Hessen Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem 1. Juni 2015 bewilligt.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 hörte die Beklagte den Versicherten daraufhin zu einer Rücknahme der Bescheide vom 4. Januar 1990 und 24. Februar 2010 mit Wirkung ab dem 2. Mai 1990 sowie Erstattung einer Überzahlung für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis 30. November 2015 in Höhe von 16.337,08 EUR an. Der Versicherte habe in den Anträgen vom 31. Oktober 1989 und 27. Januar 2010 unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X)), indem er die Fragen zum Versorgungsausgleich jeweils verneint habe. Zudem hätte er die Fehlerhaftigkeit der Bescheide aufgrund des Urteils zum Versorgungsausgleich erkennen müssen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 teilte der Versicherte mit, er habe in den Anträgen weder unvollständige noch unrichtige Angaben gemacht. Insbesondere hätten der Beklagten alle erforderlichen Informationen vorgelegen. So sei sie bereits 1979 über den Versorgungsausgleich informiert gewesen. Inzwischen sei die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 SGB X bereits abgelaufen, selbst die Zehnjahresfrist nach § 45 Abs. 3 SGB X sei zumindest teilweise bereits abgelaufen.

Mit Rentenbescheid vom 18. Februar 2016 berechnete die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 31. Dezember 1991 unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs neu. In der Anlage zum Bescheid nahm die Beklagte den Rentenbescheid vom 4. Januar 1990 mit Wirkung ab dem 2. Mai 1990 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 883,12 EUR. Die Rücknahme für die Zukunft sowie für die Vergangenheit sei nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zulässig, da der Versicherte die Frage zum Versorgungsausgleich verneint und somit unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht habe. Zudem habe er den Versorgungsausgleich gekannt und habe im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X anhand des Rentenbescheides erkennen können, dass dieser nicht berücksichtigt worden sei. Da der Bescheid nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X zurückgenommen werde, greife die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X. Hier könne die Rücknahme auch nach Ablauf von zehn Jahren erfolgen, da § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X gelte. Geldleistungen gölten unter anderem auch dann als "laufend gezahlt" im Sinne der Vorschrift, wenn nach einer rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X gezahlten Rente im Anschluss eine ebenfalls rechtswidrige Rente gezahlt werde (Nachfolgerente) und es sich dabei um denselben Rentenberechtigten handele. Dieser Sachverhalt liege vor, da der Versicherte seit Erteilung des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 durchgängig von ihr Rente bezogen habe. Im Wege des Ermessens sei berücksichtigt worden, dass die Beklagte ein Mitverschulden am Entstehen der Überzahlung trage. Die ehemalige LVA Hessen habe die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gekannt, die Beklagte hierüber jedoch nicht informiert. Dieses Verschulden müsse sich die Beklagte anrechnen lassen. Ein vollständiger Verzicht auf die Rückforderung könne nicht erfolgen. Die Forderung sei auf die Hälfte der Überzahlung reduziert worden.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 berechnete die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 28. Februar 2010 unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs neu. Die Beklagte nahm auch hier den Rentenbescheid vom 4. Januar 1990 mit Wirkung ab dem 2. Mai 1990 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 5,729,89 EUR. Die Beklagte wiederholte ihre Begründung aus dem Aufhebungsbescheid vom 18. Februar 2016 und gab u.a. an, der Versicherte habe im Antrag vom 27. Oktober 2010 [richtig: Anträge vom 31. Oktober 1989, 22. Mai 1991 und 2. November 1992] den Versorgungsausgleich verneint und damit unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Gegen den Bescheid legte der Versicherte am 15. Juni 2016 Widerspruch ein und verwies auf die Ausführungen im Rahmen der Anhörung.

Mit Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2016 reduzierte die Beklagte die mit Bescheid vom 18. Februar 2016 getroffene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Rückforderung von 883,12 EUR auf die Hälfte, d.h. 441,56 EUR. Während im Bescheid vom 3. Juni 2016 die Reduzierung der Rückforderungssumme bereits umgesetzt worden sei, werde dies nun auch für den Bescheid vom 18. Februar 2016 umgesetzt. Aus beiden Bescheiden ergebe sich nunmehr eine Gesamtforderung in Höhe von 6.171,45 EUR. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Dieser Bescheid wird nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens."

Mit Bescheid vom 10. August 2016 stellte die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen des Versicherten für den Zeitraum ab dem 1.März 2010 unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs neu fest und forderte für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. August 2016 eine Überzahlung in Höhe von 2.226,42 EUR zurück. Die Beklagte wiederholte ihre Begründung aus den Aufhebungsbescheiden vom 18. Februar und 3. Juni 2016 und gab an, der Versicherte habe im Antrag vom 27. Oktober 2010 den Versorgungsausgleich verneint und damit unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Zudem habe er die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gekannt und hätte anhand des Rentenbescheides erkennen können, dass dieser nicht berücksichtigt worden sei. Auch hiergegen erhob der Versicherte am 2. September 2016 Widerspruch und verwies auf die Ausführungen im Rahmen der Anhörung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2016 wurden die Widersprüche des Versicherten gegen die Bescheide vom 18. Februar, 3. Juni und 10. August 2016, soweit ihnen nicht durch Bescheid vom 6. Juli 2016 abgeholfen worden war, zurückgewiesen. Die Beklagte verpflichtete sich, die entstandenen notwendigen Aufwendungen des Versicherten zu 7/100 zu erstatten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, einem Verzicht auf die Rückforderung der Überzahlung in Höhe von 8.397,87 EUR könne nicht entsprochen werden. Der Bescheid vom 4. Januar 1990 habe die folgende begünstigende aber rechtswidrige Regelung enthalten: "Der aus dem Versorgungsausgleich zu übertragende Betrag wurde bisher nicht berücksichtigt." Der Versicherte könne nicht auf den Bestand dieses Bescheides vertrauen, da er aufgrund des ihm vorliegenden Beschlusses des Familiengerichts Kassel vom 10. Juli 1979 über den Versorgungsausgleich die Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 habe erkennen können. Im Rahmen der Ermessensausübung überwiegten die Gründe für eine Rücknahme des Bescheides. Der zweckgerechten Verwendung der Mittel und dem Interesse der Versichertengemeinschaft sei ein so großes Gewicht beizumessen, dass auch im Wege des Ermessens nicht von einer Aufhebung des Bescheides vom 4. Januar 1990 für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis 31. August 2016 über den Betrag in Höhe von 8.397,87 EUR (441,56 EUR + 5.729,89 EUR + 2.226,42 EUR) hinaus abgesehen werden könne. Bei der Ermessensentscheidung sei bereits zugunsten des Versicherten berücksichtigt worden, dass die Beklagte die Daten zum Versorgungsausgleich bei der Rentenbewilligung nicht vorgegeben habe. Von einem gleichwertigen Verschulden des Versicherten sei auszugehen, da auch er die Überzahlung bei Prüfung des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 ganz bzw. teilweise hätte verhindern können. Die Rückforderung von nur 50 von 100 der Überzahlung sei in der Form durchgeführt worden, dass als gezahlte Rente dieser Betrag für die Gegenüberstellung mit der zustehenden Rente um die Hälfte der Überzahlung gemindert worden sei. Dies sei mit den Bescheiden vom 3. Juni und 10. August 2016 umgesetzt worden. Für den Bescheid vom 18. Februar 2016 sei dies mit dem Abhilfebescheid vom 6. Juli 2016 nachgeholt worden.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Versicherte am 23. November 2016 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 31. Januar 2018 hat das Sozialgericht Kassel unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2016 die Bescheide der Beklagten vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und vom 6. Juli 2016 aufgehoben. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Die Beklagte ist verpflichtet worden, dem Versicherten ¾ seiner Kosten zu erstatten. In der Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10. August 2016 mit der teilweisen Rücknahme des Bescheides über die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 24. Februar 2010 für die Zeit ab dem 1. März 2010 sei rechtmäßig. Der Versicherte habe einen Betrag in Höhe von 2.226,42 EUR zu erstatten. Die Beklagte habe den begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X teilweise aufheben dürfen. Der Bescheid vom 24. Februar 2010 sei aufgrund der mangelnden Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches, der nach dem Urteil des Familiengerichts Kassel vom 10. Juli 1979 (Az. 79 B-74-F 963/78) vorgenommen worden war, teilweise von seinem Erlasszeitpunkt an rechtswidrig gewesen, weil in ihm die übertragenen Versorgungsanwartschaften auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau des Versicherten nicht berücksichtigt worden waren, was einen zu hohen Rentenzahlbetrag zugunsten des Versicherten ausgelöst habe. Im Antragsformular der Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei das vorgesehene Feld für die Angabe des Versorgungsausgleiches mit "Nein" beantwortet worden. Der Verwaltungsakt habe damit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auf Angaben beruht, die der Versicherte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der Versicherte sei verpflichtet gewesen, seine Antragstellung auf Richtigkeit zu überprüfen und die Beklagte und ihre Mitarbeiter auf mögliche Fehler hinzuweisen. Darüber hinaus habe der Versicherte auch bereits im Jahre 1990 bei der erstmaligen Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente im Antragsformular die entsprechende Eintragung mit "Nein" zum Versorgungsausgleich vorgenommen. Darüber hinaus habe der Versicherte bei Kenntnisnahme und zutreffender Würdigung des Altersrentenbescheides vom 24. Februar 2010 auch erkennen müssen, dass der Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei, so dass auch von einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherten ausgegangen werden müsse. Die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGBX habe die Beklagte beachtet. Ebenso habe die Beklagte bei der Ermessensausübung ihr eigenes Mitverschulden berücksichtigt, wobei nicht zu beanstanden sei, wenn die Beklagte sich ihr Mitverschulden aufgrund der ihr zuzurechnenden Kenntnis der damaligen Landesversicherungsanstalt Hessen vom Versorgungsausgleich in Höhe der Hälfte des Rückforderungsbetrages selbst zugerechnet habe. Dagegen seien die aufgehobenen Bescheide rechtswidrig soweit die Beklagte die teilweise Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 vorgenommen habe. Zwar lägen zur Überzeugung der Kammer die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X vor, da der Versicherte bereits bei Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente am 31. Oktober 1989 im Antragsformular (Blatt 3, Rückseite, der Beklagtenakte) falsche Angaben zum Versorgungsausgleich gemacht habe bzw. unzutreffend angegeben habe, dass ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden sei, und er ferner diesen Umstand bei sorgfältiger Durchsicht der Bescheide habe erkennen müssen. Die Bewilligungsbescheide über Erwerbsunfähigkeitsrente vom 4. Januar 1990 und vom 9. August 1991 bzw. 2. Februar 1993, mit welchen dem Versicherten insgesamt Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 bewilligt worden war, lägen jedoch nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 2 [wohl Abs. 3] Satz 3 Nr. 1 SGB X, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (nur) bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden könne. Auch wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X im Falle des Versicherten vorlägen, sei die Zehnjahresfrist bei Erlass der Rücknahmebescheide vom 18. Februar 2016 und 3. Juni 2016 bereits abgelaufen gewesen. Damit komme es für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Erwerbsunfähigkeitsrentenbescheide der Jahre 1989, 1991 und 1993 auf die Vorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X an. Hiernach könne in den Fällen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt worden sei. Dies sei für die Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten nicht der Fall, da diese lediglich bis zum 28. Februar 2010 gezahlt worden sei, wie es die Bescheide der Beklagten vom 4. Januar 1990, 9. August 1991 und zuletzt vom 2. Februar 1993 bestimmt hätten. Denn ab dem 1. März 2010 sei dem Versicherten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt worden. Zwar habe es sich bei der bis zum 28. Februar 2010 gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente des Versicherten um eine laufende Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X gehandelt. Die sich dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 1. März 2010 nahtlos anschließende Altersrente sei jedoch eine andere Sozialleistung, die mit der ersten Sozialleistung der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht in Zusammenhang stehe. Der Ansicht der Beklagten, die Erwerbsunfähigkeitsrente sei bis zum Zeitpunkt des Beginns des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt worden, weil nahtlos Rentenleistungen, darunter die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, als sogenannte Nachfolgerenten bis zu diesem Zeitpunkt gezahlt worden seien, vermöge sich die Kammer nicht anzuschließen. Bei der bis zum 28. Februar 2010 geleisteten Erwerbsunfähigkeitsrente und der Altersrente für schwerbehinderte Menschen handele es sich nicht um eine einheitliche Geldleistung. Dies ergebe sich u.a. aus den unterschiedlichen Sicherungszielen der Rentenbewilligung, denen jeweils andere Versicherungsfälle und andere soziale Risiken zugrunde lägen. Weder Gesetzeswortlaut noch Sinn und Zweck oder Gesetzessystematik stützten die Auffassung der Beklagten. Die Unterschiede in den verschiedenen Rentenarten, der jeweils andere Versicherungsfall, das jeweils andere versicherte Risiko und die jeweils andersartig gestalteten (ggf. besonderen) rentenrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den einzelnen Rentenarten führten dazu, dass nicht von einer einheitlichen Geldleistung der Rente ausgegangen werden könne, sondern lediglich von sich aneinander anschließenden Sozialleistungen für unterschiedliche Risikofälle. Dem stehe das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 1. Juli 2010 (Aktenzeichen B 13 R 77/09 R) nicht entgegen, nach dem die rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines Begünstigten auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist trotz Nichtzahlung zu Beginn des Verwaltungsverfahrens nicht ausgeschlossen sei, solange der das Ende der Rentenzahlung verfügende Verwaltungsakt noch nicht bindend sei. Vorliegend seien die Rentenbewilligungsbescheide über die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers vom 4. Januar 1990, 9. August 1991 und 2. Februar 1993 jedoch bestandskräftig geworden. Das Bundessozialgericht habe unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X ausgeführt, dass nach dem System des § 45 SGB X bereits die Zehnjahresfrist in § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung als Ausnahmeregelung ausgestaltet sei und der Sanktion für ein vom Gesetzgeber missbilligtes Verhalten des Leistungsempfängers diene. Das missbilligte Verhalten führe zum Verlust der in § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X festgelegten Vergünstigung, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits mit Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe nicht mehr zu Lasten des Begünstigten zurückgenommen werden könne. Zwar liege auch im vorliegenden Falle des Versicherten ein zu missbilligendes Verhalten im Sinne der Gesetzesbegründung vor (falsche Angaben bei der Antragstellung bzw. zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidungen). Es lasse sich der Entscheidung des Bundessozialgerichtes jedoch nicht entnehmen, ob die dauerhafte Gewährung unterschiedlicher Rentenarten zur gleichzeitigen Annahme einer einheitlichen Sozialleistung und ihrer Zahlung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme führe. Die Beklagte habe ihre Auffassung, wonach es sich um sogenannte Nachfolgerenten handele, die als einheitliche Geldleistung aufgefasst werden müssten, nicht näher begründet. Angesichts der im vorliegenden Falle unterschiedlichen Rentenarten und der unterschiedlichen Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen habe sich die Kammer daher nicht der Auffassung einer einheitlichen Geldleistung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme anzuschließen vermocht. Hierfür spreche auch, dass für die Feststellung der weiteren Voraussetzungen einer Altersrente - wie im Falle des Versicherten - weitere Voraussetzungen hinzutreten müssten, insbesondere eine erneute Antragstellung mit neuen Angaben über die Anspruchsvoraussetzungen. So sei der Versicherte anlässlich der Beantragung seiner Altersrente für schwerbehinderte Menschen im Februar 2010 gehalten gewesen, einen neuen Antrag zu stellen und hierbei auch erneut Angaben zu einem möglichen Versorgungsausgleich zu machen. Das Gericht sehe sich bestätigt durch die Einschätzung des Bundessozialgerichtes in seinem Urteil vom 2. November 2015 (Az. B 13 R 27/14 R), wonach eine rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines gesetzwidrig Begünstigten ausgeschlossen sei, wenn zu Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens die Rente nicht mehr gezahlt worden sei, der das Ende der Rentenzahlung verfügende Verwaltungsakt bereits bestandskräftig geworden sei und der aus einem (vermeintlichen) "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch - aus welchen Rechtsgründen auch immer - vernichtet bzw. untergegangen sei. Das Bundesssozialgericht habe ausgeführt, sei der aus einem "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch vernichtet oder untergegangen, so könne trotz des Weiterbestehens des "Stammrechts" auf Rente auch keine Zahlung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X mehr vorliegen. Aufgrund der im vorliegenden Falle von der Beklagten vorgenommenen Bewilligung der Altersrente ab dem 1. März 2010 und der Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) sowie des § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI sei der zuvor bestehende Zahlungsanspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente aufgrund der 1990, 1991 und 1993 bewilligten Zahlungen untergegangen.

Gegen das ihr am 21. März 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. April 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Das Berufungsverfahren wird durch die Mitglieder der Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolger des Versicherten geführt.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, die angefochtenen und vom Sozialgericht aufgehobenen Bescheide vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und 6. Juli 2016 seien rechtmäßig. Die Aufhebung und Rückforderung überzahlter Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 28. Februar 2010 folge aus §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3, 50 SGB X. Der Versicherte habe sowohl bei der Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente als auch bei der Beantragung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen die Durchführung eines zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs verschwiegen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege ein Anwendungsfall des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X vor, so dass die Zehnjahresfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X der teilweisen Rücknahme nicht entgegenstehe. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X müsse nicht streng am Wortlaut sondern unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung derart verstanden werden, dass unredliche Leistungsbezieher im Rahmen der Fristenregelung des § 45 Abs. 3 SGB X nicht zu begünstigen seien. Nach Sinn und Zweck der Regelung müssten daher die Geldleistungen für die Erwerbsunfähigkeitsrente sowie die Altersrente für schwerbehinderte Menschen als einheitliche, durchgängig gezahlte Geldleistung angesehen werden. Von einem abgeschlossenen Fall könne bis zur Einleitung des Verwaltungsverfahrens zur Rücknahme des Bescheides vom 4. Januar 1990 nicht ausgegangen werden. Selbst wenn § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X nicht einschlägig sein sollte, so liege ein Wiederaufnahmegrund entsprechend § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X i.V.m. § 580 Nr. 7b Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Bei dem Versorgungsausgleichsurteil handele es sich um eine Urkunde, die zwar bei der Entscheidung über die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente bereits vorhanden war, ihre Existenz der Beklagten aber damals nicht bekannt gewesen sei. Diese Urkunde sei erst nachträglich durch die Beklagte aufgefunden worden. Die Kenntnis der Urkunde hätte seinerzeit eine rechtmäßige Entscheidung herbeigeführt. Der Versicherte habe zudem arglistig getäuscht im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X, so dass die rechtwidrige Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente unbefristet habe zurückgenommen werden dürfen. Neben dem Verschweigen wahrer Tatsachen hinsichtlich des Versorgungsausgleichs habe beim Versicherten auch ein Täuschungswille vorgelegen. Der Versicherte habe aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Kassel vom 10. Juli 1979 von der Übertragung der Rentenanwartschaft von seinem Versicherungskonto gewusst. Er habe die Anträge auf Erwerbsunfähigkeitsrente und Altersrente jeweils in einer Auskunfts- und Beratungsstelle aufnehmen lassen. Die Mitarbeiter der Beklagten füllten diese Anträge nicht ohne Befragung der Antragsteller aus. Der Versicherte sei daher jeweils nach dem Versorgungsausgleich gefragt worden, habe diese Frage aber zweimal wahrheitswidrig beantwortet. Hieraus ergebe sich erkennbar der Wille, die Beklagte durch Verschweigen des Versorgungsausgleichs zu täuschen. Auch sei unschädlich, dass als zurückzunehmende Bescheide die Weiterzahlungsbescheide vom 9. August 1991 und 2. Februar 1993 nicht ausdrücklich genannt worden seien.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Januar 2018 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Darüber hinaus lägen jedoch bereits die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X nicht vor. Soweit eine Überzahlung eingetreten sei, habe dies die Beklagte verschuldet. Der Versicherte habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unvollständige oder unrichtige Angaben gemacht. Die Beklagte sei bereits seit 1979 über den Versorgungsausgleich aus erster Ehe informiert gewesen. Im Rahmen der laufenden Ehe habe kein Versorgungsausgleich stattgefunden. Zwischenzeitlich seien zudem die Fristen des § 45 Abs. 3 SGB X abgelaufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte des Versicherten (Bände I bis III), deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Januar 2018 ist nicht zu beanstanden.

Gegenstand des Berufungsverfahrens der Beklagten ist lediglich die vom Sozialgericht ausgesprochene und sie beschwerende Aufhebung der Bescheide vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und 6. Juli 2016 unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2016 hinsichtlich der teilweisen Rücknahme der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 sowie die damit einhergehende Erstattungsforderung gegen den Versicherten in Höhe von 6.171,45 EUR. Hiergegen wendete sich der Versicherte mit der isolierten Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die vom Sozialgericht ebenfalls ausgesprochene Abweisung der Klage im Übrigen - betreffend den Renten-Neufeststellungsbescheid vom 10. August 2016 mit teilweiser Rücknahme des Rentenbescheides vom 24. Februar 2010 für die Zeit ab dem 1. März 2010 sowie die damit einhergehende Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 2.226,42 EUR - wurde seitens der Rechtsnachfolger des Versicherten nicht mit der Berufung angegriffen und ist insoweit rechtskräftig.

Einer gerichtlichen Überprüfung steht zunächst nicht eine auch das Gericht bindende bestandskräftige Entscheidung nach § 77 SGG hinsichtlich der teilweisen Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 31. Dezember 1991 entgegen. Zwar wurde gegen den Bescheid vom 18. Februar 2016 zunächst kein Widerspruch erhoben. Mit sogenanntem Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2016 hat die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 18. Februar 2016 jedoch nochmals für den gesamten Zeitraum unter erneutem Ausüben ihres Ermessens und mit einer Reduzierung der Rückforderungssumme auf die Hälfte abgeändert. Der Ergänzungsbescheid enthielt dabei den Hinweis, dass dieser Bescheid nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde. Mangels Vorliegen eines Widerspruchs bzw. eines Widerspruchsverfahrens bezüglich des Bescheides vom 18. Februar 2016 war dieser Hinweis der Beklagten fehlerhaft und enthielt dem Versicherten die Einlegung eines Rechtsmittels gegen den Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2016 vor. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei lediglich um eine unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung handelte, wonach für die Einlegung des Widerspruchs statt der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG galt, oder sogar um einen Hinweis darauf handelte, dass gegen den Bescheid kein Rechtsmittel gegeben sei (§ 66 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 SGG), wonach selbst die Jahresfrist nicht anwendbar wäre (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 66, Rn. 13d; Jung, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 66, Rn. 29). Denn vorliegend hat der Versicherte zwar auch innerhalb der Jahresfrist nicht ausdrücklich Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Juli 2016 erhoben, in Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. nur: BSG, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/08 R; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R) ist jedoch sein innerhalb der Jahresfrist erfolgter Vortrag in der Klagebegründung vom 5. Januar 2017, der Beklagten durch das Gericht übersandt am 6. Januar 2017, auch als Widerspruch gegen den Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2016 auszulegen. Denn der Versicherte hat sich mit seiner Klage ausdrücklich auch gegen die teilweise Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 31. Dezember 1991 sowie die damit einhergehende Erstattungsforderung gewendet. Dagegen bedurfte es aus Gründen der Verfahrensökonomie insoweit keines gesonderten Widerspruchsbescheides der Beklagten mehr, denn die Beklagte hatte sowohl vor Klageerhebung im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2016, der den Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2016 ausdrücklich zum Gegenstand des Widerspruchsbescheides gemacht hatte, als auch im Laufe des Klageverfahrens ihre Rechtsauffassung zur Rechtmäßigkeit der teilweisen Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 31. Dezember 1991 in Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 6. Juli 2016 mehrfach und endgültig zum Ausdruck gebracht. Der Erlass eines weiteren Widerspruchsbescheides wäre insoweit bloße Förmelei (zur Entbehrlichkeit des Widerspruchsbescheides in diesem Falle vgl. auch BSG, Urteile vom 2. August 1977, 9 RV 102/76 und 9 RVs 1/77). Somit durfte das Sozialgericht und nach Berufung ebenso der Senat die Rechtmäßigkeit der teilweisen Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente auch für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis 31. Dezember 1991 überprüfen.

Die Bescheide vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und 6. Juli 2016 unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2016 hinsichtlich der teilweisen Aufhebung der Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 sind rechtswidrig und beschwerten den Versicherten im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG.

Als Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 mit Wirkung für die Vergangenheit kommt vorliegend § 45 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 2 oder 3 SGB X in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind vorliegend allerdings wegen Verstoßes gegen die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht erfüllt.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Mit - wie hier - Wirkung für die Vergangenheit wird der Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X nur in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 und des Absatzes 3 Satz 2 zurückgenommen. Die Behörde muss dies nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X allerdings nicht berufen, soweit

1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Bei dem Rentenbescheid vom 4. Januar 1990 handelt es sich um einen den Versicherten begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Einem schutzwürdigen Vertrauen des Versicherten steht zunächst nicht die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X entgegen, denn die insoweit beweisbelastete Beklagte hat zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, dass der Rentenbescheid durch eine arglistige Täuschung erwirkt wurde. Für die Anforderungen an eine Täuschung kann auf die Rechtsprechung zu § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückgegriffen werden (Steinwedel, Kass. Kommentar, 101. EL September 2018, § 45 SGB X, Rn. 37). Danach hat das Tatbestandsmerkmal der "Arglistigkeit" keine eigenständige Bedeutung und ist vielmehr mit "vorsätzlich" gleichzusetzen (Armbrüster, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 123 BGB, Rn. 18, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Bei bloßer Fahrlässigkeit, selbst bei gröbster Fahrlässigkeit des den Irrtum Hervorrufenden, liegt keine Arglist vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich ein entsprechender Vorsatz des Versicherten zur Täuschung der Beklagten, insbesondere ein hierfür erforderlicher Täuschungswille, zur Überzeugung des Senats nicht allein aus den Angaben des Versicherten in seinen Anträgen auf Rentengewährung sowie dem Unterlassen einer Korrektur nach Erhalt der jeweiligen Rentenbescheide ableiten. Der Versicherte verfügte über keine besonderen rentenrechtlichen Kenntnisse und nahm für die Antragstellungen, wie von der Beklagten selbst ausgeführt, die Hilfe einer Auskunfts- und Beratungsstelle in Anspruch. Der Versicherte durfte zudem grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beklagte, unabhängig von seinen Angaben, bereits über die Durchführung des Versorgungsausgleichs informiert worden war, was ausweislich der Rentenakte des Versicherten seinerzeit auch durch das Amtsgericht Kassel geschehen war. Ob der Versicherte daher davon ausgehen konnte, durch seine Angaben bei der Beklagten überhaupt einen Irrtum zu erregen, ist zweifelhaft. Aufgrund seines Todes vor Beginn des Berufungsverfahrens konnte sich der Senat auch kein weitergehendes eigenes Bild von der subjektiven Einstellung des Versicherten bilden. Der Nachweis eines Vorsatzes hinsichtlich einer Täuschung der Beklagten im Sinne des Vollbeweises ist aus Sicht des Senats nicht erbracht.

Es kann zur Überzeugung des Senats darüber hinaus dahingestellt bleiben, ob der verstorbene Versicherte die in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angabe zum Versorgungsausgleich durch die Beantwortung der entsprechenden Frage mit "Nein" in seinem erstmaligen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 31. Oktober 1989 sowie in den Weiterbewilligungsanträgen vom 22. Mai 1991 und 2. November 1992 zumindest grob fahrlässig gemacht oder die Rechtswidrigkeit der Rentenbescheide für den Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 nur zumindest grob fahrlässig verkannt hat. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist dabei nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006, B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG, Urteile vom 25. April 1990, 7 RAr 20/89, und vom 24. April 1997, 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSG, Urteil vom 13. Dezember 1972, 7 RKg 9/69 = BSGE 35, 108, 112; Urteil vom 20. September 1977, 8/12 RKg 8/76 = BSGE 44, 264, 273). Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Versicherten zum Zeitpunkt der Antragstellungen bzw. bei Erhalt der Rentenbescheide ausreichend war, um ein Verschulden annehmen zu können, und ob die ihm vorgeworfene grobe Fahrlässigkeit schon deshalb nicht mehr nachprüfbar ist, weil er zwischenzeitlich verstorben ist (so z.B. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. Mai 2018, L 1 R 340/15, juris Rn. 57). Denn einer teilweisen Rücknahme des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 steht insoweit jedenfalls die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X entgegen.

Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Das gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.

Der im Januar 1990 bekanntgegebene Rentenbescheid, der nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen war, durfte danach selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 oder 3 SGB X nur bis Januar 2000 zurückgenommen werden. Für den Rentenbescheid vom 9. August 1991 lief die Frist bis August 2001, für den Rentenbescheid vom 2. Februar 1993 bis Februar 2003. Die angegriffenen Rücknahmebescheide vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und 6. Juli 2016 halten diese Fristen offensichtlich nicht ein.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine zeitlich unbegrenzte Rücknahmemöglichkeit nach § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X berufen. Danach kann in den Fällen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Die Übergangsvorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 5 SGB X, nach der bei Ablauf der Zehnjahresfrist bereits am 15. April 1998 Satz 4 mit der Maßgabe gilt, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden kann, kommt im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht.

Das Verwaltungsverfahren über die Rücknahme begann im Sinne der §§ 8, 18 Satz 1 SGB X vorliegend frühestens mit dem Eingang der automatisierten Meldung über die Rentenantragstellung der durch den Versorgungsausgleich begünstigten geschiedenen Ehefrau des Versicherten bei der Beklagten am 1. Mai 2015. Bis zu diesem Zeitpunkt gewährte die Beklagte dem Versicherten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei dieser Geldleistung handelt es sich zur Überzeugung des Senats jedoch bereits nicht mehr um die laufende Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X, die durch die Beklagte aufgehoben wurde.

Die Sätze 4 und 5 sind in § 45 Abs. 3 SGB X durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6. April 1998 (BGBl I S. 688) mit Wirkung vom 15. April 1998 eingefügt worden. Die Gesetzesänderung erfolgte aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. März 1998 (BT-Drucks 13/10033). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/10033, S. 20 zu Art. 5 Nr. 2) hieß es u.a.: "Die Praxis, insbesondere bei den Trägern der Rentenversicherung, hat gezeigt, daß rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nach Überschreitung der Zehnjahresfrist nicht mehr zurückgenommen werden können, auch wenn sich der Rentner der Unrechtmäßigkeit z.B. doppelter Rentenzahlungen bewußt ist (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Der Bundesrechnungshof fordert eine Rechtsänderung (BT-Drucksache 13/5700). Die Neuregelung läßt eine Rücknahme auch nach Ablauf von 10 Jahren zu, begrenzt die Rücknahme aber auf laufende Geldleistungen. Abgeschlossene Fälle werden nicht erfaßt."

Mit der Gesetzesänderung wollte der Gesetzgeber die vom Bundesrechnungshof angemahnten offensichtlich unbilligen Ergebnisse bei der Anwendung der strikten Zehnjahresfrist vermeiden und Bedenken ausräumen, die der bis dahin geltenden Fristenregelung des § 45 Abs. 3 SGB X einen "Betrügerschutz" (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris Rn. 45 m.w.N.) entnommen hatten.

Nach dem System des § 45 SGB X ist bereits die Zehnjahresfrist in § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X für die Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung als Ausnahmeregelung ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1992, 9a RV 20/90, juris Rn. 26; vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, juris Rn. 43.). Sie dient der Sanktion für ein vom Gesetzgeber missbilligtes Verhalten des Leistungsempfängers (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X). Das missbilligte Verhalten führt zum Verlust der in § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X festgelegten Vergünstigung, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits nach Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe nicht mehr zu Lasten des Begünstigten zurückgenommen werden kann. Vielmehr tritt die Rücknahmesperre in solchen Fällen gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X erst zehn Jahre nach Bescheiderteilung ein, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des seit dem 15. April 1998 geltenden weiteren Ausnahmetatbestands des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X vor: Handelt es sich um einen Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung, und wird diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens (§§ 8, 18 SGB X) über die Rücknahme gezahlt, dann kann dieser rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren seit seinem Erlass noch zurückgenommen werden.

Die zurückzunehmenden Verwaltungsakte über eine laufende Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X sind die Rentenbescheide vom 4. Januar 1990, 9. August 1991 und 2. Februar 1993. Die laufende Geldleistung ist damit die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Versicherten. "Diese Geldleistung" wurde nicht bis mindestens zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme "gezahlt", denn zu diesem Zeitpunkt erhielt der Versicherte eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie der Altersrente für schwerbehinderte Menschen handelt es sich um verschiedene Geldleistungen im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X. Zwar wurde dem Kläger bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 durchgängig seitens der Beklagten eine monatliche Rentenzahlung gewährt, es handelte sich mit Wechsel der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen jedoch nicht mehr um die Geldleistung, die rückwirkend aufgehoben wurde. Der Kläger hatte zunächst ein Stammrecht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit inne. Bereits nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ruhte dieses Stammrecht (vgl. Wehrhahn, Kass. Kommentar, 101. El September 2018, § 89 SGB VI, Rn. 10; Jentsch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 89 SGB VI, Rn. 7; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002, B 4 RA 9/01 R, juris Rn. 14) durch entstehen des weiteren Stammrechts auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Denn bei gleich hohen Renten steht nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Rang 3) im Rang vor der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Rang 8). Es handelt sich bei den Rechten auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen um zwei verschiedene Rechte mit unterschiedlichen Versicherungsfällen und unterschiedlichen Versicherungszielen. Schutzgut der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist das allgemeine Leistungsvermögen, also die Fähigkeit des Versicherten, sich durch Erwerbstätigkeit überhaupt unterhalten zu können (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002, B 4 RA 9/01 R, juris Rn. 14). Ziel der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist die Begrenzung des Erwerbslebens bis zur Vollendung einer Altersgrenze unter Berücksichtigung der Anpassung der Renteneintrittszeit an die Bedürfnisse behinderter Menschen. Während der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeitsrente eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht voraussetzt, setzt der Versicherungsfall der Altersrente das Erreichen einer Altersgrenze voraus, wenn auch ggf. - wie hier - modifiziert aufgrund medizinischer Voraussetzungen. Ein einziges "Recht auf Rente" gibt es nicht (vgl. auch die in § 33 SGB VI aufgeführten unterschiedlichen Rentenarten). Der monatliche Zahlungsanspruch aus der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ruhte damit ab März 2010 mit der bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen, weshalb trotz (Fort-)Bestehens des Stammrechts eine Zahlung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X nicht mehr vorliegen konnte. Eine fortdauernde Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme frühestens im Mai 2015 scheidet bereits aus diesem Grunde aus.

Zwar bleiben bei konkurrierenden Rentenansprüchen im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI beide Rentenansprüche grundsätzlich dem Grunde nach bestehen (BSG, Urteil vom 7. September 2010, B 5 KN 4/08 R, juris Rn. 27; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 25. Mai 2018, B 13 R 33/15 R, juris Rn. 24) und der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit endete bis zum Beginn des Verwaltungsverfahren über die Rücknahme im Mai 2015 auch nicht nach § 302b Abs. 1 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554)) durch Erreichen der Regelaltersgrenze des Klägers (hier für den 1950 geborenen Versicherten nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mit 65 Jahren und vier Monaten im Juni 2015). Nach bestandskräftiger Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Bescheid vom 24. Februar 2010 war bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ein Wiederaufleben der Geldleistung aus der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit jedoch nur durch einen Verzicht des Versicherten auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 46 Abs. 1 SGB I möglich. Von dieser Möglichkeit hat der Versicherte bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme indes keinen Gebrauch gemacht. Die Zahlung einer Geldleistung aus der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lag auch aus diesem Gesichtspunkt zum maßgeblichen Zeitpunkt im Mai 2015 nicht mehr vor.

Dies steht auch im Einklang mit dem in der Gesetzesbegründung aufgenommenen Hinweis, dass nur "abgeschlossene Fälle" von der Rücknahme nach Ablauf der Zehnjahresfrist nicht mehr erfasst werden sollten (BT-Drucks 13/10033, S. 20, zu Art. 5 Nr. 2). Denn nur in diesen abgeschlossenen Fällen soll der unredliche Leistungsempfänger die ihm vom Gesetzgeber nach der materiellen Rechtslage nicht zugedachte Dauerleistung behalten dürfen. Das in der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Versicherten versicherte Risiko einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit führte zur Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Inanspruchnahme der Altersrente war dieser Leistungsfall jedoch abgeschlossen, da es für die Rentenzahlung auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ankam. Vielmehr galten für die Gewährung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nunmehr neue tatbestandliche Voraussetzungen, die u.a. auch eine separate Antragstellung durch den Versicherten erforderten. Die Absicherung des Risikos "Minderung der Erwerbsfähigkeit" war damit abgeschlossen. Insofern vermag auch der Umstand, dass der Versicherte durchgängig monatliche Rentenzahlungen erhalten hat - von der Beklagten als "Nachfolgerente" bezeichnet - die Voraussetzung einer andauernden laufenden Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X nicht zu begründen.

Eine andere Auslegung wäre auch unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten im Sinne einer zu missbilligenden Perpetuierung des Unrechts nicht zulässig. Dem Anwendungsbereich der Zehnjahresfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X liegt als Ausnahmevorschrift bereits zugrunde, dass sich der Betroffene - außerhalb der Fälle eines Widerrufsvorbehalts - im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X schuldhaft treuwidrig verhalten hat. Ansonsten wäre in diesen Fällen lediglich die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X einschlägig. Sofern der Gesetzgeber bei Einführung der Rückausnahme in § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X für eine unbefristete Rücknahmemöglichkeit als tatbestandliche Voraussetzung darauf abstellt, dass die zu Unrecht bezogene laufende Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens gezahlt worden sein muss, ist es im Rahmen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG)) nicht Aufgabe des Gerichts, die Angemessenheit oder Zweckmäßigkeit dieser Voraussetzung bzw. des Verbleibs der rechtswidrigen Geldleistung bei einem schuldhaft agierenden Leistungsempfänger außerhalb dieser Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerten.

Der Senat sieht sich mit dieser Auslegung auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X.

In einer Entscheidung vom 1. Juli 2010 (B 13 R 77/09 R) hat das Bundessozialgericht eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente wegen Wiederheirat des Klägers gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X nicht an der Zehnjahresfrist scheitern lassen, obwohl die Witwerrente zu Beginn des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids führte, wegen Anrechnung von Einkommen tatsächlich nicht mehr gezahlt wurde. Sie gelte jedoch als "gezahlt", da zu Beginn dieses Verwaltungsverfahrens über den monatlichen Zahlungsanspruch noch keine ablehnende bestandskräftige Entscheidung der Beklagten vorgelegen hatte, weil der Kläger gegen die insoweit von der Beklagten ausgesprochene Aufhebung der Bewilligung der Witwenrente aufgrund der Anrechnung von Einkommen Widerspruch eingelegt hatte. Aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung lasse sich jedenfalls mit hinreichender Deutlichkeit noch entnehmen, dass von § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X auch solche Fälle erfasst werden, die hinsichtlich der "Zahlung" der unrechtmäßig empfangenen "laufenden Geldleistung" bis zum Beginn des Rücknahme-/Aufhebungsverwaltungsverfahrens noch nicht abgeschlossen seien. Insoweit folgerichtig finde sich in der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift auch der Hinweis, dass nur "abgeschlossene Fälle" von der Rücknahme nach Ablauf der Zehnjahresfrist nicht mehr erfasst werden sollen (BT-Drucks 13/10033 S 20 zu Art 5 Nr. 2); (nur) in diesen "abgeschlossenen Fällen" solle also der unredliche Leistungsempfänger die ihm vom Gesetzgeber nach der materiellen Rechtslage nicht zugedachte Dauerleistung behalten dürfen. Liege aber zu Beginn eines Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme/Aufhebung nach Ablauf der Zehnjahresfrist noch keine bestandskräftige Entscheidung über das Ende der "Zahlung" der streitigen "laufenden Geldleistung" vor, könne der Leistungsfall (hier im Sinne von "Zahlungsfall") nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Eine "laufende Geldleistung" verliere ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet gezahlt werde (vgl. BSG Urteil vom 26.9.2006, B 1 KR 1/06 R). Sie gelte daher trotz Zahlungsunterbrechung z.B. auch dann noch als bis zum Beginn des Rücknahmeverfahrens "gezahlt" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X mit der Folge, dass der Anwendungsbereich dieser Norm eröffnet werde, wenn die faktische Zahlungseinstellung ihre Ursache allein in technischen Gründen habe. Dies müsse dann aber auch für den Fall gelten, dass zu Beginn eines Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung der Bewilligung einer wiederkehrenden Sozialleistung nach Ablauf der Zehnjahresfrist seit Eintritt der wesentlichen Änderung zwar (tatsächlich) keine Zahlung mehr erfolge, der das Ende der Zahlung verfügende Verwaltungsakt zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei (§ 77 SGG). Denn wenn der Begünstigte gegen den die Zahlungseinstellung verfügenden Bescheid Widerspruch einlege, bringe er selbst zum Ausdruck, dass er den Leistungsfall noch nicht als abgeschlossen betrachte, sondern dass er seinen - vermeintlichen - "Zahlungsanspruch" aus der "laufenden Geldleistung" weiter verfolgen und damit die vom Gesetzgeber missbilligte Perpetuierung des Unrechts durch Empfang einer ihm rechtlich nicht zustehenden Geldleistung (hier: Witwerrente trotz Wiederheirat) fortsetzen wolle. Ein schützenswertes Bestandsinteresse des Betroffenen bestehe nicht. Vielmehr gelte eine "laufende Geldleistung" bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über ihre Rücknahme/Aufhebung stets noch als "gezahlt" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X (i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X), solange der das Ende der Zahlung verfügende Verwaltungsakt noch nicht bindend sei. Zunächst unterscheidet sich der vom Bundessozialgericht zu beurteilende Sachverhalt vom hiesigen Sachverhalt bereits dadurch, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme der laufenden Geldleistung keine tatsächliche Zahlung mehr stattgefunden hat, d.h. das Tatbestandsmerkmal "gezahlt" problematisiert wurde, während vorliegend durchgehende monatliche Zahlungen durch die Beklagte erfolgten. Daneben ließ das Bundessozialgericht offen, ob bei durch Verwaltungsakt bestandskräftiger Beendigung des monatlichen Zahlungsanspruchs aus dem fortgeltenden Stammrecht (Witwenrente) wegen Anrechnung von Einkommen die laufende Geldleistung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X nicht mehr als "gezahlt" angesehen werden könne bzw. ob die Witwerrente auch dann noch als "gezahlt" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X gelten könne, wenn zu Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung nur noch "das sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende (vermeintliche) Rentenstammrecht" bestehe. Insofern trifft die Entscheidung auch keine verallgemeinerungsfähig Aussage dazu, ob ein nach § 89 Abs. 1 SGB VI aufgrund gesetzlicher Anordnung ruhendes Stammrecht noch als "gezahlt" gelten könne bzw. ob es sich bei der Aufhebung noch um "diese Geldleistung" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X handelt, wenn gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugunsten einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen aufgrund gesetzlicher Anordnung ruht. Ein Wille des Betroffenen, mit dem er selbst zum Ausdruck bringt, dass er den Leistungsfall noch nicht als abgeschlossen betrachtet, sondern seinen – vermeintlichen - "Zahlungsanspruch" aus der "laufenden Geldleistung" weiter verfolge und damit die vom Gesetzgeber missbilligte Perpetuierung des Unrechts durch Empfang einer ihm rechtlich nicht zustehenden Geldleistung fortsetzen wolle, liegt im Falle des Versicherten hinsichtlich der hier noch allein streitigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ebenfalls nicht vor. Denn der Versicherte hat mit Bestandskraft der Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Bescheid vom 24. Februar 2010 keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er den Leistungsfall "Erwerbsunfähigkeit" nicht als abgeschlossen ansieht.

Mit Urteil vom 2. November 2015 (B 13 R 27/14 R) hat das Bundessozialgericht unter Fortführung der oben genannten Entscheidung eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer großen Witwenrente wegen Wiederheirat des Klägers gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X an der Zehnjahresfrist scheitern lassen, nachdem zum Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens keine tatsächliche Zahlung mehr erfolgt und ein das Ende der Zahlung der betreffenden großen Witwenrente verfügender Verwaltungsakt bindend geworden war (§ 77 SGG). Auch aus einem Renten(stamm)recht wegen der Zuerkennung eines Rechts auf kleine Witwenrente seien zum maßgeblichen Zeitpunkt wegen Einkommensanrechnung (§ 97 SGB VI) keine monatlichen Zahlungsansprüche mehr geflossen, da diese zur Vermeidung einer Über- oder Doppelversorgung des Klägers endgültig untergegangen seien. Der Senat sehe sich sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinn und Zweck des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X unter Berücksichtigung der einschlägigen Gesetzesmaterialien daran gehindert, die (kleine) Witwerrente auch dann noch bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung als "gezahlt" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X gelten zu lassen, wenn zu diesem Zeitpunkt - wie vorliegend - nur noch das "Rentenstammrecht" bestanden habe. Allein das Bestehen eines sogenannten "Rentenstammrechts" könne nicht als "Zahlung" einer "Geldleistung" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X angesehen werden. Dies folge schon aus dem Begriff und Inhalt des sogenannten "Stammrechts". Zwar werde mit Entstehen eines subjektiv-öffentlichen "Stammrechts" auf Rente (auch "Grundanspruch", "Anspruch dem Grunde nach" oder gelegentlich auch "Quellrecht" genannt) ein Leistungsverhältnis zwischen Rechtsinhaber und Versicherungsträger konkretisiert, aus dem (im Regelfall) Monat für Monat ein Anspruch (vgl. § 194 BGB) des Rechtsinhabers gegen den Rentenversicherungsträger auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags entstehe. Die dem Berechtigten aus dem "Stammrecht" erwachsenden monatlichen Zahlungsansprüche könnten allerdings untergehen. Das könne z.B. dann der Fall sein, wenn - wie vorliegend - Einkommensanrechnungsvorschriften zur Vermeidung einer Über- oder Doppelversorgung des Rechtsinhabers entgegenstünden. Ist aber der aus einem (vermeintlichen) "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch - aus welchen Rechtsgründen auch immer - vernichtet bzw. untergegangen, könne trotz des (Weiter-)Bestehens des "Stammrechts" auf Rente auch keine "Zahlung" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X (mehr) vorliegen. Auch Sinn und Zweck des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X verlangten keine extensive Auslegung des Begriffs der "Zahlung". Die Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Rücknahme eines Verwaltungsakts über eine laufende Geldleistung auch nach Überschreitung der Zehnjahresfrist finde ihre Rechtfertigung in der Störung der Rechtsordnung infolge der vom Gesetzgeber missbilligten Perpetuierung des Unrechts bis in die Gegenwart durch den bösgläubigen Empfang einer rechtlich nicht zustehenden Geldleistung. Eine solche Perpetuierung des Unrechts durch den fortbestehenden Empfang rechtlich nicht zustehender laufender Geldleistungen liege im Falle des bloßen Bestehens eines - "ruhenden" (oder - bildhaft gesprochen - "inaktiven") - "Rentenstammrechts" aber nicht vor. Hiermit korrespondierend habe die Beklagte durch Verwaltungsakt selbst festgestellt, dass die (kleine) Witwerrente "nicht gezahlt" werde. Dass eine von der Beklagten mit bestandskräftigem Verwaltungsakt festgestellte Nichtzahlung einer Rente ("Nullrente") dann aber im Rahmen des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X dennoch als "Zahlung" einer "laufenden Geldleistung" gelten solle, sei ein Widerspruch in sich. Auch der Einwand, es komme zu "Wertungswidersprüchen" in Fällen, in denen "ein wegen Einkommensanrechnung vorübergehend nicht zur Auszahlung gelangtes Stammrecht weiter besteh(e) und der Auszahlungsanspruch wegen späterer Verringerung des anzurechnenden Einkommens wieder aufleb(e)", stehe dem nicht entgegen. Denn etwaige "Unbilligkeiten" im Rahmen des "Betrügerschutzes" seien allein Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X darauf abzustellen, dass die zu Unrecht bezogene "laufende Geldleistung" mindestens bis zum Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens "gezahlt" worden sein muss. Ob die derzeitige gesetzliche Regelung auch in Fällen bösgläubiger Kenntnis des Nichtbestehens eines Leistungsanspruchs angemessen oder zweckmäßig sei, erscheine zweifelhaft, sei vom Senat aber nicht zu entscheiden gewesen. Zudem handele es sich bei den Rücknahmefristen (bzw. "Rücknahmeverboten durch Zeitablauf") des § 45 Abs. 3 SGB VI um Ausschlussfristen, die sich nicht nachträglich, d.h. nach Fristablauf, durch neue Umstände verlängerten oder neu zu laufen begönnen. Auch hier unterscheidet sich der vom Bundessozialgericht zu beurteilende Sachverhalt vom hiesigen Sachverhalt zunächst dadurch, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme der laufenden Geldleistung keine tatsächliche Zahlung mehr stattgefunden hat. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht allein das Bestehen des Rentenstammrechts zumindest bei Ausbleiben einer tatsächlichen Zahlung nicht als ausreichend erachtet, um eine "Zahlung" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X anzunehmen. Dies steht zumindest der hiesigen Annahme, dass allein das Fortbestehen des Stammrechts bei Ruhen der Rente wegen Erwerbsminderung nach § 89 Abs. 1 SGB VI nicht bereits für die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X ausreicht, nicht entgegen. Das Bundessozialgericht hat es für eine Beendigung der Zahlung zudem für ausreichend erachtet, dass der monatliche Zahlungsanspruch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Aufhebungsverwaltungsverfahrens durch gesetzliche Anordnung nach § 97 SGB VI wegen Anrechnung von Einkommen untergegangen ist. Wenn somit trotz des (Weiter-)Bestehens des "Stammrechts" auf Rente keine "Zahlung" im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X (mehr) vorliegt, wenn der aus einem (vermeintlichen) "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch - aus welchen Rechtsgründen auch immer - vernichtet bzw. untergegangen ist, dann steht dies im Einklang mit der hiesigen Auslegung, dass der monatliche Zahlungsanspruch aus dem (teilweise) aufzuhebenden Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit trotz Weiterbestehens des Stammrechts durch das gesetzlich angeordnete Ruhen nach § 89 Abs. 1 SGB VI zur Vermeidung einer Über- oder Doppelversorgung des Klägers untergegangen ist. Die tatsächlich erfolgte Zahlung resultierte vielmehr aus der weiterhin "aktiven" Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die jedoch nicht die aufzuhebende laufende Geldleistung ("diese Geldleistung") im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB VI darstellt.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine zeitlich unbegrenzte Rücknahmemöglichkeit wegen eines Wiederaufnahmegrunds entsprechend § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X i.V.m. § 580 Nr. 7b ZPO berufen. Ein Fall der arglistigen Täuschung im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X, der nach den Gesetzesmaterialien ebenfalls den Wiederaufnahmegründen zugeordnet wird (vgl. BT-Drs. 8/4022 S. 83, zu § 43 aE; Steinwedel, Kass. Kommentar, 101. EL September 2018, § 45 SGB X, Rn. 33), ist nicht nachgewiesen. Von den in § 580 ZPO aufgeführten Wiederaufnahmegründen in Betracht kommt daher allein Nr. 7b, d.h. wenn die Partei - hier die Beklagte - eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung - bei entsprechender Anwendung hier die Rechtmäßigkeit der Rentenbescheide über die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente - herbeigeführt haben würde. Auch wenn es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Kassel vom 10. Juli 1979 über den Versorgungsausgleich um eine Urkunde in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 7b ZPO handeln sollte, so muss die Urkunde durch die Beklagte zu einem Zeitpunkt aufgefunden werden, d.h. sie von ihrer Existenz erfahren haben, in dem sie den aufzuhebenden Verwaltungsakt bereits erlassen hat, hier also nach dem 4. Januar 1990. Selbst wenn die Beklagte zu diesem Zeitpunkt keine unmittelbare Kenntnis von der Urkunde hatte, so darf die Unkenntnis auch nicht auf ihrem Verschulden beruhen (vgl. Musielak, Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 580, Rn. 22). Die Beklagte trifft jedoch ein Verschulden an der Unkenntnis von der amtsgerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Ausweislich der Rentenakte des Versicherten wurde die BfA am 30. August 1979 über die Entscheidung des Amtsgerichts Kassel vom 10. Juli 1979 informiert. Am 19. Oktober 1979 wurde die BfA nochmals vom Amtsgericht Kassel über die Rechtskraft der Entscheidung ab dem 2. Oktober 1979 unterrichtet. Ebenso war die LVA Hessen über die Entscheidung über den Versorgungsausgleich informiert und teilte dies mit einem am 3. März 1980 bei der BfA eingegangenen Schreiben auch nochmals gesondert mit. Sofern der Versorgungsausgleich im Versicherungskonto des Versicherten bei Erlass des Rentenbescheides vom 4. Januar 1990 nicht (mehr) verzeichnet war, handelte es sich um ein Organisationsverschulden der LVA Hessen sowie des BfA, welches sich die Beklagte jeweils anrechnen lassen muss. Die Beklagte selbst hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in den angefochtenen Rücknahmebescheiden hinsichtlich der Reduzierung der Rückforderung um die Hälfte ausdrücklich ausgeführt, dass sie ein Mitverschulden an der Entstehung der Überzahlung trage. Die ehemalige LVA Hessen habe die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gekannt, die Beklagte hierüber jedoch nicht informiert. Dieses Verschulden müsse sie sich anrechnen lassen. Die Beklagte kann sich daher bei der teilweisen Rücknahme des Bescheides vom 4. Januar 1990 nicht auf den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7b ZPO berufen.

Vor diesem Hintergrund kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob die angefochtenen Aufhebungsbescheide vom 18. Februar 2016, 3. Juni 2016 und vom 6. Juli 2016 bei Auslassung der Benennung der Rentenbescheide vom 9. August 1991 und 2. Februar 1993 für den Zeitraum vom 1. November 1991 bis 28. Februar 2010 hinreichend bestimmt waren.

Mangels teilweiser Aufhebung der Rentenbewilligung im Zeitraum vom 2. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2010 entfällt auch die Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Höhe von 6.171,45 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Erbengemeinschaft der Kläger zu 1) bis 4) als Rechtsnachfolger des Versicherten (§§ 1922, 2032 BGB) nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte am 19. April 2018 erstmals mit Schreiben vom 31. Juli 2018 das Verfahren aufgenommen haben. Die Rechtsnachfolger des Versicherten sind daher, auch wenn eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger nach § 183 Satz 1 SGG i.V.m. § 56 SGB I bei einem Erstattungsanspruch gegen den Versicherten nach § 50 SGB X ausscheidet, nach § 183 Satz 2 SGG für den Rechtszug der Berufung kostenprivilegiert.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob bei laufenden monatlichen Zahlungen bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme das Ruhen einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugunsten einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI der Anwendbarkeit des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X entgegen steht, grundsätzliche Bedeutung bei.
Rechtskraft
Aus
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