L 8 KR 257/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 11/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 257/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hauptberuflich Selbständigen, die Krankengeld ab dem 21. Tag der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Wahlerklärung beziehen, ist die Zahlung eines Krankengeld-Spitzbetrages während des Bezuges von Übergangsgeld der gesetzlichen Rentenversicherung nicht durch eine Satzungsregelung verwehrt, die Krankengeld während des Bezuges von Übergangsgeld nur "soweit und solange" ausschließt.
Das Aufstockungsverbot des § 49 Abs. 3 SGB V gilt nur für das gesetzliche Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 18. Mai 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2017 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, unter Zurücknahme des Bescheides vom 14. Januar 2014 dem Kläger für die Zeit vom 21. November 2013 bis 4. Dezember 2013 Krankengeld unter Anrechnung des für den gleichen Zeitraum bestehenden Anspruchs auf Übergangsgeld zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit des Übergangsgeldbezuges vom 13. November 2013 bis 4. Dezember 2013 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Streit.

Der Kläger ist selbständiger Baubetreuer / Bauleiter. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit dem Wahltarif Krankengeld Klassik 22. Der Kläger befand sich vom 31. Oktober 2013 bis 9. November 2013 in stationärer Krankenhausbehandlung wegen einer Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk. Für diese Zeit zahlte die Beklagte Krankengeld. Vom 13. November 2013 bis zum 4. Dezember 2013 wurde der Kläger im Rahmen einer Anschlussrehabilitation stationär in der Kaiserberg-Klinik Median in Bad Nauheim behandelt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dem Kläger Übergangsgeld für den Zeitraum vom 13. November 2013 bis 4. Dezember 2013. Bei einem Tagessatz von EUR 8,00 zahlte sie für 22 Tage EUR 176,00.

Der Kläger legte der Beklagten eine Erstbescheinigung über Arbeitsunfähigkeit der Berufsausübungsgemeinschaft C. / Dr. D.-C., Fachärzte für Allgemeinmedizin, für den Zeitraum 11. bis 12. November 2013, festgestellt am 5. Dezember 2013, und eine Folgebescheinigung über Arbeitsunfähigkeit bis zum 4. Januar 2014, festgestellt am 5. Dezember 2013, vor. Weiter legte der Kläger Auszahlscheine vom 2. Januar 2014, 13. Januar 2014, 4. Februar 2014, 24. Februar 2014 und vom 11. März 2014 mit attestierter Arbeitsunfähigkeit bis insgesamt 31. März 2014 vor. Die Beklagte zahlte daraufhin Krankengeld vom 5. Dezember 2013 bis 31. März 2014 (EUR 91,88 kalendertäglich). Am 1. April 2014 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.

Nach Aktenvermerken der Beklagten wurde dem Kläger am 14. Januar 2014 und 13. Februar 2014 telefonisch mitgeteilt, dass für die Dauer der Zahlung von Übergangsgeld kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Bei dem Zusatztarif sei kein Krankengeld-Spitzbetrag möglich.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 4. Mai 2016 mit, er habe sich seinerzeit mit der Auskunft abgefunden, kein zusätzliches Krankengeld erhalten zu können. Er habe nun erfahren, dass ihm ein Krankengeldspitzbetrag zustehe. Es stehe ihm daher für die 22 Tage der Krankengeldspitzbetrag in Höhe von EUR 90,00 täglich abzüglich des Übergangsgelds in Höhe von EUR 176,00 zu.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. Mai 2016 die Bewilligung des Krankengeldspitzbetrages ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei vom 31. Oktober 2013 bis 31. März 2014 arbeitsunfähig gewesen. Anspruch auf Krankengeld nach dem TK-Tarif KG Klassik 22 habe vom 21. November bis 11. Dezember 2013 bestanden. Vom 12. Dezember 2013 bis 31. März 2014 habe ein Anspruch auf gesetzliches Krankengeld bestanden. Nach den Teilnahmebedingungen des TK-Tarifs KG Klassik 22 sei der Anspruch auf Krankengeld bei Bezug von Übergangsgeld ausgeschlossen.

Hiergegen erhob der Kläger am 10. Juni 2016 Widerspruch. Er trug vor, das Bundesversicherungsamt habe 2001 die Rechtsauffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung der in § 49 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung § 49 Abs. 3 SGB V so auszulegen sei, dass die in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig Versicherten nur die Einschränkungen hinzunehmen hätten, die sich allein für das Übergangsgeld aufgrund der insoweit geltenden gesetzlichen Berechnungsmodalitäten ergäben. Auch die Spitzenverbände der Krankenkassen seien der Auffassung, dass keine Bedenken bestünden, das bei freiwillig Rentenversicherten auf der Basis der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage errechnete und gezahlte Übergangsgeld durch einen Krankengeldspitzbetrag aufzustocken. Nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger vom 9. Dezember 2015 seien abweichend vom Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12. März 2013, B 1 KR 17/12 R) bei in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig Versicherten Besonderheiten zu beachten.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2017 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie wertete das Schreiben des Klägers vom 4. Mai 2016 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den sie mit Bescheid vom 19. Mai 2016 zu Recht abgelehnt habe. Zur Begründung führte sie aus, eine Aufstockung in Höhe eines Krankengeldspitzbetrages sei nach § 35a ihrer Satzung für Teilnehmer am TK-Tarif KG Klassik 22 ausgeschlossen. Sie verwies insoweit auf die "Teilnahmebedingungen" für den TK-Tarif KG Klassik 22, die als allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt geworden seien. Die Beklagte führte weiter aus, auch im gemeinsamen Rundschreiben werde auf das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei Bezug von Übergangsgeld hingewiesen. Das BSG (Urteil vom 12. März 2013, B 1 KR 17/12 R) habe das Aufstockungsverbot des § 49 Abs. 3 SGB V für freiwillig Versicherte nicht ausgeschlossen.

Am 8. Februar 2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, der Anspruch auf Krankengeld ruhe nicht während des Bezugs von Übergangsgeld. Es sei eine Aufstockung vorzunehmen und ein Krankengeld-Spitzbetrag zu zahlen. Das BSG habe noch nicht über die weitere Frage entschieden, ob und inwieweit das Aufstockungsverbot bei freiwillig Rentenversicherten abweichend für den Bereich der Mindestbeitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung auszulegen sei.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2017 die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, die Beklagte gehe offensichtlich von einem Verfahren nach § 44 SGB X aus, da sie die ablehnende mündliche - Entscheidung am 14. Januar 2014 als Verwaltungsakt ansehe. Der Kläger habe dies weder bezweifelt noch angegriffen, er trage vielmehr selbst vor, er habe sich seinerzeit mit der Auskunft abgefunden, kein zusätzliches Krankengeld erhalten zu können. Es sei daher nicht zu bezweifeln, dass es sich bei der seinerzeitigen "Auskunft" mit einer klaren Ablehnung sachlich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 SGB X gehandelt habe, der bestandskräftig geworden sei. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2017 sei aber rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 14. Januar 2014 und Bewilligung von Krankengeld für die Zeit des Übergangsgeldbezuges vom 13. November bis 4. Dezember 2013 habe. Dem Zahlungsanspruch des Klägers auf Krankengeld stehe entgegen, dass der Krankengeldanspruch in Höhe und für die Dauer der Übergangsgeldleistung ruhe (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) und - hinsichtlich des Krankengeld-Spitzbetrags - nicht aufgestockt werden dürfe (§ 49 Abs. 3 SGB V). Das Aufstockungsverbot verbiete, auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen bei Anwendung der Ruhensanordnung mit einem Krankengeld-Spitzbetrag aufzustocken. Das Aufstockungsverbot führe nach der Rechtsprechung des BSG zum vollständigen Ausschluss eines Krankengeld-Spitzbetrags in allen Fällen, aber auch nur in den Fällen, in denen Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen wie das Übergangsgeld aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gesenkt würden. Es entspreche dem Wortlaut und dem gesetzlichen Regelungszweck, ein grundsätzlich umfassendes Aufstockungsverbot für alle betroffenen Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen anzunehmen, für die das Gesetz Absenkungen anordne. Das durch Art. 2 Nr. 15 BeitrEntIG im Rahmen des "Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung" eingeführte Aufstockungsverbot solle nach seiner Entstehungsgeschichte gewährleisten, dass gesetzliche Verminderungen von Entgelt- und Entgeltersatzleistungen aus Anlass dieses Programms im vollen gesetzlich vorgesehenen Umfang stattfänden. Sie sollten weder ganz noch teilweise zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung gehen. Verfassungsrecht stehe dem Verbot der Aufstockung nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 12. März 2013, B 1 KR 17/12 R, juris Rdnr. 10 ff.). Soweit der Kläger darauf hinweise, das BSG habe nicht über die weitere Frage entschieden, ob und inwieweit das Aufstockungsverbot bei freiwillig Versicherten abweichend auszulegen sei, so treffe dies zu (vgl. BSG, Urteil vom 12. März 2013, B 1 KR 17/12 R, Rdnr. 23). In dem vom BSG dafür in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. November 1988 (1 BvL 22/84, 1 BvL 71/86, 1 BvL 9/87 - BVerfGE 79, 87 = SozR 2200 § 183 Nr. 54) werde allerdings gerade auf den Gesichtspunkt hingewiesen, dass Leistungsminderungen, die für das Übergangsgeld vorgesehen seien, unterlaufen würden. Ein uneingeschränkter Anspruch auf den Krankengeldspitzenbetrag könne seinerseits Gleichheitsprobleme aufwerfen. Dadurch könne bei einer Rehabilitationsmaßnahme der Fall eintreten, dass sich der arbeitsunfähige Versicherte besserstelle als der arbeitsfähige Versicherte, bei dem die Kürzungsbestimmungen zur Anwendung kämen.

Der Kläger hat gegen den am 26. Mai 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 26. Juni 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, sein Krankengeldanspruch ruhe nicht wegen des Bezugs von Übergangsgeld und sei aufzustocken. Wenn das BSG Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte habe gleich behandeln wollen, hätte es die weitere Frage, ob und inwieweit das Aufstockungsverbot bei freiwillig Versicherten abweichend auszulegen sei, nicht offen gelassen. Auch die Spitzenverbände der Krankenkassen und Unfallversicherungsträger seien in Rundschreiben vom 9. Dezember 2015 und 12. Juni 2018 der Auffassung, dass Krankengeldspitzbeträge zu zahlen seien. Dem Aufstockungsverbot stehe Verfassungsrecht entgegen, da eine adäquate Absicherung bei Ruhen des Krankengeldanspruchs durch die Zahlung des wesentlich geringeren Übergangsgeldes nicht bestehe.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 18. Mai 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Zurücknahme des Bescheides vom 14. Januar 2014 dem Kläger für die Zeit des Übergangsgeldbezuges vom 13. November 2013 bis 4. Dezember 2013 Krankengeld unter Anrechnung des gezahlten Übergangsgeldes zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen, der Inhalt der mündlichen Verhandlung des Senats war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht Marburg hat zu Unrecht die Klage in vollem Umfang abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2017 teilweise rechtswidrig ist. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 14. Januar 2014 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und Bewilligung des Krankengeld-Spitzbetrages für die Zeit vom 21. November bis 4. Dezember 2013 gemäß § 35a der Satzung der Beklagten. Für die Zeit vom 13. bis 20. November 2013 besteht ein Anspruch nicht und das Urteil des Sozialgerichts Marburg ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der bis zum 22.Juli 2015 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt. Keinen Anspruch auf Krankengeld haben u. a. hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung, § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Für die Wahlerklärung gilt § 53 Abs. 8 Satz 1 entsprechend (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB V). § 53 Abs. 6 bleibt unberührt (§ 44 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nr. 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit (§ 53 Abs. 6 Satz 1 SGB V). Von § 47 kann abgewichen werden (§ 53 Abs. 6 Satz 2 SGB V). Nach § 46 Satz 1 SGB V in der bis zum 22.Juli 2015 geltenden Fassung entsteht der Anspruch auf Krankengeld 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 abgegeben haben, entsteht der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 2 SGB V).

Nach der Satzung der Beklagten bietet sie Wahltarife für Krankengeld nach § 53 Abs. 6 SGB V an (§ 35 Abs. 1 Satzung). Für den Kläger gilt aufgrund seiner Wahl der TK-Tarif KG Klassik 22 nach § 35a Satzung. Der TK-Tarif KG Klassik 22 kann nur in Verbindung mit dem gesetzlichen Krankengeld nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 SGB V gewählt werden (§ 35a Abs. 1 Satzung). Der Anspruch auf Tarif-Krankengeld entsteht gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 Satzung am 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit oder am 22. Tag der stationären Behandlung in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V), die auf Kosten der TK erfolgt. Das Tarif-Krankengeld wird gemäß § 35a Abs. 4 Satz 2 Satzung längstens bis zum Beginn des gesetzlichen Anspruchs am 43. Tag gezahlt. Außerdem erhält das Mitglied Tarif-Krankengeld bereits ab dem ersten Tag einer vollstationären Behandlung in einem Krankenhaus, die vor dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt beginnt (§ 35a Abs. 4 Satz 5 Satzung). Gemäß § 35a Abs. 5 Satz 4 Satzung ist der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, soweit und solange der Teilnehmer während der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung ( ...) Übergangsgeld bezieht ( ...).

Vorliegend war der Kläger unstreitig vom 31. Oktober 2013 bis 31. März 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Der tarifliche Krankengeldanspruch entstand nach dem vom Kläger gewählten Tarif KG Klassik 22 gemäß § 35a Abs. 4 Satzung während der stationären Behandlung vom 31. Oktober 2013 bis 9. November 2013 und sodann mit dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit, hier der 21. November 2013. Er reichte bis zum 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit (11. Dezember 2013). Ab dem 43. Tag (12. Dezember 2013) hatte der Kläger sodann einen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld (§ 46 Satz 2 SGB V).

Damit besteht vom 21. November bis 4. Dezember 2013 ein Anspruch auf Tarif-Krankengeld. Für die Zeit vom 13. bis 20. November hat der Kläger weder einen tariflichen, noch einen gesetzlichen Krankengeldanspruch.

Der Anspruch auf Tarifkrankengeld für die Zeit vom 21. November bis 4. Dezember 2013 ist auch nicht durch § 35a Abs. 5 Satz 4 Satzung ausgeschlossen, weil der Kläger gleichzeitig Übergangsgeld bezog. Nach § 35a Abs. 5 Satz 4 Satzung ist der Anspruch auf Tarif-Krankengeld ausgeschlossen, "soweit und solange" der Teilnehmer während der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung ( ...) Übergangsgeld bezieht. "Soweit und solange" entspricht der gesetzlichen Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V seit dem Rentenreformgesetz vom 18. Dezember 1989 und lässt nach der Gesetzesentwicklung, dem Wortlaut und der Auslegung durch das BSG die Zahlung eines Krankengeld-Spitzbetrages zu.

Obwohl ursprünglich das Gesetz lediglich bestimmte, dass der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld ruht, solange er von der Beklagten Übergangsgeld bezieht (vgl. § 183 Abs. 6 RVO i.d.F. vom 12.7.1961, BGBl I 913), entschied das BSG frühzeitig, dass der erste Anspruch nur bis zur Höhe des hinzutretenden Anspruchs selbst dann ruht, wenn eine Vorschrift das Ruhen eines Leistungsanspruchs wegen Hinzutritts eines weiteren Anspruchs anordnet und die Ruhensanordnung nicht ausdrücklich eine entsprechende Einschränkung (z.B. "insoweit") enthält. Das BSG entschied weiter, dass der Anspruch auf Krankengeld nach § 183 Abs. 6 RVO nur insoweit ruhe, als er das Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht übersteige. Ein darüber hinausgehender Krankengeldspitzenbetrag sei von der Krankenkasse zu gewähren (BSG, Urteil vom 31. August 1977 – 1 RA 15/76 –, BSGE 44, 226-230, SozR 2200 § 1241 Nr. 5). Der Gesetzgeber sah sich daraufhin veranlasst, durch Art. 4 Nr. 1 Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22.12.1981 (BGBl I 1497) die entgegen der Rechtsprechung gewollte Ruhensregelung auch des Krankengeld-Spitzbetrags in § 183 Abs. 6 RVO durch den Zusatz zu regeln, "und zwar auch insoweit als das Krankengeld höher ist als eine dieser Leistungen". Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah es am 9. November 1988 als nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar an, dass nach § 183 Abs. 6 RVO u.a. der Bezug von Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch insoweit zum Ruhen des Krankengeld-Anspruchs führt, als dieses höher wäre (Krankengeld-Spitzbetrag), erklärte die Regelung aber nicht für nichtig (1 BvL 22/84, 1 BvL 71/86, 1 BvL 9/87, BVerfGE 79, 87-105 = SozR 2200 § 183 Nr. 54, LS). Die anfänglich mit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz GRG vom 20. Dezember 1988, Art. 1) noch dem § 183 Abs. 6 RVO nachgebildete Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erhielt daraufhin die hier entscheidende Einschränkung "soweit und solange" durch Art. 4 Nr. 5 Buchst b des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz RRG 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I 2261).

Das BSG hat in seinem Urteil vom 12. März 2013 ausgeführt, dass Wortlaut und Binnensystematik des § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V durch die Einschränkung der Ruhensfolge "soweit und solange" keinen Zweifel daran aufkommen ließen, dass nach dieser Regelung ein Krankengeldanspruch lediglich für die Dauer und in Höhe der Übergangsgeld-Zahlung ruhe, nicht aber in Höhe des Krankengeld-Spitzbetrages. Das zeige sich insbesondere im Verhältnis zur abweichenden Regelung bei Elternzeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), Mutterschaftsgeld und Arbeitslosengeld (§ 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V). Dort sei das Ruhen des Krankengeldanspruchs nämlich allein durch die Dauer der Inanspruchnahme der konkurrierenden Sozialleistung oder ihres Surrogats ("solange") bestimmt, unabhängig von der Höhe ("soweit") dieser Leistung. Entstehungsgeschichte und Normzweck untermauerten ebenfalls das gefundene Auslegungsergebnis (BSG, Urteil vom 12. März 2013 – B 1 KR 17/12 R –, SozR 4-2500 § 49 Nr. 6, Rn. 11 f.). Dieser überzeugenden Rechtsprechung des BSG schließt sich der Senat an und ist der Ansicht, dass nach der Formulierung "soweit und solange" ein Anspruch auf Zahlung eines Krankengeld-Spitzbetrages besteht.

Dieser Anspruch auf Zahlung des Krankengeld-Spitzbetrages ist vorliegend auch nicht durch die Regelung in § 49 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, wonach auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen nicht aufgestockt werden dürfen. Dieses Aufstockungsverbot gilt nur für das gesetzliche Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Für das vorliegend begehrte Tarifkrankengeld fehlt es insoweit an einer dem § 49 Abs. 3 SGB V entsprechenden Regelung in der Satzung oder einem Verweis auf diese Vorschrift.

Der Krankengeld-Spitzbetrag nach Tarif KG Klassik 22 beträgt vorliegend EUR 90,00 gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 Satzung. Hiervon ist der Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld in Abzug zu bringen (vgl. Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 6. Januar 2014 Bl. 65-68 Verwaltungsakte).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kostenquotelung folgt aus dem Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen bei einer begehrten Krankengeldzahlung über einen Zeitraum von ca. 3 Wochen.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen in dem hier entschiedenen Einzelfall nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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