L 2 R 203/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 819/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 203/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 5/18 R, B 13 R 203/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Zuerkennung weiterer Entgeltpunkte (EP) für Kindererziehungszeiten hat.

Die 1935 geborene Klägerin ist die Mutter der Kinder D., geboren 1966, und E., geboren 1967.

Mit Rentenbescheid vom 12. Mai 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab dem 1. Juli 2000. Die Beklagte berücksichtige neben anderen Zeiten Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung vom 1. Mai 1966 bis 30. April 1967 sowie vom 1. August 1967 bis 31. Juli 1968, also je Kind zwölf Monate. Neben den Zeiten der Kindererziehung berücksichtigte die Beklagte vom 1. Mai 1966 bis 22. März 1967 und vom 7. Juni 1967 bis 2. April 1968 Pflichtbeiträge aus einer Nachversicherung. Von insgesamt 8,5572 ausgewiesenen EP entfielen auf Zeiten der Kindererziehung 1,5873 EP. Der Auszahlungsbetrag der Regelaltersrente belief sich auf monatlich 427,55 DM.

Mit Bescheid vom 25. August 2014 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente der Klägerin ab dem 1. Juli 2014 anlässlich der Einführung der sogenannten "Mütterrente" neu. Ausweislich der Anlage 6 des Bescheides berücksichtigte sie für die zwei Kinder der Klägerin zusätzlich je einen EP, insgesamt also zwei weitere EP. Auf die Zeiten der Kindererziehung entfielen damit 3,5873 EP. Insgesamt ergaben sich nun 10,5572 EP und ein Auszahlungsbetrag von monatlich 274,86 EUR.

Die Klägerin erhob hiergegen am 20. September 2014 Widerspruch und begehrte die Neuberechnung der Rente unter Zugrundelegung von 3 EP, hilfsweise von zwei EP, pro Kind. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die Berücksichtigung von lediglich einem EP für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborene Kind und die entsprechende gesetzliche Regelung des § 249 SGB VI gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz (GG)), den Schutz der Familie (Art. 6 GG) und den Sozialstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 1 GG) verstoße. Auch bei Müttern, deren Kinder vor dem 1. Januar 1992 geboren seien wie auch in ihrem Fall -, müssten je Kind 3 EP angesetzt werden, wie sie Mütter, deren Kinder ab diesem Stichtag geboren seien, erhielten. Es bestünden weder biologische Unterschiede je nach Zeitpunkt der Geburt des Kindes noch seien Unterschiede in der Unterhalts- und Fürsorgepflicht gegeben, die eine unterschiedliche Behandlung von "Alt- und Jungmüttern" rechtfertigten. Die Möglichkeiten der Mütter, die ihre Kinder vor dem 1. Januar 1992 geboren hätten, eine Berufstätigkeit aufzunehmen, seien zur Zeit ihrer Kindererziehung mangels entsprechender Betreuungs- und anderer Angebote insgesamt sehr viel schwieriger gewesen, als die der Mütter, die ihr Kinder nach dem Stichtag geboren hätten. Wenn überhaupt eine Differenzierung getroffen werden sollte, dann müssten "Altmütter" für die Kindererziehung mehr EP als "Jungmütter" erhalten. Im Übrigen könne die verbreitete Altersarmut von Rentnerinnen durch eine höhere Mütterrente reduziert werden. Nach dem Günstigkeitsprinzip seien daher die "Altmütter" genauso zu behandeln wie die "Jungmütter". Aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit sei § 249 Abs. 1 SGB VI nichtig. Selbst wenn die Regelung nicht nichtig wäre, seien aber insgesamt 4 EP (anstelle von 3,5873 EP) jedenfalls für die Zukunft zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung erläuterte sie, dass für die Klägerin die Neuregelung des § 249 Abs. 1 SGB VI zum 1. Juli 2014, die die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Umfang von 24 Monaten je Kind anstelle von bisher zwölf Monaten vorsehe, nicht greife, weil die Klägerin am 1. Juli 2014 bereits im Rentenbezug war. Für die Klägerin gelte § 307d SGB VI. Wie dem Bescheid vom 12. Mai 2000 entnommen werden könne, seien für Kindererziehungszeiten 1,5873 EP ermittelt worden, die wegen zeitgleicher Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung zu begrenzen gewesen seien. Hinzu käme ab 1. Juli 2014 je Kind ein weiterer EP. Die Beklagte sei nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und dürfe nicht prüfen, ob ein Gesetz verfassungsgemäß sei.

Mit der am 21. Dezember 2015 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen und führte des Weiteren aus, dass auch die Vorschriften gegen das Grundgesetz verstießen, die dazu führten, dass die EP für Kindererziehung im Ergebnis gekürzt würden, soweit Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung zeitgleich anzurechnen seien. Hierdurch würden arbeitende Mütter mit Kindern gegenüber nicht arbeitenden Müttern benachteiligt. Die Sache sei dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Entscheidung vorzulegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es führte aus, dass es die Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der angewendeten Normen nicht teile. Die aktuellen Regelungen dienten dem Abbau der Benachteiligung von Familien. Das Sozialgericht verwies auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1996, 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90. Die gesetzliche Neuregelung des § 249 SGB VI zum 1. Juli 2014 diene dem stufenweisen Abbau von Benachteiligungen und liege im Rahmen des durch das Verfassungsgericht zugebilligten weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers.

Gegen den ihr am 1. Juli 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Juli 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht erhoben.

Die Klägerin hat zur weiteren Begründung ihres Begehrens insbesondere ausgeführt, dass sie nicht die Anwendung der bestehenden Vorschriften beanstande. Sie halte diese Vorschriften aber für verfassungswidrig, weswegen eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag verweist sie darauf, dass die Ausführungen des Sozialgerichts hinsichtlich der benannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung unzutreffend seien. Der Beschluss habe sich nicht mit den Regelungen des SGB VI beschäftigt, sondern mit der Ungleichbehandlung von Müttern nach dem früheren Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), die während der Kindererziehung beschäftigt oder nicht beschäftigt waren. Das Bundesverfassungsgericht habe die Regelungen für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar gehalten und dem Gesetzgeber zur Änderung einen Zeitraum bis 20. Juni 1998 eingeräumt. Der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bestätige vielmehr das Vorliegen einer verfassungswidrigen Diskriminierung, wenn sich die Kindererziehungszeiten neben erworbenen Rentenanwartschaften aus Erwerbstätigkeit nicht rentenerhöhend auswirkten. Die Revision sei zuzulassen, da es sich um eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung mit Auswirkung auf eine große Anzahl von Rentnerinnen handele.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2015 zu verurteilen, ihr eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für die Kinder D. und E. von je vollen 36 Monaten, also zusammen 72 Monate = 6 Entgeltpunkte, ohne zeitgleiche Anrechnung von Pflichtbeiträgen aus einer Beschäftigung zu gewähren,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen,
weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die angewandten Vorschriften seien verfassungsgemäß. Sie sieht dies durch weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte bestätigt.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schreiben vom 10. November 2016 bzw. vom 15. November 2016 zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG), ist nur insoweit zulässig, als sie den Regelungsgegenstand des angegriffenen Bescheides vom 25. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2015 betrifft. Insoweit ist sie insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Im Übrigen ist sie bereits unzulässig.

Alleiniger Regelungsgegenstand des Bescheides vom 25. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2015 ist die Neuberechnung der Altersrente der Klägerin ab dem 1. Juli 2014 unter Berücksichtigung von zwei zusätzlichen EP. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Begrenzung der EP für Kindererziehungszeiten bei zeitgleichem Vorliegen von Pflichtbeiträgen aus einer Beschäftigung (Rentenhöchstwertfestsetzung gemäß § 70 Abs. 2 SGB VI) beanstandet, ist die Klage bereits unzulässig, da es an einer vorausgegangenen Verwaltungsentscheidung hierüber fehlt. Die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Kindererziehungszeiten nach § 249 Abs. 1 SGB VI a.F. unter Berücksichtigung der Rentenhöchstwertfestsetzung nach § 70 Abs. 2 SGB VI war alleine Regelungsgegenstand des nicht streitgegenständlichen und bestandskräftigen Bescheides vom 12. Mai 2000. Dies gilt selbst dann, wenn man die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) werten und die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25. November 2015 zur Anwendung des § 70 Abs. 2 SGB VI nicht lediglich als Erläuterung des Bescheides vom 12. Mai 2000, sondern als inhaltliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rentenhöchstwertfestsetzung im laufenden Widerspruchsverfahren begreifen wollte. Denn abgesehen davon, dass dies bei der im Widerspruchsbescheid gewählten Formulierung, die einzig der Erklärung der im Bescheid vom 12. Mai 2000 ermittelten EP von 1,5873 EP diente, fernliegend sein dürfte, fehlt es dem Widerspruchausschuss der Beklagten an einer Entscheidungskompetenz. Denn dieser ist nicht befugt, rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes hinausgehen (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 5 R 16/12 R, juris Rn. 26 ff.). Der Ausgangsbescheid vom 25. August 2014 berücksichtigte aber lediglich den dargestellten Zuschlag an EP und nur insoweit reichte dementsprechend die Entscheidungsbefugnis des Widerspruchsausschusses.

Im Übrigen ist die Klägerin - trotz des sie insoweit begünstigenden Regelungsgehalts des streitgegenständlichen Bescheides - klagebefugt. Die implizit neben der begünstigenden Regelung ausgesprochene Ablehnung der Zuerkennung weiterer EP stellt eine hinreichende Beschwer dar.

Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2016 ist nicht zu beanstanden. Im Ergebnis hat es zu Recht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von weiteren Kindererziehungszeiten hat. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2015 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Auch sind die der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren in zutreffender Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 i. V. m. § 56 SGG). Sie hat jedoch keinen Anspruch auf die Berücksichtigung weiterer Pflichtbeitragszeiten für Zeiten der Kindererziehung oder auf die Berücksichtigung weiterer EP.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten grundsätzlich Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder war hiervon abweichend gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung eine Kindererziehungszeit von zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt zu berücksichtigen, was im Falle der Klägerin ausweislich des Bescheides vom 12. Mai 2000 auch erfolgt ist. Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, S. 787), gültig ab 1. Juli 2014, erweiterte der Gesetzgeber die berücksichtigungsfähige Kindererziehungszeit für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder: Die Kindererziehungszeit für Versicherte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1. Juli 2014 noch nicht im Rentenbezug standen, endet nun 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt des jeweiligen Kindes. Bei zum Stichtag bereits im Rentenbezug stehenden Versicherten – wie der Klägerin - wird hingegen die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen EP für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborene Kind neu berechnet (§ 307d Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI). Der Gesetzgeber wollte für Bestandsrenten damit gerade die millionenfache Neuberechnung (im Sinne einer Neufeststellung) von Renten vermeiden (vgl. BT-Drs. 18/909, S. 15, A.II.2).

Die Beklagte hat die Rentenhöhe nach den geltenden Vorschriften zutreffend festgestellt, was auch die Klägerin nicht bestreitet. Bei Bestandsrenten werden nach § 306 Abs. 1 SGB VI bei einer später eintretenden Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen EP grundsätzlich nicht neu bestimmt, sofern nicht eine entsprechende Ausnahmevorschrift existiert. Die Beklagte hat hiernach zutreffend unter Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X i.V.m. § 307d Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI in dem streitgegenständlichen Bescheid bei der Berechnung der Höhe der Altersrente den auf Grundlage des Bescheides vom 12. Mai 2000 festgestellten EP zwei weitere EP hinzugerechnet und die Rentenhöhe entsprechend neu berechnet. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich ein darüber hinausgehender Anspruch nicht, auch nicht nach einem "Günstigkeitsprinzip". Die Vorschriften sind eindeutig und einer Auslegung in der von der Klägerin begehrten Weise nicht zugänglich.

Auch ist zur Überzeugung des Senats materielles Verfassungsrecht nicht verletzt. Zwar liegt weiterhin eine Differenzierung der rentenrechtlichen Auswirkungen anknüpfend an den Geburtsjahrgang der Kinder vor. Diese ist aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern durch den Gesetzgeber in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen.

Es liegt insbesondere keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vor. Dies hat das BVerfG bereits mehrfach entschieden (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992, 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91=BVerfGE 87, 1, zum Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz; BVerfG, Beschluss vom 29. März 1996, 1 BvR 1238/95; Beschluss vom 21. Oktober 2004, 1 BvR 1596/01). Das BSG hat sich dem angeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2005, B 4 RA 56/04 R, juris Rn. 14).

So führte das Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 aus, dass eine gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung der Tatbestände der Kindererziehung in der Zeit vor Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 am 1. Januar 1992 einerseits und den Tatbeständen der Kindererziehungszeit ab Inkrafttreten des SGB VI vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261) am 1. Januar 1992 andererseits nicht zu erkennen sei. Wie bereits dargelegt, sieht § 56 SGB VI die Berücksichtigung von drei Jahren Kindererziehungszeiten vor, während § 249 Abs. 1 SGB VI i.d.F. gültig ab 1. Januar 1992 die Kindererziehungszeit für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder auf zwölf Monate nach Ablauf des Monats der Geburt begrenzte. Diese Differenzierung hat das BVerfG nicht beanstandet. Vielmehr hat es aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in dem durch Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung liegt, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen. Mit der zum 1. Januar 1992 umgesetzten Rentenreform habe der Gesetzgeber in § 56 SGB VI einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung von Familien mit Kindern in der gesetzlichen Rentenversicherung unternommen. Dem Gesetzgeber gebühre bei der Erfüllung dieses verfassungsrechtlichen Auftrags eine ausreichende Anpassungszeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. März 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76=BVerfGE 54, 11). Das gelte besonders für Reformen, die - wie hier - einen hohen Regelungsaufwand in verschiedenen Rechtsgebieten und beträchtliche finanzielle Mittel erforderten. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derartig komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen, um den Regelungsaufwand sowie die finanziellen Folgen zu begrenzen und sich für Erfahrungen, die im Zuge der Reform gewonnen werden, offenzuhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1991, 1 BvR 1256/89). Bei der Festlegung der Reformschritte dürfe der Gesetzgeber die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Unabhängig davon, auf welche Weise die Mittel für den Ausgleich aufgebracht würden, sei jedenfalls sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringere. Das BVerfG hat dabei auch darauf hingewiesen, dass ein "Familienlastenausgleich" nicht ausschließlich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen habe, sondern dass es sich hierbei um ein gesamtgesellschaftliches Problem handele, das ein Tätigwerden des Gesetzgebers auf unterschiedlichen Feldern erfordere.

Zur Überzeugung des Senats ist der Gesetzgeber mit den Regelungen des RV-Leistungsverbesserungsgesetztes und der zeitlichen Ausdehnung der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor dem Stichtag 1. Januar 1992 geborene Kinder in § 249 Abs. 1 SGB VI, gültig ab 1. Juli 2014, ebenso wie mit der pauschalen Zuerkennung eines EP für Bestandsrenten durch § 307d Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI den Vorgaben des BVerfG nachgekommen. Im Ergebnis erhalten alle Mütter und Väter, bei denen bislang die Kindererziehung berücksichtigt wurde, dadurch für jedes vor 1992 geborene Kind den zusätzlichen Rentenertrag aus einem Jahr Kindererziehung (vgl. BT-Drs. 18/909, S. 15, A.II.2). Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber seinem vom BVerfG formulierten Verfassungsauftrag nachkommend die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Dezember 2015, L 21 R 374/14, juris Rn. 29). Im Übrigen führt der Gesetzgeber an, dass die durch eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder entstehenden finanziellen Belastungen zu beachten seien. Sie erlaubten keine völlige Gleichstellung bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für alle Geburten (vgl. BT-Drs. 18/909, S. 14, A.I.). Dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, ist bei der vorgenommenen Verbesserung gerade für all diejenigen Versicherten, deren Kinder vor dem 1. Januar 1992 geboren sind, nicht erkennbar. Insbesondere durfte er nach den bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben auch die finanziellen Auswirkungen berücksichtigen.

Vorliegend ist überdies bezogen auf die konkret getroffenen Regelungen zu berücksichtigen, dass entgegen § 306 Abs. 1 SGB VI auch die Gruppe der Bestandsrentner, zu der die Klägerin gehört, durch die Regelung des § 307d Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI in den Genuss der mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz geregelten Verbesserung kommt. Auch ergeben sich aus der pauschalen Berücksichtigung eines weiteren Entgeltpunktes für Bestandsrentner Vorteile gegenüber der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs. 1 bzw. § 249 Abs. 1 SGB VI, denn so kommt es auf weitere Berechnungsparameter, wie beispielsweise auf die Rentenhöchstwertfestsetzung nach § 70 Abs. 2 SGB VI, die überdies verfassungskonform ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002, B 4 RA 46/01 R; Urteil vom 30. Januar 2003, B 4 RA 47/02 R; Urteil vom 18. Mai 2006, B 4 RA 36/05 R, BSGE 96, 218; Urteil vom 12. Dezember 2007, B 13 RJ 22/05 R), zugunsten der Versicherten nicht an.

Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich zahlreiche außerhalb des Rentenrechts liegende Regelungen geschaffen hat, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben, so dass größere Lücken in den Rentenbiographien der Eltern vermieden werden können, (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 15. März 2017, L 19 R 218/16, juris).

Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat zunächst, Eingriffe in die Familie zu unterlassen (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1957 - 1 BvL 4/54 -, juris Rn. 50). Darüber hinaus enthält Art. 6 Abs. 1 GG eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 53 ff; Beschluss vom 29. Mai 1990,- 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86-, juris Rn. 87). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (nur) die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 07.Juli 1992 -.1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 -, juris RdNr. 123, m.w.N.).

Auch ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG scheidet aus. Hierbei handelt es sich um einen verfassungsrechtlichen Auftrag, der für den Gesetzgeber zwar verbindlich ist, aber dessen Gehalt kaum zu definitiven Einzelkonsequenzen verdichtet werden kann (BVerfGE 82, 60, 80). Der Sozialstaatsgrundsatz ist als solcher keine Grundlage subjektiver Rechte (BVerfGE, a.a.O.).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) kommen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Rechtsfrage, ob die Gesetzgebung von Verfassungs wegen verpflichtet war und ist, Zeiten der Kindererziehung und -betreuung im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung im höheren Maße als bisher renten(wert)erhöhend zu berücksichtigen, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie zuvor dargelegt, bereits beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt auf die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebung verwiesen. Angesichts dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidungen fehlt es an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Das vorliegende Urteil weicht auch gerade nicht i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer höchstrichterlichen Entscheidung ab.
Rechtskraft
Aus
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