L 8 KR 487/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 22 R 264/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 487/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Auslegung eines Formularbescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
2. Berufsständische Versorgungswerke sind keine Leistungsträger im Sinne von §§ 12, 23 Abs. 2 SGB I.
3. Es besteht keine im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erforderliche Funktionseinheit zwischen berufsständischen Versorgungswerken und der Deutschen Rentenversicherung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Juni 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) vom 1. Juli 2003 bis 21. August 2014.

Die Klägerin ist approbierte Zahnärztin und war seit dem 30. Dezember 1999 Mitglied der Zahnärztekammer Berlin und des entsprechenden Versorgungswerkes. Ab 15. Februar 2000 arbeitete die Klägerin als Assistenzzahnärztin bei Dr. D. in D-Stadt. Auf ihren Antrag vom 28. Februar 2000 war die Klägerin durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 19. Mai 2000 aufgrund ihrer Tätigkeit als Zahnärztin ab 15. Februar 2000 von der Rentenversicherungspflicht befreit worden. Seit dem 1. Juli 2003 ist die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) als Associate Clinical Operations Manager in der Abteilung für klinische Forschung tätig. Sie ist verantwortlich für die Projektleitung von klinischen Prüfungen der Phasen I bis IV sowie nicht-interventionellen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz. Sie ist seit dem 1. Juli 2003 Mitglied der Landeszahnärztekammer Hessen. Zudem ist sie seit dem 1. Dezember 2002 freiwilliges Mitglied der Beigeladenen zu 2), nachdem zuvor eine Pflichtmitgliedschaft bestanden hatte.

Auf ein Schreiben der Klägerin vom 23. Juni 2003 erklärte die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 24. Juni 2003, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe und sie nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) die Teilnahme freiwillig fortsetze.

Auf Bitte der Beigeladenen zu 1) stellte die Klägerin am 22. August 2014 einen erneuten Befreiungsantrag über die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten. Dem Antrag beigefügt war unter anderem eine Stellenbeschreibung (Version 31. August 2013). Danach wurden lokale Projektleitungen im Rahmen internationaler klinischer Arzneimittelstudien der Phasen I bis IV sowie nicht-interventioneller Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in unterschiedlichen medizinischen Indikationsbereichen gesucht. Die Projektleiter sollten Ansprechpartner hinsichtlich medizinischer und studienrelevanter Fragen sein und ein Team von 1 bis 6 Mitarbeitern führen, an internationalen Studienarzttreffen teilnehmen und eng mit den anderen Abteilungen zusammenarbeiten sowie schließlich die Themengebiete auf internen Studienmeetings präsentieren. Minimalanforderung für die Stelle waren ein medizinisch-wissenschaftlicher Hochschulabschluss oder ein Hochschulabschluss der Krankenpflegewissenschaften.

Mit Bescheid vom 16. September 2014 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag ab, da es sich bei der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin nicht um eine berufsspezifische Tätigkeit als Zahnärztin handle und die Klägerin lediglich freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk sei. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) verlange die Approbation als Zahnarzt. Nach § 1 Abs. 3 ZHG sei die Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnis gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Laut Stellenbeschreibung sei die Klägerin aber in der klinischen Forschung tätig. Es handle sich nicht um eine approbationspflichtige zahnärztliche Tätigkeit.

Am 13. Oktober 2014 erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, eine wesentliche Anforderung an ihre Tätigkeit sei die Anwendung der im Studium erworbenen (zahn-) ärztlichen Kenntnisse in Verbindung mit der Ausübung originär ärztlicher Tätigkeiten. Die Klägerin sei ausdrücklich als Zahnärztin eingestellt worden, um – neben Biologen, Biochemikern, Pharmazeuten etc.- die vielfältigen mit der Tätigkeit einhergehenden medizinisch-ärztlichen Teilbereiche und Aufgaben verantwortungsvoll zu betreuen. Die individuelle Tätigkeit bestehe aus der Organisation, Betreuung und Durchführung von klinischen Arzneimittelstudien und nicht-interventionellen Prüfungen. Die Änderung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) sei nur deshalb erfolgt, weil die Klägerin ihre Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der örtlichen Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2), nach A-Stadt, verlegt habe. Die Voraussetzungen für die Pflichtmitgliedschaft lägen vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2015 wies die Beklagten den Widerspruch zurück, da die Klägerin keine berufsspezifisch heilkundliche Tätigkeit eines approbierten Zahnarztes ausübe. Zur Befreiung berechtigten nur Tätigkeiten, für deren Ausübung gesetzlich eine Mitgliedschaft in einer Ärztekammer und einer berufsständischen Versorgungseinrichtung für Ärzte vorgeschrieben sei. Dabei handle es sich ausschließlich um Tätigkeiten, die dem Berufsbild von Ärzten, wie dies in der Bundesärzteordnung und der Berufsordnung der Ärztekammer niedergelegt sei, entsprächen.

Am 1. Juli 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, sie übe eine (zahn-) ärztliche Tätigkeit aus, die nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sei. Dabei hat sie im Wesentlichen die bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Argumente wiederholt. Zudem hat die Klägerin auf das Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 24. Juni 2003 Bezug genommen, mit dem ihr die Fortgeltung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht aus dem Bescheid der BfA vom 19. Mai 2000 bestätigt worden war. Auf die Richtigkeit der Auskunft habe sie vertraut.

Nach Beiladung der Firma C. Deutschland GmbH & Co. KG und der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte mit Beschluss vom 16. September 2015 hat das Sozialgericht Wiesbaden mit Urteil vom 30. Juni 2016 den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1. Juli 2003 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Klägerin übe gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Heilberufsgesetz, §§ 1 Nr. 2, 2 der Berufsordnung für hessische Zahnärzte und §§ 1 Abs. 1, 2 ZHG eine berufsspezifische, nicht-kurative Tätigkeit als Zahnärztin aus. Auf die Approbation komme es nicht an. Die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) stehe einer Befreiung nicht entgegen. Denn eine berufsspezifische Tätigkeit führe grundsätzlich zur Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Landeszahnärztekammer, hier Hessen. Für die berufsspezifische Tätigkeit sei eine Befreiung bereits ab dem 1. Juli 2003 zu erteilen. Die ursprüngliche Befreiungsentscheidung im Bescheid vom 19. Mai 2000 sei für die klinische Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin erteilt worden. Sie umfasse damit nicht die spätere Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1). Grundsätzlich sei die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI). Vorliegend könne sich die Klägerin jedoch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Dabei müsse ein pflichtwidriges Verhalten eines Leistungsträgers, hier die Verletzung einer Beratungs- oder Auskunftspflicht, vorliegen. Die Klägerin habe sich vor dem Antritt der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) darüber informiert, ob das Versicherungsverhältnis trotz des Tätigkeitswechsels fortbestehe. Die Beigeladene zu 2) habe mit Schreiben vom 24. Juni 2003 der Klägerin gegenüber nicht nur bestätigt, dass nach der Verlegung der Berufstätigkeit in ein Gebiet außerhalb der Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) die Teilnahme freiwillig fortgesetzt werden könne. Vielmehr habe sie ausdrücklich bestätigt, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach dem Tätigkeitswechsel der Klägerin weiter wirksam bleibe. Diese vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI fehlerhafte Auskunft habe nach dem überzeugenden Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dazu geführt, dass die Klägerin keinen Anlass gesehen habe, einen erneuten Antrag auf Befreiung zu stellen bzw. bei der Beklagten selbst die Aussage der Beigeladenen zu 2) zu hinterfragen. Vielmehr habe die Klägerin auf die Aussage der Beigeladenen zu 2) vertrauen dürfen. Insoweit müsse sich die Beklagte das fehlerhafte Verhalten der Beigeladenen zu 2) zurechnen lassen. Einem Versicherungsträger sei das Verhalten eines anderen zuzurechnen, wenn dieser andere Leistungsträger oder eine andere Behörde/Stelle in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet sei. Letztendlich sei zwar für die Entscheidung über den Befreiungsantrag lediglich die Beklagte zuständig (§ 6 Abs. 3 SGB VI). Im Rahmen des Antragsverfahrens würden aber nach gängiger und anerkannter Verwaltungspraxis neben den in § 16 Abs. 1 SGB I genannten Stellen als empfangsberechtigte Stellen die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Verfahren einbezogen. Bereits die Antragsformulare ließen für den Außenstehenden allein den Schluss zu, dass der Befreiungsantrag stets über die zuständige Versorgungseinrichtung zu stellen sei. Nach Bestätigung auf diesem Antrag, dass der Antragsteller aufgrund seiner berufsspezifischen Tätigkeit Pflichtmitglied sei, werde der Antrag von der Versorgungseinrichtung an die Beklagte zur endgültigen Entscheidung weitergeleitet. Damit sei aufgrund der praktischen Verfahrensweise davon auszugehen, dass die berufsständischen Versorgungseinrichtungen in das Antragsverfahren arbeitsteilig einbezogen würden. Für den Antragsteller sei zunächst die Versorgungseinrichtung Anlaufstelle. Wenn nun diese den Antrag annehmende Stelle die unmissverständliche Aussage treffe, dass ein weiteres Handeln nicht erforderlich sei, müsse das Mitglied bzw. der Versicherte auf diese Aussage vertrauen dürfen. Vorliegend habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, an der Aussage der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 24. Juni 2003 zu zweifeln. Ohne diesen Hinweis hätte die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts bereits 2003 ausdrücklich einen erneuten Antrag gestellt. Dieser wäre, da sich die Klägerin noch vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit an die Beigeladene zu 2) gewandt hatte, aller Voraussicht nach rechtzeitig erfolgt. Erst auf Bitte der Beigeladenen zu 1) zur erneuten Antragstellung sei das Vertrauen der Klägerin erschüttert worden. Die Klägerin sei daher aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Beigeladenen zu 2) im Jahr 2003 so zu stellen, als sei der Befreiungsantrag bereits 2003 gestellt worden.

Gegen das am 10. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. November 2016 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. Mai 2018 den Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigung als Associate Clinical Operations Manager bei der Beigeladenen zu 1) ab Eingang des Antrages am 22. August 2014 anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis mit Schriftsatz vom 24. Mai 2018 angenommen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2018 hat die Beklagte die Klägerin für ihre Tätigkeit als Ärztin bei der Beigeladenen zu 1) von der Rentenversicherungspflicht ab 22. August 2014 befreit.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, eine Befreiung vor Antragstellung sei nicht zulässig. Der Befreiungsbeginn richte sich ausschließlich nach § 6 Abs. 4 SGB VI. Die Befreiungsvoraussetzungen hätten bei der Klägerin am 1. Juli 2003 mit Aufnahme der Beschäftigung vorgelegen. Der Antrag auf Befreiung sei nicht innerhalb von 3 Monaten gestellt worden. Eine Befreiung sei auch nicht aus dem Bescheid vom "18. Mai 2000" herzuleiten, da die Befreiung auf die jeweils ausgeübte konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber beschränkt sei. Sie werde mit der Aufgabe der Beschäftigung gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedürfe. Jeder Arbeitsplatz- oder Arbeitgeberwechsel führe zur Rentenversicherungspflicht und ggf. zu einem neuen Befreiungsverfahren. Ferner müsse sich die Beklagte einen Beratungsfehler der Beigeladenen zu 2) nicht zurechnen lassen, da es sich bei der Beigeladenen zu 2) um keinen Leistungsträger im Sinne des § 16 i.V.m. §§ 18-29 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) handle.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Befreiung mit Bescheid vom 19. Mai 2000 habe sich nach dem Wortlaut nicht auf ein konkretes Beschäftigungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber bezogen, sondern erfasse die gesamte zahnärztliche Tätigkeit der Klägerin. Zudem stehe der Klägerin aufgrund der Falschauskunft der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 24. Juni 2003 ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt habe.

Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Juni 2016 kann keinen Bestand haben, als das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 verurteilt hat, die Klägerin auch für die Zeit vor der Antragstellung am 22. August 2014 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab Beschäftigungsaufnahme am 1. Juli 2003 besteht nicht, sondern nur ab Antragstellung am 22. August 2014, wie ihn die Beklagte anerkannt hat. Auch besteht kein Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass sie infolge der Fortwirkung des Befreiungsbescheides vom 19. Mai 2000 in der Zeit vom 1. Juli 2003 bis 21. August 2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist dabei jeweils § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin bezüglich der streitgegenständlichen Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) zweifelsfrei vor.

Die Voraussetzungen einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ergeben sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift werden Beschäftigte und selbstständig Tätige von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlichrechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an.

Vorliegend lagen die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zugunsten der Klägerin mit der Aufnahme der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) am 1. Juli 2003 grundsätzlich vor. Die Klägerin übte, wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt und von der Beklagten nunmehr auch anerkannt, eine berufsspezifische Tätigkeit aus, war Mitglied in einer berufsständischen Kammer und der entsprechenden Versorgungseinrichtung, der Beigeladenen zu 2), und zahlte seit Beschäftigungsbeginn einkommensbezogene Beiträge an die Beigeladene zu 2). Da der Befreiungsantrag vorliegend erst am 22. August 2014 gestellt wurde, wirkt die Befreiung wegen Versäumens der 3-Monatsfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI aber erst ab Antragseingang, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich vorliegend kein Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass sie in der Zeit vom 1. Juli 2003 bis 21. August 2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, aus einer Fortwirkung der Befreiung, die mit Bescheid der BfA vom 19. Mai 2000 erteilt worden war. Denn die Auslegung des Bescheides vom 19. Mai 2000 ergibt, dass sich diese Befreiung nur auf die seit 1. Juli 2003 ausgeübte Tätigkeit als Zahnärztin bei Dr. D. in D Stadt und nicht auf alle berufsspezifischen Beschäftigungen als Zahnärztin und damit auch auf die hier streitgegenständliche Beschäftigung erstreckt. Mit Aufgabe dieser Beschäftigung ist der Bescheid unwirksam geworden.

Die Entscheidung über die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI – von zeitlich befristeten Tätigkeiten nach Satz 2 abgesehen – grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Aus dem klaren Wortlaut der Regelung ergibt sich, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die "jeweilig" ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht kommt, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen. Darüber hinaus ist dem Gesetzeswortlaut ebenfalls zu entnehmen, dass Anknüpfungspunkt einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung allein die (jeweilige) "Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit" des Betroffenen ist (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 3/11 R, Rn. 16 ff., juris).

Aus dieser Gesetzeslage kann jedoch nicht automatisch abgeleitet werden, dass ausnahmslos jede Entscheidung der Beklagten über die Befreiung eines Pflichtmitglieds eines Versorgungswerks von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine bestimmte selbständige Tätigkeit gilt. Maßgeblich ist nicht, was die Behörde bei zutreffender Rechtsanwendung hätte entscheiden müssen, sondern welche Regelung sie gegenüber dem Bürger unter Beachtung der allgemein anerkannten Auslegungsregeln tatsächlich getroffen hat (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 7. März 2018, B 5 RE 3/17 R, Rn. 31 juris). Die Auslegung eines Verwaltungsaktes hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens so zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG, Urteile vom 13. Dezember 2018, B 5 RE 3/18 R, Rn. 29 und B 5 RE 1/18 R, Rn. 49, Urteil vom 22. März 2018, B 5 RE 5/16 R, Rn. 27, jeweils juris).

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 19. Mai 2000 dahin zu verstehen, dass er die Klägerin von der Rentenversicherungspflicht nur für die am 15. Februar 2000 bei Dr. D. in D-Stadt aufgenommene Beschäftigung mit Wirkung ab 15. Februar 2000 befreit. Diese Beschäftigungsbezogenheit der Befreiung ergibt sich aus dem konkreten Verfügungssatz in Verbindung mit dem damaligen Arbeitsvertrag.

Der Bescheid vom 19. Mai 2000 trägt die Überschrift "Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI)" und lautet nach der Bezeichnung des Namens der Klägerin und der Grußformel wie folgt:

"Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit. Eingangsdatum des Befreiungsantrages 28. 02. 00

Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Versicherungspflicht

Art der Beschäftigung 15. 02. 00

Zahnärztin Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung 15. 02. 00 Versorgungseinrichtung Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin Stallstr. 1, 10585 Berlin Beginn der Befreiung 15.Febr. 2000

Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Die Wirkung der Befreiung ist grundsätzlich auf die jeweilige berufsständische Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Die Befreiung erstreckt sich, sofern die Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer weiterhin besteht, auch auf andere nicht berufsständische versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sind und Sie insoweit satzungsgemäß verpflichtet sind, einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung zu zahlen." Danach folgt die Rechtsmittelbelehrung.

Bei der Auslegung solcher Verwaltungsakte ist nach der Rechtsprechung des BSG zu beachten, dass einen Verfügungssatz bzw. eine Regelung grundsätzlich allein der Eingangssatz des Bescheides in Verbindung mit den ihn unmittelbar folgenden und ihn konkretisierenden (umrandeten) Ausführungen zum Beschäftigungsverhältnis und Beginn der Befreiung enthält. Dies ergibt sich sowohl aus der äußeren Gestaltung der Ausführungen als auch ihrem Inhalt. Durch die Umrandung der Verlautbarungen zu dem Eingangsdatum des Befreiungsantrags, der Art der berufsständischen Beschäftigung, dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses und der Pflichtmitgliedschaft in Versorgungseinrichtung und Berufskammer sowie dem Beginn der Befreiung werden diese von den nachfolgenden Erklärungen abgehoben und ihnen dadurch eine besondere Bedeutung beigemessen. Insbesondere aber sind allein sie individuell auf den Einzelfall bezogen. Die weiteren Ausführungen zur Dauer der Befreiung sind allgemein gefasst und schon damit bloß erläuternde Hinweise zu der getroffenen Befreiungsentscheidung (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 13. Dezember 2018, B 5 RE 3/18 R, Rn. 31 ff. und B 5 RE 1/18 R, Rn. 51 ff., Urteil vom 22. März 2018, B 5 RE 5/16 R, Rn. 30 ff., jeweils juris).

Vorliegend bezog sich der Bescheid korrespondierend zum Arbeitsvertrag auf die damalige Beschäftigung der Klägerin bei Dr. D. in D-Stadt ab 15. Februar 2000. Dagegen ist der Bescheid vorliegend keiner Auslegung dahin zugänglich, dass die Befreiung unabhängig von dieser Beschäftigung weiter gilt und jede weitere berufsspezifische Beschäftigung / Tätigkeit als Zahnärztin erfasst.

Für eine solche Interpretation gibt der Wortlaut des Bescheides nichts her. Der dort verwendete Begriff des Beschäftigungsverhältnisses lässt eine derartige Auslegung nicht zu. Beschäftigung ist auch im rentenversicherungsrechtlichen Sinn die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV). Beschäftigung im hier maßgeblichen Sinn meint daher nicht die Tätigkeit als solche bzw. einen bestimmten Beruf oder ein Berufsbild, sondern die für einen Weisungs-, d.h. Arbeitgeber verrichtete Tätigkeit (vgl. BSG, Urteile vom 13. Dezember 2018, B 5 RE 3/18 R, Rn. 39 f., B 5 RE 1/18 R, Rn. 59 ff., beide juris).

Darüber hinaus belegen weitere Ausführungen im Bescheid 19. Mai 2000 die Beschäftigungsbezogenheit der Befreiungsregelung. So ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wirkung der Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige berufsständische Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt ist. Wie das BSG in seinen Urteilen vom 13. Dezember 2018 überzeugend ausgeführt hat, bezieht der Begriff "jeweilig" im Sinne von "gegenwärtig, heute" die erteilte Befreiung ausschließlich auf die im Bescheid genannte, am 15. Februar 2000 beginnende Beschäftigung und schließt eine Geltung der Bescheinigung für Folgebeschäftigungen aus. Diese Aussage wird dadurch bekräftigt, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung "beschränkt", mithin begrenzt ist, sowie die im Anschluss daran erfolgende Erläuterung, unter welchen - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen sich die "Befreiung auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen" erstreckt. Außerdem wird in dem Bescheid vom 19. Mai 2000 darum gebeten, "den früheren (vorherigen) Arbeitgeber von der Befreiung zu verständigen", falls "Sie inzwischen Ihren Arbeitgeber gewechselt haben". Insbesondere letztere Erklärung zeigt, dass sich die Befreiung ausschließlich auf das im Antrag und Bescheid korrespondierend zum Arbeitsvertrag genannte "Beschäftigungsverhältnis" und nicht auch auf Folgebeschäftigungen bezieht. Ansonsten wäre nicht verständlich, warum sich die Bitte um Informierung über die erteilte Befreiung nicht auf den vorherigen und den nachfolgenden Arbeitgeber bezieht (vgl. BSG, Urteile vom 13. Dezember 2018, a.a.O.).

Ausgehend von dem dargestellten Regelungsgehalt des Bescheides vom 19. Mai 2000 entfaltet dieser seit Aufgabe der Beschäftigung bei Dr. D. in D-Stadt keine Rechtswirkungen mehr. Er ist vielmehr zu diesem Zeitpunkt gemäß § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam geworden, weil er sich auf andere Weise erledigt hat. Einer Aufhebung des Bescheides vom 19. Mai 2000 nach § 48 Abs. 1 SGB X bedurfte es daher nicht. Die Formulierung "Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch aufzuheben." steht im Zusammenhang mit allgemeinen Ausführungen zur "Aufhebung" der Befreiung bei "Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI". Sie hat keinen konkreten Bezug zur individuellen Situation der Klägerin (vgl. BSG, Urteile vom 13. Dezember 2018, B 5 RE 3/18 R, Rn. 46, B 5 RE 1/18 R, Rn. 64 ff., Urteil vom 28. Juni 2018, B 5 RE 2/17 R, Rn. 34).

Ein von den vorstehenden Erwägungen abweichendes Ergebnis ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus Gründen eines von der Klägerin betätigten Vertrauens in den uneingeschränkten Fortbestand der ursprünglich erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und ihrer Reichweite auf die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) oder aus sonstigen Gesichtspunkten abzuleiten.

Nach der Rechtsprechung des BSG verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn ein Rentenversicherungsträger die Versicherungspflicht eines Betroffenen in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellt, nachdem der Träger zuvor in einer Antwort auf die Frage des Betroffenen nach der Reichweite einer früheren Befreiung im Hinblick auf eine neu eingegangene Beschäftigung den Eindruck erzeugt hatte, auch insoweit trete wegen der schon erteilten früheren Befreiung keine Versicherungspflicht ein. Das gleiche Ergebnis eines Fortbestehens der Befreiung von der Versicherungspflicht könnte darüber hinaus (alternativ) über eine Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet werden. Der vom BSG richterrechtlich entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch knüpft an die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten als Nebenpflichten im Sozialrechtsverhältnis einen Anspruch auf (eine Art von) Naturalrestitution. Er ist auf die Vornahme einer zulässigen Amts- bzw. Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Ein Herstellungsanspruch kann indessen nicht dazu führen, dass eine gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung "umgangen" wird, die der Bürger durch ein tatsächliches Verhalten selbst zu erfüllen hat. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene falsch beraten und/oder durch eine falsche Auskunft der Beklagten von einer erneuten Antragstellung abgehalten wurde, hätte dies zur Folge, dass er so behandelt werden muss, als wäre ein seinerzeit gestellter Befreiungsantrag rechtmäßig beschieden worden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 5/10 R, Rn. 33 f., B 12 R 3/11 R, Rn. 33, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 7/10 R, Rn. 28, ).

Ein auf die vorgenannten Erwägungen gestütztes schützenswertes Vertrauen der Klägerin ist vorliegend nicht anzuerkennen. Die Klägerin zeigte trotz des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid vom 19. Mai 2000 auf ihre Pflicht zur Anzeige von geänderten Umständen der Beklagten den Wechsel ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht an. Die Beklagte hatte daher schon keine konkrete Veranlassung, der Klägerin aus Anlass des Beschäftigungswechsels über die Ausführungen im Befreiungsbescheid hinaus rechtliche Hinweise über die Ausgestaltung der Versicherungspflicht zu geben. Erfüllt ein Betroffener eigene ihm bekannt gewesene Obliegenheiten nicht, scheitert von vornherein ein erfolgreiches Berufen auf das Fortbestehen der ursprünglich im Befreiungsbescheid ausgesprochenen Rechtsfolge auch bei - möglicherweise - geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 5/10 R, Rn. 36).

Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Sozialgerichts ergibt sich vorliegend auch kein Anspruch der Klägerin, im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als wenn sie zum Zeitpunkt des Wechsels des Arbeitgebers einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gestellt hätte und von der Versicherungspflicht befreit worden wäre. Eine Pflichtverletzung der Beklagten selbst ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, da sich die Klägerin anlässlich ihres Arbeitgeberwechsels nicht an die Beklagte gewandt und eine Auskunft oder Beratung hinsichtlich der Reichweite der früher erteilten Befreiung erbeten hat.

Die Beklagte muss sich entgegen der Ansicht des Sozialgerichts auch eine Pflichtverletzung der Beigeladenen zu 2) nicht zurechnen lassen. Eine Pflichtverletzung liegt mit der Auskunft im Schreiben vom 24. Juni 2003 vor. Darin teilte die Beigeladene zu 2) der Klägerin auf ihr Schreiben vom Vortag – neben der Bestätigung der freiwilligen Mitgliedschaft – entgegen § 6 Abs. 5 SGB VI mit, dass die von der BfA verfügte Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten nach § 7 Abs. 2 des bis 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) oder nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI wirksam bleibe. Diese Pflichtverletzung der Beigeladenen zu 2) ist der Beklagten aber nicht zuzurechnen. Einem Versicherungsträger ist das Verhalten eines anderen Leistungsträgers nur dann als eigene Pflichtverletzung zuzurechnen, wenn zwischen beiden eine Funktionseinheit in der Weise besteht, dass ein anderer Leistungsträger oder eine andere Behörde/Stelle in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist, gegen die der Herstellungsanspruch gerichtet wird, diese Behörde sich also für die Erfüllung der ihr obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages einer anderen Behörde/Stelle bedient oder eine Person einschaltet (BSG Urteil vom 15. Dezember 1994, 4 RA 66/93, Rn. 30, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 44/09 R, Rn.31).

Aus §§ 12, 23 Abs. 2 SGB I ergibt sich zum einen, dass berufsständische Versorgungswerke keine Leistungsträger im Sinne der genannten Vorschriften sind. Die sich aus den §§ 13, 14 SGB I ergebenden Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten richten sich nur an Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I und damit nicht an die Versorgungswerke.

Zum anderen scheitert eine Zurechnung einer Pflichtverletzung der Beigeladenen zu 2) daran, dass zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) keine Funktionseinheit bestand. Bei dem berufsständische Versorgungswerk und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um unterschiedliche Sicherungssysteme, die bei der Leistungsgewährung und bei Entscheidungen über die Versicherungs- und Beitragspflicht nicht arbeitsteilig zusammen arbeiten. Insbesondere ist das berufsständische Versorgungswerk nicht arbeitsteilig in den Verwaltungsablauf der Beklagten zur Wahrnehmung deren Aufgaben im Zusammenhang mit der Bescheidung von Befreiungsanträgen in einer Weise einbezogen, dass sich die Beklagte das Verhalten von Mitarbeitern des Versorgungswerkes wie einen eigenen Beratungsfehler zurechnen lassen müsste. Ein Verwaltungsverfahren der Beklagten war zum Zeitpunkt der geltend gemachten Auskunftserteilung im Juni 2003 nicht anhängig. Im Rahmen eines Verfahrens auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist das berufsständische Versorgungswerk zudem grundsätzlich nur insoweit eingebunden, als die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und deren Beginn bestätigt werden muss. Die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung ist eine Tatbestandsvoraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Die Mitwirkung des berufsständischen Versorgungswerkes erschöpft sich in der Bestätigung der Pflichtmitgliedschaft. An dem Entscheidungsprozess über die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ist das berufsständische Versorgungswerk in keiner Form verantwortlich beteiligt. Ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Sinne einer Funktionseinheit liegt nicht vor (vgl. SG Duisburg, Beschluss vom 26. Mai 2015, S 10 R 55/15 ER, Rn. 34 f., für die Beteiligung des Versorgungswerkes bei der Durchführung der Nachversicherung: LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 3. Dezember 2009, L 31 R 1733/07, Rn. 29, Versorgungswerke sind keine Sozialleistungsträger: VG Schleswig-Holstein, Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2019, 7 A 634/18, Rn. 42, alle juris).

Die Ansicht des Sozialgerichts, eine Arbeitsteilung ergebe sich aus der Verwaltungspraxis, dass ein Antrag nach § 16 SGB I auch bei einem anderen Leistungsträger wie der berufsständischen Versorgungseinrichtung gestellt werden könne, verfängt nicht. Die Aufgabe des unzuständigen Leistungsträgers beschränkt sich in der Weiterleitung des Antrages (§ 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I). Insbesondere aber ist das Versorgungswerk kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I, wie oben bereits dargestellt.

Die Zurechnung der Pflichtverletzung eines anderen Leistungsträgers wird von der Rechtsprechung ausnahmsweise auch dann bejaht, wenn sich aufgrund eines konkreten Verwaltungskontakts zwischen dem Bürger und einem Leistungsträger für diesen erkennbar ein zwingender sozialrechtlicher Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage für einen Leistungsbereich außerhalb seiner eigenen Zuständigkeit ergibt. Ist anlässlich eines Kontakts des Bürgers mit einem anderen Versicherungsträger für diesen ein zwingender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf ersichtlich, so besteht für den aktuell angegangenen Leistungsträger auch ohne ein entsprechendes Beratungsbegehren zumindest die Pflicht, dem Bürger nahezulegen, sich (auch) von dem Rentenversicherungsträger beraten zu lassen (vgl. §§ 2 Abs. 2 Halbs. 2, 17 Abs. 1 SGB I). Eine solche Spontanberatungspflicht eines Leistungsträgers, der kein Rentenversicherungsträger ist, in einer rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheit kommt aber nur dann in Betracht, wenn die in dem konkreten Verwaltungskontakt zu Tage tretenden Umstände insoweit eindeutig ("glasklar") sind, d. h. ohne weitere Ermittlungen einen dringenden rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarf erkennen lassen (zur Berufsgenossenschaft BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 44/09 R, Rn. 35, zum Arbeitsamt BSG, Urteil vom 17. April 1986, 7 RAr 81/84, Rn. 28, zur Krankenkasse BSG, Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 31/09, Rn. 19; vgl. auch SG Duisburg, Beschluss vom 26. Mai 2015, a.a.O., Rn. 33, alle juris).

Vorliegend ist diese Rechtsprechung auf berufsständische Versorgungswerke schon deshalb nicht anwendbar, da diese keine Sozialleistungsträger sind. Zudem ergab sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 23. Juni 2003 kein dringender rentenversicherungsrechtlicher –spontaner - Beratungsbedarf. Die Klägerin teilte der Beigeladenen zu 2) ihren Arbeitgeberwechsel zum 1. Juli 2003 und ihren Wunsch auf Fortführung der Mitgliedschaft als freiwillige Mitgliedschaft mit, da sie weiterhin (zahn-)ärztlich arbeite. Die Fortführung der freiwilligen Mitgliedschaft bestätigte die Beigeladenen zu 2) sodann am Folgetag. Die Klägerin fragte aber nicht nach, ob ihre früher erteilte Befreiung auch weiterhin Bestand habe. Allein dies wäre Anlass für die Beigeladene zu 2) gewesen, die Klägerin an die Beklagte zu verweisen. So durfte die Beigeladene zu 2) davon ausgehen, dass die Klägerin wusste, dass die Beklagte die zuständige Stelle für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist und sie sich bei Zweifeln an die Beklagte wenden kann, erteilte doch deren Rechtsvorgängerin die Befreiung vom 19. Mai 2000. Dass die Beigeladenen zu 2) eine Spontanauskunft zur Fortgeltung der früher erteilten Befreiung erteilte, ist unerheblich und der Beklagten nicht zurechenbar, wie oben bereits ausgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Teilanerkenntnis der Beklagten.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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