L 1 KR 139/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 442/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 139/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 90/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. Januar 2017 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Bestehen einer Familienversicherung.

Der am 1949 geborene Kläger zu 2 ist seit dem 1. August 2011 als Rentner bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 1 pflegeversichert. Sein am 1980 geborener Sohn, der Klägers zu 1, bezieht seit 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die seit 2006 unbefristet gezahlt wird und im Jahr 2014 monatlich 1.046,14 EUR brutto betrug. Dem Kläger zu 1 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 und das Merkzeichen H nach dem Schwerbehindertenrecht zuerkannt.

In der Verwaltungsakte der Beklagten befindet sich ein Bescheid der Beklagten vom 9. August 2013, mit dem diese einen Antrag des Klägers zu 2 auf Aufnahme des Klägers zu 1 in die Familienversicherung wegen des Bestehens einer eigenen Krankenversicherung des Klägers zu 1 aufgrund seines Rentenbezuges und wegen des Überschreitens der monatlichen Gesamteinkommensgrenze ablehnte.

Unter dem 28. März 2015 beantragte der Kläger zu 2 (erneut) die Aufnahme des Klägers zu 1 in die Familienversicherung, da der Kläger zu 1 seit Januar 1998 schwerbehindert und nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Der Anspruch auf Aufnahme in die Familienversicherung resultiere aus § 10 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Es sei Aufgabe des Versicherungsträgers, Mitglieder auf diese Ansprüche hinzuweisen, was vorliegend unterblieben sei, weshalb die zu viel gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zurückzuzahlen seien. Zur Bestätigung seines Vorbringens legte der Kläger zu 2 u. a. eine Kopie des Schwerbehindertenausweises des Klägers zu 1, einen Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 1. Juli 2014 und ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers zu 1 von dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus dem Jahr 2013 vor. Mit Bescheid vom 9. April 2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers zu 2 ab. Durch den eigenen Krankenversicherungsschutz des Klägers zu 1 sei eine Familienversicherung nicht möglich. Hiergegen erhob der Kläger zu 2 mit Schreiben vom 12. April 2015 Widerspruch und legte einen Bescheid der Familienkasse Hessen über die Bewilligung von Kindergeld für den Kläger zu 1 vom 2. Februar 2015 vor. Unter dem 23. April 2015 wies der Kläger zu 1 die Beklagte auf eine bestehende umfassende Betreuungsvollmacht seines Vaters hin und beantragte selbst die Aufnahme in die Familienversicherung seines Vaters. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch vom 12. April 2015 gegen den Bescheid vom 9. April 2015 zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V Personen versicherungspflichtig seien, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hätten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert gewesen seien. Diese Voraussetzungen lägen unstreitig vor. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V seien Kinder von Mitgliedern familienversichert, wenn diese Familienangehörigen nicht u.a. nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versichert seien. Nur wenn die vorstehenden Voraussetzungen überhaupt erfüllt seien, komme bezüglich der davon betroffenen Kinder die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, also eine Erweiterung des Anspruchs über die herkömmliche Altersgrenze hinaus, zum Tragen. Gesetzessystematisch bestehe der Grundsatz der Vorrangigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V. Zudem wären die Renteneinkünfte nach deren Höhe auch ohne Vorrangigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ein Ausschlusskriterium für eine Familienversicherung. Gerichtet war der Widerspruchsbescheid der Beklagten an den Kläger zu 2 als Bevollmächtigten des Klägers zu 1.

Hiergegen haben der Kläger zu 2 und der Kläger zu 1, vertreten durch seinen Vater, am 3. August 2015 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung weisen sie darauf hin, dass der Kläger zu 1 einen Realschulabschluss besitze, erfolgreich eine Ausbildung zum Teilezurichter absolviert und im Anschluss daran 6 Monate in seiner Ausbildungsfirma als Teilezurichter tätig gewesen sei. Aufgrund seiner seit 1998 bestehenden Behinderung (schizoaffektive Psychose) habe er bis zur Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung nur noch kurzzeitig arbeiten können. Zwar sei die beitragsfreie Familienversicherung gegenüber verschiedenen Versicherungspflichttatbeständen nachrangig. Dies finde seine Grenze jedoch bei einem Personenkreis, der als schutzwürdig anzusehen sei. Vorliegend pflege und betreue der Kläger zu 2 den Kläger zu 1 seit vielen Jahren. Zudem seien Kinder nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V in der beitragsfreien Familienversicherung versichert, wenn sie als behinderte Menschen außer Stande seien, sich selbst zu unterhalten, wobei sich das SGB V an der wortgleichen Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) orientiere. Der Kläger zu 2 sei unterhaltsberechtigt, da die ihm monatlich zufließende Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einem angemessenen Unterhalt nicht ausreichend sei. Die behinderungsbedingten Mehraufwendungen des Klägers zu 2 seien zum einen bei der Beitragshöhe zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu berücksichtigen und zum anderen anspruchsbegründend bei der Aufnahme in die beitragsfreie Familienversicherung. Ansonsten läge eine Verletzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor. Ein Bescheid vom 9. August 2013 sei beiden Klägern nicht bekannt. Der Kläger zu 1 sei zudem seit geraumer Zeit in der Tagesstätte im Gemeindepsychiatrischen Zentrum B-Stadt in einem integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplan, wo er bestimmte Dienste verrichte. Somit unterfalle er § 5 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 SGB V. Aktuell sei der Kläger zu 1 nun im Christlichen Lebenszentrum C ... Zu klären sei auch, ob der behinderungsbedingte Mehraufwand auf die Höhe der Rente dergestalt anzurechnen sei, dass dieses unter das Niveau der Grundsicherung falle und damit keine Pflichtversicherung eintrete. Die Beklagte habe die monatliche Beitragshöhe des Klägers zu 1 zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung seines behinderungsbedingten Mehraufwandes festsetzen und eine Befreiung von der Pflicht zur Zuzahlung auszusprechen. Die Kläger haben u.a. fachärztliche Atteste von Dr. D. vom 17. November 2014 und vom 20. Dezember 2014, die Anlage zur Erklärung an die Familienkasse, eine Bescheinigung des Tagesstättenbesuchs des Caritasverbands B Stadt vom 26. März 2014, die Verlängerung der Kostenzusage für die Betreuung in einer Tagesstätte durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen vom 9. Juni 2015, einen Widerspruch des Klägers zu 2 vom 7. Februar 2016 gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2013, eine Anlage zum Antrag auf Befreiung von gesetzlichen Zuzahlungen an die Beklagte vom 7. Januar 2016, die Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen vom 24. Mai 2016 für die Aufnahme des Klägers zu 1 in das Christliche Lebenszentrum C. und den Bescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen vom 1. August 2016 über Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) vorgelegt. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Aufnahme des Klägers zu 1 in die Familienversicherung nicht in Betracht komme, festgehalten. Zudem hat sie die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 im Verfahren gerügt. Das geltend gemachte Recht auf Familienversicherung könne allein dem Sohn zustehen und nicht vom Vater aus eigenem Recht verfolgt und eingeklagt werden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2017 die Klage des Klägers zu 2 als unzulässig zurückgewiesen und die Klage des Klägers zu 1 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zu 2 nicht selbstständig klagebefugt sei, da in Bezug auf ihn weder eine formelle noch eine materielle Beschwer gegeben sei. Die Aufnahme in die Familienversicherung des Klägers zu 2 sei eine allein den Kläger zu 1 betreffende Entscheidung, da sie die Frage betreffe, ob dieser weiterhin eigene Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung aus seiner Versichertenrente zu leisten habe oder als Familienversicherter von der Zahlung von Beiträgen zu befreien sei. Die Klage des Klägers zu 1, vertreten durch seinen Vater, den Kläger zu 2, sei unbegründet. Eine Familienversicherung des Klägers zu 1 sei sowohl aufgrund der Regelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 SGB V, was die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, nicht möglich. Der Gesetzgeber habe zudem bei dem Ausschluss der Familienversicherung bei einem Gesamteinkommen, das über der maßgeblichen Bezugsgröße liege, keinerlei (weiteren) Ausnahmetatbestände etwa in Bezug auf einen über dem Rentenzahlbetrag liegenden eigenen Bedarf ("behinderungsbedingte Mehraufwendungen") gesehen und geregelt. Insoweit verbiete sich sowohl ein Vergleich mit dem Steuerrecht als auch mit den Leistungen der Sozialhilfe aufgrund der unterschiedlichen Regelungsmaterie. Da die Kammer angesichts des auch das Recht der Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsgedankens zudem weder einen Verstoß gegen die Verfassungsgrundsätze der Art. 2 und 3 des Grundgesetzes noch gegen Art. 25 der UN-Behindertenrechtskonvention erkennen könne, stelle sich für die Kammer auch nicht die Frage eines entsprechenden Vorlagebeschlusses - sei es an das Bundesverfassungsgericht oder sei es an den Europäischen Gerichtshof. Angesichts der damit zutreffenden Entscheidung, dass aufgrund des Bezuges der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Pflichtversicherung mit Zahlung von entsprechenden Beiträgen gemäß dem Zahlbetrag dieser Rente zutreffend erfolgt sei, bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der in der Vergangenheit tatsächlich entrichteten Beiträge. Denn nach § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung - (SGB IV) seien nur "zu Unrecht" entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn dem Versicherten seien aufgrund der Beitragszahlung bereits Leistungen gewährt worden.

Gegen den den Klägern am 3. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 2. März 2017 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung weisen sie darauf hin, dass der Kläger zu 2 als Stammversicherter über ein eigenes Klagerecht verfüge. Das Sozialgericht habe im Weiteren auch nicht ordnungsgemäß ermittelt und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nicht ausreichend berücksichtigt. Diese besage, dass eine Familienversicherung für ein Kind, welches behindert sei, dann eintrete, wenn es außerstande sei, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorgelegen habe, in dem der behinderte Mensch bereits familienversichert gewesen sei. Es schade dabei nicht, wenn der behinderte Mensch auch zeitweise in der Lage gewesen sei, sich trotz der Behinderung selbst zu unter-halten. Dann sei lediglich die Familienversicherung unterbrochen und lebe später wieder auf (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Mai 2004, B 1 KR 24/02 R). Der Kläger zu 1 sei wegen seiner Behinderung nie arbeits- und ausbildungsfähig gewesen, was der behandelnde Arzt, Dr. D., bestätige. So sei der Kläger zu 1 seit 1998 vielfach in stationären Klinikbehandlungen wegen seiner Behinderung gewesen und habe seine 1997 begonnene Lehre als Werkzeugmacher abbrechen müssen. Im Anschluss habe er die Ausbildung zum Teilezurichter im Jahre 2000 zwar erfolgreich abschließen können und im Ausbildungsbetrieb noch 6 Monate gearbeitet. Bereits da sei der Kläger zu 1 jedoch sehr oft krank gewesen. Auch der anschließende Besuch der Fachoberschule habe abgebrochen werden müssen, wodurch der Kläger zu 1 erneut in die Familienversicherung des Klägers zu 2 aufgenommen worden sei. Der Kläger zu 1 sei dann durchgehend in verschiedenen Maßnahmen und Einrichtungen gewesen, ohne wirklich einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können (E. E-Stadt, Fachklinik F-Stadt, Eigenbetrieb der B-Stadt Werkstätte, Tagesstätte der Caritas in B-Stadt, Pflegeeinrichtung C.). Das Sozialgericht habe die erforderlichen notwendigen Beiladungen des Dr. D., der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit, der Familienkasse, des Versorgungsamtes Darmstadt, des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen und des Finanzamtes unterlassen. Diese seien dazu in der Lage, Auskunft darüber zu geben, ob der Kläger tatsächlich seit seiner Kindheit nicht fähig sei, sich selbst zu unterhalten. Die Frage, ob der Kläger zu 1 bereits bei seiner Geburt behindert gewesen sei, sei durch ein Gutachten von Amts wegen zu klären. Von dem Gesamteinkommen sei im Weiteren der behinderungsbedingte Mehrbedarf abzuziehen, da die Rente des Klägers zu 1 nicht seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspreche. Es sei vorliegend eine Ungleichbehandlung zu den Kindern gegeben, die keine Absicherung im Krankheitsfall hätten und denjenigen, die über ein geringes Einkommen verfügten. Zudem hätte vorliegend nicht durch Gerichtsbescheid entschieden werden dürfen und das Sozialgericht hätte zumindest den Kläger zu 2 dem Verfahren notwendig beiladen müssen. Zur Frage der Reduzierung der Beitragslast für den Kläger zu 1 habe das Sozialgericht trotz eines entsprechenden Antrages der Kläger keine Angaben gemacht. Es seien insoweit Verstöße gegen das Sozialstaatsprinzip, die UN-Behindertenrechtskonvention und das Gebot der Gleichbehandlung zu konstatieren. Zur Bestätigung ihres Vorbringens haben die Kläger u. a. Arztbriefe von Dr. D. vom 7. Mai 2016, vom 17. November 2014, vom 1. Februar 2008, vom 22. Mai 2009, vom 18. November 2012 und vom 20. Dezember 2014, Arztbriefe aus dem Evangelischen Krankenhaus - Elisabethenstift - vom 14. September 2000 und vom 8. November 2000, eine Wartezeitauskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 19. Juli 2012, einen sozialmedizinischen Kurzbericht aus dem Arbeitstrainings- und Therapiezentrum Saarbrücken vom 28. März 2008, ein ärztliches Gutachten der Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2003, einen Rehabilitationsentlassungsbericht vom 11. Dezember 2007, Arztbriefe von Dr. G. vom 19. Dezember 2006, vom 9. November 2006, vom 20. August 2007 und vom 2. Februar 2007, eine Bescheinigung des sozialpsychiatrischen Vereins Darmstadt vom 19. Januar 2011, die Niederschrift eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht Darmstadt in dem Verfahren S 4 SB 279/07, einen Pflegezeitplan des Klägers zu 2 für den Kläger zu 1 im Zeitraum November/Dezember 2011, eine Ausführungsbenachrichtigung des Versorgungsamtes Darmstadt vom 22. Oktober 2009, eine gutachterliche Stellungnahme von A. H. vom 18. Februar 2003 und ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers zu 1 durch den MDK Hessen aufgrund einer Begutachtung vom 21. November 2016 vorgelegt.

Der Kläger zu 2 beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. Januar 2017, den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1 als familienversicherter Angehöriger beitragsfrei in seiner Familienversicherung zu berücksichtigen ist.

Der Kläger zu 1, vertreten durch seinen Vater, beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. Januar 2017, den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er als familienversicherter Angehöriger beitragsfrei in der Familienversicherung des Klägers zu 2 zu berücksichtigen ist sowie alle zu Unrecht einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu erstatten und angemessen zu verzinsen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung und zum Zusatzbeitrag für die Krankenkasse vergleichbar mit der Einkommensfestsetzung der §§ 19, 82 ff. des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII bzw. mit der zu beachtenden Höchstgrenze der Grundsicherung rückwirkend und für die Zukunft festzusetzen sowie die zu Unrecht einbehaltenen Beiträge in der Vergangenheit angemessen zu verzinsen,
hilfsweise das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob bei einem behinderten Menschen zum einen der Grundfreibetrag zum anderen der behinderungsbedingte Mehraufwand bei der Beitragsfestsetzung durch die Krankenkassen hinsichtlich Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag und Zusatzbeitrag für die Krankenkasse diese nicht zu berücksichtigen, mit dem Grundrecht zu Art. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.

Mit Beschluss vom 3. September 2018 hat der Senat dem Verfahren die AOK - Pflegekasse - notwendig beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2017 die Klagen abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind vorliegend beide Klagen, sowohl die des Angehörigen (Kläger zu 1) als auch des Stammversicherten (Kläger zu 2), im Sinne einer Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Bestehen einer Familienversicherung zulässig.

Das Bundessozialgericht hat neben dem familienversicherten Angehörigen auch dem Stammversicherten in ständiger Rechtsprechung eigene Rechte und damit eine Klagebefugnis insoweit zugebilligt, als das Bestehen oder Nichtbestehen der Familienversicherung als solches betroffen ist. Es hat dies aus der Akzessorietät der Familienversicherung gefolgert, die bewirkt, dass es bei der Entscheidung über die Mitversicherung von Familienangehörigen zugleich um die Ausgestaltung und den Umfang der Stammversicherung geht (Urteile des Bundessozialgerichts vom 29. Juni 1993, B 12 RK 48/91; vom 23. Oktober 1996, 4 RK 1/96 und vom 16. Juni 1999, B 1 KR 6/99 R - juris -). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung nach eigener Überprüfung ausdrücklich an. An einer ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens hat der Senat zudem vorliegend keine Zweifel. Der Kläger zu 2 trat im Verwaltungsverfahren nicht nur als Stammversicherter, sondern auch als Betreuer und Bevollmächtigter des Klägers zu 1 auf, worüber die Beklagte nochmals ausdrücklich durch das Schreiben der Kläger vom 23. April 2015 informiert wurde. Demzufolge war der Widerspruchsbescheid an den Kläger zu 2 nicht nur in seiner Rolle als Stammversicherter, sondern auch als Bevollmächtigter des Klägers zu 1 gerichtet.

Den ursprünglich auch von dem Kläger zu 2 gestellten Antrag auf Erstattung von gezahlten Beiträgen des Klägers zu 1 zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung hat der Kläger zu 2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13. September 2018 nicht weiter aufrechterhalten. Dieser wäre unzulässig gewesen. Der Kläger zu 2 kann diese Erstattung nicht im eigenen Namen geltend machen. Hierzu fehlt ihm die Klagebefugnis. Ansprüche auf Erstattung unter Umständen zu Unrecht entrichteter Beiträge resultieren aus dem Versicherungsverhältnis des Klägers zu 1 und stehen spiegelbildlich zu den Leistungsansprüchen als Ansprüche aus der Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses lediglich dem versicherten Kläger zu 1 zu, dessen Klage insoweit zulässig ist.

Die Klagen sind unzulässig, soweit damit eine niedrigere Beitragsfestsetzung der Beiträge des Klägers zu 1 zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung begehrt wird. Insoweit fehlt es abseits der Frage einer Zuständigkeit der Beklagten (vergleiche hierzu: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2018, L 1 KR 291/15) bereits an einem Vorverfahren. Gegenstand der Bescheide vom 9. August 2013 und vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2015 war allein die beantragte Durchführung der Familienversicherung bezüglich des Klägers zu 1.

Die Bescheide vom 9. August 2013 und vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Für den Kläger zu 1 besteht keine Familienversicherung über den Kläger zu 2.

Nach § 10 Abs. 1 SGB V sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert, wenn diese Familienangehörigen
1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
2. nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 3 bis 8, 11 bis 12 oder nicht freiwillig versichert sind,
3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4. nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a des Vierten Buches beträgt das zulässige Gesamteinkommen 450 Euro.

Nach § 10 Abs. 2 SGB V sind Kinder versichert
1. bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres,
2. bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind,
3. bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes oder Bundesfreiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus; dies gilt ab dem 1. Juli 2011 auch bei einer Unterbrechung oder Verzögerung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstgesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens zwölf Monaten,
4. ohne Altersgrenze, wenn sie als behinderte Menschen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nummer 1, 2 oder 3 versichert war.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Wie bereits die Beklagte im Rahmen der angegriffenen Bescheide und zudem das Sozialgericht zutreffend ausgeführt haben, besteht bei dem Kläger zu 1 aufgrund seines Bezuges einer (unbefristeten) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine (vorrangige) Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, versicherungspflichtig, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Diese Voraussetzungen sind ausweislich des vorgelegten Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung, den eigenen Angaben des Klägers zu 2 und der verwaltungsseitigen Feststellungen der Beklagten (dem Senat vorgelegte Versicherungshistorie des Klägers zu 1 vom 3. September 2018) gegeben. Insoweit verkennen die Kläger zudem, dass auch eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V (Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V (Behinderte Menschen in Werkstätten), § 5 Abs. 1 Nr. 8 SGB V (Behinderte Menschen in weiteren Einrichtungen) Vorrang vor einer Familienversicherung hätte, § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Familienversicherung ohne Altersgrenze für behinderte Kinder nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V zu keiner anderen Beurteilung. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2004, B 1 KR 24/02 R, lediglich ausgeführt, dass eine einmal begründete Familienversicherung ohne Altersgrenze (u.a. zeitgleiches Bestehen einer Behinderung und einer Familienversicherung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) durch eine vorübergehende Beschäftigungsversicherung, also eine vorübergehende Vorrangversicherung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, nur überlagert und nicht auf Dauer beseitigt wird, d.h. bei Wegfall der Vorrangversicherung wieder aufleben kann. Diese Konstellation ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Bei der Vorrangversicherung des Klägers zu 1 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V handelt es sich seit der Rentenantragstellung des Klägers zu 1 und demnach auch derzeit gerade nicht um eine vorübergehende, befristete Vorrangversicherung. Hierzu führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2004, B 1 KR 24/02 R, ausdrücklich aus:

"Die einmal begründete Familienversicherung ohne Altersgrenze wird durch eine vorübergehende Beschäftigtenversicherung nur überlagert und nicht auf Dauer beseitigt. Darauf weist der Wortlaut des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V hin, indem die verwendete Gegenwartsform (" ... versichert sind") nahe legt, dass die Ausschlussnorm nur eingreift, wenn ein anderer Versicherungstatbestand und die Familienversicherung zeitlich zusammentreffen."

Durch die bestehende Vorrangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V kann die Frage, ob der Kläger zu 1 die (Grund)Voraussetzungen einer Familienversicherung ohne Altersgrenze für behinderte Kinder nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V überhaupt erfüllt, im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat sah sich diesbezüglich nicht zu einer weiteren Beweiserhebung und zudem im Weiteren auch nicht zu den von den Klägern für notwendig erachteten Beiladungen veranlasst.

Angesichts des insoweit klaren Wortlauts der maßgeblichen Normen besteht nach der Auffassung des Senats kein Raum für eine von dem Kläger gewünschte Auslegung über den gesetzlichen Wortlaut hinaus. Die Grenze der Auslegung ist dann erreicht, wenn diese sich zum Wortlaut der Norm und dem Willen des Gesetzgebers in Widerspruch setzt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Januar 2011, 1 BvR 918/10 - juris -).

Angesichts der zutreffenden Entscheidung der Beklagten zur Frage der Familienversicherung kommt auch keine Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge für die Vergangenheit in Betracht, § 26 Abs. 2 SGB IV.

Einer Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedarf es nicht. Bezüglich der Fragen einer Beitragsfestsetzung für den Kläger zu 1 nach den von den Klägern begehrten Grundsätzen fehlt es bereits an der Zulässigkeit der Klagen. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug.

Der Senat sah auch keine Veranlassung, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, § 159 Abs. 1 SGG. Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Entgegen der Auffassung der Kläger ist insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt worden. Dieser umfasst, dass Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in ihre Erwägungen einbeziehen. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet allerdings nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, vgl. hierzu: Beschluss vom 8. April 2014, NZS 2014, S. 539 Rdnr. 13 m.w.N.). Dass das Sozialgericht den Vortrag der Kläger in diesem Sinne hinlänglich berücksichtigt hat, ergibt sich schon aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids. Das Sozialgericht hat zu den wesentlichen Punkten Stellung genommen. Für eine Zurückverweisung besteht keinerlei Grundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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