L 3 U 175/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 107/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 175/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Rechtsbegriff der Missbräuchlichkeit beinhaltet ein subjektives Element. Abzustellen ist daher auf die jeweilige Einsichtsfähigkeit des Beteiligten.

2. Der Kläger handelt nicht missbräuchlich, wenn er den Rechtsstreit um eine Unfallrente trotz des Hinweises des Gerichts auf ein ungünstiges Beweisergebnis weiter führt, weil er sich durch weitere Ermittlungen einen günstigen Ausgang erhofft.

3. Dem Prozessbevollmächtigten ist kein Vorwurf zu machen, wenn er in einem solchen Verfahren und unter diesen Umständen nach Rücksprache und mit Rücksicht auf den Kläger von einer Prozesshandlung (Rücknahme) absieht und das Verfahren fortsetzt.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Januar 2014 insoweit aufgehoben, als die Klägerin verurteilt worden ist, von den Kosten des Rechtsstreits einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen (Ziffer 3. des Tenors des erstinstanzlichen Urteils). Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben im Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente auf Grund der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls.

Die 1952 geborene Klägerin arbeitete im Reinigungsdienst des Universitätsklinikums AX Stadt, Standort A-Stadt, und war in dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Bei ihrer versicherten Tätigkeit stürzte sie am 1. November 2008 einige Treppenstufen hinunter. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. Dr. D., Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Gießen, diagnostizierte eine Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers bei bekannten degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Die Beklagte zog die Behandlungsunterlagen der Klägerin bei. Danach hatte die Klägerin schon vor dem Unfall ein Stützkorsett getragen und an einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung gelitten (Bericht im Besuchsdienst vom 6. November 2008). Aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. E. vom 5. November 2003 ergeben sich als vorbestehende Diagnosen Cervikodorsalgie, Schulter-Engpasssyndrom rechts, Epikondylitis lateralis rechts, Lumboischialgie links, S1 Reizung links, ISG Blockade links, Blockade obere BWS. Festgestellt wurde von den behandelnden Ärzten vor dem Unfall zudem ein Fibromyalgiesyndrom (Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 25. April 2005; Arztbrief des Dr. E. vom 2. März 2005). Bezüglich der Unfallfolgen konnte Prof. Dr. Dr. D. schon bei seiner Untersuchung am 4. Dezember 2008 eine deutliche Besserung der Fußheber- und Fußsenkerschwäche feststellen, Druckschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule hätten kaum noch bestanden (ausführlicher fachärztlicher Bericht vom 4. Dezember 2008). Im weiteren Verlauf wird mitgeteilt, die Klägerin beklage unverändert Schmerzen im Bereich der LWS, Schmerzausstrahlung in das linke Bein; eine angegebene Fußheberschwäche könne klinisch kaum verifiziert werden (Bericht des Prof. Dr. Dr. D. vom 5. Februar 2009). Eine neurologische Abklärung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., Ambulantes G-Zentrum A-Stadt, ergab keine neurologischen Ausfälle, aber eine deutliche Aggravation (Bericht dieses Arztes vom 6. Februar 2009). In seinem Bericht vom 5. März 2009 teilte Prof. Dr. Dr. D. mit, die Beschwerdesymptomatik sei unverändert, ein Klopfschmerz im Bereich der LWS sei nicht auslösbar, die Röntgenaufnahmen der LWS zeigten einen unveränderten Befund bei knöcherner Konsolidierung der ehemaligen Fraktur. Die Behandlung sei mit Datum vom 5. März 2009 zu Lasten der Beklagten abgeschlossen. Die unfallunabhängigen Beschwerden seien ab diesem Zeitpunkt als führend anzuerkennen.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. J. vom 19. Februar 2010 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2010 das Ereignis als Arbeitsunfall an, lehnte die Zahlung von Rente aber mit der Begründung ab, es sei mehr als vier Monate nach dem Unfall zu einem guten Ausheilungsergebnis gekommen. Bereits vor dem Unfall hätten massive Vorerkrankungen im Wirbelsäulenbereich vorgelegen, die für die jetzigen Beschwerden verantwortlich seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. März 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2010 zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin erhob am 6. September 2010 Klage beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) mit der Begründung, zwar treffe es zu, dass sie schon vor dem streitigen Unfall Gesundheitsbeeinträchtigungen im Wirbelsäulenbereich gehabt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten dauerten jedoch die Beschwerden an, die auf die Verletzungen am Unfalltag zurückzuführen seien. Sie habe Probleme beim Bücken, Heben, langen Sitzen und beim langen Stehen.

Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte der Klägerin bei dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales in Gießen zum Verfahren beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten von Amts wegen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dr. K., Facharzt für Orthopädie, Oberarzt der Orthopädischen Klinik Gießen, kommt in seinem Gutachten vom 27. Mai 2011 zu dem Ergebnis, wegen des durch den Arbeitsunfall eingetretenen Bruchs am zweiten Lendenwirbel sei eine MdE von 10 v. H. festzustellen. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht. Die aktenkundige Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zum 5. März 2009 sei schadensangemessen gewesen. Seither bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Hiervon abzugrenzen seien Arbeitsunfähigkeitszeiten durch die unfallunabhängigen und altbekannten degenerativen Veränderungen an der Hals- und an der Rumpfwirbelsäule der Klägerin und durch das sich durch körperliche Beschwerden ausdrückende psychiatrische Krankheitsbild der somatisierten Depression. Der Sachverständige Dr. L., Klinikdirektor der VITOS-Kliniken für Psychosomatik Herborn und Weilmünster/Hessen, kommt in seinem psychiatrischen Gutachten vom 29. September 2012 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung vor, gegenwärtig mittelgradige Episode ohne somatisches Syndrom, chronifiziert im Sinne einer anhaltenden affektiven Störung vor (ICD-10 F33) und des Weiteren eine somatoforme Schmerzstörung multipler Lokalisation (ICD-10 F45.4), comorbide zur depressiven Störung. Das Unfallereignis vom 1. November sei geeignet gewesen, eine vorübergehende psychische Befindlichkeitsstörung hervorzurufen, allerdings nicht als alleinige Ursache für eine dauerhafte psychiatrische Störung. Unfallunabhängige Faktoren hätten die psychische Symptomatik ausgelöst, denn die Depression und die Schmerzsymptomatik (z.B. Fibromyalgie) hätten eindeutig schon vor dem Unfall bestanden. Die aktuelle psychische Symptomatik werde aufrechterhalten durch schmerzbedingten Bewegungsmangel und dadurch hervorgerufene Adipositas. Aufrechterhaltende bzw. auch auslösende Faktoren für die somatoformen Störungen seien die mangelnde Intelligenz und eingeschränkte Kommunikation der Klägerin durch Analphabetismus neben einer sozialen Problemsituation. Eine eigene unfallbedingte MdE auf seinem Fachgebiet sei nicht festzustellen.

Das Sozialgericht hat die Klägerin, ihre Betreuerin und ihren Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2014 darauf hingewiesen (Sitzungsprotokoll vom 24. Januar 2014), dass das Verfahren auf Grund der beiden von Amts wegen eingeholten Gutachten derzeit keine Aussicht auf Erfolg habe. "Soweit sie das Verfahren fortsetzen wolle, weise er sie auf § 192 SGG hin und darauf, dass eventuelle Kosten damit für die Klägerin verbunden seien. Es handele sich hier um ein altes Verfahren, in dem das Gericht sorgfältig und umfangreich ermittelt habe. Die Klägerin müsse im Fall eines Urteils von Verschuldenskosten in Höhe zwischen 300,00 EUR und 1.000,00 EUR ausgehen. Endgültig werde dies das Gericht im Urteil festsetzen".

Nach dem Inhalt des Sitzungsprotokolls hat der Prozessbevollmächtigte daraufhin mitgeteilt, nach Rücksprache mit Klägerin und Betreuerin wolle er das Verfahren fortsetzen. Die Klägerin hat angegeben, die Unfallfolgen seien "unrichtig" festgestellt.

Mit Urteil vom 24. Januar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zudem festgestellt, von den Kosten des Rechtsstreits habe die Klägerin einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente. Über die im Bescheid vom 15. März 2010 festgestellten Unfallfolgen hinaus seien keine weiteren Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Nur ein Teil der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule sei auf den fest verheilten Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers zurückzuführen. Daneben würden bei der Klägerin zahlreiche Erkrankungen vorliegen, die in keinem Zusammenhang mit dem Unfall ständen und zumeist schon vorher festgestellt worden seien. Dies hätten die beiden im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Zusammenhangsgutachten der beiden im Unfallversicherunrecht erfahrenen Sachverständigen erbracht, die für das Gericht überzeugend seien und den zahlreichen im Verwaltungsverfahren beigezogenen Befunden entsprechen würden. Zu seiner Kostenentscheidung führt das Sozialgericht wie folgt aus: "Ein Kostenerstattungsanspruch der Beteiligten untereinander besteht bei dieser Rechtslage nicht (§ 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen, denn sie hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihr vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden ist und sie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist (§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Bei der Höhe der von der Klägerin zu tragenden Kosten, konnte die Kammer nicht von der Regelung des § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG Gebrauch machen, denn bei dem hier vorliegenden Rechtsstreit handelte es sich um ein äußerst langwieriges und kostenintensives Verfahren. Allein die Kosten der Begutachtung betrugen ca. 2.250,00 EUR. Rechnet man Arbeitsstunden der Gerichtsverwaltung, für Berufsrichter und ehrenamtliche Richter hinzu, so ist hier von Gesamtkosten in Höhe von mindestens 4.000,00 EUR auszugehen. Bei dieser Sachlage wäre es gerechtfertigt, der Klägerin einen Teilbetrag von 1.000,00 EUR aufzuerlegen. Da die Klägerin nach dem Bekunden ihrer Betreuerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat die Kammer in Ausschöpfung ihres gesamten Ermessens hier einen Betrag von lediglich 300,00 EUR festgesetzt."

Die Klägerin hat gegen das ihr am 21. Februar 2014 zugestellte Urteil am 14. März 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen aufzuheben und gemäß dem erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag zu entscheiden. Zur Begründung hat sie (ihr damaliger Prozessbevollmächtigter) vorgetragen, das Urteil des Sozialgericht sei jedenfalls im Hinblick darauf, dass der Klägerin nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Kosten in Höhe von 300,00 EUR auferlegt worden sind, nicht haltbar. In dem Urteil werde von Missbräuchlichkeit ausgegangen, ohne etwas zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer solchen Missbräuchlichkeit auszuführen. Dafür sei nicht ausreichend, dass ein Beteiligter den Prozess trotz ungünstigen Beweisergebnisses weiterführe, weil er die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang noch nicht aufgegeben hat. Das gelte auch, wenn dieser uneinsichtig sei, sofern die Uneinsichtigkeit nicht ein besonders hohes Maß erreicht habe. Dazu, warum auf Seiten der Klägerin ein besonders hohes Maß an Uneinsichtigkeit vorgelegen haben soll, finde sich in dem Urteil nichts. Auch im Hinblick auf die Höhe der auferlegten Kosten sei das Urteil fehlerhaft. Es dürften nur diejenigen Kosten auferlegt werden, die tatsächlich durch das von § 192 SGG erfasste Verhalten verursacht werden. Das Sozialgericht habe aber auch die Kosten des Rechtsstreits einbezogen, die nicht nach, sondern vor dem Hinweis der Kostenauferlegung entstanden sind, wie die Kosten der Begutachtung. Auch bei seiner Begründung, warum es nicht von § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG Gebrauch mache, berücksichtige das Gericht Gesichtspunkte, die vor dem erteilten Hinweis liegen, wie die Tatsache, das Verfahren sei äußerst langwierig und kostenintensiv gewesen. Alle diese Kosten seien keinesfalls durch das Verhalten der Klägerin verursacht.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 24. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids vom 15. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2010 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. November 2008 Rente nach einer MdE in Höhe mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat am 31. Januar 2017 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Die Betreuerin hat in diesem Termin vorgetragen, die Klägerin befinde sich aktuell in einer psychiatrischen Klinik und möchte die Befunde aus dieser Klinik zum Nachweis vorlegen, dass auch ihre psychischen Störungen Unfallfolgen seien. Die Beteiligten beantragten das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Klinikaufenthaltes und der Vorlage der Befunde.

In der Folgezeit äußerte die Betreuerin der Klägerin den Wunsch auf Einsichtnahme in die Akten (Schreiben vom 16. März 2017). Die Akten wurden daraufhin mit gerichtlicher Verfügung vom 31. Mai 2017 nochmals der Prozessbevollmächtigen zur Einsichtnahme und zur Besprechung des Inhalts mit der Betreuerin übersandt. Mit Schreiben vom 11. September 2017 wurden die Akten dem Senat von der Prozessbevollmächtigen zurückgesandt mit der Mitteilung, die Betreuerin der Klägerin habe sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht im Büro der Prozessbevollmächtigen zur Akteneinsicht eingefunden. Um gerichtliche Entscheidung werde gebeten.

Der Senat hat das Verfahren wieder aufgerufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 24. Juni 2019; Schreiben der Beklagen vom 1. Juli 2019).

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Gießen verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist zu Recht ergangen und das erstinstanzliche Urteil hat in der Sache zutreffend die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente nach § 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII. Es liegen bei ihr auf Dauer keine Unfallfolgen vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe von mindestens 20 v. H. bedingen. Ebenso wie das Sozialgericht hält der Senat die im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Dr. K. und Dr. L. für überzeugend. Die verbliebenen orthopädischen Unfallfolgen sind demnach mit einer MdE in Höhe von 10 v. H. zu bewerten, auf psychiatrischem Fachgebiet ist keine unfallbedingte MdE festzustellen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Urteil war indes insoweit zu korrigieren und aufzuheben, als der Klägerin Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind (Ziff. 3 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils).

Sogenannte Verschuldenskosten kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten u.a. dann ganz oder teilweise auferlegen, wenn diese dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte, den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist (§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

Das erstinstanzliche Gericht durfte hier schon deshalb keine Verschuldenskosten auferlegen, weil Missbräuchlichkeit weder von Seiten der Klägerin noch von Seiten ihrer Betreuerin und ihres Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vorgelegen hat. Soweit das erstinstanzliche Gericht bzw. der Vorsitzende darauf hingewiesen hat, das Verfahren habe auf Grund der beiden von Amts wegen eingeholten Gutachten derzeit keine Aussicht auf Erfolg, stellt die Fortführung durch die Klägerin keine missbräuchliche Rechtsverfolgung da. Denn dafür ist es nicht ausreichend, dass ein Beteiligter den Prozess trotz ungünstigen Beweisergebnisses weiterführt, weil er die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang noch nicht aufgegeben hat (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 192 Rn. 9a). Dies würde nur dann gelten, wenn die Uneinsichtigkeit ein besonders hohes Maß erreicht hat (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Rnrn. 9, 9a). Dies ist bezogen auf die Klägerin - nach dem Gutachten von Dr. L. eine Analphabetin mit eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeit - zu verneinen. Nach Auffassung des Senats ist auch auf die jeweilige Einsichtsfähigkeit des Beteiligten abzustellen und nicht allein auf eine "objektivierte Einsichtsfähigkeit". Denn der Begriff der Missbräuchlichkeit beinhaltet ein subjektives Element (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 9a).

Missbräuchlichkeit ist hier auch dann zu verneinen, wenn man für die Prüfung des Tatbestandes auf die Betreuerin der Klägerin bzw. ihren Prozessbevollmächtigten abstellt, deren Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muss (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Es handelt sich vorliegend nicht um eine substanzlose Klage in einem Bagatellfall, sondern um den Streit um eine Unfallrente. Die Klägerin hat Beschwerden, die sie selbst kausal dem Unfallereignis zuordnet. Die rechtlich und medizinisch schwierige Beurteilung der Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung ist für den von dem Unfall betroffenen Beteiligten oft nicht nachvollziehbar. Wie man den Angaben der Klägerin im Sitzungsprotokoll entnehmen kann, fühlte sie sich trotz des Hinweises des Gerichts nach wie vor im Recht und hatte ihre Hoffnung auf einen günstigen Ausgang durch weitere Ermittlungen nicht aufgegeben. Unter diesen Umständen ist dem Prozessbevollmächtigten kein Vorwurf zu machen, wenn er nach Rücksprache und mit Rücksicht auf die Klägerin von einer Prozesshandlung (Rücknahme) absieht und das Verfahren fortsetzt. Darin liegt kein besonders hohes Maß an Uneinsichtigkeit, selbst wenn er persönlich die Erfolgsaussichten nicht als günstig bewertet haben sollte. Dies gilt ebenso für die gesetzliche Betreuerin der Klägerin.

Da schon der Tatbestand der missbräuchlichen Rechtsverfolgung nicht erfüllt ist, konnte der Senat dahinstehen lassen, ob das Sozialgericht überhaupt Verschuldenskosten in der von ihm festgesetzten Höhe hat auferlegen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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