L 5 R 303/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 9 R 146/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 303/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 105/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1958 geborene Kläger ist gelernter Fliesenleger (1. September 1973 bis 31. August 1976), der im Anschluss an seine Ausbildung als Lagerarbeiter (September 1976 bis 1985), als Holzfäller (1985 bis 1990) und als Palettenbauer (1990 bis 2001) beschäftigt war. Am 29. September 2001 erlitt der Kläger einen später von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) Baden-Württemberg anerkannten Arbeitsunfall (Sturz von einem Baum), aufgrund dessen er eine Unfallrente mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 bezieht. Seit diesem Arbeitsunfall ist der Kläger nicht mehr berufstätig gewesen.

Im Versicherungsverlauf des Klägers waren zunächst bis zum 31. Dezember 2004 Pflichtbeitragszeiten und sodann vom 1. Januar 2005 bis 8. April 2008 Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug gespeichert. Vom 9. April 2008 bis 7. Mai 2008 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik Hausbaden - Fachklinik für orthopädische und rheumatische Erkrankungen - in Badenweiler teil.

Am 14. August 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. In ihrer Stellungnahme vom 8. Oktober 2009 gelangte die Ärztin Dr. med. C. nach Auswertung der ihr vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Befundes der Fachärztin für Innere Medizin D. vom Berufsförderungswerk Frankfurt am Main vom 27. Januar 2009, die den Kläger im Rahmen des dort vom 12. Januar 2009 bis 23. Januar 2009 dauernden Reha-Assessments zur Abklärung seiner beruflichen Eignung/Arbeitserprobung untersucht und getestet hatte, ausgehend von den Diagnosen

1. Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes nach Schulterblatt- und Oberarmfraktur 2001
2. Funktionsminderung des linken Ellenbogengelenkes mit anhaltender postoperativer Gelenksteife nach Luxationsfraktur 2001, V.a. sensible Nervenschädigung
3. Belastungsminderung des Beckens nach traumatischer Beckenringsprengung 2001
4. Rezidivierendes Wirbelsäulen-Syndrom
5. Dauerschmerztherapie mit Opioid

zu der Einschätzung, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechs Stunden mit Einschränkungen (überwiegend im Sitzen, ohne: anhaltende Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf unebenem Gelände, Klettern und Steigen auf Treppen, Leitern und Gerüsten, im Bücken, im Knien, in Hocke, Über-Kopf, besondere feinmotorische Anforderungen an den linken Arm, Witterungseinflüsse, besondere geistig-psychische Beanspruchung, Wechsel- und Nachtschicht, Verantwortung für Maschinen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Eigen- oder Fremdgefährdung) erwerbsfähig sei. Darauf gestützt gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 unbefristet Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. September 2009 sowie mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 2009 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. März 2010 bis 28. Februar 2013.

Am 15. November 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten Weiterzahlungsantrag, zu dessen Begründung er einen hausärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. E. vom 6. Dezember 2012 zur Akte reichte.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Untersuchung des Klägers am 14. Januar 2013 bei Dr. med. F., die in ihrem Rentengutachten vom 21. Januar 2013 ausgehend von den Diagnosen

1. Rezidivierende Schmerzen linkes Schulterblatt, linker Arm bei Witterungswechsel
2. Z.n. Scapularfraktur, Rippenfraktur links und Z.n. Ellenbogenfraktur mit Ankylose 2001
3. Rezidivierende belastungsabhängige Schmerzen im Beckenbereich links betont, bei Z.n. Beckenringfraktur 2001
4. Anamnestisch Z.n. lakunärem Thalamusinfarkt links, keine Residuen

zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger nunmehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen (ohne häufiges Bücken, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopftätigkeiten) erwerbsfähig sei.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2013 lehnte die Beklagte den Weiterzahlungsantrag des Klägers ab und hob außerdem ihren Bescheid vom 23. Oktober 2009 für die Zeit ab 1. März 2013 auf, verbunden mit dem Hinweis, zu diesem Zeitpunkt die Zahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung einzustellen.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2013 Widerspruch, den er damit begründete, sein gesundheitlicher Zustand habe sich nicht verbessert, sondern nur verschlechtert. Zur Stütze legte er das ärztliche Attest von Dr. med. E. vom 28. Februar 2018 sowie die Bescheinigung seines Schmerztherapeuten Dr. med. G. vom 4. März 2013 vor.

Mit Bescheid vom 22. April 2013 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. März 2013 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anstelle der bisherigen Rente. Dabei wies sie darauf hin, dass nach § 86a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der eine laufende Leistung entzieht, aufschiebende Wirkung habe. Der Kläger habe die gezahlten Rentenbeträge gegebenenfalls zu erstatten, falls der Entziehungsbescheid bindend werde.

In ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2013 hielt Dr. med. F. zusammenfassend fest, dass insgesamt eine Besserung der klinischen Beschwerdesymptomatik eingetreten sei.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 gab die Beklagte dem Kläger nachträglich Gelegenheit, sich zu den für die Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2009 maßgebenden Tatsachen zu äußern. Im Übrigen wies sie nochmals klarstellend darauf hin, dass die mit Bescheid vom 22. April 2013 ab dem 1. März 2013 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nur vorläufig wieder zur Zahlung angewiesen worden sei.

Nachdem er mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 ausführlich zum Rentengutachten von Dr. med. F. Stellung genommen hatte, veranlasste die Beklagte am 6. November 2013 eine ambulante Untersuchung des Klägers bei dem Arzt für Orthopädie Dr. med. H., der in seinem Gutachten vom selben Tag ausgehend von den Diagnosen

1. Z.n. Oberarmschaftfraktur, Osteosynthese BG Unfall
2. Ankylose linker Ellenbogen nach BG Fraktur
3. Z.n. Scapulahalsfraktur, Z.n. Beckenfraktur
4. Chronisches Wirbelsäulen-Syndrom

zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten täglich sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen (in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Heben bzw. schweres Heben und Tragen sowie Bücken, ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, möglichst in geschlossenen und beheizten Räumen, ohne Belastungen des linken Armes) verrichten könne.

Dieses Leistungsvermögen bestätigte Dr. med. F. in ihrer ergänzenden Stellungnahme zum Widerspruch vom 13. November 2013.

Durch Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. Februar 2013, ergänzt durch Bescheid vom 22. April 2013, zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei über den 28. Februar 2013 hinaus weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Seit dem 14. Januar 2013 sei von einem wiedererlangten Leistungsvermögen von zumindest sechs Stunden arbeitstäglich auszugehen. Dies habe nicht nur zur Folge, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht weiter zu gewähren sei, sondern dass sich zudem gegenüber den Verhältnissen, die bei Erteilung des Bescheides vom 23. Oktober 2009 maßgeblich gewesen seien (Internistischer Befund der Fachärztin D. vom 27. Januar 2009), eine wesentliche Änderung ergeben habe. Der Kläger sei im Übrigen auch nicht berufsunfähig. Als Ungelernter müsse er sich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen.

Am 5. Mai 2014 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Wiesbaden Klage und stellte außerdem am 31. Juli 2014 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der ohne Erfolg blieb (Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. August 2014, Az.: S 9 R 250/14 ER; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. November 2014, Az.: L 5 R 297/14 B ER).

Zur Begründung seiner Klage wiederholte der Kläger, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten Jahren verschlechtert. Es seien weitere Krankheiten und Bewegungseinschränkungen hinzugetreten. Dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme könne er sich nicht anschließen.

Demgegenüber verteidigte die Beklagte ihre Entscheidungen und reichte ihren Bescheid vom 12. Mai 2014 zur Gerichtsakte, mit dem sie vom Kläger die Erstattung des für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. Mai 2014 überzahlten Betrages in Höhe von 3.661,93 EUR verlangte. Dieser Bescheid sei Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Nachdem das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, dass der Bescheid vom 12. Mai 2014 nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei (Schreiben vom 4. August 2014), holte es zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte bei Dr. med. G. vom 13. Januar 2015 und bei Dr. med. E. vom 28. Januar 2015 ein.

Sodann erhob das Sozialgericht von Amts wegen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Orthopädie Dr. med. J. vom 28. Mai 2015, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am 20. Mai 2015 ausgehend von den Krankheiten

1. Gelegentliche Hinterkopfschmerzen, welche vom hinteren HWS-Bereich ausgehen ohne schmerzhafte Bewegungsstörung und ohne Hinweis für eine Nervenwurzelirritation im Bereich der Halswirbelsäule
2. Keilförmige Deformierung des 12. BWK mit Höhenminderung der Vorderkante
3. Geringe schmerzhafte Bewegungsstörung für die Rück- und Rechtsneigung der LWS ohne wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit, ohne Hinweis für eine Nervenwurzelirritation im Bereich der LWS und ohne Ischiasnervendehnungsschmerz
4. Beschwerden bei der endgradigen vorderen und seitlichen Armhebung links bei Reizung des Supraspinatussehnensansatzes mit Begleitbursitis, mit gering eingeschränkter Schulterbeweglichkeit links, knöchern verheilte Oberarmschaftfraktur links mit noch liegender (von Kallus überzogener) Metallplatte ohne Hinweis für eine Nervenverletzung am linken Oberarm
5. In 35 Grad Beugestellung eingesteifter linker Ellbogen nach Luxationsfraktur (Arbeitsunfall vom 29.09.2001) mit Reduzierung der Umwendbeweglichkeit des linken Unterarms auf Wackelbeweglichkeit; rezidivierende Irritation des Nervus ulnaris (zurzeit erscheinungsfrei)
6. Teilweise verknöcherte SIG beidseits und knöchern eingesteifte Symphyse sowie Weichteilverknöcherung vom rechten SIG bis zur rechten oberen Schambeinregion nach massiver Beckenprellung mit Symphysensprengung (Arbeitsunfall vom 29.09.2001); Leistenschmerzen rechts durch Weichteilverknöcherung; Ausschluss Hüftarthrose rechts
7. Nichtaktivierte Knorpelschäden in beiden Knien ohne Einschränkung der Beweglichkeit und der Stabilität

auf nicht-orthopädischem Gebiet:

8. Anamnestisch: rezidivierende Darm-/Hämorrhoidalblutungen
9. Anamnestisch: rezidivierende Magenschleimhautentzündungen 10. Chronische Schmerzen

zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden für leichte bis gelegentlich mittelschwere manuelle Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, ohne Über-Kopf-Arbeiten für die linke obere Extremität, ohne Einfluss von Kälte, Zugluft und Nässe, innerhalb geschlossener temperierter Räume, im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen, bevorzugt in sitzender Körperhaltung) erwerbsfähig sei. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben und betriebsunübliche Pausen nicht einzuhalten. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit 1. März 2013.

Durch Urteil vom 23. Juli 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger habe über den 28. Februar 2013 hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Insoweit werde Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Auch die Ermittlungen im Klageverfahren hätten keine weitergehenden Erkenntnisse zu Gunsten des Klägers erbracht. Das Sachverständigengutachten von Dr. med. J. und die beigezogenen ärztlichen Unterlagen enthielten keinen Befund, der eine abweichende Einschätzung der von der Beklagten getroffenen quantitativen Leistungsbeurteilung rechtfertigen würde. Eine weitere Begutachtung des Klägers sei nicht erforderlich, weil der Sachverständige Dr. med. J. insbesondere auch die bestehende Schmerzsymptomatik hinreichend beschrieben und in seiner Leistungsbeurteilung berücksichtigt habe. Die vorliegenden qualitativen Einschränkungen begründeten keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger Erwerbstätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne. Sie seien weder im Einzelnen noch in der Summe so spezifisch oder ungewöhnlich, dass eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in Erwägung gezogen werden müsste. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kläger seit dem 1. März 2013 wieder in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Folglich sei auch die mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt zu entziehen gewesen.

Gegen das ihm am 15. September 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. September 2015 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass weitere medizinische Ermittlungen erforderlich seien. Bezüglich des Schmerzsyndroms fehle dem Sachverständigen Dr. med. J. erklärtermaßen die fachliche Kompetenz. Bei Patienten, die wie er an einem opiatpflichtigen Schmerzsyndrom leiden würden, sei eine Belastung von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr nicht vertretbar. Die vom Sachverständigen Dr. med. J. angegebenen Wegstrecken seien unzutreffend, zumal sich seine Gehfähigkeit zwischenzeitlich weiter verschlechtert habe. Die Beklagte sei verpflichtet, eine konkrete Tätigkeit zu benennen, die er in der Lage wäre, zu verrichten. Es gebe keine Tätigkeit, die er mit den bei ihm festgestellten Einschränkungen ausführen könne. Auf dem Arbeitsmarkt sei er nicht mehr vermittelbar. Zur weiteren Stütze seines Rentenbegehrens legt der Kläger noch das für das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Berufungsverfahren Az.: L 13 R 323/06 erstellte Fachgutachten von Dr. med. K. - Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie - vom 15. Mai 2007 vor.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Juli 2015 und den Bescheid vom 11. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm auch über den 28. Februar 2013 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise der Beklagten Schriftsatznachlass zu geben und zu vertagen um zu der Frage der Anwendung des § 45 SGB X Stellung zu nehmen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat zunächst Befundberichte bei Dr. med. G. vom 15. Februar 2016, bei dem Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. med. M. (ohne Datum; Eingang: 17. Februar 2016), bei Dr. med. L. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie - vom 15. Februar 2016 sowie bei Dr. med. E. vom 19. Februar 2016 eingeholt, die er von Amts wegen dem erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. med. J. zur Auswertung überlassen hat. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Mai 2016 hat der Sachverständige Dr. med. J. festgehalten, dass sich aus diesen Unterlagen keine wesentliche Änderung in den Funktionsbefunden ergebe.

Sodann hat der Senat von Amts wegen weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. med. N. - Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Rheumatologie, Spezielle Orthopädische Chirurgie, Spezielle Schmerztherapie - vom 25. November 2016, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom selben Tag ausgehend von den Krankheiten

1. Gelegentliche Hinterkopfbeschwerden myofaszieller Genese von der hinteren HWS ausgehend attackenartig bei zugrundeliegender Facettgelenksdegeneration und Steilstellung
2. Keilförmige Deformierung des BWK12 mit Höhenminderung ohne Funktions- und Leistungsbeeinträchtigung
3. Funktions- und Leistungseinschränkungen durch Beschwerden im linken Schultergelenk, vornehmlich bei der Seithebung und beim Belasten aufgrund eines Zustandes nach Humerusfraktur und langem Heben aufgrund einer Ellenbogengelenkseinsteifung
4. Eingesteifter Ellenbogen nach Luxationsfraktur in 30-Grad-Beugestellung
5. Gelegentliche Funktionseinschränkung und Schmerzen im Bereich der Symphyse bei Zustand nach Symphysensprengung

von Seiten des nicht-orthopädischen Fachgebietes:

6. Diabetes mellitus
7. Bluthochdruck
8. Hypercholesterinämie
9. Chronischer myofaszieller Schmerz im linken Arm und Schulterregion

zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte körperliche Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Überkopfarbeiten, ohne Vorhaltearbeiten, ohne Heben von leichteren Gegenständen mit dem linken Arm, Leistungseinschränkungen des geistigen und des Reaktionsvermögens, verminderte kognitive Leistung im Sinne einer unterdurchschnittlichen Intelligenz) verrichten könne. Der Kläger sei in der Lage, als Pförtner, als Telefonist ohne Akkordarbeit, als Poststellenmitarbeiter ohne die Notwendigkeit des Einsatzes beider oberen Extremitäten sowie als Büro- und Verwaltungshilfskraft tätig zu sein. Der Kläger verfüge zudem über eine uneingeschränkte Wegefähigkeit. Diese Leistungsbeurteilung gelte bereits seit dem 1. März 2013 insofern, als die Einschätzungen der Vorgutachter vergleichbar seien. Seit der gescheiterten Integration im Jahr 2009 habe sich tatsächlich keine wesentliche Veränderung ergeben. Der Einschätzung der Internistin D., dass der linke Arm des Klägers nahezu gebrauchsunfähig sei, könne er sich nicht anschließen. Die Einholung eines weiteren Fachgutachtens sei nicht erforderlich. Gegebenenfalls müsste allerdings auf psychologischer Ebene geprüft werden, inwieweit sich der Befund aus dem Jahr 2009 bestätige und der Übergang von körperlicher zu mehr geistiger Tätigkeit dem Kläger überhaupt abverlangt werden könne. Aus seiner Sicht werde der Kläger erhebliche Probleme haben, sich dem Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen.

Anschließend hat der Senat weiter von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. O. - Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie - vom 2. März 2018, die im Anschluss an eine ambulante Untersuchung des Klägers am 18. September 2017 sowie nach Auswertung des auf der Grundlage von Testuntersuchungen am 26. September 2017, 27. Oktober 2017 und 9. November 2017 erstellten psychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psychologin P. - Psychologische Psychotherapeutin - vom 14. Dezember 2017 und des neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dr. med. O. - Facharzt für Neurologie - vom 26. November 2017 ausgehend von den Krankheiten

1. Hirnorganische Leistungsminderung bei im MRT nachgewiesenem altem Thalamusinfarkt rechts und Zeichen der vaskulären Enzephalopathie bei arteriellem Hypertonus, Hyperlipidämie und Diabetes Typ 2 als Gefäß-Risikofaktoren
2. Rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode
3. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
4. Andauernde Persönlichkeitsstörung
5. Klinisch-neurologisch und elektrophysiologisch nachgewiesene, leicht ausgeprägte distal betonte Polyneuropathie beider Beine bei Diabetes mellitus Typ 2
6. Latente sensomotorische Hemisymptomatik links bei kernspintomographisch nachgewiesenem Thalamusinfarkt rechts bei arteriellem Hypertonus, Diabetes mellitus Typ 2 und Hyperlipidämie als Gefäß-Risikofaktoren
7. Atrophie des M. biceps links bei abgelaufener, mittelschwerer Schädigung des Nervus musculocutaneus nach Mehrfach-Fraktur des Oberarmes links 2001
8. Abgelaufene, mittelschwere Schädigung des Nervus ulnaris links im Ellenbogenbereich nach Mehrfach-Oberarmfraktur links 2001

zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen (in wechselnder Körperhaltung, ohne erhöhte Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit, ohne Zeitdruck) verrichten könne. Der Weg zur Arbeitsstätte sei beim Kläger nicht uneingeschränkt. Dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne, sei unwahrscheinlich. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit dem 1. März 2013. Es bestünden außerdem erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Klägers, sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen und sich umzustellen. Die Begutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet sei nicht erforderlich.

Nachfolgend hat der Kläger noch Klinikbefunde vom 5. April 2018, 19. April 2018 und 9. Mai 2018, den vorläufigen Arztbrief der HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden - Klinik für Neurologie vom 6. Juli 2018 sowie den vorläufigen Entlassungsbericht der MEDICAL PARK Bad Camberg vom 14. August 2018 über seinen dortigen stationären Aufenthalt vom 19. Juli 2018 bis 15. August 2018 zur Akte gereicht, verbunden mit dem Hinweis, zwischenzeitlich drei Schlaganfälle erlitten zu haben.

Gestützt auf die Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie T. vom 23. April 2018, den Entlassungsbericht der MEDICAL PARK Bad Camberg vom 7. Juni 2018 über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 19. April 2018 bis 17. Mai 2018 sowie auf die Stellungnahme von Dr. med. Q. vom 14. August 2018 hat die Beklagte sodann den Eintritt des Leistungsfalles am 25. November 2016 anerkannt. Gleichwohl stehe dem Kläger kein Rentenanspruch zu, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Aktenlage nicht erfüllt seien. In dem maßgeblichen Vorbelegungszeitraum vom 1. September 2003 bis 24. November 2016 seien nur 16 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Sofern die im Versicherungsverlauf bestehende Lücke von Mai 2008 bis Juli 2009 geschlossen werden könne, könnten die Voraussetzungen nach der Übergangsvorschrift des § 241 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) noch gegeben sein.

Nachdem weitere Ermittlungen des Senats bei der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Wiesbaden (Auskunft vom 3. Januar 2019) und bei der Landeshauptstadt Wiesbaden - Kommunales Jobcenter (Auskunft vom 9. Januar 2019) ohne Erfolg geblieben waren, hat der Kläger darauf verwiesen, vom 9. April 2008 bis 7. Mai 2008 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik Hausbaden, Badenweiler, sowie anschließend bis 29. Januar 2009 an einem Reha-Assessment im Berufsförderungswerk S-Stadt teilgenommen zu haben, bevor ihm dann ab 1. September 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt worden sei. Demnach müsste er während dieser Zeit pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sein und einen Anspruch auf Übergangsgeld gehabt haben. Nach alledem erfülle er die versicherungsrechtlichen Voraussetzung für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Dem hat die Beklagte widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze, auf die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte des Klägers sowie auf die vom Sozialgericht Wiesbaden beigezogene Gerichtsakte Az.: S 9 R 250/14 ER (Az.: L 5 R 297/14 B ER Hessisches LSG), deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Juli 2015 ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2014 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil ihm im Zeitraum nach dem 28. Februar 2013 keinen Anspruch auf (Weiter-) Gewährung von Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung zusteht.

Der Kläger wendet sich zum einen im Wege der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 23. Oktober 2009 über die unbefristete Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Wirkung ab 1. März 2013 und begehrt zum anderen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 i. V. m. § 56 SGG) die (Weiter-) Gewährung der Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung auch über den 28. Februar 2013 hinaus, entweder auf der Grundlage eines bereits am 14. Januar 2009 eingetretenen Leistungsfalles (§ 102 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbs. SGB VI) oder eines nach dem 28. Februar 2013 eingetretenen, neuen Leistungsfalles. Angefochten ist mit beiden Klagen der Bescheid vom 11. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2014.

Demgegenüber ist der "Rentenbescheid" der Beklagten vom 22. April 2013 nicht gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Das folgt daraus, dass es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) handelt, weil die Beklagte den Kläger damit lediglich darüber in Kenntnis gesetzt hat, künftig die aufschiebende Wirkung seines zwischenzeitlich erhobenen Widerspruchs gegen ihre Aufhebungsentscheidung vom 11. Februar 2013 zu beachten (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) und ihm deshalb die mit ursprünglichem Bescheid vom 23. Oktober 2009 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiterhin - aber nur vorläufig - zu zahlen. Vor diesem Hintergrund fehlt es dem "Rentenbescheid" vom 22. April 2013 an einer Regelungswirkung im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. Eine andere Sicht der Dinge gebietet dabei auch nicht das Rechtsinstitut des sog. Formverwaltungsaktes (formeller Verwaltungsakt), weil die Beklagte gerade nicht den Anschein erweckte, ihr Handeln sei auf eine verbindliche Regelung gerichtet. Dass sie weder einen Vorschuss (§ 42 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I)) noch vorläufige Leistungen (§ 43 SGB I) gewähren wollte, ergibt sich eindeutig aus den von ihr gegebenen Hinweisen auf § 86a SGG sowie darauf, dass der Kläger die gezahlten Rentenbeträge erstatten müsse, sofern der Entziehungsbescheid bindend werde. Nichts zu ändern vermag daran der Umstand, dass das Schriftstück der Beklagten vom 22. April 2013 mit "Rentenbescheid" überschrieben ist. Denn dies gilt letztlich für jede Wissens- und Willensäußerung einer Behörde in Schriftform (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 50/01 R - juris Rdnr. 15). Ferner findet sich in dem Bescheid vom 22. April 2013 weder ein Hinweis auf eine Antragsablehnung noch war ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt (§ 36 SGB X). Da sich im Übrigen auch der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem Bescheid vom 22. April 2013 nicht inhaltlich auseinandergesetzt, sondern schlichtweg § 86 SGG fehlerhaft angewendet hat, erfährt jener Bescheid schlussendlich auch keine Regelungswirkung durch den Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014, bei dem es sich stets um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X handelt. Obendrein ist auch der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Mai 2014 nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil damit der angefochtene Bescheid vom 11. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2014 weder abgeändert noch ersetzt worden ist im Sinne von § 96 SGG. Hierauf hat bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen.

Die Aufhebungsverfügung der Beklagten im Bescheid vom 11. Februar 2013 ist rechtmäßig ergangen.

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 SGG in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann und welche Folgen sich daraus ergeben, ist in den §§ 44 ff. SGB X geregelt. Im Gefüge dieser Korrekturvorschriften regelt § 45 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Demgegenüber ist nach § 48 SGB X ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Anwendungsbereiche von § 45 SGB X und § 48 SGB X unterscheiden sich also danach, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl. § 37, § 39 SGB X) rechtswidrig war - dann § 45 SGB X - oder erst nachträglich rechtswidrig geworden ist - dann § 48 SGB X. Beide Vorschriften grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes ab, der aufgehoben werden soll.

Vorliegend stützt sich der Aufhebungsbescheid auf § 48 SGB X.

Der Aufhebungsbescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Die zunächst unterbliebene Anhörung des Klägers (§ 24 Abs. 1 SGB X) hat die Beklagte mit Schreiben vom 15. Mai 2013 und damit noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt, sodass der Anhörungsfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 SGB X nachträglich geheilt worden ist. Von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme hat der Kläger sodann auch mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 ausgiebig Gebrauch gemacht, indem er insbesondere Einwände gegen das Rentengutachten von Dr. med. F. vom 21. Januar 2013 vorgebracht hat. Bei dieser Sachlage kommt § 42 Satz 2 SGB X, der die Aufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes allein aufgrund unterbliebener oder nicht ordnungsgemäßer Anhörung anordnet, nicht zum Tragen.

Der Aufhebungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend mit Wirkung ab 1. März 2013 erfüllt. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2009, mit welchem dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit gewährt worden war, handelt es sich unzweifelhaft um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Weiterhin ist auch in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen hatten, eine wesentliche Änderung eingetreten. Sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X regelmäßig dann "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter den geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Gesetzesbegründung, ob eine Änderung wesentlich sei, bestimme sich nach dem materiellen Recht (BT-Drucks. 8/2034, Seite 35 zu § 46).

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und

2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Senat davon überzeugt, dass sich das ursprünglich auf drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich herabgeminderte Leistungsvermögen des Klägers nach Erlass des Rentenbescheides vom 23. Oktober 2009 - mithin nachträglich - wieder auf sechs Stunden und mehr gesteigert hat und dass der Kläger zumindest bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens am 5. April 2014 (Bekanntgabe des Widerspruchbescheides, § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG, § 62 Satz 2 i. V. m. § 37 Abs. 2 SGB X) über ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen verfügt hat. Diese zeitliche Begrenzung beruht darauf, dass sich die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist und im letzteren Falle seinen Adressaten beschwert, bei einer isolierten Anfechtungsklage anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes beurteilt bzw., sofern ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 54 Rdnr. 141 m.w.N.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger jedenfalls am 14. Januar 2013 (Untersuchung durch Dr. med. F.) wieder über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne häufiges Bücken, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopftätigkeiten) verfügt hat. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten. Damit ist es nachgewiesen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nach Erlass des Rentenbescheides vom 23. Oktober 2009 rentenrelevant verbessert hat, sodass insoweit eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten war, infolge derer die Beklagte zu einer Aufhebung der Rentenbewilligung mit Wirkung zum 1. März 2013 berechtigt gewesen ist.

Die ursprüngliche Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beruhte auf der Einschätzung eines drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögens mit Einschränkungen (überwiegend im Sitzen, ohne: anhaltende Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf unebenem Gelände, Klettern und Steigen auf Treppen, Leitern und Gerüsten, im Bücken, im Knien, in Hocke, Über-Kopf, besondere feinmotorische Anforderungen an den linken Arm, Witterungseinflüsse, besondere geistig-psychische Beanspruchung, Wechsel- und Nachtschicht, Verantwortung für Maschinen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Eigen- oder Fremdgefährdung), die Dr. med. C. in ihrer Stellungnahme vom 8. Oktober 2009 nach Aktenlage getroffen hatte. Sie hatte sich dabei ihrerseits maßgeblich auf den Befund der Fachärztin D. gestützt, die dem Kläger anlässlich ihrer Untersuchung am 14. Januar 2009 im Rahmen des Reha-Assessments im Berufsförderungswerk S-Stadt einen nahezu gebrauchsunfähigen linken Arm sowie aufgrund chronischer Schmerzen und der erforderlichen Opioidtherapie eine rasche Ermüdbarkeit bescheinigt hatte und auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt war, dass dem Kläger arbeitstäglich leichte Tätigkeiten nur noch vier Stunden oder weniger möglich seien.

Derart gravierende Einschränkungen vermochte Dr. med. F. anlässlich ihrer ambulanten Untersuchung des Klägers vier Jahre später am 14. Januar 2013 hingegen nicht mehr festzustellen. In diesem Zusammenhang darf zunächst nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger ihr gegenüber angab, nur noch alle drei bis vier Monate seinen Schmerztherapeuten aufzusuchen und die verordnete Medikation mit Amitriptylin nicht mehr regelmäßig, sondern nur drei- bis viermal wöchentlich einzunehmen. Als Grund hierfür teilte der Kläger mit, nicht mehr jeden Tag Schmerzen zu haben, die in erster Linie nur noch bei Wetterumschwüngen auftreten würden. Dann leide er unter rezidivierenden Schmerzen im linken Schulterblatt mit Ausstrahlung in den linken Arm bis in den Ellenbogen ziehend und beim Hochheben von Gegenständen. Objektivieren ließen sich diese Schilderungen dadurch, dass statt der von der Fachärztin D. beschriebenen Gebrauchsunfähigkeit nunmehr nur noch endgradige Bewegungseinschränkungen des linken Armes in alle Richtungen feststellbar waren. Außerdem gab der Kläger gegenüber Dr. med. F. an, rezidivierende Schmerzen im Bereich der linken Symphyse zu verspüren, die allerdings beim Stehenbleiben oder Sitzen abklingen würde. Obwohl er seine Gehstrecke als schmerzhaft eingeschränkt bezeichnete, berichtete er, täglich - mit Pausen - drei bis vier Stunden spazieren zu gehen. Hierzu passte das flüssige, unauffällige Gangbild des Klägers ohne Hilfsmittel, das Dr. med. F. anlässlich ihrer Untersuchung beobachten konnte, sowie die Schmerzintensität, die der Kläger mit einem Wert von lediglich noch 4/10 umschrieb. Ferner gab der Kläger an, keine Wirbelsäulenbeschwerden mehr zu haben, weshalb er nachvollziehbar die Schmerzmedikation mit Fentanyl-Pflaster ebenfalls nicht mehr regelmäßig benötigte, sondern es nur noch drei- bis viermal monatlich wechseln musste.

Die zusammenfassende Feststellung von Dr. med. F. einer mittlerweile eingetretenen Besserung des Gesundheitszustandes lässt sich dabei nicht nur auf ihre eigenen Untersuchungsergebnissen und die Einlassungen des Klägers stützen, sondern wird auch durch die beiden Sachverständigen Dr. med. J. und Dr. med. N. bestätigt, die den Kläger ausgehend von ihren ambulanten Untersuchungen am 20. Mai 2015 bzw. 25. November 2016 übereinstimmend ab 1. März 2013 in der Lage gesehen haben, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Sofern der Sachverständige Dr. med. N. scheinbar widersprüchlich hierzu darauf hinweist, dass sich seit der gescheiterten Integration der Klägers (gemeint: Arbeitserprobung) im Jahr 2009 tatsächlich keine wesentliche Veränderung ergeben habe, stellt dies eine Besserung des Gesundheitszustandes und die Anwendbarkeit des § 48 SGB X nicht ernsthaft in Frage. Denn nicht allein die - möglicherweise fehlerhafte, weil unkritisch von Dr. med. C. übernommene - weitgehende Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes war ausschlaggebend für die damalige Annahme eines zeitlich auf unter sechs Stunden herabgesetzten Leistungsvermögens des Klägers, sondern in erster Linie seine rasche Ermüdbarkeit aufgrund chronischer Schmerzen nebst erforderlicher Opioidtherapie. Dass zwischenzeitlich die Schmerzintensität abgenommen hat und der Kläger somit auch die Schmerzmedikation reduzieren konnte, kann in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen freilich nicht bezweifelt werden. Von einer ursprünglich rechtswidrig zu Gunsten des Klägers erfolgten Rentengewährung, die nur über § 45 SGB X und somit im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung korrigiert werden könnte, kann bei dieser Sachlage keine Rede sein.

Auch aus dem übrigen medizinischen Berichtswesen lässt sich eine offensichtliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klagers ableiten. Insbesondere sein behandelnder Schmerztherapeut Dr. med. G. bestätigte eine zwischenzeitliche Reduzierung der Schmerzmedikation (Fentanyl) ab dem 12. Juli 2011, die nicht mit einer gravierenden Schmerzzunahme einhergegangen war (Arztbrief vom 8. Januar 2013 und Befundbericht vom 13. Januar 2015). Seine an anderer Stelle geäußerte Annahme, wonach das über lange Zeit opiatpflichtige und therapieresistente Schmerzsyndrom eine Belastung von arbeitstäglich sechs Stunden nicht zulasse (Bescheinigung vom 4. März 2013), überzeugt in Anbetracht dessen nicht. Das gilt umso mehr, als sich Dr. med. G. insoweit offenkundig auf die bisherige Tätigkeit des Klägers als Palettenbauer bezogen hat. Dass der Kläger diese schwere körperliche Tätigkeit im Januar 2013 krankheitsbedingt nicht mehr zumutbar ausüben konnte, stellt aber auch die Beklagte nicht in Abrede.

Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers gebessert hat, bestätigt ebenso das Gutachten von Dr. med. H. vom 6. November 2013, der im Zuge seiner ambulanten Untersuchung vom selben Tag keinen wesentlichen rentenrelevanten Dauereinfluss auf orthopädischem Fachgebiet mehr feststellen konnte. Auch ihm gegenüber demonstrierte der Kläger beim Ankleiden lediglich leichte Funktionsbeeinträchtigungen des linken Armes und ein mittelschrittiges, nicht hinkendes Gangbild mit regelmäßigem Abrollverhalten der Füße. Hierzu passt, dass Dr. med. H. bei der körperlichen Untersuchung keine Muskelatrophien im Bereich der unteren Extremitäten feststellen konnte, sodass sich kein Anhalt für eine muskuläre Schwäche ergab, was ohne weiteres seinen Schluss auf eine uneingeschränkte Wegefähigkeit im rentenversicherungsrechtlichen Sinne (4 x 500 Meter täglich) erlaubt. Ursprünglich betrug die Gehfähigkeit des Klägers dagegen nur 30 bis 50 Meter, bevor er schmerzbedingt stehen bleiben musste und erst nach einer Pause von zehn Minuten Besserung verspürte (Arztbericht Dr. med. G. vom 15. Juli 2008). Darüber hinaus fiel Dr. med. H. im Bereich des linken Oberarmes zwar eine Verschmächtigung der Muskulatur sowie im Bereich der linken Schulter eine mäßiggradig reduzierte Kraft auf. Dennoch war der Kläger in der Lage, den Schulter-Nacken- und Schürzenbindegriff durchzuführen, und außerdem in der Beweglichkeit aller Gelenke sowohl passiv wie auch aktiv nicht wesentlich eingeschränkt, wobei er für den Bereich beider Schultergelenke links mehr als rechts bei allen Bewegungen nur endgradig Schmerzen angab. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage der Hausärztin Dr. med. E., wonach beim Kläger in den letzten Jahren keine Besserung der Belastbarkeit und Beweglichkeit habe erreicht werden können und sein Leistungsvermögen sogar nunmehr weniger als drei Stunden arbeitstäglich betrage (Attest vom 28. Februar 2013), schlichtweg nicht plausibel. Soweit überdies in ihrem Befundbericht vom 28. Januar 2015 die Rede von einer "unverändert deutlich reduzierten Gehstrecke" die Rede ist verbunden mit dem Hinweis, der Kläger könne nur 50 bis 100 Meter schmerzfrei gehen, kann es dahingestellt bleiben, ob sich hieraus wegen der im Sommer 2014 zunehmenden Knieschmerzen gegebenenfalls eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ableiten lässt. Denn eine etwaige Verschlechterung erst zu diesem späten Zeitpunkt wäre für den hier maßgeblichen Zeitraum bis zum 5. April 2014 nicht entscheidungserheblich.

Soweit die im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. med. O. in ihrem Gutachten vom 2. März 2018 demgegenüber ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden arbeitstäglich bereits seit dem 1. März 2013 annehmen möchte, folgt dem der Senat nicht. Denn ihre rückwirkende Leistungsbeurteilung begründet die Sachverständige Dr. med. O. damit, dass bereits im Jahr 2009 durch den Neurologen und Psychiater Dr. med. R. eine kognitive Leistungseinschränkung anhand von im Kernspintomogramm des Schädels nachgewiesener vaskulärer Enzephalopathie und altem abgelaufenem Thalamusinfarkt rechts (gemeint: links) objektiviert worden sei. Dabei verkennt sie allerdings, dass Dr. med. R. in seinem Arztbrief vom 20. März 2009 die Diagnose lediglich einer leichten kognitiven Einschränkung gestellt hatte und sich dort im Übrigen auch kein Anhalt für einen derart erheblichen Befund finden lässt, wie ihn die Sachverständige Dr. med. O. dann knapp 9 1/2 Jahre später erhoben hat. Vielmehr ist beim Kläger - wie die Sachverständige Dr. med. O. auch eingeräumt hat - von einem prozesshaften Geschehen auszugehen, am ehesten auf der Basis eines zerebralen Gefäßprozesses, aufgrund dessen mit einer kontinuierlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen ist. Mit Blick auf diesen progredienten Krankheitsverlauf ist es somit entgegen der Auffassung der Sachverständigen Dr. med. O. überaus einleuchtend, dass Dr. med. F. anlässlich ihrer Untersuchung am 14. Januar 2013 beim Kläger einen unauffälligen neurologischen Befund festgestellt hatte, zumal die seinerzeit schon vorbefundeten Sensibilitätsstörungen und auch Reflexdifferenzen im linken Arm nur einen Teilaspekt des von der Sachverständigen Dr. med. O. gezeichneten Krankheitsbildes des Klägers ausmachen. Im Übrigen beschreibt auch Dr. med. R. keinen solch gravierenden Befund, dass Dr. med. F. sich deshalb hätte gedrängt fühlen müssen, hierauf bei ihrer Prüfung des Leistungsvermögens unbedingt einzugehen. Auch dieser Vorwurf der Sachverständigen Dr. med. O. geht somit ins Leere.

Bei dieser Sachlage ergeben sich keine Anhaltspunkte mehr für zielgerichtete weitere Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet. Der Senat hat sich insbesondere nicht gedrängt fühlen müssen, aufgrund der divergierenden Leistungsbeurteilungen der Sachverständigen Dr. med. J. und Dr. med. N. einerseits sowie andererseits der Sachverständigen Dr. med. O. ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Gericht ist in der Würdigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89 - juris Rdnr. 5 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B - juris Rdnr. 5 m.w.N.). Es ist dann lediglich gehalten, sich mit den gutachtlichen Ausführungen auseinander zu setzen, denen es nicht folgt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsminderndem Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten sein könnte, sind weder vom Kläger aufgezeigt worden noch sonst erkennbar. Zu weiteren Ermittlungen des medizinischen Sachverhalts musste sich der Senat somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht veranlasst sehen. Das gilt umso mehr, als zuletzt auch die Sachverständige Dr. med. O. eine weitere Begutachtung des Klägers auf einem anderen Fachgebiet nicht für notwendig erachtet hat. Der Senat hält daher den medizinischen Sachverhalt insgesamt für ausreichend aufgeklärt und keine weiteren Ermittlungen mehr für geboten.

Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nach Erlass des Rentenbescheides vom 23. Oktober 2009 nicht wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X geändert hat, kann auch nicht etwa deshalb verneint werden, weil für den Kläger trotz seines zeitlich uneingeschränkten Leistungsvermögens der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen sein könnte.

Bei dem Kläger lagen zumindest bis zum 5. April 2014 nachweislich keine besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwerten. Im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld bedarf es zwar einer besonders eingehenden Prüfung, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter herausfällt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79 = SozR 2200 § 1246 Nr. 75; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 = SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren bei dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum derartige medizinische Besonderheiten indes offenkundig nicht gegeben. Vor allem ist nicht nachgewiesen, dass bereits damals seine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein könnte. Denn den insoweit von der Sachverständigen Dr. med. O. geäußerten erheblichen Zweifeln kann aufgrund der vorstehenden Erwägungen jedenfalls keine entscheidungserhebliche Rückwirkung bis zum 5. April 2014 oder sogar noch früher beigemessen werden. Nichts anderes gilt für die - weitaus unverbindlicher formulierte - Prognose des Sachverständigen Dr. med. N., wonach der Kläger erhebliche Probleme haben werde, sich den Erfordernissen des Erwerbslebens anzupassen bzw. sich umzustellen. Da der Kläger im Übrigen seit dem Abschluss seiner Facharbeiterausbildung durchgehend ungelernte bzw. allenfalls angelernte Tätigkeit verrichtet hat, kann sein Berufsleben sicherlich auch nicht als besonders geartet angesehen werden.

Darüber hinaus war die Resterwerbsfähigkeit des Klägers im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt keinesfalls praktisch unverwertbar. Grundsätzlich hängt nämlich die Erwerbsfähigkeit von Versicherten, die wie der Kläger noch in einem zeitlichen Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig sind, nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für sie offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der so genannten konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976 (GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13) kann bei noch in einem zeitlichen Umfang von zumindest sechs Stunden arbeitstäglich einsatzfähigen Versicherten grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen sind allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand vor allem nicht mehr dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 - juris Rdnr. 23). Der Nachweis, dass vorliegend ein solcher Ausnahmefall bis zum 5. April 2014 eingetreten sein könnte, ist jedoch nicht erbracht. Dem stehen schon die Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. J. entgegen, der für den Zeitraum ab 1. März 2013 sowohl den Kläger für uneingeschränkt wegefähig erachtete (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R - juris Rdnr. 21 m.w.N.) als auch keine Notwendigkeit sah, betriebsunübliche Pausen einzuhalten (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 20. April 1993, 5 RJ 34/92 - juris). Auch der Sachverständige Dr. med. N. bejahte ausdrücklich zumindest eine uneingeschränkte Wegefähigkeit, an der im Übrigen auch wegen des von Dr. med. H. erhobenen Befundes an den unteren Extremitäten keine durchgreifenden Zweifel bestehen können. Die anderslautenden Annahme der Sachverständigen Dr. med. O., wonach der Kläger nicht uneingeschränkt wegefähig sei, kann der Senat demgegenüber nicht nachvollziehen, weil sie letztlich zu vage formuliert ist und im Übrigen mangels schlüssig begründeter Rückwirkung für den hier maßgeblichen Zeitraum sowieso nicht von Bedeutung wäre.

Dass einer der weiteren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Seltenheitsfälle (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Juni 1986, 4a RJ 55/84 - juris Rdnr. 16 m.w.N.) vorgelegen haben könnte, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Wenn der Kläger also gleichwohl keinen Arbeitsplatz gefunden hatte, den er nach seinem Leistungsvermögen noch ausfüllen konnte, so ergibt sich daraus allenfalls ein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegen die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung.

Eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X kann schließlich auch nicht deshalb verneint werden, weil der Kläger berufsunfähig im Sinne von § 240 SGB VI war. Denn als Ungelernter bzw. allenfalls angelernter Arbeiter (unteren Ranges) muss sich der Kläger nach dem so genannten Mehrstufenschema (vgl. stellvertretend: BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, 4 RA 60/94 = BSGE 78, 207 = SozR 3-2600 § 43 Nr. 13) auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verweisen lassen, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger eine Ausbildung als Fliesenleger absolviert hatte, er diesen Facharbeiterberuf aber aus gesundheitlichen Gründen - wegen einer kaputten linken Kniescheibe, wie er gegenüber Dr. med. F. angab letztlich nie ausüben konnte (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 4. November 1998, B 13 RJ 95/97 R - juris Rdnr. 25 m.w.N.). Ob diese Behauptung in Anbetracht dessen, dass der Kläger nachfolgend durchgängig schwere körperliche Tätigkeiten mit erheblichen Belastungen freilich auch der Kniegelenke verrichtete, zutreffend ist, muss der Senat nicht weiter aufklären. Denn selbst wenn dem so wäre, kann vorliegend nicht von einer rentenrechtlich unbeachtlichen, weil gesundheitsbedingten "Lösung" vom bisherigen Beruf ausgegangen werden, der dann für die Feststellung von Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI weiterhin maßgeblich bleiben würde. Denn jener "bisheriger Beruf" darf nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 60 Monaten aufgegeben worden sein (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 1984, 11 RA 72/83 - juris Rdnr. 13 m.w.N.). Eben das trifft auf den Kläger nicht zu, der erstmals mit Beginn seiner Ausbildung am 1. September 1973 Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt und unmittelbar im Anschluss an das Ende seiner Ausbildungszeit zum 31. August 1976 sodann bereits im September 1976 die Tätigkeit als Lagerarbeiter aufgenommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber erst 36 Monate Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt, mithin die allgemeine Wartezeit ganz offenkundig noch nicht erfüllt.

Steht somit fest, dass sein Leistungsvermögen ab 1. März 2013 nicht mehr rentenrelevant gemindert war, kann der Kläger folglich auch nicht die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 28. Februar 2013 hinaus beanspruchen. Diesbezüglich erweist sich somit der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 ebenfalls als rechtmäßig, sodass der Kläger insoweit nicht mit seinem kombinierten Anfechtungs- und Leistungsbegehren durchdringt.

Darüber hinaus hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung für einen nach dem 28. Februar 2013 eingetretenen, neuen Leistungsfall. Ein derartiger Leistungsfall ist vorliegend deshalb zu berücksichtigen, weil bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgeblich ist (vgl. Söntgen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand: 29. Juni 2018, § 54 SGG Rdnr. 51 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rdnr. 34 m.w.N.). Dabei kann der Senat allerdings offen lassen, ob vorliegend der neue Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung - wie von der Beklagten zwischenzeitlich anerkannt - bereits am 25. November 2016, der Untersuchung des Klägers bei dem Sachverständigen Dr. med. N., erst am 18. September 2017, seiner Untersuchung bei der Sachverständigen Dr. med. O. oder sogar erst am 26. März 2018 mit dem Auftreten des ersten von drei schwerwiegenden Hirninfarkten eingetreten ist, wovon Dr. med. Q. in seiner Stellungnahme vom 14. August 2018 vorrangig auszugehen scheint. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere mit Blick auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. J. und Dr. med. N., ist der erneute Leistungsfall jedenfalls nicht im Sinne eines Vollbeweises bis zum 31. Januar 2014 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte der Kläger jedoch letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI setzt die Gewährung von Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Der für den Nachweis dieser sogenannten Vorversicherungszeit maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich dabei gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Daneben haben Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben (§ 43 Abs. 6 SGB VI). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es dabei gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Im Versicherungsverlauf des Klägers sind aktuell bis zum 31. Dezember 2004 Pflichtbeitragszeiten, vom 1. Januar 2005 bis 8. April 2008 Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug, vom 14. August 2009 bis 31. August 2009 eine Zurechnungszeit vor Beginn einer weggefallenen Rente sowie vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2013 ein weggefallener Rentenbezug mit Zurechnungszeit gespeichert. Soweit der Kläger meint, die Lücke vom 9. April 2008 bis 13. August 2009 müsse wegen seiner stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 9. April 2008 bis 7. Mai 2008 und seiner Teilnahme am Reha-Assessment im Berufsförderungswerk S-Stadt vom 12. Januar 2009 bis 29. Januar 2009 (tatsächlich: 23. Januar 2009) geschlossen werden, vermag dem der Senat nur teilweise zu folgen. Denn statt einer durchgängigen Belegung dieses Zeitraums mit rentenrechtlichen Zeiten ist lediglich für den Monat Mai 2008 eine zusätzliche Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu berücksichtigen.

Dagegen muss der Zeitraum von Juni 2008 bis Juli 2009 unbelegt bleiben. Anders als der Kläger meint, ist er vor allem nicht wegen eines ihm für diesen Zeitraum vermeintlich zustehenden Übergangsgeldanspruchs durchgängig versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen. Denn § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI macht die Versicherungspflicht beim Bezug unter anderem von Übergangsgeld davon abhängig, dass der Versicherte im letzten Jahr vor Beginn dieser Leistung zuletzt versicherungspflichtig war. Das trifft auf den Kläger indes ganz offenkundig nicht zu, der letztmals im Jahr 2004 Pflichtversicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. Dabei kann in seinem Fall der Zeitraum von einem Jahr auch nicht verlängert werden, da in seinem Versicherungsverlauf nach dem 31. Dezember 2004 keine Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II gespeichert sind. Ab dem 1. Januar 2005 war der Kläger arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug.

Aber auch für die Dauer des Reha-Assessments sind keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten zu berücksichtigen. Der Kläger verkennt hierbei, dass es sich bei dieser Maßnahme nicht bereits um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gehandelt hat, sodass für den Monat Januar 2009 keine weitere Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorliegt. Mit dem Reha-Assessment sollte vielmehr überhaupt erst in Erfahrung gebracht werden, ob der Kläger nochmals mit Hilfe von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Dass dem Kläger anschließend eine bestimmte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden ist, die er tatsächlich auch in Anspruch genommen hat, ist weder belegt noch trägt er dies selber vor. Die Gewährung solcher Leistungen bloß dem Grunde nach, wie sie die Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg mit Bescheid vom 3. September 2008 verfügt hatte, genügt nicht für den Erhalt von Leistungen zur Teilhabe im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und die Anerkennung einer entsprechenden Anrechnungszeit. Denn die Anrechnungszeittatbestände sind nur Leistungen, die über einen bestimmten Zeitraum gewährt werden und deshalb die Ausübung einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit nicht möglich war oder nicht erwartet werden konnte (vgl. B. Fiebig, in: Reinhardt, Sozialgesetzbuch VI, 4. Aufl. 2018, § 58 Rdnr. 5). Der Versicherte muss also durch die Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen tatsächlich an der Ausübung einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit gehindert gewesen sein. Das war beim Kläger nicht der Fall.

Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass nach dem - um den Monat Mai 2008 korrigierten - Versicherungsverlauf des Klägers der erneute Leistungsfall spätestens am 31. Januar 2014 hätte eintreten müssen, weil nur in dem dann maßgeblichen Vorbelegungszeitraum vom 31. Januar 2002 bis 30. Januar 2014 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt sind. Demgegenüber wären für den Kläger bei einem erst am 1. Februar 2014 eingetretenen Leistungsfall in dem dann maßgeblichen Vorbelegungszeitraum vom 1. Februar 2002 bis 31. Januar 2014 lediglich 35 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt und somit die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderliche Vorversicherungszeit nicht mehr erfüllt. Das gilt gleichermaßen für einen noch später eingetretenen Leistungsfall.

Eine Verlängerung des Vorbelegungszeitraums auf die Zeit vor Januar 2002 kommt vorliegend nicht in Betracht, weil sich für das Vorhandensein von weiteren als bislang berücksichtigten Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Infolge der Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 1. Januar 2005 bis 8. April 2008, der Anrechnungszeit wegen Erhalts von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 9. April 2008 bis 7. Mai 2008, der Zurechnungszeit vor Beginn einer weggefallenen Rente vom 14. August 2009 bis 31. August 2009 sowie des weggefallenen Rentenbezugs mit Zurechnungszeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2013 verlängert sich der Vorbelegungszeitraum im Falle des Klägers gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI um insgesamt 84 Monate, mithin vom 31. Januar 2007 auf den 31. Januar 2014.

Auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Vorversicherungszeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI kann im vorliegenden Fall auch nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen nicht erfüllt sind. Die erneute Erwerbsminderung des Klägers ist insbesondere nicht infolge eines Arbeitsunfalls (§ 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) eingetreten. Die gegenteilige Annahme der Dipl.-Psychologin P., wonach die von ihr im Rahmen der testpsychologischen Untersuchungen festgestellte, gravierende kognitive Leistungseinschränkung des Klägers auf dessen Baumsturz am 29. September 2001 zurückzuführen sein solle, der von der LBG Baden-Württemberg später als Arbeitsunfall anerkannt worden ist, leuchtet dem Senat nicht ein. Denn dieser Annahme stehen bereits die eigenen Angaben des Klägers entgegen, der damals keine Kopfverletzungen davon getragen haben will. Bestätigt wird dies auch von Dr. med. R., der in seinem Arztbrief vom 20. März 2009 festgehalten hat, keinen Zusammenhang zwischen der von ihm diagnostizierte leichten kognitiven Einschränkung und dem Sturz vom Baum zu sehen.

Darüber hinaus gehört der Kläger auch nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllen können, weil bei ihm wegen der Lücken vom 8. Mai 2008 bis 13. August 2009 sowie ab 1. März 2013 nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne dieser Vorschrift belegt ist (1. Alt.) und der Kläger im Übrigen nicht schon vor dem 1. Januar 1984 erwerbsgemindert oder berufsunfähig geworden ist (2. Alt.). Auf das lückenlose Vorhandensein von Anwartschaftserhaltungszeiten bis zum Kalendermonat vor Eintritt des Leistungsfalles kann dabei vorliegend auch nicht mit Blick auf § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI verzichtet werden. Denn in Anbetracht der Rentenantragstellung (Weiterzahlungsantrag) am 15. November 2012 könnte der Kläger jedenfalls für die Zeit vor dem 1. Januar 2012 nicht mehr wirksam freiwillige Beiträge entrichten (§ 197 Abs. 2 i. V. m. § 198 Satz 1, 1. Halbs. SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 6 SGB VI kommt schließlich ebenfalls nicht zum Tragen, da der Kläger nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert war.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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