L 9 AS 218/13 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 1095/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 218/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. B. aus B-Stadt wird abgelehnt.

Gründe:

Die am 20. März 2013 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde der Antragsteller mit dem sinngemäßen Antrag,

den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. März 2013 aufzuheben und

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab 19. November 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren,

hilfsweise, den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), hilfsweise nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), ab 12. April 2013 zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat daher den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gerichteten Hauptantrages nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II liegen hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. unzweifelhaft vor. Auch die Erwerbsfähigkeit der Antragsteller zu 1. und 2. ist vorliegend zu bejahen. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II kann zwar ein Ausländer nur im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II erwerbstätig und damit auch erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn ihm die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Der Gesetzgeber hat die Regelung aber zum 1. April 2011 um einen Satz 2 erweitert. Dieser bestimmt, dass für die Erwerbsfähigkeit die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufzunehmen, ausreicht. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung lediglich "verdeutlichen", dass - wie es aus seiner Sicht schon der früheren Praxis entsprach - ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang ausreiche (BT-Drucks. 17/3404 S. 152). Entsprechend dieser gesetzlichen Klarstellung ist davon auszugehen, dass - auch - ein Unionsbürger aus Bulgarien oder Rumänien, der noch nicht die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt, sondern nach § 284 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) einer Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit bedarf, zumindest dann erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II ist, wenn dieser Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen besteht und daher eine Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 AufenthG erteilt werden kann. Es reicht demnach ein abstrakt-genereller Arbeitsmarktzugang aus (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 4. Januar 2013 - L 9 AS 681/12 B ER, L 9 AS 707/12 B ER und L 9 AS 781/12 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012 - L 3 AS 1477/11 -). Für die Antragsteller zu 3. und 4. liegen zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II nicht vor, sie sind aber nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II leistungsberechtigt.

Vorliegend haben die Antragsteller die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Insoweit fehlt es an der umfassenden Darlegung der Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Darlegung der Hilfebedürftigkeit erfordert vollständige, wahrheitsgemäße und nachprüfbare Angaben des Hilfesuchenden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 27. November 2007 - L 9 AS 297/07 ER -, vom 19. August 2008 - L 9 AS 226/08 B ER -, vom 18. September 2008 - L 9 AS 273/08 B ER -, vom 18. Dezember 2008 - L 9 AS 417/08 B ER - und vom 22. Dezember 2010 - L 9 AS 72/10 B ER -, vgl. bereits OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Februar 1998 - 8 A 5181/95 - FEVS 49, 37). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragsteller nicht. So ist auch nach der Beschwerdebegründung vom 27. März 2013 weiterhin unklar, über welche finanziellen Mittel die Antragsteller bei ihrer ersten und - nach zwischenzeitlicher Rückreise in ihr Heimatland - bei ihrer zweiten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verfügten. Die Antragsteller haben angegeben, mit Ersparnissen in Höhe von 3.500 Euro nach Deutschland eingereist zu sein. Ob der Erlös aus dem Verkauf eines Kfz. in Höhe von 1.400,00 Euro darin enthalten ist, war schon im erstinstanzlichen Verfahren unklar und kann auch dem Vortrag der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht entnommen werden. Auch können die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller für die Zeit nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ungeachtet der Frage, über welche Mittel sie bei der Einreise verfügten, nicht nachvollzogen werden. Als Einnahmen haben die Antragsteller in der dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 20. November 2012 beigefügten eidesstattlichen Versicherung von Verwandten und Bekannten geliehene Beträge in Höhe von 1.500,00 Euro angegeben. Zu den Ausgaben haben sie Quittungen für Mietaufwendungen in Höhe von 1.950 Euro in der Zeit von August bis Oktober 2012 vorgelegt. Nach den Angaben in der Beschwerdebegründung vom 27. März 2013 erhalten die Antragsteller jetzt Kindergeld und Elterngeld in Höhe von monatlich 668,00 Euro, wovon sie monatlich 200,00 Euro an den Vermieter zahlen. Die Angaben der anwaltlich vertretenen Antragsteller lassen zum einen schon nicht erkennen, welche Beträge den Antragstellern jeweils in welchem Zeitraum zur Verfügung gestanden haben. Zum anderen ist bei einem hilferechtlichen Bedarf der Antragsteller (Regelsätze zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung) in Höhe von etwa 2.000,00 Euro monatlich selbst bei sparsamster Lebensführung nicht erkennbar, dass die angegebenen Beträge zur Deckung des Bedarfs der vierköpfigen Familie ausgereicht haben können. Es drängt sich daher zur Überzeugung des Senats der Eindruck geradezu auf, dass die Antragsteller ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht umfassend offen gelegt haben. Dieser Eindruck wird durch den Umstand erhärtet, dass neben den geringen angegebenen Einnahmen auch noch über die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts hinausgehende Ausgaben getätigt werden. So hat der Antragsteller zu 1. nach seinen Angaben von einem Freund ein Kfz geliehen. Die Unterhaltung eines Kfz ist regelmäßig mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden. Soweit die Bevollmächtigte der Antragsteller in der Beschwerdebegründung vorträgt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsteller über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügen, um ihr Existenzminimum zu sichern, dies werde auch weder von dem Antragsgegner noch von dem Gericht behauptet, verkennt sie, dass es nicht Sache des Antragsgegners und des Gerichts ist, den Nachweis der fehlenden Bedürftigkeit der Antragsteller zu erbringen, sondern Aufgabe der Antragsteller ist, sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Hilfebedürftigkeit ergibt, anzugeben und glaubhaft zu machen. Daran fehlt es hier. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller können damit ungeachtet der Frage, ob sie über Schmuck verfügen oder verfügt haben, der dem Schonvermögen unterfällt, und ob hinsichtlich der Verwertung des Kfz weitere Nachweise hätten vorgelegt werden müssen, nicht als hinreichend geklärt angesehen werden.

Im Hinblick auf die fehlende Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit ist der Senat der Auffassung, dass die Frage, ob die Antragsteller über einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) in der Bundesrepublik Deutschland verfügen, im vorliegenden Eilverfahren nicht entschieden werden muss.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Antragsteller haben gegenüber dem Beigeladenen keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG glaubhaft gemacht. Ansprüche nach dem AsylbLG scheiden schon deshalb aus, weil die Antragsteller nicht zu dem leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbLG gehören. Hinsichtlich der geltend gemachten Sozialhilfeansprüche kann offen bleiben, ob das SGB XII vorliegend überhaupt anwendbar ist, ggf., ob Ansprüche ausgeschlossen sind, weil die Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (§ 23 Abs. 3 SGB XII), und ob insoweit ein Anspruchsausschluss mit Europarecht vereinbar wäre. Denn die Antragsteller haben jedenfalls - wie ausgeführt - nicht glaubhaft gemacht, hilfebedürftig zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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