L 7 AL 87/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AL 31/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 87/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 19/19 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld bei Weiterbildung nebst Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Juni bis 18. November 2007, 14. März bis 5. Oktober 2008, 2. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 insgesamt in Höhe von 23.135,19 Euro.

Die 1955 geborene Klägerin meldete sich nach einer Tätigkeit als Seniorconsultant in den Niederlanden vom 15. November 2001 bis 31. Mai 2007 am 11. Oktober 2007 (Bl. 1 der Verwaltungsakte) bei der Beklagten in C-Stadt arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Im Antragsformular gab die Klägerin als Wohnanschrift C-Straße in C-Stadt an und legte eine am 9. Januar 2007 (Bl. 6 der Verwaltungsakte) von der Stadt C Stadt ausgestellte Lohnsteuerkarte für 2007, die keine Angabe einer Straßenadresse enthielt, sowie eine Bescheinigung des niederländischen Trägers der Arbeitslosenversicherung vom 6. September 2007 (Bl. 4 der Verwaltungsakte) für Wanderarbeitnehmer nach europäischem Recht (E 301) vor.

Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld zunächst mit Bescheid vom 12. Oktober 2007 (Lasche Bd. II der Verwaltungsakte) ab Antragstellung und mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2007 (Bl. 20 der Verwaltungsakte) ab 1. Juni 2007 für 360 Tage in Höhe von 53,43 Euro täglich. Im Rahmen von Vorverfahren wegen der Beitragsentrichtung zu einer gesetzlichen Krankenversicherung anstelle des von der Klägerin gewünschten Fortbestands ihrer privaten Krankenversicherung gab diese jeweils im Briefkopf die im Antragsformular genannte Adresse in C-Stadt an, an die die Beklagte die Widerspruchsbescheide vom 6. und 13. November 2007 (Bl. 24, 37 der Verwaltungsakte) versandte.

Nach schriftlicher und persönlicher Abmeldung aus dem Leistungsbezug am 8. November 2007 (Bl. 35 der Verwaltungsakte) zum 19. November 2007 wegen Aufenthalts in den USA auf unbestimmte Zeit, hob die Beklagte durch Bescheid vom 12. November 2007 (Bl. 39 der Verwaltungsakte) die Bewilligung von Arbeitslosengeld zunächst ab 8. November 2007 und nach Widerspruch der Klägerin mit Bescheiden vom 10. Dezember 2007 (Bl. 42, 59 der Verwaltungsakte) ab 19. November 2007 auf. Wegen Postrücklaufs an die Beklagte stellte diese eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt in C-Stadt. Diese ergab, dass es sich bei der von der Klägerin angegebenen Adresse in der C-Straße in C-Stadt um eine Obdachlosenunterkunft handelt (Bl. 54 der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 24. Februar 2008 (Bl. 62 der Verwaltungsakte) beantragte die Klägerin unter der Adresse "c/o D-Straße, D-Stadt" die Erstattung einbehaltener Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 1. Juni bis 18. November 2007 unter Beifügung eines Befreiungsbescheids der Kaufmännischen Krankenkasse vom 31. Januar 2008 (Bl. 63 der Verwaltungsakte), der ebenfalls an die Adresse D-Straße in D-Stadt gerichtet war.

Am 14. März 2008 (Bl. 65 der Verwaltungsakte) meldete sich die Klägerin unter der Adresse C-Straße in C-Stadt erneut arbeitslos. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 28. März 2008 (Bl. 81 der Verwaltungsakte) antragsgemäß Arbeitslosengeld vom 14. März bis 24. Dezember 2008. Anfragen der Beklagten vom 15. April 2008 (Bl. 72 der Verwaltungsakte) und 7. Mai 2008 (Bl. 77 der Verwaltungsakte) an den in der C-Straße, C Stadt, ansässigen Verein E. e.V. zum dortigen Aufenthalt der Klägerin blieben unbeantwortet. Den aufgrund des Widerspruchs gegen die Höhe bewilligter Leistungen ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 (Bl. 96 der Verwaltungsakte) übersandte die Beklagte deshalb erneut an die von der Klägerin benannte Adresse. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 16. Mai 2008 erschien die Klägerin mit den an E. e.V. gerichteten Schreiben vom 15. April 2008 und 7. Mai 2008 und bestätigte mit ihrer Unterschrift einen Aktenvermerk (Bl. 121 der Verwaltungsakte), wonach sie "tatsächlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der C-Straße hat" und "der Aufenthalt nur vorübergehend ist, bis sie eine Wohnung gefunden hat".

Am 16. Mai 2008 (Bl. 1 der Verwaltungsakte "FuU") beantragte die Klägerin unter der Adresse C-Straße in C-Stadt die Förderung einer beruflichen Weiterbildung (kaufmännische Qualifizierung mit SAP) bei der F. Akademie GmbH in F-Stadt und machte im Antragsformular Fahrkosten für Pendelfahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte ("täglich fünfmal pro Woche 65,57 km einfach") geltend. Nach dem Ergebnis einer telefonischen Rücksprache der Beklagten am 5. Juni 2008 (Bl. 128 der Verwaltungsakte) mit einer Mitarbeiterin des ebenfalls unter der Adresse C-Straße von der Caritas betriebenen "G." und einer E-Mail-Nachricht aus D-Stadt vom 10. Juni 2008 (Bl. 130 der Verwaltungsakte), wonach die Klägerin seit 15. November 2007 dort nicht mehr gemeldet sei, stellte die Beklagte in einem Vermerk vom 11. Juni 2008 (Blatt 137 der Verwaltungsakte) im Hinblick auf die Erklärung der Klägerin vom 16. Mai 2008 und der fehlenden Meldeadresse in den Niederlanden fest, dass keine eindeutigen Beweise für einen gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in den Niederlanden vorlägen.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 (Bl. 16 der Verwaltungsakte "FuU") Fahrkosten in Höhe von 2.856,00 Euro (monatlich 476,00 Euro) und Lehrgangskosten in Höhe von 4.964,80 Euro, insgesamt 7.820,80 Euro, für die Zeit vom 9. Juni bis 24. November 2008.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2008 (Bl. 140 der Verwaltungsakte) und - auf Widerspruch der Klägerin - ersetzt durch Bescheid vom 5. August 2008 (Bl. 158 der Verwaltungsakte) erstattete die Beklagte für die Zeit vom 1. Juni bis 15. November 2007 Beiträge zur privaten Krankenversicherung. Die vor Erteilung des Bescheides von der Klägerin vorgelegten Schreiben ihrer niederländischen Krankenversicherung waren an die Adresse in der C Straße in C-Stadt gerichtet (Bl. 148, 154 der Verwaltungsakte).

Nach dem Eingang von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (8. bis 19. September 2008, 6. bis 27. Oktober 2008, Bl. 161, 162 der Verwaltungsakte), wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 (Bl. 164 der Verwaltungsakte) an die Beklagte mit der Bitte um "vorläufige Aussetzung des Bezugs von Arbeitslosengeld ab 6. Oktober 2008 aus privaten Gründen/Krankheit". Den Fahrkostenzuschuss für Oktober 2008 in Höhe von 476 Euro habe sie zurücküberwiesen.

Am 2. Dezember 2009 (Bl. 186 der Verwaltungsakte) meldete sich die Klägerin wieder unter der Adresse "C-Straße, C-Stadt" bei der Beklagten persönlich arbeitslos; ihr wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 (vgl. Bl. 190 der Verwaltungsakte) Arbeitslosengeld ab 2. Dezember 2009 für 132 Tage weiterbewilligt. Eine Bescheinigung der Reinaert Kliniek in D-Stadt vom 8. Januar 2010 (Fotokopie mit abgedeckter Adresse, Bl. 192 der Verwaltungsakte) über eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin seit 23. Dezember 2009 ging bei der Beklagten am 14. Januar 2010, eine Folgebescheinigung bis 12. Februar 2010 am 21. Januar 2010 (Fotokopie mit abgedeckter Adresse, Bl. 194 der Verwaltungsakte), jeweils über den Hausbriefkasten, ein.

Trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit nahm die Klägerin ab 1. Februar 2010 an einer weiteren beruflichen Bildungsmaßnahme (Projekt- und Qualitätsmanagement) bei der H. GmbH in C-Stadt teil. Die Beklagte hatte die Notwendigkeit einer Förderung mit Schreiben vom 27. Januar 2010 (Bl. 33 der Verwaltungsakte "FuU") festgestellt und nach Eingang des Antrags, mit dem Fahrkosten für Pendelfahrten zwischen der C-Straße und der H-Straße in C-Stadt geltend gemacht wurden, mit Bescheid vom 18. Februar 2010 (Bl. 42 der Verwaltungsakte "FuU") Fahrkosten (öffentliche Verkehrsmittel) in Höhe von 309 Euro und Lehrgangskosten in Höhe von 8.905,68 Euro für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juli 2010 bewilligt. Über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit gingen Bescheinigungen für die Zeit bis 5. März 2010 aus D-Stadt (Bl. 47 der Verwaltungsakte "FuU"), bis 5. April 2010 bzw. 19. April 2010 und vom 7. bis 13. Juni 2010 aus C-Stadt (Bl. 52, 57, 59 der Verwaltungsakte "FuU") ein. Die Erteilung eines Bildungsgutscheins für eine weitere berufliche Fördermaßnahme zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 9. März 2011, Bl. 66 der Verwaltungsakte "FuU", Widerspruchsbescheid vom 18. März 2011, Bl. 89 der Verwaltungsakte "FuU").

Nach einem Verhandlungstermin beim Sozialgericht Aachen am 23. Februar 2011 leitete die Beklagte erneut Ermittlungen zum Wohnort der Klägerin bei der Stadtverwaltung C Stadt (Bl. 239, 247, 256, 258 der Verwaltungsakte), der Arbeitsverwaltung in den Niederlanden (Bl. 240 ff. der Verwaltungsakte), der Caritas (Bl. 243, 248 der Verwaltungsakte) und dem Straßenverkehrsamt C-Stadt (Bl. 249, 256 der Verwaltungsakte) ein. Anträge auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget (Fahrkosten von der C-Straße zu Vorstellungsgesprächen am 24. März 2011 sowie am 12. März 2011 und 14. Juni 2011) lehnte die Beklagte wegen fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ab (siehe Widerspruchsbescheide vom 5. August 2011, jeweils Bl. 3 der Gerichtsakte S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11). Die hiergegen erhobenen Klagen (S 1 AL 359/11 und 1 AL 360/11) wies das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheide vom 15. Januar 2016 ab.

Am 20. Juni 2011 (Bl. 267 der Verwaltungsakte) meldete sich die Klägerin zum 22. Juni 2011 erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie gab erstmals unter Vorlage eines an die C-Straße in C-Stadt gerichteten Schreibens ihrer Krankenkasse (KKH) vom 20. Mai 2011 (Bl. 270 der Verwaltungsakte) im Antragsformular an, dass sie für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab 23. Dezember 2009 vom 3. Februar 2010 bis 21. Juni 2011 bis zur Aussteuerung Krankengeld erhalten habe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 2011 (Bl. 308 der Verwaltungsakte) und Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 (Bl. 401 der Verwaltungsakte, S 1 AL 32/14) ab.

Die Bewilligung von Fahrkosten und Weiterbildungskosten nahm die Beklagte mit Bescheiden vom 18. August 2011 (Bl. 303, 306 der Verwaltungsakte), von 10. Oktober 2011 (Bl. 366 der Verwaltungsakte), Änderungsbescheid vom 29. November 2011 (Bl. 396 der Verwaltungsakte), Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 (Bl. 398 der Verwaltungsakte) zurück (S 1 AL 30/14).

Nach Anhörung mit Schreiben vom 7. Juli 2011 (Bl. 205 der Verwaltungsakte) und Ermittlungen durch ihren Außendienst am 18. Juli 2011 in der J-Straße in C-Stadt und in der D-Straße in D-Stadt (Blatt 274 ff. der Verwaltungsakte), hob die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 2011 (Bl. 296 der Verwaltungsakte) die Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld bei Weiterbildung für die Zeit vom 1. Juni bis 18. November 2007, 14. März bis 8. Juni 2008, 9. Juni bis 5. Oktober 2008, 2. Dezember 2009 bis 31. Januar 2010 und 1. Februar bis 2. Februar 2010 auf und forderte die Erstattung von 23.135,19 Euro einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, da die Klägerin in den genannten Zeiträumen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland gehabt habe.

Hiergegen legte die Klägerin am 29. August 2011 (Bl. 323 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Der Vorwurf, dass sie keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe, treffe nicht zu. Sie habe sich bei ihrer Arbeitslosmeldung auf Anraten der Arbeitsagentur unter der C-Straße angemeldet und in den Niederlanden abgemeldet. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass sie sich bei Freunden und Bekannten in C-Stadt aufgehalten und die Anschrift in der C-Straße als Meldeadresse unterhalten habe.

Den am 31. August 2011 gestellten Antrag auf Mitnahme von deutschem Arbeitslosengeld zur Arbeitsuche in den Niederlanden lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. September 2011 ab.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. August 2011 mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 (Bl. 401 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Leistungen der Arbeitsförderung könnten nur von Personen in Anspruch genommen werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches hätten. Das sei aber bei der Klägerin in den hier maßgeblichen Zeiten nicht der Fall gewesen. Zwar sei zutreffend, dass die Klägerin bei Arbeitslosmeldung die Anschrift C-Straße in C-Stadt angegeben habe, unter dieser Anschrift befinde sich eine Fachberatungsstelle der Caritas mit dem angeschlossenen G., eine Anlaufstelle für wohnsitzlose Menschen. Die Klägerin habe im gesamten Aufhebungszeitraum keine andere Anschrift mitgeteilt. Nach einer Melderegisterauskunft der Stadt C-Stadt, die das Sozialgericht Frankfurt am Main in den Verfahren S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11 eingeholt habe, sei die Klägerin erstmals seit 15. Juni 2011 in C-Stadt unter der Adresse J-Straße gemeldet gewesen. Bereits 2008 habe es Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin tatsächlich nicht in Deutschland wohnhaft gewesen sei. Die Klägerin habe aber schriftlich am 16. Mai 2008 erklärt, dass sie sich in der C-Straße nur vorübergehend aufhalte, bis sie eine Wohnung gefunden habe. Diese Erklärung sei nachweislich falsch und nur abgegeben worden, um in den Genuss von Leistungen zu gelangen. In einem Termin vor dem Sozialgericht Aachen habe die Klägerin am 10. Februar 2011 erklärt, sie "wohne mal hier, mal dort". Ihren persönlichen Besitz bewahre sie in einem einzigen Koffer auf. Diese sehr unkonkreten und nicht glaubhaften Angaben hätten weitere Nachforschungen zur Folge gehabt. Danach habe die Klägerin bereits bei der Arbeitslosmeldung ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden gehabt und diesen bis heute nicht aufgegeben. Darüber hinaus habe in Zeiten des Bezugs der reinen Entgeltersatzleistung Arbeitslosengeld kein Leistungsanspruch wegen fehlender Verfügbarkeit bestanden. Sie habe zu Unrecht Leistungen erhalten, da sie zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht habe. Die Rücknahme könne auch darauf gestützt werden, dass die Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe, da Hinweise in Vordrucken, Merkblättern oder mündlichen Belehrungen nicht beachtet worden seien. Zu Unrecht erhaltene Leistungen und Sozialversicherungsbeiträge seien deshalb in der festgestellten Höhe zu erstatten.

Am 31. Dezember 2011 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage gegen den Bescheid vom 17. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011.

Die Wohn- und Meldesituation sei bereits 2007 und 2008 mit der Beklagten ausführlich erörtert und die Unbedenklichkeit sei hinsichtlich der Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei Weiterbildung und anderer Leistungen bestätigt worden. Die Erreichbarkeit sei unter der Adresse C-Straße ständig gesichert gewesen, auch wenn sie während des Lehrgangs in F-Stadt wohnhaft gewesen sei. Sie habe vor der Arbeitslosmeldung 2007 ca. zehn Jahre im europäischen Ausland gewohnt. In den Niederlanden habe sie keine Leistungen beantragt, da sie davon ausgegangen sei, umgehend wieder Arbeit zu finden und aufgrund eines internetbasierten Fernstudiums vom 1. Juni bis 30. September 2007 kein Arbeitslosengeld beziehen zu dürfen. Sie habe ihre Wohnung in den Niederlanden erst im November 2007 weitervermieten können und sich in den Niederlanden abgemeldet. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld und während der Teilnahme an den Lehrgängen habe sie im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches gewohnt, was durch die der Beklagten vorliegende eidesstattliche Versicherungen der Familie K. (für April bis September 2008) und von Herrn L., C-Stadt (für die Zeit von Dezember 2009 bis Februar 2010) bewiesen werde. Sie habe nie einen postalisch mitgeteilten Termin versäumt; Vermittlungsvorschläge habe sie von der Beklagten nie erhalten. Der Beklagten sei auch bekannt gewesen, dass sie 2007 und 2008 bei einer in den Niederlanden ansässigen Krankenversicherung versichert gewesen sei. Soweit ab 2009 in den Niederlanden Krankenbehandlungen durchgeführt worden seien, bestehe innerhalb der europäischen Union freie Arztwahl. Soweit sie sich bei Bedarf an Unterstützung bzw. zu Besuchszwecken während der Erkrankung in D-Stadt aufgehalten habe, stehe dies angesichts der kurzen Distanz zwischen D-Stadt und C-Stadt nicht im Widerspruch dazu, dass sie von 2007 bis 2010 ständig für die Beklagte erreichbar und zur Vermittlung zur Verfügung gestanden habe unter der gemeldeten Anschrift C-Straße. In diesem Zusammenhang sei auf die mehrfachen, überfallartigen Angriffe eines mit Schlagstöcken bewaffneten dreiköpfigen Teams der Beklagten im August 2011 bei ihren Bekannten in D-Stadt hinzuweisen, die gegen Fenster und Türen geschlagen und Widerspruchsbescheide vom 5. August 2010 (S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11) in einen unbeschrifteten Briefkasten eingeworfen hätten. Da sie in Deutschland keine Anwartschaft erworben habe, sei die Bewilligung von Leistungen von Anfang an rechtswidrig gewesen. Darüber hinaus sei die Jahresfrist für die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen versäumt, da die Beklagte von Anfang an die Gesamtumstände gekannt habe. Vorsorglich werde noch darauf verwiesen, dass sie vom 1. Oktober bis 20. November 2007 in einem möblierten Appartement, Appartmentvermietung M., M-Straße, in C-Stadt, gewohnt habe. Sie habe nicht nur mehrmals wöchentlich persönlich in der C-Straße vorgesprochen, sondern sich darüber hinaus fernmündlich erkundigt, ob Post für sie angekommen sei, die sie dann am gleichen Tag abgeholt habe. Dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt vom 15. Oktober bis 18. November 2007 und vom 1. März bis 31. Mai 2008 in Deutschland gehabt habe, ergebe sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau N. vom 25. Oktober 2012.

Die Klägerin beantragte, den Bescheid vom 17. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 aufzuheben.

Die Beklagte trat dem entgegen. Sie hielt die getroffene Entscheidung für zutreffend und bezog sich zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Grundlage der Bewilligungsentscheidungen seien die unrichtigen Angaben der Klägerin über ihren Wohnsitz in Deutschland gewesen. Der Anfangsverdacht, dass die Klägerin ihren Wohnort in D-Stadt nie aufgegeben habe, hätten die Ermittlungen in den Niederlanden bestätigt.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 14. September 2016 ab. Das Urteil wurde noch vor Ablauf von fünf Monaten am 9. Februar 2017 der Geschäftsstelle des Sozialgerichts mit Entscheidungsgründen übergeben.

Die Kammer habe über die erhobene Klage aufgrund mündlicher Verhandlung am 14. September 2016 entscheiden können, da sich das nach der Ablehnung der Terminsaufhebung das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12. September 2016 gestellte Befangenheitsgesuch durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. September 2016 erledigt hatte.

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei das Sozialgericht Frankfurt am Main gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich zuständig, denn die Klägerin habe nach ihren Angaben in der Klageschrift, ihren Angaben bei der Beklagten anlässlich der persönlichen Vorsprache am 20. Dezember 2011 und einer E-Mail vom 29. Dezember 2011 (Blatt 97, 98 der Gerichtsakte) zum Zeitpunkt der Klageerhebung kurzzeitig im Gerichtsbezirk gewohnt. Die angegebene Adresse in O-Stadt c/o P. habe sie auch in den erledigten Verfahren S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11 in einem am 2. Januar 2012 eingegangenem Schriftsatz vom 28. Dezember 2011 angegeben. Unerheblich sei die in der Klageschrift zum Ausdruck kommende Absicht, zukünftig nach Frankfurt/Oder umzuziehen.

Die Klage sei unbegründet, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld und Sozialversicherungsbeiträgen lägen vor.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn er auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe oder gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB III die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hiervon gehe die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid aus, auf die ergänzend zur Begründung der Entscheidung verwiesen werde, § 136 Abs. 3 SGG.

Auszugehen sei davon, dass Leistungen der Arbeitsförderung nach § 19 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), zu denen neben Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld bei Weiterbildung u. a. auch Leistungen zur beruflichen Weiterbildung und Fahrkosten gehörten, nur von Personen geltend gemacht werden könnten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hätten, § 30 Abs. 1 SGB I. Einen Wohnsitz habe nach § 30 Abs. 3 SGB I jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile.

Hiernach habe die Klägerin zur Überzeugung der Kammer in den vorliegend streitigen Zeiträumen ab 1. Juni 2007 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in C-Stadt oder im Bundesgebiet gehabt. Unter der in allen Leistungsanträgen von der Klägerin ab Oktober 2007 durchgehend angegebenen Adresse in der C-Straße in C-Stadt konnte von vornherein kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden, da es sich hierbei um die Adresse eines von der Caritas betriebenen G. handele, das Wohnsitzlosen als Postadresse zur Verfügung gestellt werde. Nach Ermittlungen des Gerichts beim Einwohnermeldeamt C-Stadt in den Verfahren S 1 AL 359/11 (Blatt 33, 34, 53, 56 der Gerichtsakte S 1 AL 359/11) und S 1 AL 360/11 habe die Klägerin erstmals am 20. Juni 2011 den Einzug in eine Wohnung in der J-Straße zum 15. Juni 2011 gemeldet. Zugleich habe das Einwohnermeldeamt mitgeteilt, dass es zuvor keine Meldeadresse in C-Stadt gegeben habe. Als bisherige Wohnung sei bei der Meldung auch keine Adresse angegeben worden, sondern nur "Niederl." sowie der Tag des Auszugs am 15. November 2007 und eine entsprechende Abmeldebescheinigung der Stadt D-Stadt nach Basel. Handschriftlich habe das Einwohnermeldeamt am 20. Juni 2011 ergänzend notiert: "Frau A. war zwischen 2007 bis 2011 ohne festen Wohnsitz". Tatsächlich gewohnt habe die Klägerin aber in der am 13. Juni 2011 ab 15. Juni 2011 gemieteten Wohnung aber nicht, sondern diese sofort untervermietet und zum 31. Juli 2011 wieder gekündigt. Ermittlungen der Beklagten (S 1 AL 359/11, Blatt 77) hätten ergeben, dass eingehende Post durch den Vermieter zunächst im Hausflur abgelegt und auf Bitten der Klägerin an eine Adresse in Luxemburg nachgesandt werden sollte. Die Weiterleitung sei aber nach Mitteilung des Vermieters an eine niederländische Adresse weitergeleitet worden. Insoweit werde auf die Entscheidungsgründe in den Gerichtsbescheiden vom 15. Januar 2016 betreffend die Verfahren S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11 verwiesen. Soweit sich die Klägerin im Widerspruch zu ihren eigenen Angaben in Antragsformularen und dem weiteren Schriftverkehr mit der Beklagten nach Erlass der Aufhebungsentscheidungen auf eidesstattliche Versicherungen von Frau K. und Herrn L. für einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet in den streitigen Zeiträumen berufen habe, seien diese im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend festgestellt hat. Die Klägerin habe auf Erinnerungen der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 8. November 2011 als Anlage 2 (Blatt 389 der Verwaltungsakte) nur eine nicht datierte und nicht unterschriebene "eidesstattliche Versicherung" für "Frau K., F-Straße, F-Stadt, vorgelegt. Im Klageverfahren werde dieses "Blankoformular" (Blatt 164 der Gerichtsakte) nunmehr unterschrieben und hinsichtlich der Adresse sowie der persönlichen Angaben ergänzt unter dem 8. September 2011 als Fotokopie vorgelegt. Bereits diese Umstände sprächen für sich. Die Kammer halte diese Erklärungen ebenso wie die vor einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung der Frau N. vom 25. Oktober 2012 für die Zeit vom 15. Oktober bis 18. November 2007 und 1. März 2008 bis 31. Mai 2008 für falsch. Abgesehen davon, dass kein Grund ersichtlich sei, angeblich tatsächlich vorhandene Adressen, die einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet belegen könnten, gegenüber der Beklagten nicht anzugeben, spreche gegen die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dass sie diese Angaben erst im Nachhinein gemacht habe. Darüber hinaus sei der Klägerin entgegen zu halten, dass sie ausdrücklich für die Weiterbildungsmaßnahme in F-Stadt Pendelfahrten zwischen der C-Straße und der Bildungsstätte geltend gemacht habe, die - wenn tatsächlich in F-Stadt ein Wohnort oder gewöhnlicher Aufenthaltsort begründet worden wäre - auch aus diesem Grund zu Unrecht gezahlt worden wären. Die vor einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung der Frau N. sei ebenfalls nicht dazu geeignet, in den genannten Zeiträumen vom 1. März bis 31. Mai 2008 und 15. Oktober bis 18. November 2007 einen Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet zu belegen. Sie bestätigten lediglich, dass sie von der Klägerin an vier bis fünf Tagen in der Woche besucht worden sei oder mit ihr gesprochen habe. Ferner gebe sie vom Hören-Sagen weiter, dass ihr eine Wohnung der Klägerin in der M-Straße in C-Stadt bekannt sei, in der die Klägerin im Oktober und November 2007 gewohnt habe. Hieraus ergebe sich nicht, dass die Klägerin tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt in C-Stadt hatte. Ergänzt würden die Angaben von Frau N. durch den Zusatz: "Auch während der Zeit von März bis Mai 2008, als Frau A. A. in F-Stadt an Weiterbildung teilnahm, hat mich Frau A. A. an vier bis fünf Tagen pro Woche in C-Stadt besucht". Von März bis Mai 2008 habe in F-Stadt keine Weiterbildung stattgefunden. Vielmehr sei diese für die Zeit vom 9. Juni bis 24. November 2008 bewilligt worden. Insgesamt biete sich der Kammer das Bild eines Versuchs der Klägerin, im Nachhinein einen in Leistungszeiträumen nicht vorhandenen Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Geltungsbereich des SGB III zu konstruieren und ihren tatsächlichen Wohnort in den Niederlanden zu verschleiern. Die Kammer sei nach Auswertung der umfänglichen Verwaltungsvorgänge, insbesondere der Ermittlungsergebnisse der Beklagten mit Unterstützung der niederländischen Ermittlungsbehörden (Blatt 69, 70, 80, 135 bis 148 der Gerichtsakte in dem Verfahren S 1 AL 359/11) davon überzeugt, dass die Klägerin in der D-Straße in D-Stadt wohne und aufgrund der kurzen Wegstrecke zwischen D-Stadt und C-Stadt von den Niederlanden aus Termine wahrgenommen und unter der Adresse C-Straße und anderen Scheinadressen Post der Beklagten entgegen genommen habe. Die Klägerin sei unter der genannten Adresse in D-Stadt seit 2004 Mieterin eines Reihenhauses, lebe auch dort und zahle seither ununterbrochen Miete. Widerspruchsbescheide in den rechtskräftigen Verfahren sein dort auch in den Briefkasten der Klägerin eingelegt worden. Die Tatsache, dass die Klägerin in den Niederlanden krankenversichert gewesen sei, belege ebenfalls, dass sie tatsächlich dort gelebt habe. Dass die Wohnung in der D-Straße existiere, habe die Klägerin zwar nicht bestritten. Aber auch insoweit habe ihr Vortrag gewechselt und bestätige die Zweifel an der Richtigkeit ihres Vortrags. Während sie in der Klagebegründung vorgetragen habe, dass sie ihre Wohnung erst im November 2007 hätte weitervermieten können, benutze sie die Adresse außerhalb des Verwaltungsverfahrens mit der Beklagten etwa bei einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 30. September 2010 (Blatt 173 der Gerichtsakte). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. September 2016 habe sie auf Befragen des Gerichts die Adresse in den Niederlanden als "Ferienwohnung" bezeichnet, die sie nicht aufgeben müsse. Zu ihrem tatsächlichen Wohnort habe sie nach Auffassung der Kammer auch im Verhandlungstermin wiederum keine zutreffenden Angaben gemacht. Zwar habe sie sich auf mehrfache Nachfrage darauf festgelegt, dass sie in Luxemburg seit September 2013 wohne. Bei der angegebenen Adresse handele es sich offenbar wiederum nur um eine Anschrift, die sie selbst im Briefkopf in einem Schriftsatz vom 5. September 2016 als "zustellfähige Verfahrensanschrift" bezeichne. Bereits kurz nach dem Verhandlungstermin gebe sie wieder eine neue Adresse in der Schweiz im Briefkopf an.

Da die Klägerin in den streitigen Zeiträumen weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, habe die Beklagte zu Recht die Bewilligungsentscheidungen aufgehoben und die Erstattung (§ 50 Abs. 1 SGB X) zu Unrecht gezahlter Leistungen geltend gemacht. Zu Recht habe die Beklagte die getroffene Entscheidung ergänzend darauf gestützt, dass auch Verfügbarkeit nicht vorgelegen und somit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vorgelegen habe. Insoweit verweise die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, § 136 Abs. 3 SGG. Die Beklagte habe ihre Aufhebungsentscheidung auch rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist getroffen. Nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X müsse die Behörde den Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen aufheben, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigten. Zwar habe die Beklagte mehrfach Zweifel daran, ob die Klägerin unter der in den Leistungsanträgen angegebenen Adresse in der C-Straße tatsächlich wohne. Die Klägerin habe aber durch ihr Verhalten aufgekommene Zweifel jeweils zerstreut und sogar ausdrücklich am 16. Mai 2008 anlässlich einer persönlichen Vorsprache mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der C-Straße habe, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer folge, beginnt die Jahresfrist erst dann, wenn alle Tatsachen bekannt seien, die eine Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigten, d.h. regelmäßig mit Vorliegen des Ergebnisses der Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligungsentscheidung (vgl. KassKomm - Steinwedel, § 10 SGB X Rdnr. 27 m.w.N.). Nachdem durch Ermittlungen des Sozialgerichts in den Verfahren S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11 festgestellt worden sei, dass die Klägerin vor dem 15. Juni 2011 nicht in C-Stadt gemeldet war und aufgrund der Angaben der Klägerin in einem Verhandlungstermin am 10. Februar 2011 beim Sozialgericht Aachen, habe die Beklagte vor Ort in den Niederlanden ermittelt und im Hinblick auf die dortigen Feststellungen Bewilligungsentscheidungen anschließend rechtzeitig aufgehoben.

Dieses Urteil wurde am 14. September 2016 (Bl. 231 der Gerichtsakte) verkündet und der Klägerin am 9. Februar 2017 (Bl. 266 der Gerichtsakte) zugestellt. Dagegen hat die Klägerin am 21. September 2016 (Bl. 272 der Gerichtsake) Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerin verweist weiterhin darauf, dass sie während des Bezuges von Leistungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte und dass dies durch Erklärungen und eidesstattliche Versicherungen von Frau Q., von Frau N., von Frau K. und von Herrn L. belegt sei.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
1. das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 aufzuheben.
2. festzustellen, dass die Berufungsbeklagte ihre Beratungspflichten verletzt hat, als sie der Berufungsklägerin bei der Antragsannahme die Arbeitsvermittlung in Deutschland zugesichert und die Berufungsklägerin nicht umfassend über ihre Rechte und Pflichten sowie die finanziellen Umstände aufgeklärt hat,
3. die Berufungsbeklagte zur Erstattung aller Kosten zu verurteilen, die der Berufungsklägerin durch den nunmehr über zehnjährigen Rechtsstreit mit der Beklagten entstanden sind.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und widerspricht einer Klageänderung mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2017 ausdrücklich.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 7. November 2017 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und eine Äußerungsfrist bis zum 15. Dezember 2017 gesetzt.

Außerdem hat das Gericht die Klägerin durch Schreiben vom 8. November 2017 aufgefordert, bis 15. Dezember 2017 eine deutsche Übersetzung der in englischer Sprache abgefassten eidesstattlichen Versicherung von L. vorzulegen. Eine Übersetzung wurde nicht eingereicht.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, der Leistungsakte der Beklagten Band I, II, V, Verbis-Vermerke I, II, Kopien aus der Akte der Staatsanwaltschaft Aachen 504 Js 337/12 sowie der erledigten Verfahrensakten S 1 AL 359/11 und S 1 AL 360/11 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auch vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 Rka 97/96 – NZS 1998, 304; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. A. 2012, § 153 Rn. 14).

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes, die Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe von 23.135,19 Euro, den maßgeblichen Betrag von 750 Euro deutlich überstieg.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt am Main im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG), verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Erstattung von geleisteten Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung aus § 335 Abs. 1 und Abs. 5 SGB III ergibt.

Auch das Vorbringen im Berufungsverfahren gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Im Berufungsverfahren wurden keine überzeugenden Beweismittel zur Frage des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum vom 1. Juni bis 18. November 2007, vom 14. März bis 5. Oktober 2008 und vom 2. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 vorgelegt.

Die eidesstattlichen Versicherungen von K. und N. haben bereits in der ersten Instanz vorgelegen und wurden vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt.

Die angebotene Zeugenaussage von R., die belegen soll, dass sich die Klägerin im Jahr 2007 darum bemüht hat, sich in C-Stadt einwohnermelderechtlich zu melden, spielt für die Frage, ob die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni bis 18. November 2007, vom 14. März bis 5. Oktober 2008 und vom 2. Dezember 2009 bis 2. Februar 2010 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, keine Rolle, so dass eine entsprechende Beweiserhebung ebenfalls nicht notwendig ist.

Die im Berufungsverfahren vorgelegte, nicht übersetzte eidesstattliche Versicherung von L. (Bl. 402 der Gerichtsakte) in englischer Sprache kann nicht den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland im maßgeblichen Zeitraum beweisen. Das Gericht hat die Klägerin mit Verfügung vom 8. November 2017 nach § 202 SGG i.V.m. § 245 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgefordert, eine Übersetzung in deutscher Sprache vorzulegen. Eine solche ist jedoch ohne Begründung nicht eingereicht worden. Damit kann die Urkunde unberücksichtigt bleiben (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 61 Rdnr. 7c). Auch soweit sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung in englischer Sprache die Angabe ergibt, dass die Klägerin von November 2009 bis September 2010 Untermieterin (subtenant") des Appartements von L. in C-Stadt war, belegt dies nach Auffassung des Senats aus den vom Sozialgericht zu den eidesstattlichen Versicherungen von K. und N. angeführten Gründen nicht den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland im maßgeblichen Zeitraum, zumal kein Untermietvertrag vorgelegt wurde oder Mietzahlungen nachgewiesen wurden.

Auch die im Berufungsverfahren vorgelegte Erklärung von Frau M. vom 15. November 2016, dass die Klägerin vom 1. September bis 30. November 2007 in der M-Straße (C Stadt) "wohnhaft" war, belegen nach Auffassung des Senats, auch wenn man unterstellt, dass Frau M. ihre Erklärung als Zeugin bestätigen würde, aus den zu den eidesstattlichen Versicherungen von K. und N. angeführten Gründen nicht den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland im maßgeblichen Zeitraum, zumal im Berufungsverfahren die in der Berufungsbegründung angeführten Quittungen über Mietzahlungen für eine Wohnung in C-Stadt im Zeitraum von September bis November 2007 nicht vorgelegt wurden.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren mit den Klageanträgen zu 2) und 3) weitergehende Ansprüche geltend macht, ist die darin liegende Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG unzulässig, weil die Beklagte der Klageänderung mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2017 ausdrücklich widersprochen hat und der Senat eine Klageänderung auch nicht für sachdienlich hält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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