L 8 BA 45/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 8 R 233/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 45/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es spricht maßgeblich gegen eine selbständige Tätigkeit eines Kraftfahrers im Güterverkehr, wenn dieser die ausgeführten Transporte nicht mit einem eigenen Lkw ausführt, sondern mit einem Fahrzeug, welches im Eigentum des Auftraggebers steht und ihm kostenfrei zur Verfügung gestellt wird (Anschluss an Urteil des Senats vom 17. Dezember 2009 – L 8 KR 245/07 –, juris Rn. 28).

Damit verfügt er über keine wesentlichen Betriebsmittel mit denen er unternehmerische Gestaltungsspielräume nutzen könnte und um anderweitig am Markt des Warentransports außerhalb einer abhängigen Beschäftigung als Kraftfahrer tätig zu sein.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. September 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 5000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Lkw-Fahrer bei der Klägerin.

Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen und ist als Subunternehmerin für die Fa. D. Deutschland AG im Bereich der Warenverteilung auf dem Flughafen D-Stadt tätig. Der Beigeladene zu 1) hat im Jahr 2010 das Gewerbe "Taxibetrieb" sowie im Jahr 2013 das Gewerbe "Erbringung von Logistik- und Transportdienstleistungen" angemeldet.

Am 30. März 2015 beantragte der Beigeladene zu 1) die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status unter anderem bezüglich der von ihm für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit. Hierzu wurde im nachfolgenden Feststellungverfahren auf Nachfrage der Beklagten von dem Beigeladenen zu 1) sowie der Klägerin mitgeteilt, dass der Beigeladene zu 1) für die Klägerin auf Grundlage mündlicher Vereinbarungen tätig geworden sei. Daneben betreibe er ein eigenes Taxigewerbe und sei auch für andere Speditionen tätig, ohne eigene Mitarbeiter zu beschäftigen. Seine Tätigkeit für die Klägerin bestehe darin, im Schichtdienst mit einem Lkw der Klägerin Güter auf dem Flughafen zu transportieren. Die Klägerin setze sich hierzu mit dem Beigeladenen zu 1) in Verbindung, soweit sie urlaubs-, krankheitsbedingt oder wegen Auftragsspitzen ihren Personalbedarf mit ihren fest angestellten Beschäftigten nicht abdecken könne. Sie teile dem Beigeladenen zu 1) dann mit, für welche Schichten sie einen weiteren Fahrer benötigte. Der Beigeladene sei frei darin, die angebotenen Schichten anzunehmen oder abzulehnen. Im Falle seiner Zusage werde ihm zum vereinbarten Zeitpunkt ein Lkw bzw. eine Laderampe für die Dauer der Schicht (jeweils 12 Stunden ab 6:00 Uhr oder 18:00 Uhr) zugewiesen. Über einen eigenen Lkw verfüge der Beigeladene zu 1) nicht. Während seiner Schicht sei es Aufgabe des Beigeladenen zu 1), in einer zentralen Annahmestelle des Flughafens ankommende Waren zu verteilen. Die Details zur Warenverteilung gebe der Auftraggeber der Klägerin in Form von Anweisungen durch einen Disponenten vor. Der Beigeladene zu 1) erhalte für seine Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 18,00 EUR pro Stunde. Die Tätigkeit dürfe von ihm nicht an Dritte übertragen werden.

Mit im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom 26. August 2015 an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte fest, dass im Hinblick auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Der dagegen von der Klägerin am 11. September 2015 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2016 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 1. August 2016 bei Gericht eingegangene Klage.

Das Sozialgericht hat den Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2018 persönlich angehört. Dabei hat der Beigeladene zu 1) mitgeteilt, seit 2015 nicht mehr für die Klägerin tätig zu sein. Zuvor habe er im Sommer etwa 1/3 seiner Einnahmen durch die Tätigkeit für die Klägerin erzielt, im Winter sei es etwas weniger gewesen.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden, da der Beigeladene zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung für die Klägerin tätig geworden sei. Da schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen nicht existierten, komme es vorliegend auf die tatsächliche Durchführung der Geschäftsbeziehung an. Der Beigeladene zu 1) habe hierbei dem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen und sei in deren Betrieb eingegliedert gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass kein Recht der Klägerin bestanden habe, den Beigeladenen zu 1) einseitig zur Übernahme bestimmter Schichtdienste zu verpflichten. Auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse seien Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei denen es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen sei, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ein konkretes Angebot ablehne. Nehme der Betroffene das Angebot jedoch an, dann übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und werde nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen. So habe es sich vorliegend auch beim Beigeladenen zu 1) verhalten. Dieser sei bei der Wahrnehmung der angenommenen Schichtdienste in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und an die Weisungen des Disponenten des Auftraggebers der Klägerin gebunden gewesen. Hierbei habe es sich um ein von der Klägerin abgeleitetes, dieser als Auftraggeberin des Beigeladenen zu 1) originär zustehendes Weisungsrecht gehandelt. Der Beigeladene zu 1) habe im Hinblick auf seine Tätigkeit auch kein unternehmerisches Risiko getragen. Er habe lediglich seine Arbeitskraft eingesetzt und hierfür eine feste Vergütung erhalten. Dagegen habe der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit keinerlei eigenes Kapital eingesetzt, insbesondere keinen eigenen Lkw. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten komme es entscheidend darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetze. Die Benutzung eines eigenen Lkw und die damit einhergehende Lastentragung könne in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Werde dagegen kein eigenes Transportmittel benutzt, spreche dies entscheidend für eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Dem Beigeladenen zu 1) habe es insoweit in tatsächlicher Hinsicht an der Verfügungsgewalt über das von ihm genutzte Transportmittel gefehlt. Ein unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) habe sich auch nicht etwa daraus ergeben, dass er nicht mit einem festen Arbeitsvolumen habe rechnen können und die Gefahr bestand habe, nicht weiter von der Klägerin beauftragt zu werden. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, sei ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer treffe, der nur Zeitverträge oder auf Abruf arbeite und nach Stunden bezahlt werde. Zum echten Unternehmerrisiko werde dieses erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt werde, sondern dies zusätzlich auch auf Kosten betrieblicher Investitionen gehe. Es sei nicht ersichtlich, dass bei dem Beigeladenen zu 1) bei einem Arbeitsmangel in nennenswertem Umfang betriebliche Investitionen angefallen wären oder nicht hätten genutzt werden können, da seine Leistung gerade im Einsatz seiner Arbeitskraft bestanden habe. Angesichts der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) vertretungsweise für fest angestellte Fahrer eingesetzt worden sei, könnten im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Beigeladenen zu 1) und den fest angestellten Beschäftigten der Klägerin festgestellt werden. Dass der Beigeladene zu 1) im Falle der Verursachung von Schäden zum Schadensersatz herangezogen worden wäre, begründe ebenfalls kein unternehmerisches Risiko. Dieses Risiko betrifft abhängig Beschäftigte und Selbständige gleichermaßen. Schließlich spreche auch die Höhe der Vergütung für eine abhängige Beschäftigung. Der Stundensatz von 18 EUR ermögliche weder die Bildung von Rücklagen für das Alter, noch lasse dieser Spielraum für die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer.

Das Urteil ist am 18. Februar 2019 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 11. März 2019 am Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Zu deren Begründung ist vorgetragen worden, das Sozialgericht habe im Rahmen der durchzuführenden Gesamtabwägung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Beigeladene zu 1) gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, einzelne Schichten zu übernehmen. In einem Arbeitsverhältnis könne ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht selbst bestimmen, ob er eine Aufgabe erledigen wolle oder nicht. Dem Beigeladenen zu 1) sei im Rahmen der Aufträge lediglich vorgegeben worden, von welchem Ausgangspunkt und zu welchem Ziel er die betreffenden Waren zu transportieren gehabt habe. Die Auswahl des konkreten Weges sei ihm hingegen selbst überlassen gewesen. Es habe auch ein unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) bestanden, da dieser im Falle der Verursachung von Schäden zum Schadenersatz verpflichtet gewesen sei. Die vereinbarte Vergütung von 18 EUR pro Stunde liege deutlich über der üblicherweise einem angestellten Berufskraftfahrer zustehenden Entlohnung. Hierbei sei zwischen den Vertragsparteien berücksichtigt worden, dass der Beigeladene zu 1) noch selbst seine Krankenversicherung und Altersvorsorge betreiben müsse. Als selbstständiger Taxiunternehmer sei der Beigeladene zu 1) zudem noch für weitere Auftraggeber tätig geworden und habe lediglich knapp 1/3 seiner Einnahmen durch Aufträge der Klägerin erzielt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. September 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden in ihrer Entscheidung bestätigt.

Die Beigeladenen haben sich weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter des Senats, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Wiesbaden hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat darin zutreffend die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Klägerin festgestellt.

Gegenstand der vorliegend durchgeführten Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) ist die Feststellung von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in der konkreten Rechtsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dabei unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sowie nach dem Recht der der Arbeitsförderung gem. § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch - Arbeitsförderung (SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist dabei jeweils § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 12/3/12 RK 39/74 –, BSGE 45, 199-206, SozR 2200 § 1227 Nr. 8; Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, Az. B 12 KR 25/10 R -). Hinsichtlich des Weisungsrechtes ist zu beachten, dass dieses bei Diensten höherer Art zu einem funktionsgerechten Dienen in der fremden betrieblichen Organisation verfeinert sein (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 8/01R, Juris), jedoch kann für die Annahme des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht gänzlich auf eine Weisungsabhängigkeit verzichtet werden (vgl. Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2015 - L 4 R 3943/13 - und Urteil vom 19. Juli 2015 – L 4 R 2821/14 -; Hessisches LSG, Urteil vom 30. November 2000 - L 14 KR 777/97 - Juris, Rn. 22).

Der Beigeladene zu 1) stand unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin, da in dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Das Sozialgericht ist dabei zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend allein auf die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin abgestellt werden kann, da eine schriftliche Vereinbarung bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit nicht bestand. Im Weiteren ist das Sozialgericht im angefochtenen Urteil unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Betriebsabläufe der Klägerin, die im wesentlichen gleiche Ausgestaltung der Arbeitsleistung gegenüber den bei der Klägerin fest angestellten Fahrern sowie das Fehlen eines maßgeblichen unternehmerischen Risikos des Beigeladenen zu 1) ganz überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spricht. Demgegenüber sind die für eine ständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkte vorliegend von untergeordneter Bedeutung.

Die Tätigkeit als Kraftfahrer kann sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. November 2008 - L 4 KR 4098/06; Hessisches LSG, Urteil vom 24. Februar 1999 - L 1 KR 249/08; Bayerisches LSG, Beschluss vom 9. Mai 2012 - L 5 R 23/12 ; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Juni 2012 - L 8 R 150/12 B ER; jeweils juris) als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbständige Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 27. November 1980 8a RU 26/80; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. September 2007 - L 5 R 5/06; Bayerisches LSG, Urteil vom 29. März 2011 - L 8 AL 152/08; jeweils juris) ausgeübt werden. Entscheidend sind jeweils die den Einzelfall determinierenden Umstände. Im vorliegenden Fall überwiegen die Einzelaspekte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Es ist davon auszugehen, dass Frachtführer i.S.d. §§ 407 ff. HGB dann ein selbständiges Gewerbe ausüben, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzen und für die Durchführung ihres Gewerbes eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz oder die Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92 besitzen. Dies gilt auch dann, wenn sie als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter nur für ein Unternehmen tätig sind und dabei die Farben oder ein "Logo" dieses Unternehmens nutzen. Voraussetzung ist allerdings, dass ihnen weder Dauer noch Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben wird und sie die - nicht nur theoretische - Möglichkeit haben, Transporte auch für weitere eigene Kunden auf eigene Rechnung durchzuführen. Ob sie diese Möglichkeit tatsächlich nutzen, ist nicht entscheidend. Um ein eigenes Fahrzeug i.S. der vorherigen Ausführungen handelt es sich nur dann, wenn es auf den Erwerbstätigen zugelassen ist und von ihm mit eigenem Kapitalaufwand erworben oder geleast wurde. Eine indirekte oder direkte Beteiligung an der Fahrzeug-/Leasingfinanzierung durch den Auftraggeber spricht gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Bei Kraftfahrern ohne eigenes Fahrzeug spricht dieser Umstand maßgeblich für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (Minn in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 122. Lieferung 11.2019, Die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung zum Stichwort: Frachtführer/Unterfrachtführer; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. November 2008 – L 4 KR 4098/06; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Oktober 2008 – L 5 KR 365/06; Hessisches LSG Urteil vom 24. Februar 2009 – L 1 KR 249/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2005 – L 13 R 112/05; jeweils juris). Auch der Senat sieht als maßgebliches Argument, das gegen eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) spricht, an, dass dieser die für die Klägerin ausgeführten Transporte nicht mit einem eigenen Lkw ausführte, sondern mit einem Fahrzeug, welches im Eigentum der Klägerin stand und ihm von der Klägerin kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2009 – L 8 KR 245/07 –, juris Rn. 28). Damit verfügte der Beigeladene zu 1) über keine wesentlichen Betriebsmittel, mit denen er unternehmerische Gestaltungsspielräume hätte nutzen können und um anderweitig am Markt des Warentransports außerhalb einer abhängigen Beschäftigung als Kraftfahrer tätig zu sein.

Entgegen des Vorbringens der Klägerin verfängt auch nicht das Argument, das für eine selbstständige Tätigkeit sprechende unternehmerische Risiko ergebe sich aus der Haftung des Beigeladenen zu 1) für von ihm während der Transporte verursachte Schäden. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Firma D. Deutschland AG (Bl. 22 Verwaltungsakte) enthält unter § 11 eine schriftliche Regelung zur Haftung der Klägerin für Schäden im Rahmen der Auftragsausführung und unter § 12 eine Verpflichtung der Klägerin, ihre Haftpflicht mit umfassenden, dort im Detail aufgeführten Versicherungsverträgen abzudecken. Angesichts dieser Regelungen vermag der Senat ein tatsächlich relevantes Haftungsrisiko des Beigeladenen zu 1) bei der Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht zu erkennen. Der tatsächliche Eintritt eines Haftungsfalles zu seinen Lasten wurde von dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Anhörung durch das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung dementsprechend auch verneint.

Vorliegend kommt es auch nicht maßgeblich darauf an, dass der Beigeladene zu 1) der Klägerin gegenüber nicht verpflichtet gewesen war, einzelne Schichten zu übernehmen. Ausschlaggebend für die rechtliche Einordnung solcher unregelmäßig, auf Abruf ausgeübten Tätigkeiten sind die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - der einzelnen Aufträge (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, juris). Auch der Tagelöhner kann Arbeitnehmer sein; er wird dies sogar vielfach sein. Insbesondere können aus dem Umstand, dass jemand stets aufs Neue seine Entschließungsfreiheit betätigen kann, einen weiteren Auftrag anzunehmen und damit eine weitere Vertragsbeziehung zu begründen oder nicht, (zwingende) Schlüsse weder in der einen Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R –, juris). Selbstverständlich kann sich auch ein Arbeitnehmer nach Auslaufen insbesondere einer befristeten Beschäftigung dazu entschließen, sich erneut um eine weitere Beschäftigung zu bemühen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 2 R 326/15 –, Rn. 65, juris). Im Rahmen der von ihm übernommenen Schichten war der Beigeladene zu 1) in gleicher Weise wie die von ihm vertretenen fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin in deren Betrieb eingegliedert und unterlag hinsichtlich der Ausgestaltung der Tätigkeit in den wesentlichen Punkten (Auswahl und Ziel der zu transportierenden Waren) den Weisungen der Klägerin bzw. des Disponenten der Fa. D. Dass dem Beigeladenen zu 1) die Auswahl des konkreten Weges selbst überlassen gewesen sei, vermag eine selbständige Tätigkeit nicht zu begründen, da ein solcher Entscheidungsspielraum üblicherweise auch fest angestellten Kraftfahrern zusteht.

Der klägerische Einwand, wonach die vereinbarte Vergütung von 18 EUR pro Stunde deutlich über der üblicherweise einem angestellten Berufskraftfahrer zustehenden Entlohnung liege, vermag die Entscheidung der Beklagten bzw. des Sozialgerichts ebenfalls nicht infrage zu stellen. Auch wenn dieser Stundensatz die üblicherweise einem fest angestellten Berufskraftfahrer gewährte Entlohnung übersteigen dürfte, so liegt er gleichermaßen noch deutlich unterhalb des Entgeltes, welches einen selbständigen Fuhrunternehmer dazu in die Lage versetzen könnte, die notwendigen Betriebsmittel anzuschaffen und zu unterhalten, Mitarbeiter zu beschäftigen sowie den eigenen Unterhalt einschließlich der sozialen Absicherung zu gewährleisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese weder einen Antrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Insofern ist vom Auffangstreitwert auszugehen (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 13. Januar 2017 B 12 R 23/16 B –, juris).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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