L 1 KR 267/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 32 R 13/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 267/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 2/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstreckung einer erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht auf eine für die Zeit vom 20. April 2015 bis zum 19. April 2016 befristete Tätigkeit für die "Pro Arbeit" des Landkreises B-Stadt (Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR)).

Der 1966 geborene Kläger ist Jurist und war seit 29. März 1996 Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, seit 20. August 1999 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin und ab 24. September 1999 als Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin versichert. Der Kläger arbeitete ab 8. März 1999 als angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei C. in C-Stadt.

Auf Antrag des Klägers vom 9. März 1999, eingegangen am 11. März 1999, befreite ihn die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit formularmäßig gestaltetem Bescheid vom 15. Dezember 1999 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten ab dem 1. Oktober 1999 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Band VI - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Der Bescheid vom 15. Dezember 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2000 wurde durch das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Mai 2001 - hinsichtlich des streitigen Beginns der Befreiung - bestätigt (SG Berlin, S 29 RA 3791/00); der Kläger nahm die Berufung gegen das Urteil am 1. September 2005 zurück (LSG Berlin, L 1 RA 29/01).

Der Kläger beendete seine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt zum 31. Dezember 2008; er war anschließend bis November 2009 arbeitslos. Der Kläger blieb bis 31. März 2017 sowohl Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin als auch Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin. Eine Meldung von Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgte im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 22. November 2009 nicht (Bl. 100 der Gerichtsakte).

Für eine zum 23. November 2009 aufgenommene bis zum 22. November 2011 befristete angestellte Tätigkeit als Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeit (C-Stadt) beantragte der Kläger am 1. Februar 2010 die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 19. Februar 2010 (Bl. 82 der Verwaltungsakte) erstreckte die Beklagte die mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilte Befreiung auf die Tätigkeit als Arbeitsvermittler; im Einzelnen heißt es in dem Bescheid:

"Sie sind aufgrund des Bescheides vom 15.12.99 mit Wirkung ab 01.10.99 für die Beschäftigung als Rechtsanwalt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) zugunsten des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte Berlin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Die Befreiungsregelung nach der vorgenannten Vorschrift ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen, d.h. die Befreiung von der Versicherungspflicht ist auf die jeweilige berufsspezifische Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI); berufsfremde Beschäftigungen oder Tätigkeiten werden von ihr grundsätzlich nicht erfasst. Die Befreiung von der Versicherungspflicht kann sich jedoch dann auf eine vorübergehende berufsfremde Beschäftigung oder Tätigkeit erstrecken, sofern diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und insoweit auch einkommensgerechte Beiträge aus der berufsfremden Beschäftigung oder Tätigkeit an die berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt bzw. von der berufsständischen Versorgungseinrichtung erhoben werden (§ 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Es handelt sich bei der von Ihnen ausgeübten Beschäftigung als Vollbeschäftigter bei der Agentur für Arbeit C-Stadt zwar um eine berufsfremde Beschäftigung, auf die sich jedoch die o.g. Befreiung im Rahmen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI vom 23.11.09 bis 22.11.11 erstreckt, da diese Beschäftigung im Voraus zeitlich begrenzt ist und insoweit einkommensgerechte Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk gezahlt werden und die Pflichtmitgliedschaft in berufsständischer Kammer und Versorgungswerk fortbesteht."

In der Folgezeit war der Kläger mehrfach befristet beschäftigt; für die Beschäftigungen erstreckte die Beklagte jeweils die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI: Für die befristete Tätigkeit als Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit C-Stadt vom 1. Dezember 2011 bis 27. Februar 2012 erteilte die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 8. Dezember 2011 hin mit Bescheid vom 16. Dezember 2011 (Bl. 87 der Verwaltungsakte) die Erstreckung der Befreiung entsprechend dem vorangegangenen Bescheid vom 19. Februar 2010. Gleiches galt für die sich anschließende weitere befristete Beschäftigung vom 1. März bis 27. Mai 2012 als Arbeitsvermittler mit Bescheid der Beklagten vom 14. März 2012 (Bl. 91 der Verwaltungsakte), der ebenfalls inhaltlich dem Bescheid vom 19. Februar 2010 entsprach. Vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 war der Kläger als Angestellter der Stadt D Stadt an das Jobcenter DE. abgeordnet. Auch hierfür verfügte die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 28. September 2012 mit Bescheid vom 11. Oktober 2012 (Bl. 100 der Verwaltungsakte) die Erstreckung der Befreiung (wiederum entsprechend dem Bescheid vom 19. Februar 2010). Daran anschließend war der Kläger vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 und vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 erneut als Angestellter der Stadt D-Stadt an das Jobcenter DE. abgeordnet. Auf die Anträge vom 4. Januar 2013 und 3. September 2013 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 2014 (Bl. 117 der Verwaltungsakte) abermals die Erstreckung der Befreiung für die Dauer der Beschäftigung bei der Stadt D-Stadt vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 fest.

Vom 10. Januar 2014 bis 8. Januar 2015 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Für diesen Zeitraum erfolgte weder eine Meldung zur gesetzlichen Rentenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit, noch wurden entsprechende Pflichtbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt (Bl. 100 der Gerichtsakte).

Am 20. April 2015 nahm der Kläger eine bis zum 19. April 2016 befristete Beschäftigung beim Landkreis B-Stadt - Pro Arbeit AöR - als Sachbearbeiter im Bereich Grundsicherung auf. Am 8. Juli 2015 beantragte er erneut die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und legte eine Bestätigung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte Berlin vom 9. Juli 2015 vor, wonach die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestehe und einkommensbezogene Beiträge gezahlt würden. Mit Bescheid vom 6. August 2015 lehnte die Beklagte eine Erstreckung der Befreiung ab. Zur Begründung führte sie aus, es liege keine aktuell wirksame Befreiung für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Kammerberuf als Rechtsanwalt vor. In seinem Urteil vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R) habe der 12. Senat des Bundessozialgerichts klargestellt, dass eine Erstreckung nach dieser Vorschrift keinen eigenständigen Befreiungstatbestand darstelle, sondern von ihrer systematischen Stellung und der Gesetzesbegründung her als Bezugspunkt eine bereits nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erteilte Befreiung voraussetze und unmittelbar an diese anknüpfe. Die Beklagte folge dieser Rechtsprechung. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege einer Erstreckung komme daher nur in Betracht, wenn unmittelbar vor der Aufnahme einer versicherungspflichtigen berufsfremden Beschäftigung oder Tätigkeit oder daneben eine durch einen Bescheid nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI befreite berufsspezifische Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei. Daher könnten in ihrer berufsspezifischen Tätigkeit nicht versicherungspflichtige Selbstständige, deren Arbeit in Ermangelung einer Versicherung nicht befreiungsfähig sei, nicht im Wege des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI zugunsten ihres Versorgungswerkes befreit werden, wenn sie ihre Tätigkeit durch eine berufsfremde Beschäftigung oder Tätigkeit ersetzten oder ergänzten. Als Mitarbeiter der Pro Arbeit sei der Kläger berufsfremd und befristet beschäftigt. Es liege allerdings daneben keine aktuell wirksame Befreiung für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Kammerberuf als Rechtsanwalt vor. Der Kläger widersprach dem Bescheid und machte geltend, dass er bis zum 31. Dezember 2008 als Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Anschließend sei er wegen zeitlich begrenzter/befristeter berufsfremder Verträge immer wieder nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI befreit worden. Nunmehr werde ihm die Befreiung verwehrt. Er habe einen Vertrauensschutz darin, dass die Beklagte ihre Rechtsauffassung aus zahlreichen Befreiungsbescheiden weiterhin behalte. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R) zurück. Da der Kläger seit Ende 2008 keine Tätigkeit als Rechtsanwalt mehr ausgeübt habe, fehle es an einem Bezugspunkt für die Erstreckung der Befreiung.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Januar 2016 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt erhoben und vorgetragen, dass er über den 31. Dezember 2008 hinaus als Rechtsanwalt zugelassen gewesen sei. Auch wenn er seit den letzten sieben Jahren nicht mehr als Rechtsanwalt tätig gewesen sei, habe er seine Altersversorgung als Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes ausgerichtet. Durch die Ansicht der Beklagten sei er gezwungen, die Mitgliedschaft im Versorgungswerk zu beenden. Er sei dann auf die Altersrente der Beklagten angewiesen, in die er in den letzten 17 Jahren nichts eingezahlt habe. Er habe letztlich erst Ende 2018 einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. Aufgrund der befristeten Arbeitsverträge habe er seine Zulassung als Rechtsanwalt nicht abgeben wollen, da er sich die Gelegenheit habe offen lassen wollen, wieder als Rechtsanwalt arbeiten zu können, wenn sich eine solche Gelegenheit ergeben würde. Dafür sei es günstig gewesen, die Zulassung zu behalten, da er dann sofort als zugelassener Rechtsanwalt hätte anfangen können zu arbeiten. Darüber hinaus sei die (Neu-) Mitgliedschaft im Versorgungswerk nach einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach dem 45. Lebensjahr nicht mehr möglich. Auch deshalb habe er auf die Zulassung nicht verzichten wollen. Letztlich sei er bis zum 31. März 2017 Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin gewesen und zahle seit 1. April 2017 den freiwilligen Mindestbetrag, um die erworbenen Anwartschaften zu erhalten. Auf die weitere Zulassung als Rechtsanwalt habe er auch wegen der damit verbundenen Kosten seit 1. April 2017 verzichtet. Im hier streitigen Zeitraum sei er in Vollzeit beschäftigt gewesen. Es habe sich nicht um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger aus den früheren Befreiungen keinen Anspruch herleiten könne. Es gebe keinen Anspruch auf Weiterführung des damaligen Verwaltungshandelns bei zwischenzeitlicher Änderung der Rechtsauffassung.

Das Sozialgericht Darmstadt hat der Klage mit Urteil vom 7. März 2019 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verpflichtet, die "ursprüngliche Befreiung vom 15. Dezember 1999 auch auf die in der Zeit vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 ausgeübte Beschäftigung zu erstrecken". Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Die Beklagte habe es zu Unrecht abgelehnt, die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht vom 15. Dezember 1999 auf die vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 ausgeübte Tätigkeit als Angestellter bei der Pro Arbeit - Kreis B Stadt (AöR) zu erstrecken. Diese Tätigkeit habe grundsätzlich der Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterlegen. Der Kläger habe bei der Pro Arbeit - Kreis B Stadt (AöR) als Angestellter eine nichtselbstständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis gegen Entgelt erbracht. Anhaltspunkte dafür, dass diese Beschäftigung wegen Entgeltgeringfügigkeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB VI und § 230 Abs. 8 SGB VI) versicherungsfrei gewesen sei, lägen nicht vor. Auch hätten die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht vorgelegen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI würden von der Versicherungspflicht Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungsreinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer seien, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden habe, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen seien und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst würden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen sei. Nach § 6 Abs. 5 SGB VI sei die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt (Satz 1). Sie erstrecke sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sei und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleiste. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum zwar verkammertes Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes gewesen und damit auch aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung ipso jure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsaktes) obligatorisches Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung geworden. Aufgrund dessen sei er auch nach § 30 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin verpflichtet gewesen, als Mitglied den Pflichtbeitrag an das Versorgungswerk zu entrichten. Es fehle aber für einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in dem hier streitigen Zeitraum daran, dass diese Mitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk nicht auf derselben Beschäftigung beruhe, für die der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht begehre. Unter "derselben Beschäftigung" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" zu verstehen. Ein und dieselbe Erwerbstätigkeit führe neben der Versicherungspflicht in der gesetzlichen (Beschäftigten-)Rentenversicherung auch zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Rechtsanwaltsversorgung, wenn die Erwerbstätigkeit sowohl nach inhaltlichen Aspekten als auch ihrer äußeren Form nach dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden könne (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, B 5 RE 7/16 R, juris, Rdnr. 21). Die Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter bei der Pro Arbeit - Kreis B-Stadt (AöR) - sei aber nicht einer anwaltlichen Tätigkeit zuzuordnen. Es handele sich damit nicht um "dieselbe Beschäftigung". Darüber hinaus habe der Kläger nach eigenen Angaben neben dieser Beschäftigung eine Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht ausgeübt, auch wenn er weiterhin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen gewesen sei. Die Befreiung von der Versicherungspflicht ergebe sich auch nicht daraus, dass die ursprünglich ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 auch die im streitigen Zeitraum vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 ausgeübte Beschäftigung mitumfassen würde. Aus dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 ergebe sich, dass sich die Befreiungsregelung auf die konkrete Tätigkeit bezogen habe (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2018, B 5 RE 2/17 R, juris, Rdnr. 31 ff.).

Die Beklagte sei aber verpflichtet, die ursprüngliche Befreiung auf die spätere Beschäftigung zu "erstrecken." Der Kläger könne nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI die Erstreckung der Befreiung aus dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 auf die Tätigkeit ab dem 20. April 2015 verlangen. Die Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI setze u.a. das ununterbrochene Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) voraus (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 25). Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI "erstrecke" sich die Befreiung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sei und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleiste. Die danach vorgesehene "Erstreckung" der Befreiung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit komme nur in Betracht, wenn der ursprünglich zur Befreiung führende Sachverhalt (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) auch weiterhin vorliege. Denn nach dem Wortlaut könne nur ein überhaupt noch bestehender Befreiungsstatus auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 26). Die systematische Stellung der Vorschrift im Anschluss an die gesetzliche Definition des auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Bezugspunkts der Befreiung von der Versicherungspflicht in § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI verdeutliche im Zusammenhang mit der in ihr genannten Tatbestandsvoraussetzung einer zeitlich begrenzten anderen Tätigkeit, dass die Vorschrift lediglich eine Regelung enthalte, die sich auf eine andere vorübergehende selbstständige Tätigkeit bzw. Beschäftigung beziehe und daher keinen von den grundlegenden Voraussetzungen in § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI losgelösten eigenständigen Befreiungstatbestand darstelle (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 27). Mit der Ausnahmeregelung solle sichergestellt werden, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führe. Mit dieser Abweichung von dem Grundsatz der allein tätigkeitsbezogenen Befreiung werde dem Gedanken der Versicherungskontinuität insoweit Rechnung getragen, als vorübergehend ausgeübte berufsfremde Tätigkeiten unter den Voraussetzungen von § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI einen Wechsel des Sicherungssystems nicht herbeiführen könnten. Legitimiert werde eine Erstreckung der Befreiung aber nur, wenn die grundlegenden Befreiungsvoraussetzungen weiterhin vorlägen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 28). Von Verfassungswegen bestehe kein Wahlrecht, das es ermögliche, im Laufe eines Berufslebens die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit zu wählen oder an ihr festzuhalten und die Anwendung aller anderen Versicherungstatbestände auszuschließen. Es sei vielmehr mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk ende, wenn der Betroffene der Berufsgruppe nicht mehr angehöre, für die das Versorgungswerk errichtet worden sei (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 30). Der Kläger habe in der Zeit vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 der Berufsgruppe der Rechtsanwälte weiterhin angehört. Es könne dahinstehen, ob für eine Erstreckung parallel eine Tätigkeit als Rechtsanwalt und eine weitere befristete Beschäftigung ausgeübt werden müsse. Jedenfalls in den Fällen, in denen einen Rechtsanwalt nach § 47 BRAO die Ausübung seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit versagt sei, obwohl er weiterhin seine Zulassung behalte und u.a. den Kammerbeitrag zahle, sei der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 29). In diesen Fällen könne von einem vorübergehenden Tätigkeitswechsel ausgegangen werden. § 47 Abs. 1 Satz 1 BRAO sehe vor, dass Rechtsanwälte, die als Richter oder Beamte verwendet würden, ohne auf Lebenszeit ernannt zu sein, die in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen werden oder die vorübergehend als Angestellte im öffentlichen Dienst tätig seien, ihren Beruf als Rechtsanwalt nicht ausüben dürften, es sei denn, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben ehrenamtlich wahrnähmen. Im Fall des § 47 Satz 1 BRAO bleibe der Rechtsanwalt zwar Rechtsanwalt, seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ruhe aber während der vorübergehenden Tätigkeit im öffentlichen Dienst (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 47, Rdnr. 12). Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§§ 4, 12) bestehe aber fort; deshalb bleibe der Rechtsanwalt auch in dem Rechtsanwaltsverzeichnis eingetragen. Für die Dauer der vorübergehenden Tätigkeit im öffentlichen Dienst unterliege der Rechtsanwalt kraft § 47 Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht der Kanzleipflicht nach § 27 und könne auch die damit verbundenen Rechte nicht geltend machen (vgl. Feuerich/Weyland, a.a.0., Rdnr. 13). Trotz des Ruhens der Zulassung und der Rechte daraus blieben während der Dauer der vorübergehenden Tätigkeit im öffentlichen Dienst einige Pflichten des Rechtsanwalts bestehen. Auch während der Zeit des Berufsausübungsverbots gehöre der Rechtsanwalt der Rechtsanwaltskammer an (vgl. Feuerbach/Weyland, a.a.0., Rdnr 14b). Er habe keinen Anspruch auf Befreiung oder Ermäßigung des Kammerbeitrags (vgl. Feuerbach/Weyland, a.a.0., Rdnr. 14b). Ausgehend davon habe es sich bei der vom 20. April 2016 bis 19. April 2016 ausgeübten Tätigkeit um einen vorübergehenden Tätigkeitswechsel gehandelt, auf den die Befreiung aus dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 zu erstrecken sei. Der Kläger sei nach 2008 immer wieder zeitlich befristet in Anstellungsverhältnissen im öffentlichen Dienst im Sinne des § 47 BRAO tätig gewesen. Für die Zuordnung eines Angestelltenverhältnisses zum "öffentlichen Dienst" sei unmaßgeblich, ob der Rechtsanwalt eine Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Art ausübe. Für den öffentlichen Dienst wesentlich sei vielmehr allein die Anstellung bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, nicht wesentlich sei dagegen die Art der Tätigkeit; erforderlich sei die Eingliederung in die Organisation eines öffentlich-rechtlichen Dienstherren (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, a.a.0., Rdnr. 6). Unter einem Angestellten des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 47 BRAO sei auch derjenige Angestellte des Bundes, eines Landes oder sonst einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zu verstehen, der eine Tätigkeit nicht öffentlich-rechtlicher Art ausübe (vgl. Feuerich/Weyland, a.a.0., Rdnr. 7). Dies sei bei dem Kläger gegeben gewesen. Die hier streitige Tätigkeit habe er als Angestellter einer Anstalt des öffentlichen Rechts ausgeübt. Der Kläger sei bis zur Rückgabe der Zulassung als Rechtsanwalt auch nur vorübergehend im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI berufsfremd tätig gewesen. Der Kläger habe die Zulassung als Rechtsanwalt von 2009 bis März 2017 behalten, weil er aufgrund der lediglich befristeten Arbeitsverträge überhaupt nicht sicher habe sagen können, dass er sein Berufsleben nunmehr auf einen anderen Bereich als den des Rechtsanwalts ausrichten würde. Mit der Aufrechterhaltung der Zulassung habe der Kläger in Zusammenschau mit den befristeten Arbeitsverträgen zu erkennen gegeben, dass er weiterhin eine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt ausüben wolle. Dem stehe nicht entgegen, dass sich dieser vorübergehende Zeitraum auf fast acht Jahre erstreckt habe. Dies sei vielmehr den jeweils befristeten Arbeitsverträgen geschuldet. Die damit verbundene Unsicherheit und der Umstand, dass er wegen § 47 BRAO einem Berufsausübungsverbot unterlag, hätten vielmehr dazu geführt, dass der Kläger sich nicht endgültig vom Beruf des Rechtsanwalts gelöst habe. Im Vordergrund habe dabei auch nicht das Ziel gestanden, Mitglied im Versorgungswerk zu bleiben, sondern der Wunsch, sich alle Möglichkeiten für die Berufsausübung offen zu halten. Dies rechtfertige es in einer Gesamtschau aller Umstände, die Befreiung auch auf die Tätigkeit vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 zu erstrecken.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29. Mai 2019 zugestellte Urteil am 24. Juni 2019 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Voraussetzungen der Erstreckung einer Befreiung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI lägen nicht vor, weil es an einer noch wirksamen Befreiung mangele. Die dem Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilte Befreiung sei gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI auf die der Befreiung zugrundeliegende konkrete Tätigkeit beschränkt gewesen. Mit Aufgabe seiner Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt habe der Bescheid vom 15. Dezember 1999 und damit die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ihre Wirkung verloren. Die Beklagte verweist insoweit auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 3/11 R und B 12 R 5/10 R), vom 5. Dezember 2017 (B 12 KR 11/15 R), vom 22. März 2018 (B 5 RE 5/16 R), vom 28. Juni 2018 (B 5 RE 2/17 R) und vom 13. Dezember 2018 (B 5 RE 1/18 R und B 5 RE 3/18 R) sowie entsprechende Urteile verschiedener Landessozialgerichte. Entsprechend dem Bezug des Tätigkeitsprinzips ende die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht mit der Aufgabe der befreiten Beschäftigung. Der erteilte Bescheid werde gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedürfe. Mangels Vorliegens einer noch wirksamen Befreiung könne diese auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erstreckt werden. Zudem sei angemerkt, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI jedenfalls zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Antrages nicht vorgelegen hätten, weil der Kläger seine berufsfremden Tätigkeiten in erheblichem Umfang schon über Jahre ausgeführt habe und daher nicht mehr von "vorübergehend" im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ausgegangen werden könne. Es müsse sich insoweit um eine vorübergehende kürzere Beschäftigung handeln, die einen Wechsel der Versorgungseinrichtung und den Aufbau einer anderweitigen Versorgung nicht sinnvoll erscheinen lasse (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 22. Juli 2015, L 20 R 630/12). Dass für den Kläger als befristet Beschäftigter im öffentlichen Dienst gemäß § 47 BRAO ein Berufsausübungsverbot bestehe, sei für die Erstreckung der Befreiung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ohne Belang. Maßgeblich sei auch nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31. Dezember 2012 (B 12 R 8/10 R) nur ein noch bestehender Befreiungsstatus. An einem solchen Befreiungsstatus fehle es jedoch vorliegend, denn der Befreiungsbescheid vom 15. Dezember 1999 habe sich mit der Aufgabe der Beschäftigung gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt. § 47 BRAO bewirke lediglich den Fortbestand der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und der Versorgungseinrichtung, jedoch seien die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI nicht erfüllt. Dass die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis in der Vergangenheit und trotz des Urteils des Bundessozialgerichts vom 31. Dezember 2012 (B 12 R 8/10 R) auch noch mit Bescheid vom 27. Februar 2014 die Befreiung aufgrund des Bescheids vom 15. Dezember 1999 auf befristete berufsfremde Tätigkeiten erstreckt habe, könne einen Anspruch auf Erstreckung der Befreiung aufgrund Selbstbindung der Verwaltung im streitigen Fall nicht begründen. Die Beklagte habe ihre Praxis willkürfrei und aus sachlichen Gründen geändert. Ein auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) beruhender Anspruch komme auch nur dann in Betracht, wenn die Behörde für ihr Handeln einen Ermessenspielraum habe.

Die Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen seien nicht einschlägig, da sie nicht den Fall des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI beträfen. Das Bundessozialgericht habe mit seinem Urteil vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R) ausdrücklich auf Anwendungsfälle für § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI verwiesen, darunter auch die Sachverhalte des § 47 BRAO. Eine solche Konstellation liege hier vor. Zudem bestehe ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in die bisherige Verwaltungspraxis im Falle seiner zwischen 2009 und 2013 ausgeübten befristeten berufsfremden Beschäftigungen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 7. März 2019 den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 zu Recht aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstreckung der ursprünglichen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 15. Dezember 1999 auf die in der Zeit vom 20. April 2015 bis 19. April 2016 ausgeübte Beschäftigung.

Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Danach erstreckt sich die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Die Beklagte hat den Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI für seine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei C. befreit. Das Sozialgericht stellt insoweit zutreffend fest, dass der Kläger für die hier streitige in der Zeit vom 20. April 2015 bis zum 19. April 2016 ausgeübte Tätigkeit für die "Pro Arbeit" des Landkreises B-Stadt (AöR) weder gemäß § 6 Abs. 1 Nr.1 SGB VI (erneut) von der Rentenversicherungspflicht befreit werden kann, noch dass die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI mit (Formular-)Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilte Befreiung über den 31. Dezember 2008 hinaus fort gilt.

Dennoch hat der Kläger einen Anspruch auf Erstreckung der mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilten und bis 31. Dezember 2008 wirksamen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf die hier streitige Tätigkeit gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Denn für die befristete Tätigkeit für die "Pro Arbeit" des Landkreises B-Stadt (AöR) bestand aufgrund § 47 BRAO ein - zulassungserhaltendes - Berufsausübungsverbots und damit ein durch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R, juris Rdnr. 29) ausdrücklich eröffneter Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Darmstadt im Urteil vom 7. März 2019; diese sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.

Ergänzend ist anzumerken:

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass sich der Befreiungsbescheid vom 15. Dezember 1999 mit Aufgabe der dem Bescheid zugrundeliegenden Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt zum 31. Dezember 2008 "auf andere Weise" gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (vgl. hierzu auch: BSG, Urteile vom 7. März 2018, B 5 RE 3/18 R und 13. Dezember 2018, B 5 RE 1/18 R) und der Bescheid vom 15. Dezember 1999 damit über den 31. Dezember 2008 hinaus keine Befreiungswirkung mehr entfaltet. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dies aber einer Erstreckung der bis 31. Dezember 2008 wirksamen Befreiung auf eine nachfolgende berufsfremde Tätigkeit nicht entgegen. Wäre die Fortgeltung des Befreiungsbescheids Voraussetzung für eine Erstreckung dieser Befreiung auf eine (berufsfremde) Beschäftigung, würde die Erstreckung der Befreiung stets den Fortbestand des (von der Rentenversicherungspflicht befreiten) Beschäftigungsverhältnisses voraussetzen, denn mit Beendigung (oder Unterbrechung) dieser Tätigkeit wird die Befreiung unwirksam infolge der Erledigung "auf andere Weise". Damit wäre der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB V auf berufsfremde Nebentätigkeiten (neben dem Kammerberuf) und wenige Fälle einer "echten" Freistellung (z.B. während des Wehrdienstes, Abordnungen, Entsendungen) bei Fortbestand des ursprünglichen Beschäftigungsverhältnisses reduziert Denn auch (arbeitsrechtliche) Unterbrechungen führen stets zur Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und damit konsequenterweise zum Wegfall der Befreiung; selbst Freistellungen ohne Entgelt über einen Monat hinaus dürften sozialversicherungsrechtlich zur Beendigung der Beschäftigung führen (vgl. § 7 Abs. 3 SGB IV). Dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ist jedoch gerade nicht zu entnehmen, dass die der Befreiung zugrundeliegende Beschäftigung neben der neuen - berufsfremden - Tätigkeit fortbestehen muss. In § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI heißt es (nur):

Sie [die Befreiung] erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und Nr. 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Nach Auffassung des Senats eröffnet daher zunächst jede Beendigung oder Unterbrechung des "Hauptberufs" grundsätzlich den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 kommt eine Erstreckung der Befreiung jedoch nur dann in Betracht, "wenn der zur ursprünglichen Befreiung führende Sachverhalt (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) auch weiterhin vorliegt; denn nach dem Wortsinn kann nur ein überhaupt noch bestehender Befreiungsstatus auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden" (B 12 R 8/10 R, juris, Rdnr. 26). Es müssen die "grundlegenden Befreiungsvoraussetzungen - insbesondere die Pflichtmitgliedschaften in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und in der berufsständischen Kammer" vorliegen (BSG a.a.O., juris, Rdnr. 28). Die Möglichkeit der Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ist mithin nicht auf eine berufsfremde Nebentätigkeit neben der berufsspezifischen befreiten Kammertätigkeit beschränkt (so auch: Horn, Das Befreiungsrecht des § 6 SGB VI der verkammerten Freien Berufe, NZS 2013, 605-612, 609 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats bedeutet "Befreiungsstatus" in diesem Zusammenhang gerade nicht den Fortbestand der befreiten Beschäftigung; der vom Bundessozialgericht geforderte "Befreiungsstatus" setzt im Fall der Unterbrechung des Hauptberufs (hier: des Berufs eines Rechtsanwalts) lediglich die - im Sonderfall des Klägers aufgrund § 47 BRAO gegebenen - fortbestehenden Pflichtmitgliedschaften in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und in einer berufsständischen Kammer voraus.

Ergänzend ist noch festzustellen, dass durch die auch im streitigen Zeitraum aufgrund fortbestehender Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin gezahlten einkommensbezogenen Pflichtbeiträge der Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften im Versorgungswerk gewährleistet ist (§ 6 Abs. 5 Satz 2, letzter Halbsatz SGB VI). Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte hat die fortbestehende Pflichtmitgliedschaft und die Zahlung einkommensgerechter Pflichtbeiträge auf dem Antrag des Klägers vom 8. Juli 2015 (Bl. 123 der Verwaltungsakte) bestätigt.

Die durch § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI vorgegebene zeitliche Begrenzung der Tätigkeit ergibt sich vorliegend aus der vertraglichen Vereinbarung des Klägers mit der Pro Arbeit AöR: Die hier streitige Beschäftigung des Klägers bei der Pro Arbeit AöR war aufgrund des Arbeitsvertrages vom 9. April 2015 auf den Zeitraum vom 20. April 2015 bis zum 19. April 2016 befristet. Die Gesetzesbegründung erläutert hierzu ergänzend, dass eine nur "vorübergehende" berufsfremde Tätigkeit gerade nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führen soll (BT-Drucks. 11/4124, S. 152). Die berufsfremde Tätigkeit des Klägers bei der Pro Arbeit Kreis B-Stadt AöR war im Voraus begrenzt und angesichts der Befristung auf ein Jahr auch nur "vorübergehend".

Der nicht im Gesetzestext, sondern lediglich in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI verwendete Begriff "vorübergehend" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und bedeutet u.a. nicht auf Dauer, episodenhaft oder nicht auf unabsehbare Zeit (Duden, Synonym-Wörterbuch). Beruht die zeitliche Begrenzung der berufsfremden Tätigkeit nicht auf ihrer Eigenart (z.B. Wehrdienst), sondern - wie vorliegend - auf Vertrag, so ist es grundsätzlich problematisch, eine allgemeine Grenze zu definieren, die nur vorübergehende berufsfremde Tätigkeiten von solchen Tätigkeiten unterscheidet, die auf eine nicht nur vorübergehende Hinwendung zu einem anderen Tätigkeitsfeld schließen lassen. Die Literatur differenziert in diesen Fällen nach Sinn und Zweck des Gesetzes: Bei einer Nebentätigkeit (d.h. einer neben der berufsgruppenspezifischen Tätigkeit ausgeübten weiteren Tätigkeit) soll eine feste zeitliche Grenze nicht gezogen werden, weil der Betroffene durch seine Hauptbeschäftigung noch dem originär befreiungsberechtigten Personenkreis zuzurechnen ist (Fichte in: Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 6 SGB VI, Rdnr. 134). Bei einer Unterbrechung des Hauptberufs - wie vorliegend - wird eine strengere Beurteilung gefordert, um Missbrauch auszuschließen. Für diesen Fall wird z.B. erwogen, eine Beschränkung auf längstens zwei Jahre vorzunehmen. Diese Frist trage dem Typisierungsbedürfnis der Massenverwaltung "Rentenversicherung" Rechnung. Sie entspreche der vom Gesetzgeber in § 184 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI gesetzten Frist für eine nachversicherungsrechtlich irrelevante Überbrückung zweier versicherungsfreier Beschäftigungen (Fichte in: Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 6 SGB VI, Rdnr. 134 m.w.N.). Gestützt wird eine entsprechende zeitliche Begrenzung auf zwei Jahre auch durch die Kommentarliteratur zum hier einschlägigen § 47 BRAO, der ein Berufsausübungsverbot für Rechtsanwälte für eine "vorübergehende" Angestelltentätigkeit im öffentlichen Dienst normiert. Als "vorübergehend" sind im anwaltlichen Berufsrecht regelmäßig Verträge bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren anzusehen (Huff in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2019, § 47 BRAO, Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen). Die hier streitige Tätigkeit war auf ein Jahr befristet und ist daher grundsätzlich als "vorübergehend" im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI zu qualifizieren.

Einer Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die Pro Arbeit B-Stadt als "vorübergehend" steht auch nicht entgegen, dass es sich dabei um die sechste befristete berufsfremde Beschäftigung handelt und die Unterbrechung des Hauptberufes "Rechtsanwalt" bis zum Beginn der hier streitigen Beschäftigung bereits sieben Jahre andauerte. Nach Auffassung des Senats bedarf es vorliegend letztlich keiner abschließenden Entscheidung darüber, bei welchem Zeitraum eine noch vorübergehende Unterbrechung des Hauptberufes angenommen werden kann. Denn im hier zu entscheidenden Einzelfall vermag der Senat eine Missbrauchsgefahr oder gar einen Missbrauch nicht zu erkennen. Zum einen ist der Kläger zwischenzeitlich seit 1. April 2017 in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Er hat sich nunmehr von seinem ursprünglichen Hauptberuf "Rechtsanwalt" losgelöst und endgültig einem neuen (unbefristeten) Tätigkeitsfeld als Jobvermittler zugewandt; er hat das Alterssicherungssystem gewechselt. Damit besteht jedenfalls ab April 2017 keine Gefahr, dass er missbräuchlich die Zugehörigkeit zum berufsständischen Alterssicherungssystem aufrechterhalten möchte. Zum anderen handelte es sich bei den vorausgegangenen Befristungen überwiegend um Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern, so dass auch diesbezüglich nicht von einem durch Kettenarbeitsverträge verschleierten dauerhaften Tätigwerden für einen Arbeitgeber ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass der Kläger die jeweiligen Umstände gegenüber der Beklagten offengelegt hat und die Beklagte auch in Kenntnis der zeitlich fortgeschrittenen Unterbrechung des Hauptberufs - und zuletzt des Urteils des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R) - mit Bescheiden vom 19. Februar 2010, 16. Dezember 2011, 14. März 2012, 11. Dezember 2012 und 27. Februar 2014 die mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf die jeweiligen befristeten Beschäftigungen erstreckt hat. Besondere Gründe, die einer offensichtlich letztmaligen Erstreckung der Befreiung auf die hier streitige befristete berufsfremde Tätigkeit entgegenstehen, sind für den Senat nicht ersichtlich.

Die Auffassung der Beklagten, die berufsfremde befristete Beschäftigung, die an die Stelle der bisherigen Kammertätigkeit tritt, müsse zeitlich unmittelbar auf die befreite berufsspezifische Tätigkeit folgen (so auch: Segebrecht in: Kreikenbohm, SGB VI Kommentar, § 6 Rdnr. 118), teilt der Senat nicht. Eine derartige Auslegung ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu entnehmen. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI eröffnet für Freiberufler während einer Unterbrechung des Hauptberufs die Möglichkeit, durch zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeiten eine Lücke in der Erwerbsbiografie zu schließen und dabei in ihrem berufsständischen Versorgungssystem versichert zu bleiben. Entsprechendes gilt für Zeiten der Arbeitssuche bzw. der Arbeitslosigkeit, insbesondere wenn - wie im Fall des Klägers - während des Bezuges von Arbeitslosengeld weder eine Meldung zur gesetzlichen Rentenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt, noch entsprechende Pflichtbeiträge gezahlt werden (siehe Bl. 100 der Gerichtsakte).

Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Juli 2015 (L 20 R 630/12) ist nicht einschlägig; der dortige Kläger verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Erstreckung der Befreiung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI nach Unwirksamkeit eines Befreiungsbescheids infolge anderweitiger Erledigung (vgl. u.a. BSG, Urteile vom 7. März 2018, B 5 RE 3/18 R und 13. Dezember 2018, B 5 RE 1/18 R) liegt bisher nicht vor; das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 8/10 R) hat die Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI auf Sachverhalte, in welchen § 47 BRAO einschlägig ist, insoweit nicht abschließend bewertet.
Rechtskraft
Aus
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