L 4 KA 62/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 534/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 62/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2., 5. und 6. hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise und eine sachlich-rechnerische Berichtigung in den Quartalen IV/2010 und I/2011 in Höhe von insgesamt 3.345,10 EUR.

Der Kläger ist als Zahnarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Der Gemeinsame Ausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen wählte im Mai und August 2010 die Praxis des Klägers bzgl. der Quartale IV/2010 und I/2011 zur Prüfung aus. Daraufhin leitete die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen für die streitbefangenen Quartale ein Prüfverfahren ein, worüber sie den Kläger unter Datum vom 26. Mai 2011 und 26. August 2011 informierte.

Die Prüfungsstelle lud den Kläger unter Datum vom 28. Januar 2013 unter Beifügung einer Patientenliste mit Patientennamen und der Bitte, Aufzeichnungen für diese vorzulegen, zu einer Prüfsitzung am 30. April 2013 bezüglich der Quartale IV/2010 und I/2011, an der der Kläger nicht teilnahm.

Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 30. August 2013 bzgl. der Quartale IV/2010 und I/2011 eine Honorarkorrektur in Höhe von insgesamt 2.414,64 EUR fest. Neben sachlich-rechnerischen Berichtigungen nahm sie Honorarberichtigungen wegen Unwirtschaftlichkeit in den Einzelleistungsbereichen Nr. 32 BEMA-Z (WK) [= Aufbereiten des Wurzelkanals], Nr. BEMA-Z Ä935d (OPG) [= Orthopantomogramm], Nr. 8 BEMA-Z (ViPr) [= Vitalitätsprüfung] und Nr. BEMA-Z 106 (sK) [= Beseitigung scharfer Zahnkanten] aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung vor. Im Bereich der Nr. 32 BEMA-Z (WK) setzte sie diese Leistungen in Relation zu Nr. 35 BEMA-Z (WR) [= Wurzelspitzenresektion] und gestand eine Restüberschreitung von 1,4 Leistungen nach Nr. 32 BEMA-Z (WK) [= Wurzelkanalfüllung] auf eine Leistung nach Nr. 35 BEMA-Z (WR) zu, in den übrigen Bereichen eine Überschreitung von 100 %. Ferner kürzte sie eine PAR-Behandlung [Bereich der Behandlung von Paradontopathien].

Hiergegen legten der Kläger am 30. September 2013 und die Verbände der Krankenkassen in Hessen am 1. Oktober 2013 Widerspruch ein.

Der Beklagte lud unter Datum vom 29. Januar 2015 den Kläger zu einer Prüfsitzung am 28. April 2015 unter Übersendung einer Patientenliste.

An der Prüfsitzung nahm der Kläger nicht teil.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 28. April 2015, ausgefertigt am 15. September 2015, den Widerspruch des Klägers bzgl. der Quartale IV/2010 und I/2011 als unbegründet zurück. Dem Widerspruch der Verbände der Krankenkassen gab er statt. Er setzte die Honorarkürzung auf insgesamt 3.345,10 EUR fest, wovon auf eine sachlich-rechnerische Berichtigung 66,49 EUR und 149,13 EUR, auf den KCH-Bereich [= Bereich der Abrechnung konservierend-chirurgischer Leistungen] 2.625,92 EUR und die PAR-Behandlung (1 Behandlungsfall) 503,56 EUR entfielen. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beließ er es bei den bisherigen Kürzungen und nahm weitere Kürzungen im Bereich der Leistungen nach Nr. Ä1 BEMA-Z (Ber) i.H.v. 264,68 EUR, Nr. Ä925B BEMA-Z (Rö5) [=Röntgendiagnostik] 17,13EUR, Nr. 23 BEMA-Z (Ekr) [Entfernen Krone] 280,39 EUR und Nr. 25 BEMA-Z (Cp) [=indirekte Überkappung der Pulpa] 384,84 EUR vor, wobei er auch hier eine Überschreitung von 100 % zugestand. Lediglich im Bereich der Leistungen nach Nr. Ä1 BEMA-Z (Ber) nahm er einen Vergleich aus der Summe dieser Leistungen und der Leistungen nach Nr. 01 BEMA-Z (U) vor und gestand eine Überschreitung von 10 % zu.

Hiergegen hat der Kläger am 19. Oktober 2015 Klage erhoben.

Der Kläger stellte ferner am 19. Oktober 2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 12 KA 635/15 ER). Die Kammer lehnte mit Beschluss vom 11. November 2015 den Antrag ab; der erkennende Senat wies mit Beschluss vom 8. Februar 2016 – L 4 KA 47/15 ER – die Beschwerde zurück. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2016 hat das Sozialgericht die aus dem Rubrum ersichtliche Beiladung ausgesprochen.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig. Es sei die Antragsfrist gemäß der Prüfvereinbarung nicht eingehalten worden. Die Prüfungsstelle habe den Prüfbescheid nicht innerhalb der Verwirkungsfrist erlassen. Seine Praxisbesonderheiten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er habe die Leistungen ausreichend begründet, womit sich der Beklagte nicht auseinandersetze. Er benötige die 100-Fall Statistik, die auch die Quartale vor und nach dem Prüfzeitraum erfasse, die ZE-, PAR-, KFO- und KB-Statistiken und alle zur Prüfung relevanten Statistiken und Unterlagen.

Der Beklagte ist der Klage in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.

Die Beigeladenen zu 2), 3), 5) und 6) haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die übrigen Beteiligten haben sich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. September 2016 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im Beschluss vom 11. November 2015 verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass der Beklagte insbesondere im KCH-Bereich in verschiedenen Einzelleistungsbereichen einen statistischen Kostenvergleich durchgeführt habe. Er habe die von der Rechtsprechung aufgestellten zuzubilligenden Restüberschreitungen eingehalten. Soweit er durch die Relation zwischen einzelnen Leistungen den Prüfungsmaßstab verfeinert habe, habe er bereits im angefochtenen Bescheid zutreffend auf die Rechtsprechung verwiesen. Besondere Fristen für eine Prüfung stellte die Prüfvereinbarung (PV) nicht auf. § 5 PV unterscheide zwischen Zufälligkeitsprüfung (Abs. 2) und Auffälligkeitsprüfung (Abs. 3). Die Zufälligkeitsprüfung erfolge aufgrund der von der Beigeladenen zu 1) zu ziehenden Stichprobe. Für die Einleitung der Auffälligkeitsprüfung sei die Auswahl im gemeinsamen Ausschuss erforderlich. Durch Übersendung der Aufstellung der in der Zufälligkeits- und Auffälligkeitsprüfung ermittelten Vertragsärzte an die Prüfungsstelle werde das Prüfverfahren eingeleitet (§ 5 Abs. 4 S. 1 PV). Fristen hierfür nenne die PV nicht, weder für die Auswahl durch den gemeinsamen Ausschuss noch für die Übersendung der Aufstellung. Verlangt werde lediglich, dass der betroffene Vertragszahnarzt, die Krankenkassen sowie die Beigeladene zu 1) über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert würden (§ 5 Abs. 4 S. 2 PV). Darüber hinaus bestehe ein Antragsrecht der Beigeladenen zu 1), einer Krankenkasse oder ihres Verbands bezogen auf einzelne Behandlungsfälle, zahnärztlich verordnete/ veranlasste Leistungen, sonstige Schäden und als Folge einer Überprüfung nach § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) (§ 5 Abs. 5 S. 1 PV) und auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit i. S. von § 106 Abs. 3 S. 3 1. Alternative SGB V und als Folge einer Überprüfung nach § 106a SGB V (§ 5 Abs. 6 S. 1 PV). § 5 Abs. 6 S. 1 PV nenne nicht ausdrücklich die Antragsbefugten, beziehe sich insofern aber offensichtlich auf die in Abs. 5 Genannten. Die PV unterscheide damit zwischen dem "regulären", von Amts wegen, d. h. aufgrund der Stichprobe und der Auswahl des gemeinsamen Ausschusses durchzuführenden Prüfverfahren, und dem besonderen, auf Antrag der in Abs. 5 genannten Antragsbefugten. Nur für das Antragsverfahren nach § 5 Abs. 6 Satz 1 PV werde eine Frist aufgestellt. Anträge nach § 5 Abs. 6 S. 1 PV könnten nur bis zum Ablauf des 4. Kalendermonats nach Übersendung sowohl der Quartalsrechnungen als auch der Statistiken schriftlich gestellt werden. Bereits aus der PV folge daher, dass Fristen für die Einleitung einer Auffälligkeitsprüfung durch den gemeinsamen Ausschuss nicht bestünden. Der Bescheid der Prüfungsstelle sei auch innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen. Praxisbesonderheiten seien im Verwaltungsverfahren nicht substantiiert vorgetragen worden. Praxisbesonderheiten seien grundsätzlich im Verwaltungsverfahren vorzutragen. Das Bundessozialgericht habe zuletzt im Beschluss vom 27. Juni 2012 - B 6 KA 78/11 B – juris Rn. 11 darauf hingewiesen, es habe sich bereits mehrfach mit dem Gebot befasst, Wesentliches bereits im Verfahren vor den Prüfgremien vortragen zu müssen. Lediglich Einwände, die das Prüfverfahren selbst oder Aspekte betreffen, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Prüfgremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen, könne ein Vertragsarzt auch noch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens geltend machen. Dabei obliege die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt. Die Prüfgremien seien allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind. Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf. beanstandet werden können. Der Kläger habe sich im gesamten Verwaltungsverfahren nicht zu Praxisbesonderheiten oder überhaupt zum Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit geäußert. Im Verfahren bzgl. der Vorquartale habe er lediglich vorgetragen, die Fallzahlstatistik sei nicht aussagefähig, da er nur ungefähr 100 Patienten im Quartal behandle, der Durchschnitt aber bei 400 bis 500 Patienten liege. Auch habe er in den letzten Jahren sehr viele Notdienste übernommen. Damit fehle es aber an der nachvollziehbaren Darlegung einer Praxisbesonderheit. Notdienste, deren Mehr der Kläger lediglich behauptet habe, führten im Übrigen nicht zu vermehrten Abrechnungen. Die sachlich-rechnerische Berichtigung und die Prüfung des PAR-Falls würden nicht angegriffen. Fehler seien nicht zu erkennen.

Das Urteil ist dem Kläger nach eigenen Angaben am 20. September 2016 zugestellt worden.

Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 20. Oktober 2016 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass eine reformatio in peius im Widerspruchsverfahren nicht zulässig sei. Eine solche sei nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig (Hinweis auf BSG, Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 33/90), dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Der Kläger trägt vor, dass eine Einzelfallprüfung hätte durchgeführt werden müssen, da er eine besonders kleine Praxis mit besonders kleiner Fallzahl führe, so dass eine statistische Vergleichsprüfung nicht in Betracht komme. Voraussetzung für eine statistische Vergleichsprüfung sei, dass eine ausreichend hohe Fallzahl abgerechnet worden sei, mindestens 100 Fälle, damit ein statistischer Vergleich möglich sei. Das Bundessozialgericht habe bei Fallzahlen, die nur 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe oder weniger betrügen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach statistischem Vergleich für unzulässig erklärt (Hinweis auf Urteil vom 9. September 1998 – B 4 KA 50/97 R). Dies müsse bei Leistungsbereichsprüfungen mit statistischem Vergleich ebenso gelten.

In den Bescheiden seien fachgruppentypische Einzelleistungen einem statistischen Vergleich unterzogen worden. Dies sei nur zulässig, wenn sie zwar keine Grundleistungen darstellten, gleichwohl aber fachgruppentypische Leistungen seien. Für den zahnärztlichen Bereich hätten die Gerichte beispielsweise Nr. Ä1 BEMA-Z oder Nr. 01 BEMA-Z explizit für fachgruppentypisch erklärt und ein Einzelleistungsvergleich für zulässig erachtet. Es werde jedoch bestritten, dass es sich bei den übrigen untersuchten Einzelleistungen um fachgruppentypische Leistungen handele.

Aus dem streitgegenständlichen Bescheid sei nicht ersichtlich, auf welche Vergleichsgruppe sich der statistische Vergleich beziehe und ob besondere Vergleichsgruppen gebildet worden seien.

Als Praxisbesonderheit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger nur 20 % Kassenpatienten behandele. Die durchschnittliche Fallzahl liege bei etwa 100 anstatt 400 500. Hieraus ergebe sich ein anderer Punktwert, da bei einer größeren Fallzahl die Abweichung im Verhältnis zu Vergleichsgruppe geringer sei. Als weitere Praxisbesonderheit sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger überproportional viele Notdienste leisten, so etwa im Jahr 10-12. Viele der Patienten würden dann in der Praxis des Klägers weiterbehandelt. Dies führe zu vermehrten Abrechnungen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. September 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2., zu 5. und 6. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, das Verbot der reformatio in peius greife nicht, da auch die Verbände der Krankenkassen in Hessen Widerspruch eingelegt hätten.

Alleiniger Anknüpfungspunkt der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei die Versorgung von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Privatpatienten blieben außer Betracht. Im Quartal IV/2010 habe der Kläger 156 Fälle versorgt, die durchschnittliche Fallzahl habe bei 545 Patienten gelegen; im Quartal I/2011 habe sich die Fallzahl des Klägers auf 143 Patienten belaufen, die durchschnittliche Fallzahl auf 449. In beiden Quartalen seien mehr als 100 Patienten versorgt worden und auch mehr als 20 % des hessischen Vergleichsschnitts.

Alle gekürzten Einzelleistungen gehörten ebenso wie die Gebührenziffern Nr. Ä1 (Ber) und 01 (U) zum selbstverständlichen Grundrepertoire einer jeden zahnärztlichen Praxis; die Fachgruppenspezifizität sei offensichtlich zu unterstellen.

Konsequenzen für Fallzahl und Fallwert aufgrund des Umstandes der überdurchschnittlichen Absolvierung von Notdiensten seien nicht substantiiert vorgetragen.

Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2019 verwiesen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist zwar zulässig.

Der Bescheid des Beklagten vom 28. April 2015 (Beschluss vom 28. April 2015, ausgefertigt am 15. September 2015) ist alleiniger Gegenstand der statthaften Anfechtungsklage. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren mit der Folge, dass der vom Beschwerdeausschuss erlassene Verwaltungsakt selbstständig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (st.Rspr. seit BSG, Urteil vom 21. April 1993 – 14a RKa 11/92 –,SozR 3-1300 § 35 Nr. 5), der der Senat folgt, ist nur dieser Verwaltungsakt der alleinige Gegenstand der Anfechtungsklage, da das sogenannte Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Prüfstelle nach § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V in der hier anzuwendenden, bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung nur als Vorverfahren i.S.d. § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) "gilt". Sie ist jedoch unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. 1. Rechtsgrundlage der Honorarberichtigung auf der Grundlage der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 SGB V in der hinsichtlich der hier anzuwendenden Teilnormen vom 23. Juli 2009 bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in Verbindung mit der zwischen der Beigeladenen zu 1) und den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene geschlossenen Prüfvereinbarung vom 26. Juni 2008 (PV).

Der Beklagte unterlag bei der Überprüfung des Bescheids der Prüfstelle keinen Beschränkungen nach dem Grundsatz des Verbots der reformatio in peius. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass auch die Verbände der Krankenkassen eingelegt haben, so dass der Prüfungsumfang nicht auf die Einwände des Klägers beschränkt war und die Rüge der Beigeladenen, es sei eine weitaus höhere unwirtschaftliche Abrechnungsweise zu vermuten, ebenso zu prüfen war. Die Widerspruchseinlegung durch die Beigeladene mit dem Ziel, den Bescheid im Hinblick auf eine Verschärfung der Entscheidung zu überprüfen, führt dazu, dass das Verbot der reformatio in peius außer Kraft gesetzt wird (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, Rn. 42).

Die von Beklagten durchgeführte Prüfung genügt methodisch den rechtlichen Anforderungen und wahrt die Grenzen des Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Methodenwahl.

Der Beklagte hat auf der Basis einer Einzelfallprüfung (§ 6 1. b) PV) und auf der Basis einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten (§ 6 1. c) PV) gearbeitet.

Hinsichtlich der statistischen Vergleichsprüfung gilt Folgendes: Nach § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen u.a. mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten vereinbaren. Die Prüfung nach Durchschnittswerten bzw. die statistische Vergleichsprüfung ist auch nach Inkrafttreten des GMG eine zulässige Prüfmethode (BSG Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4–2500 § 106 Nr. 18 = BeckRS 2008, 54147, Rn 18). Es ist zulässig, bestimmte Leistungsgruppen bis hin zu einzelne ärztliche Leistungen statistisch zu vergleichen (stRspr, zB BSG 16. Juli 2003 – B 6 KA 45/02 R, SozR 4–2500 § 106 Nr. 3 = BeckRS 2003, 41772; BSG 30. November 2016 – B 6 KA 29/15 R, SozR 4–2500 § 106 Nr. 56 = BeckRS 2016, 117738; (Krauskopf/Gerlach, 102. EL Februar 2019, SGB V § 106a Rn. 24). Eine auf Einzelleistungen bezogene Prüfung nach Durchschnittswerten, bei der eine auf Teilbereiche der ärztlichen Tätigkeit beschränkte Gegenüberstellung von Fallkosten vorgenommen wird, ist nicht zu beanstanden, setzt aber eine hinreichende Vergleichbarkeit voraus. Bei der geprüften Gebührenordnungsposition muss es sich daher um eine fachgruppentypische Leistung handeln, also um eine Leistung, die für die Vergleichsgruppe prägend ist und zumindest von einem größeren Teil der Vergleichsgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 6 KA 29/15 R -, juris).

Insoweit hat der mit einem Zahnarzt fachkundig besetzte Senat keinerlei Zweifel, dass es sich bei den Leistungen nach Nr. Ä1 (Beratung), Ä925B (Röntgendiagnostik), Ä935D (Orthopantomogramm), 8 (Vitalitätsprüfung), 23 (Entfernen einer Krone), 25 (indirekte Überkappung der Pulpa), 32 (Aufbereiten des Wurzelkanals), 106 (Beseitigung scharfer Zahnkanten) um für die Vergleichsgruppe prägende Leistungen handelt, die von einem größeren Teil der Vergleichsgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird.

Unzutreffend rügt der Kläger, dass die Mindestfallzahl für eine statistische Vergleichsprüfung nicht erreicht sei. Die Mindestfallquote beträgt 20% der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45, S. 241, 245; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 290 (Rn. 21); BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 301 (Rn. 21)). Gegen eine starre Grenzziehung (etwa bei 100 Fällen) hat das BSG zu Recht eingewandt, dass dann bei solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahl unter 500 liegt, keine statistische Vergleichsprüfung durchgeführt werden kann (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45, S. 241, 246/247). Allerdings geht das BSG in zwei Entscheidungen vom 21. März 2012 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, S. 285, 290 (Rn. 21); BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, S. 297, 301 ( Rn. 21)) - ohne nähere Begründung, aber unter Bezugnahme auf die angeführte Entscheidung - davon aus, dass eine Mindestfallzahl von 20% - und "dabei mindestens 100 Behandlungsfälle" - erforderlich sind (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 11/17, § 106 SGB V, Rn. 307).

Im Quartal IV/2010 versorgte der Kläger 156 Fälle, die durchschnittliche Fallzahl hat bei 545 Patienten gelegen; im Quartal I/2011 hat sich die Fallzahl des Klägers auf 143 Patienten belaufen, die durchschnittliche Fallzahl auf 449. In beiden Quartalen sind mehr als 100 Patienten versorgt worden und auch mehr als 20 % des hessischen Vergleichsschnitts.

Das Vorgehen des Beklagten genügt auch den weiteren Vorgaben an eine statistische Vergleichsprüfung, soweit er in den Bescheiden die Honorarberichtigung auf ein offensichtliches Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe gestützt hat.

Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen werden bei der statistischen Vergleichsprüfung die Abrechnungswerte des Arztes mit denjenigen seiner Fachgruppe - bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli.2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rn. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis in Bezug auf die Vergleichsgruppe anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995 - 6 RKa 37/93 - BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106 Nr. 26, juris Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Regelmäßig ist ein Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis beim Doppelten des Fachgruppendurchschnitts (= + 100%) bei Einzelleistungskürzungen nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 44/02 R - juris Rn. 28). Seit längerem hat das Bundessozialgericht aber auch - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 45/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 3, juris Rn. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 2. Juni 1987 – 6 RKa 23/86 - BSGE 62, 24 = SozR 2200 § 368n Nr. 48, juris Rn. 23).

Diese Vorgaben wurden bei den Honorarkorrekturen zu Nr. BEMA-Z Ä935d (OPG) [= Orthopantomogramm], Nr. 8 BEMA-Z (ViPr) [= Vitalitätsprüfung] und Nr. BEMA-Z 106 (sK) [= Beseitigung scharfer Zahnkanten] – Punkt 3 des Bescheides sowie Punkt 3 und 5a bis 5c des Bescheides der Prüfstelle – sowie bei den Honorarkorrekturen zu Nr. Ä925B BEMA-Z (Rö5) [=Röntgendiagnostik] 17,13EUR, Nr. 23 BEMA-Z (Ekr) [Entfernen Krone] 280,39 EUR und Nr. 25 BEMA-Z (Cp) – Teile von Punkt 3 des Bescheides – eingehalten. Nur in den Quartalen, in denen die Überschreitung 100 Prozent überstieg, kürzte der Beklagte das Honorar auf das Zweifache der Vergleichsgruppe.

Auch soweit ein offensichtliches Missverhältnis zu einer Bezugsleistung festgestellt wurde, unterliegt der Bescheid keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit Bedenken dahingehend formuliert werden könnten, dass diese Betrachtungsweise einer ausdrücklichen Ermächtigung in der Prüfvereinbarung bedarf (vgl. SG München, Urteil vom 26. November 2015 – S 21 KA 5121/13 –, juris) geht der Senat davon aus, dass die Honorarkürzungen unter Punkt 3 bezüglich des Vergleichs von Nr. Ä1 BEMA-Z (Ber) mit Nr. 01 BEMA (U) und unter Punkt 4 des Prüfstellenbescheides bezüglich des Vergleichs von Nr. 35 BEMA-Z (WR) und Nr. 32 BEMA-Z (WK) (Bezugnahme im ersten Absatz unter Punkt 3 im streitgegenständlichen Bescheid) nicht auf einem Prüfmethodenwechsel beruhen. Vielmehr hat der Beklagte im Rahmen der zu fordernden intellektuellen Prüfung eine Verfeinerung der Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses vorgenommen.

So hat die Prüfstelle sowohl das Verhältnis zwischen Wurzelkanalaufbereitung und Wurzelkanalabfüllung in Bezug auf die Vergleichsgruppe als auch die Relation an sich untersucht und ist so nachvollziehbar zu einer Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses von 1,4 WK zu 1 WF gelangt, d.h. bei einer Unterschreitung der Abfüllquote von 71 Prozent (vgl. Bescheid der Prüfstelle, S. 4 f. – Bl. 146 f. der Verwaltungsakte). Dies ist angesichts des verfeinerten Aussagewerts der Bezugsleistungsbetrachtung nicht zu beanstanden; die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses überzeugt nicht zuletzt wegen des Charakters der in Relation gesetzten Leistungen.

Entsprechendes gilt für den angestellten Vergleich von Nr. Ä1 BEMA-Z (Ber) mit Nr. 01 BEMA (U) mit der Folge einer Korrektur um 264,68 EUR.

Im Übrigen waren keine Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, da diese im Verwaltungsverfahren nicht substantiiert vorgetragen worden waren; insoweit verweist der Senat hinsichtlich des Einwandes der Quote gesetzlich Versicherter und der Notdienste auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, Seite 8, da auch der Berufungsvortrag zu keiner abweichenden Würdigung oder notwendigen Ergänzungen führt.

Hinsichtlich der Einzelfallprüfung werden vom Kläger keine substantiierten Zweifel an der Rechtmäßigkeit geltend gemacht noch sind sie sonst ersichtlich.

2. Auch die sachlich-rechnerische Berichtigung ist nicht zu beanstanden, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat.

Die Prüfstelle und der Beklagte waren für die sachlich-rechnerische Berichtigung zuständig. Zeigt sich erst aufgrund einer näheren Untersuchung der Abrechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass bestimmte Überschreitungen bei der statistischen Vergleichsbetrachtung auf einen Fehlansatz einzelner Gebührenpositionen zurückgehen, so sind die Prüfgremien berechtigt, sachlich-rechnerische Richtigstellungen vorzunehmen, wenn diese neben der eigentlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung von untergeordneter Bedeutung sind (BSG, Urteil vom 6. September 2006 – B 6 KA 40/05 R , SozR 4-2500 § 106 Nr. 15, juris Rn. 19 m.w.N.). Nur wenn der Schwerpunkt der Beanstandungen bei einer fehlerhaften Anwendung der Gebührenordnung, müssen die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung das Prüfverfahren abschließen und der KÄV Gelegenheit geben, sachlich-rechnerische Richtigstellungen vorzunehmen.

So liegt es hier bei Berichtigungen in 4 Behandlungsfällen i.H.v. 66,49 EUR.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Berichtigung sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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