S 19 AY 1/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AY 1/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 14/06 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Erforderlich ist in beiden Fällen, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b RdNr. 27 ff). Dies ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung ist von dem Grundsatz auszugehen, dass diese lediglich der Sicherung, nicht aber bereits der Befriedigung von Rechten dient. Sie darf eine Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Deshalb dient sie nicht dazu, einem Hilfesuchenden schneller, als es in dem Hauptsacheverfahren möglich ist, zu seinem vermeintlichen Recht zu helfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache gilt nur dann, wenn es zur Vermeidung unzumutbarer Folgen und eines nicht wieder gut zu machenden Schadens für den Antragsteller notwendig ist, dass seinem Begehren sofort entsprochen wird (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG- Kommentar, 8. Auflage, § 86b Rn. 29 ff).

Die Antragsteller begehren mit dem vorliegenden Antrag Leistungen nach § 2 AsylbLG. Sie sind aserbaidschanische Staatsangehörige und rechtskräftig als Asylbewerber abgelehnt. Seit Juni 2002 beziehen sie Leistungen nach § 3 AsylbLG. Am 23.08.2005 beantragten sie die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Mit Bescheid vom 17.11.2005 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit der Begründung ab, die Antragsteller seien ohne die erforderlichen Personaldokumente in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Ablehnung des Asylantrages sei ihre Ausreise deswegen nicht möglich, da sie nicht die erforderlichen Personaldokumente besäßen. Diese seien an einen Schlepper übergeben worden. Die Antragsteller hätten damit die Dauer ihres Aufenthaltes selbst rechtsmißbräuchlich beeinflusst, so dass die Gewährung von Leistungen nach § 2 AslybLG nicht in Betracht komme. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragsteller hätten ihre sowjetischen Pässe freiwillig Schleppern überlassen und diese beauftragt, falsche Pässe zu besorgen. Durch dieses aktive Verhalten sei die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden.

Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 04.01.2006 Klage erhoben. Mit dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren sie vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Zur Begründung wird vorgetragen, weder die Tatsache, dass eine Einreise mit Schleppern erfolgt sei noch die Tatsache, dass diesen Schleppern die Pässe überlassen worden seien, stelle ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG dar. Diese Vorgänge dienten lediglich dazu, überhaupt nach Deutschland zu gelangen und nicht dazu, die Dauer des Aufenthaltes zu verlängern. Weitere Mitwirkungspflichten zur Klärung der Identität und zur Beschaffung von Reisedokumenten seien erfüllt worden. Sie hätten mehrfach bei der aserbaidschanischen Auslandsvertretung in Berlin vorgesprochen und Anträge zur Ausstellung von Passersatzpapieren ausgefüllt. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die abgesenkten Leistungen nach § 3 AsylbLG nur für eine vorübergehende Zeit zumutbar seien. Bei einem längeren Aufenthalt dürfe nicht mehr auf einen geringen Bedarf abgestellt werden.

Im vorliegenden Verfahren kann zunächst dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Zwar ist fraglich, ob bezüglich der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes auf Verhaltensweisen vor Begründung des Aufenthaltes abgestellt werden kann. Im Hauptsacheverfahren wird jedoch, wie von der Antragsgegnerin behauptet, zu prüfen sein, ob die Antragsteller falsche Angaben zur Identität gemacht und gefälschte Dokumente vorgelegt haben.

Es fehlt jedoch nach Auffassung des Gerichts entgegen den Ausführungen der Antragsteller bereits an einem Anordnungsgrund, denn nach den oben genannten Grundsätzen ist vorläufiger Rechtsschutz nur dann zu gewähren, wenn ohne diesen schwere und unzumutbare, anders nicht abzuwendende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung die spätere Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Bei den hier streitigen Leistungen handelt es sich jedoch um Leistungen in besonderen Fällen nach § 2 AsylbLG. Die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG werden den Antragstellern weiterhin gewährt, aus denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Der Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht einer einstweiligen Anordnung wegen begehrter Leistungen nach § 2 AsylbLG insofern entgegen, als durch die Leistungen nach § 3 AsylbLG bereits eine Grundsicherung gewährt wird (vgl. Beschluss des Bayrischen LSG vom 28.06.2005, Az.: L 11 B 212/05 AY ER; SG Köln vom 02.12.2005, Az.: S 27 AY 11/05 ER). Auch wenn die gegenüber dem SGB XII abgesenkten Leistungen nach § 3 AsylbLG nur für eine vorübergehende Zeit als zumutbar gelten, so wird aber durch §§ 2, 3 AsylbLG deutlich, dass jedenfalls für die nicht unerhebliche Zeit von 36 Monaten davon ausgegangen wird, dass der notwendige Lebensunterhalt bestritten werden kann. Vorliegend ist nicht ersichtlich, weshalb nun bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache diesbezüglich allein durch den Zeitablauf von 36 Monaten eine Änderung eintreten soll. Da im einstweiligen Rechtsschutz die Möglichkeit besteht, bei der Gewährung von vorläufigen Leistungen hinter der eigentlichen Leistungshöhe zurückzubleiben (z.B. Gewährung von 70% oder 80 % der Leistungen) besteht hier kein Grund, vor Entscheidung in der Hauptsache die erhöhten Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren. Allein die Tatsache, dass die Leistungen nach § 3 AsylbLG hinter den Leistungen des SGB XII Zurückbleiben, führt nach Auffassung des Gerichts noch nicht zur Annahme eines Anordnungsgrundes. Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber bei Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich eine hinter den Sozialhilfeleistungen zurückbleibende Leistungshöhe für zulässig erachtet und die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG niedriger angesetzt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Rechtskraft
Aus
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