S 19 KR 1087/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 1087/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 261/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für die leihweise Überlassung einer Kniebewegungsschiene streitig.

Die Klägerin ist Herstellerin orthopädischer Hilfsmittel, unter anderem der hier streitgegenständlichen Campomed-Kniebewegungsschiene. Die Campomed-Schiene, eine nicht-motorgetriebene sogenannte "Aktivbewegungsschiene" für Knie-Behandlungen, ist bisher nicht in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden. Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse. Zwischen den Beteiligten wurden bisher keine Leistungserbringer-Verträge nach dem SGB V geschlossen. Die Klägerin ist in keinem Leistungserbringerverband organisiert.

Der bei der Beklagten versicherte Beigeladene beantragte über die Klägerin am 28.07.2003 die Kostenübernahme für die vierwöchige leihweise Versorgung mit einer Campomed-Schiene nach Meniskus-Teilresektion. Die Klägerin legte der Beklagten hierzu eine kassenärztliche Verordnung vom 03.07.2003 sowie einen Kostenvoranschlag vom 24.07.2003 über 562,26 Euro vor. Die Schiene war dem Beigeladenen bereits am 03.07.2003 überlassen worden. Nach Befragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, welcher der Versorgung mangels Nachweis des medizinischen Nutzens nicht zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 05.08.2003 ab.

Am 09.12.2003 erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht München. Zur Begründung wird vorgetragen, dass das Hilfsmittel kassenärztlich verordnet und dem Versicherten verordnungsgemäß zur Verfügung gestellt worden sei.
Zwar bestünden zwischen der Klägerin und der Beklagten keine vertraglichen Leistungserbringer-Beziehungen, es sei aber im Einzelfall von einem öffentlich-rechtlichem Werkvertrag auszugehen, welcher durch die Verordnung des Kassenarztes und die Lieferung des Hilfsmittels durch die Klägerin zustande gekommen sei. Auch wenn die Campomed-Schiene bisher nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen wurde, sei der medizinische Nutzen der Schiene unbestreitbar.
Die Klägerin habe insoweit bereits mit mehreren gesetzlichen Krankenkassen Einzelverträg abgeschlossen.
Die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis sei beantragt und befinde sich derzeit im Widerspruchsverfahren.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 562,26 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Kostenübernahme nicht in Betracht kommt. Es bestünden keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten, welche einen Zahlungsanspruch begründen könnten. Die Klägerin sei insbesondere nicht Vertragspartner des Vertrages über die Abgabe orthopädischer Hilfsmittel im Land Nordrhein-Westfalen.
Die Schiene sei zudem geliefert worden, ohne vorher eine Entscheidung der Beklagten herbeizuführen. Der medizinische Nutzen der Campomed-Schiene, insbesondere eine Überlegenheit gegenüber krankengymnastischen Maßnahmen, sei nicht erwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Klageakte einschließlich der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Sozialgericht München für das vorliegende Verfahren gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig, da die Klägerin ihren Geschäftssitz im Bezirk des Sozialgerichts München hat. Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 27.05.2004 (B 7 SF 6/04 S) klargestellt, dass nach der seit 27.04.2002 geltenden Fassung des § 57 a SGG dieser nur mehr für Streitigkeiten im Bereich des Kassenarztrechtes und nicht mehr für sämtliche Leistungserbringer-Streitigkeiten einschlägig ist. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, denn es handelt sich bei diesem Vergütungsstreit um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in welchem Verwaltungsakte der Beklagten nicht ergehen mussten und auch nicht ergangen sind.

Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Vergütung in Höhe von 562,26 Euro gegen die Beklagte.
Im SGB V, insbesondere in § 69 i.V.m. §§ 126 bis 128 SGB V sind keine unmittelbaren gesetzlichen Zahlungsansprüche für Leistungserbringer von Hilfsmitteln enthalten. Die §§ 126 und 127 SGB V sehen vielmehr vor, dass zugelassene Leistungserbringer oder deren Verbände mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden Einzelheiten der Hilfsmittelversorgung einschließlich der Vereinbarung von Preisen und Abrechnungen von Festbeträgen vereinbaren. Eine solche vertraglich geregelte Leistungserbringerbeziehung, welche auch zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen berechtigt, besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten unstreitig nicht.

Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch auch nicht auf eine einzelvertragliche Regelung im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Werkvertrages stützen.
Ein solcher Vertrag ist zwischen den Beteiligten nicht geschlossen worden. Das Landessozialgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 12.03.2004 (L 4 KR 7/03) diesbezüglich entschieden, dass durch eine kassenärztliche Verordnung einerseits sowie die Lieferung des Hilfsmittels durch den Leistungserbringer andererseits kein einen
Vergütungsanspruch begründender Vertrag zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer geschlossen wird. Der die Verordnung ausstellende Kassenarzt kann insoweit nicht als Bevollmächtigter der Krankenkasse angesehen werden. Zwar kommt dem Kassenarzt die öffentlich-rechtliche Rechtsmacht zu, zulasten der gesetzlichen Krankenkassen Verordnungen auszustellen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Arzt anstelle der Krankenkasse oder als deren Vertreter über das rechtliche Bestehen von Leistungsansprüchen zu befinden oder hierüber Verwaltungsakte zu erlassen hat (so auch BSG vom 09.06.1998, B 1 KR 18/96 R).
Nach Auffassung des LSG Brandenburg kann der Kassenarzt somit im Rahmen seiner Stellung innerhalb des Systems für Rechtsbeziehungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse Verträge schließen. Dies folgt schon aus § 30 Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte sowie aus § 16 Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen, wonach die Abgabe von Hilfsmitteln nicht originär aufgrund der Verordnung eines Vertragsarztes erfolgt, sondern der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf. Diese rechtlichen Erwägungen sind auch im vorliegenden Fall einschlägig, insbesondere hat die Klägerin der Beklagten am 28.07.2003 keine Rechnung über die streitgegenständliche Versorgung sondern lediglich einen Kostenvoranschlag nebst kassenärztliche Verordnung eingereicht (vgl. LSG Brandenburg a.a.O.).

Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, § 69 SGB V i.V.m. §§ 683, 677, 670 BGB, oder aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 69 SGB V i.V.m. § 812 Abs. 1 BGB.
Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung im Leistungserbringerrecht des SGB V nicht anwendbar sind, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringer nicht berechtigt war (BSG vom 28.03.2000, B 1 KR 21/99 R m.w.N.).
Dies ergibt sich aktuell auch aus der Verweisungsnorm des § 69 Satz 3 SGB V wonach für Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB nur in Betracht kommt, soweit sie mit den Vorgaben des 4. Kapitels des SGB V insbesondere mit den dort geregelten Aufgaben und Pflichten der Beteiligten vereinbar sind. Eine Anwendung der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung im Leistungserbringerrecht des SGB V würde aber insbesondere das in § 70 Abs. 1 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot unterlaufen.
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die streitgegenständliche Hilfsmittelversorgung kann damit weder aus Vertrag noch aus dem Gesetz hergeleitet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG i.V.m. 154 ff. VwGO.
Rechtskraft
Aus
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