S 16 SO 202/16 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
16
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 202/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 26/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen gemäß § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Höhe von insgesamt EUR 1.774,64 zu zahlen.

2. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

3. Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. E. bewilligt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens um Leistungen nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Antragstellerin ist die Tochter des am 21.6.2016 verstorbenen V. L. Sie beantragte am 24.6.2016 beim Antragsgegner, die Kosten für die Bestattung ihres Vaters zu übernehmen.

Die Antragstellerin hat drei Kinder und bezieht selbst für sich und die Kinder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom zuständigen Jobcenter S. (Blatt 56 der Verwaltungsakte). Daneben stehen als Einkommen das staatliche Kindergeld sowie Unterhalt in Höhe von EUR 250,00 für das Kind D. D. S. W. zur Verfügung.

Vom Ordnungsamt des Antragsgegners wurde die Antragstellerin unter dem 23.6.2016 aufgefordert, sich mit diesem in Verbindung zu setzen. In einem am 27.6.2016 durchgeführten Gesprächstermin wurde die Antragstellerin aufgefordert, als einzige bekannte Tochter des verstorbenen V. L. für dessen Bestattung Sorge zu tragen, was die Antragstellerin dementsprechend tat.

Durch Gebührenbescheid der Stadt S. vom 21.7.2016 wurden Gebühren in Höhe von insgesamt EUR 514,50 in Rechnung gestellt. Das von der Antragstellerin beauftragte Bestattungsunternehmen berechnete mit Rechnung vom 12.7.2017 insgesamt EUR 1.260,14.

Am 28.7.2016 hat die Antragstellerin – auch für ihre drei Kinder – die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen. Aus der Gerichtsakte des Amtsgerichts S. – Nachlassgericht – 7 V-VI 441/16 (Blatt 1 der Gerichtsakte des AG S.) ergibt sich, dass die Antragstellerin noch zwei Halbgeschwister, unbekannten Namens und unbekannter Anschrift, haben soll. Daneben soll ihr verstorbener Vater noch sieben Geschwister gehabt haben.

Durch Bescheid des Antragsgegners vom 14.10.2016 (Blatt 88 der Verwaltungsakte) hat dieser den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, diese sei nach Ausschlagung der Erbschaft nicht mehr zur Bestattung ihres Vaters verpflichtet. Es gebe mögliche Erben, die vorrangig zur Bestattung verpflichtet gewesen seien, so dass ein Anspruch der Antragstellerin nach § 74 SGB XII nicht mehr gegeben sei.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch (Blatt 94 der Verwaltungsakte) hat der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 2.11.2016 (Blatt 97 der Verwaltungsakte) mit derselben Begründung zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat am 16.11.2016 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und unter dem Aktenzeichen S 16 SO 204/16 Hauptsacheklage erhoben.

Die Antragstellerin sei nach dem Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Bestattung ihres Vaters verpflichtet gewesen. Aufgrund der Tatsache, dass sie und ihre Kinder ihren Lebensunterhalt durch Leistungen nach dem SGB II bestreiten würden, sei es ihr nicht zuzumuten, die Bestattungskosten selbst zu tragen.

Sie sei im Übrigen vom Ordnungsamt des Antragsgegners aufgefordert worden, die Bestattung vorzunehmen; anderenfalls hätte sie sich ordnungswidrig verhalten.

Die angefallenen Kosten seien auch notwendig im Sinne des § 74 SGB XII gewesen. Jedenfalls habe der Antragsgegner hiergegen keine Einwendungen erhoben.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bestattungskosten für den am 21.6.2016 verstorbenen V. L. in Höhe von insgesamt EUR 1.774,64 zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück zu weisen.

Der Vorwurf der Ordnungswidrigkeit treffe nicht zu. Für den Fall, dass die Antragstellerin die Bestattung nicht vorgenommen hätte, hätte das Ordnungsamt des Antragsgegners diese veranlasst, wenn die Frage der Bestattungspflicht nicht innerhalb der gesetzlich für eine Bestattung vorgesehenen Frist geklärt worden wäre.

Die Verpflichtung zur Bestattung ergebe sich vorrangig nach dem Bürgerlichen Recht. Hiernach sei gemäß § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst der Erbe zur Bestattung verpflichtet; dieses sei die Klägerin nach der Erbausschlagung nicht. Es seien weitere Angehörige des Verstorbenen vorhanden, welche als vorrangig Verpflichtete in Betracht kämen; die Antragstellerin müsse die von ihr aufgewandten Kosten gegenüber diesen geltend machen.

Die Verwaltungsakte des Antragsgegners hat dem Gericht vorgelegen. Ihr Inhalt ist Gegenstand dieser Entscheidung. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird.

Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 86b Rn. 16b).

Dabei gilt, dass die Prüfung durch das Gericht umso weiter reichen muss, je mehr die Entscheidung des Gerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren der Hauptsache vorgreift.

Die Antragstellerin hat zunächst einen Anordnungsanspruch, d.h. den materiellrechtlichen Anspruch, glaubhaft gemacht.

Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Ein Anspruch auf Kostenübernahme setzt die Unzumutbarkeit voraus, die Bestattungskosten selbst zu tragen. Dabei handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit konkretisiert das Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII und ist nach Maßgabe des Einzelfalls auszulegen. Daraus folgt, dass vorhandener Nachlass und Leistungen, die aus Anlass des Todes erbracht werden, regelmäßig vorrangig zur Bestreitung des Bestattungsaufwandes heranzuziehen sind. Der Nachlasswert selbst ist grundsätzlich mit seinem vollen Wert einzusetzen, ohne dass die sozialhilferechtlichen Regelungen über das Schonvermögen nach § 90 SGB XII dem Erben oder Bestattungspflichtigen zu Gute kommen. Auch darf der Nachlass im Rahmen des § 74 SGB XII nicht mit bestehenden Nachlassverbindlichkeiten verrechnet werden.

Bestattungskosten sind in Höhe von insgesamt EUR 1.774,64 angefallen, wie sich aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Rechnung des Bestattungsinstituts sowie des Gebührenbescheids des Friedhofs- und Bestattungsamts der Stadt S. ergibt. Diese Kosten waren auch "erforderlich" i.S.d. § 74 SGB XII.

"Erforderlich" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit gerichtlicher Auslegung uneingeschränkt zugänglich. Der Begriff der "erforderlichen Kosten" impliziert dabei geringere Kosten als sie für eine "standesgemäße" Beerdigung anfallen, auf die § 1968 BGB abstellt. Die Erforderlichkeit der Kosten ist im Einzelnen zu ermitteln und zu beurteilen.

Die aufgewandten Kosten sind, ohne dass es hierzu weitergehender Feststellungen bedarf, angemessen und notwendig. Sie liegen im unteren Bereich der Kosten, die normalerweise für eine einfache Bestattung aufgewendet werden.

Einwände gegen die Erforderlichkeit der Kosten hat der Antragsgegner nicht erhoben. Angesichts der Höhe der Bestattungskosten von EUR 1.774,64, die sich aus den Kosten der Bestattung selbst sowie den Friedhofs- und Einäscherungsgebühren zusammensetzen, ergeben sich für das erkennende Gericht auch objektiv keine Zweifel an der Erforderlichkeit.

Diese Kosten kann die Antragstellerin zumutbar aus eigenen Einkünften und Vermögen nicht begleichen. Denn sie bezieht vom Jobcenter S. laufende Leistungen nach dem SGB II und ist damit ersichtlich bereits zur Bestreitung ihres eigenen notwendigen Lebensunterhalts und ihres soziokulturellen Existenzminimums auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Eine zusätzliche Begleichung der Kosten für die Bestattung ihres verstorbenen Vaters ist ihr daher nicht zumutbar.

Auch vorrangig einzusetzende Nachlasswerte standen ihr als "bereite Mittel" (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 73/12 R) zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung.

Als potenzielle Erbin nach ihrem Vater gemäß § 1924 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) konnte die Antragstellerin die Erbschaft mit Eintritt des Erbfalls ausschlagen (§ 1946 BGB). Von dieser Möglichkeit hat sie für sich und ihre Kinder vorliegend und - soweit ersichtlich - auch rechtswirksam (§§ 1944 Abs. 1, 1945 Abs. 1 BGB) Gebrauch gemacht.

Damit gilt die Erbschaft als nicht angefallen (§ 1953 Abs. 1 BGB), d.h. die Antragstellerin ist zu keinem Zeitpunkt Erbin nach ihrem Vater geworden. Nur eine Erbschaft, die als Einkommen oder Vermögen tatsächlich zugeflossen ist, ist überhaupt einsetzbar. Mit der Ausschlagung fiel die Erbschaft indes demjenigen an, der ohne den Ausschlagenden gesetzlicher Erbe geworden wäre (§ 1953 Abs. 2 BGB). Die Antragstellerin ist danach zu keinem Zeitpunkt Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers - ihres Vaters - geworden; ihr stand damit der Nachlass zu keinem Zeitpunkt als "bereites Mittel" zu. Mit Blick auf den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII schließen indes nur präsente Selbsthilfemöglichkeiten einen an sich gegebenen Anspruch auf Sozialhilfe - hier: Übernahme von Bestattungskosten - aus.

Da die Antragstellerin indes über den Nachlass bzw. den Wert des Nachlasses ihres Vaters zu keinem Zeitpunkt verfügen konnte, besteht in Höhe der angefallenen Bestattungskosten auch eine sozialhilferechtliche Bedarfslage, die die Antragstellerin -wie oben bereits ausgeführt - nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen decken kann.

Dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin keine Angaben zum Nachlasswert gemacht hat, steht der sozialhilferechtlichen Bedarfslage nicht entgegen. Denn sie hat glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen, dass sie seit Jahren keinen persönlichen Kontakt zu ihrem Vater und mehr hatte und letztmalig als Kleinkind gehabt hat und deswegen weder über seine Lebensführung noch seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Kenntnis hatte.

Ebenso glaubhaft ist deshalb ihr weiteres Vorbringen, dass sie auch keinen Kontakt zu möglichen weiteren Verpflichteten gehabt hat. Dass die Antragstellerin unter diesen Voraussetzungen Zugriff auf mögliche Nachlassgegenstände gehabt haben könnte, erscheint ausgeschlossen zu sein.

Angesichts dieser Umstände kann die Klägerin zumutbar keine Angaben zum Umfang und zum Wert des Nachlasses machen, was demnach auch die Antragsgegnerin von der Antragstellerin nicht verlangen kann.

Soweit der Antragsgegner sich insofern darauf beruft, die Antragstellerin sei nach Erbausschlagung nicht mehr zur Bestattung ihres Vaters verpflichtet und müsse die aufgewandten Kosten von den möglichen, nicht bekannten Erben ihres Vaters einfordern, hält das Gericht dieses für treuwidrig.

Unstreitig hat das Ordnungsamt des Antragsgegners die Antragstellerin aufgefordert, als Tochter des Verstorbenen und insofern Verpflichtete für dessen Bestattung Sorge zu tragen. Dass, wie der Antragsgegner im Verfahren ausführt, für den Fall der Weigerung dessen Ordnungsamt für die Bestattung Sorge zu tragen und etwaige Kosten vorzuschießen hat, hätte der Antragsgegner durch sein Ordnungsamt auch schon vor der von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Bestattung mitteilen können.

Sollte das Vorbringen der Antragstellerin zutreffen, wovon mangels substantiierten Bestreitens des Antragsgegners auszugehen ist, hat dieser den Irrtum der Antragstellerin bewusst verursacht, um Kosten zu sparen, und dabei die Unerfahrenheit und moralische Notlage der Antragstellerin ausgenutzt.

Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin in Kenntnis der Verpflichtung zum vorrangigen Einsatz des Nachlasswertes zur Bestreitung der Bestattungskosten und ohne sich Kenntnis vom Nachlasswert zu verschaffen, die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen und die Beerdigung in Auftrag gegeben hat. Die Erbausschlagung steht dem Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln nicht entgegen.

Zunächst hat die Antragstellerin mit der Erbausschlagung ein ihr von Gesetzes wegen zustehendes Gestaltungsrecht ausgeübt. Zwar hat der Antragsgegner ein solches zivilrechtlich eröffnetes Gestaltungsrecht eines Hilfebedürftigen bzw. Hilfesuchenden zu Lasten der Allgemeinheit nicht in jedem Fall gänzlich hinzunehmen (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 30.07.2015, L 8 SO 146/15 B ER -, Rn. 22). Insoweit bietet der unbestimmte Rechtsbegriff der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) die Möglichkeit, statt auf ein Nachrangprinzip auf ein Prinzip der Selbstverantwortung als notwendiges Spiegelbild der Handlungsfreiheit für einen Hilfebedürftigen/-suchenden abzustellen, und im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob unter sittlichen Aspekten erwartet werden muss, dass dieser vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe einen ihm angetragenen oder angefallenen Vermögenserwerb wahrnimmt.

Eine solche Prüfung muss aber zurückhaltend und unter Beachtung bestehender gesetzlicher Wertungen wie den Vorschriften zum Einkommens- und Vermögenseinsatz erfolgen. Bei einer Erbausschlagung sind deshalb u.a. die die Werthaltigkeit der Erbschaft, die Motive des Hilfesuchenden für die Ausschlagung, sowie die Frage zu prüfen, ob er in der Absicht, sozialhilfebedürftig zu werden, mit direktem Vorsatz gehandelt hat.

Hier hat die Antragstellerin - wie bereits ausgeführt - glaubhaft vorgetragen, dass sie bereits seit Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr zu ihrem verstorbenen Vater hatte und ihr (daher) dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bekannt sein konnten. Dafür, dass sie das Erbe allein oder jedenfalls vorrangig mit dem Ziel ausgeschlagen hat, einen (hier neben dem laufenden Hilfebezug weiteren) Sozialhilfeanspruch bewusst und zu Lasten des Antragsgegners herbeizuführen, besteht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein Anhalt.

Weiter besteht nach Aktenlage auch kein Anhalt dafür, dass der verstorbene Vater der Antragstellerin tatsächlich über nennenswerte Vermögensgegenstände verfügte, die in seinen Nachlass gefallen sein könnten.

Gleiches gilt für einen vom Antragsgegner angeführten Anspruch der Antragstellerin gegen den tatsächlichen Erben auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Ungeachtet dessen, ob ein solcher Anspruch nach bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen überhaupt besteht, ergäbe sich hieraus jedenfalls kein "bereites Mittel" zur Bestreitung der angefallenen Bestattungskosten.

Dass die Antragstellerin etwa die Namen ihrer Halbgeschwister oder die Anschriften der Geschwister des Verstorbenen in der Absicht verschwiegen haben könnte, sich Leistungen vom Antragsgegner zu erschleichen, ist ebenfalls nicht erkennbar.

Die Antragstellerin war danach als Tochter des Verstorbenen V. L. zu dessen Bestattung verpflichtet.

Diese Verpflichtung ergibt sich aus den Regelungen der §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 2 Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BestattG LSA). Für die Bestattung haben die Personen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 in der dort genannten Reihenfolge oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung zu sorgen. Danach haben für die Bestattung der überlebende Ehegatte oder Eingetragene Lebenspartner, die volljährigen Kinder, die Eltern, die Großeltern, die volljährigen Geschwister und Enkelkinder der verstorbenen Person in dieser Reihenfolge zu sorgen.

Aus der vom Gericht beigezogenen Nachlassakte ergibt sich zwar, dass weitere Verpflichtete vorhanden sein können. Soweit möglicherweise gleichrangig verpflichtete Halbgeschwister vorhanden sein sollen, sind weder deren Namen noch Anschriften bekannt; etwa noch vorhandene Geschwister des Verstorbenen wären erst nach den Halbgeschwistern der Antragstellerin verpflichtet.

Es besteht auch Eilbedürftigkeit, weil der Antragstellerin nicht zuzumuten ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Diese Verfahren dauern einige Jahre und es ist unwahrscheinlich, dass der Bestattungsunternehmer so lange auf den ungewissen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens wartet. Der Anspruch des Bestattungsunternehmers droht bis zur Rechtskraft des sozialgerichtlichen Verfahrens zu verjähren, so dass der Antragstellerin weitere Kosten in Form von Mahn-, Gerichts- und Vollstreckungskosten drohen, was ihr nicht zuzumuten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antragstellerin war auf ihren Antrag gemäß §§ 114ff Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie die Kosten des Rechtsstreits in Form ihrer eigenen Rechtsanwaltskosten aus eigenem Vermögen oder Einkommen ausweislich des vorgelegten Antrags nicht bestreiten kann.

Weil schwierige Rechtsfragen zu klären waren, war ihr antragsgemäß ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Rechtskraft
Aus
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