L 5 AS 51/19 B ER, L 5 AS 52/19 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 3375/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 51/19 B ER, L 5 AS 52/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Dezember 2018 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 5 AS 51/19 B ER wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II) vom Antragsgegner.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2018 bewilligte der Antragsgegner der 1965 geborenen Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Juli 2018 bis Juni 2019. Am 6. August 2018 sprach die Antragstellerin persönlich beim Antragsgegner vor und teilte mit, dass sie an diesem Tag ein Arbeitsverhältnis aufnehme. Außerdem habe sie, so ein Gesprächsvermerk der zuständigen Fallmanagerin, ihre Wohnung gekündigt "aufgrund des Umzuges ab 01.09.19 zum Lebenspartner Herrn D. S.". Weiter heißt es in dem Vermerk: "Frau S ... verzichtet ab 01.09.19 auf Leistungen der KoBa aufgrund von eigenem Einkommen sowie der Altersrente des Lebenspartners." Der Vermerk trägt eine eigenhändige Unterschrift der Antragstellerin. Daraufhin hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 8. August 2018 die Leistungsbewilligung für die Zeit ab September 2018 auf.

Nachdem das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin im September 2018 vom Arbeitgeber gekündigt worden war, beantragte sie am 16. November 2018 beim Antragsgegner die Wiederbewilligung von Leistungen. Im Antragsformular gab sie an, dass sie seit 1. Juli 2015 alleinstehend sei und seit 1. August 2018 Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 200 EUR pro Monat zu zahlen habe. Sie wohne zur Miete bei Herrn S ... Die Wohnung sei insgesamt 60 qm groß; ihr Wohnflächenanteil belaufe sich auf 20 qm. Die Antragstellerin legte einen nicht datierten Mietvertrag vor, wonach sie seit 1. September 2018 für die Nutzung eines Zimmers und die Mitbenutzung von Küche und Bad 200 EUR zu zahlen hatte; die Betriebskostenpauschale war mit 64 EUR pro Monat angegeben.

Mit Schreiben vom 27. November 2018 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, Kontoauszüge der letzten drei Monate für ein Konto bei der Harzer Volksbank eG vorzulegen, auf das ihr Arbeitslohn geflossen war. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag hörte er sie zum Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft mit Herrn S. an. Er gab ihr Gelegenheit, bis zum 11. Dezember 2018 die Vermutung einer Einstandsgemeinschaft zu widerlegen. Sofern das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft nicht bestritten werde, solle sie eine Reihe konkret benannter Unterlagen des Herrn S. einreichen. Daraufhin wandten die Antragstellerin und Herr S ... sich mit einem am 30. November 2018 eingegangenen Schreiben an den Antragsgegner und teilten mit, dass sie keine Einstands- bzw. Lebensgemeinschaft bildeten. Die Antragstellerin führte aus, sie erhalte keine finanzielle Unterstützung von Herrn S ... Dieser machte geltend, dass er dem Antragsgegner keine Auskunft über seine Finanzen geben müsse.

Am 11. Dezember 2018 führte ein Außendienstmitarbeiter des Antragsgegners einen Hausbesuch bei der Antragstellerin durch. In dem darüber gefertigten Protokoll hielt er unter anderem fest:

"Frau S ... war zum Zeitpunkt des HB mit Kochen in der Küche beschäftigt und unterbrach dieses um den HB durchzuführen. Innerhalb der Küche gibt es keine Trennung der Lebensmittel. Dieses Begründete Fr.S. mit der Aussage ‚Da ich kein Geld vom Amt kriege nutze ich den Kühlschrank von Hr.S. mit. Ansonsten hab ich einen eigenen Kühlschrank im Keller.‘ Dieser war leer und abgeschaltet.

Der Einkauf von Lebensmitteln wird gemeinsam getätigt, eine Trennung der Kosten erfolgt laut LE nicht. Aussage der LE ‚Hr.S. bezahlt zur Zeit alles und ich kümmere mich um Ihn. Wir werden ja beide nicht jünger.‘

Innerhalb des Badezimmers war keine optische Trennung der Hyg.artikel sowie Wäsche ersichtlich. Frau S ... gab an im Keller eine eigene Waschmaschine sowie eigenes Waschmittel zu besitzen. Auf Grund dieser Aussage wurde der HB im Waschkeller des Hauses fortgesetzt. [ ] Auf Nachfrage welche [Waschmaschine] denn die von Fr.S. sei, versuchte Hr. S. die WM eines Nachbarn (2 OG-re) als die von Frau S ... zu ‚verkaufen‘. Da dieses eindeutig Unwahr erschien, wurde expliziet nachgefragt. Herr S ... gab zu ‚Naja, sie hat gar keine eigene"[ ]. [ ]

Das eigentliche Wohnzimmer, möbliert mit Couch, TV, Esstisch, 2x Stuhl, Tisch und Anrichte bewohnt Fr.S. nach ihren Angaben allein. Dieses Zimmer diene ihr auch als Schlafzimmer. Wobei sie täglich eine sep. Matratze in das WZ lege um dann dort auf dem Boden zu schlafen [ ]. Eine im WZ befindliche Anrichte wurde als ‚Kleiderschrank‘ betitelt. Darin befanden sich jedoch nur Bettlaken und Bettdecken.

Herr S ... bewohnt nach eigenen Angaben das Schlafzimmer, welches er auch als Wohnzimmer nutzt. Um in dieses zu gelangen, führt der Weg immer durch das Zimmer von Frau S ... Das Schlafzimmer war lediglich mit 2 großen Kleiderschränken und einem Doppelbett (beidseitig bezogen und in Gebrauch) möbliert. Ein vorhandener TV sollte unbedingt als ‚Beweis‘ für ‚das das sein eigenes Zimmer ist‘ aufgenommen werden. Im Kleiderschrank befanden sich jeweils getrennt männl. sowie weibl. Kleidungsstücke. Neben dem Doppelbett lagerte eine Matratze auf dem Boden."

Am 20. Dezember 2018 reichte die Antragstellerin beim Antragsgegner ein Schreiben der Bode Immobilien Verwaltungs Bitte Eintrag suchen und anpassen. vom 13. Dezember 2018 ein, mit dem diese Herrn S. die Untervermietung eines Zimmers an die Antragstellerin genehmigte. Weiter legte sie eine als "Schuldschein" überschriebene Bescheinigung des Herrn S. vor, wonach dieser ihr im November und Dezember 2018 Geld für Essen und Medikamente geliehen hatte und eine Rückzahlung sowie den ausstehenden Mietanteil noch im laufenden Jahr verlangte.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2019 forderte der Antragsgegner Herrn S. unter Verweis auf den Leistungsantrag der Antragstellerin auf, bis zum 23. Januar 2019 eine Reihe konkret bezeichneter Unterlagen einzureichen.

Bereits am 7. Dezember 2018 hatte die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Magdeburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat geltend gemacht, trotz des bestandskräftigen und nicht aufgehobenen Bescheides vom 7. Juni 2018 seien ihr Leistungen entzogen worden. Der Leistungsverzicht in der Vergangenheit spiele keine Rolle, weil sie einen neuen Antrag gestellt habe. Im Übrigen sei Herr S ... nicht ihr Lebenspartner. Das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft habe der Antragsgegner zu beweisen. Die Anforderung von Unterlagen des angeblichen Partners bei ihr sei völlig abwegig und absolut unzulässig. Ihr Lohn sei nur einmal auf das Konto des Herrn S. überwiesen worden, da sie ihre EC-Karte verloren gehabt habe. Für das Verfahren hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit zwei Beschlüssen vom 18. Dezember 2018 hat das SG sowohl die Gewährung von Prozesskostenhilfe als auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2018 sei für die Zeit ab September 2018 aufgehoben worden. Bezüglich des neuen Antrags von November 2018 seien ebenfalls kein Anordnungsanspruch und kein Anordnungsgrund zu erkennen. Der Antragsgegner habe über den Leistungsantrag bislang zu Recht nicht entschieden, weil der Sachverhalt noch nicht aufgeklärt sei. Da die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner erklärt habe, sie ziehe zu ihrem Lebenspartner, sei von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen. Insofern bestehe derzeit kein Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Entscheidung. Der Antragsgegner habe sich nicht geweigert, grundsätzlich Leistungen zu bewilligen. Er habe noch den Sachverhalt aufzuklären.

Gegen die beiden Beschlüsse hat die Antragstellerin am 18. Januar 2019 Beschwerde eingelegt. Auch im Beschwerdeverfahren macht sie geltend, dass sie keine Bedarfsgemeinschaft mit Herrn S. bilde. Richtig sei, dass sie zunächst ab 1. September 2018 auf Leistungen verzichtet habe. Dies sei aber allein wegen ihres Arbeitsverhältnisses geschehen. Herr S ... sei zu keinem Zeitpunkt ihr Lebenspartner gewesen. Ihr Gehalt sei lediglich einmal auf sein Konto geflossen.

Der Antragsgegner verweist darauf, dass die Antragstellerin bereits im August 2018 erklärt habe, Herr S ... sei ihr Lebenspartner. Für die Richtigkeit dieser Angabe spreche auch, dass bereits vor dem Zusammenziehen eine Rentenzahlung in Höhe von 400 EUR für Herrn S. auf ihr Konto erfolgt sei. Weiter verweist der Antragsgegner unter anderem auf das Protokoll des Hausbesuchs.

Die Antragstellerin hat für die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Senat hat die Prozessakte des Sozialgerichts und die Verwaltungsakte des Antragsgegners (Folgeakte III, Folgeakte IV bis Blatt 41) beigezogen.

II.

1.

Die Beschwerden sind zulässig. Insbesondere sind sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Sie sind auch form- und fristgerecht erhoben worden (§ 173 SGG).

2.

Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch zu Recht abgelehnt.

a.

Das in entsprechender Anwendung von § 123 SGG durch Auslegung zu ermittelnde Begehren der Antragstellerin ist so zu verstehen, dass sie nur Leistungen für die Zeit ab November 2018 geltend macht. Bereits erstinstanzlich hat sie auf den erneuten Leistungsantrag im November 2018 Bezug genommen. Auch in der Beschwerdebegründung hat sie ausgeführt, es sei richtig, dass sie ab dem 1. September 2018 zunächst auf SGB II-Leistungen verzichtet habe. Damit wird hinreichend deutlich, dass ihr Rechtsschutzbegehren ausschließlich an den Wiederbewilligungsantrag vom 16. November 2018 anknüpft. Nicht im Streit steht dagegen der Aufhebungsbescheid vom 8. August 2018.

b.

Das so verstandene Begehren verfolgt die Antragstellerin mit einem statthaften und auch sonst zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

c.

Die Voraussetzungen einer solchen Anordnung liegen jedoch nicht vor. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlich vorliegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16b).

Es fehlt schon an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Es ist nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin als erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 SGB II einen Anspruch gemäß § 19 Abs. 1 SGB II auf Arbeitslosengeld II hat. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie hilfebedürftig ist.

Die Leistungsberechtigung setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II Hilfebedürftigkeit voraus. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Es ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin eine Bedarfsgemeinschaft mit Herrn S. bildet. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört unter anderem gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II als Partner eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Damit normiert die Vorschrift nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) drei Voraussetzungen, die vorliegen müssen, um eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft anzunehmen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt bzw. in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R –, juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 – B 4 AS 60/15 R –, juris Rn. 25). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist durch das Tatsachengericht anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen; diese Würdigung bezieht sich auch auf subjektive Tatsachen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016, a.a.O., Rn. 26).

Nach allen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Eilverfahren bekannt gewordenen Umständen bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Antragstellerin und Herr S ... partnerschaftlich verbunden sind. Die Antragstellerin hat selbst den Gesprächsvermerk des Antragsgegners vom 6. August 2018 unterzeichnet, nach dem sie Herrn S. als ihren Lebenspartner bezeichnet hat. Bestätigt wird diese Angabe durch das Protokoll des Hausbesuchs vom 11. Dezember 2018. Die dort beschriebene Raumaufteilung der gemeinsam genutzten Wohnung und die gesamten geschilderten Lebensverhältnisse beschreiben das Zusammenwohnen in einer Partnerschaft und nicht eine Wohngemeinschaft oder ein Untermietverhältnis. Gegen die Annahme eines bloßen Untermietverhältnisses spricht auch, dass der von der Antragstellerin vorgelegte (undatierte) Mietvertrag von den Vertragsparteien erkennbar nicht als rechtlich bindend verstanden wird. Dementsprechend hat die Antragstellerin im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren keinerlei Wohnkosten geltend gemacht.

Es liegt auch ein Zusammenleben im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II vor. Unter einem Zusammenleben in diesem Sinne ist mehr als ein bloßes Zusammenwohnen zu verstehen, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2012, a.a.O., Rn. 22). Es wird nach Rechtsprechung des BSG vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass die Mitglieder einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht nur vorübergehend in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016, a.a.O., Rn. 25). So stellt sich nach dem Ergebnis des Hausbesuchs vom 11. Dezember 2018 auch der vorliegende Sachverhalt dar. Unter anderem hat die Antragstellerin ausweislich des Besuchsprotokolls bestätigt, dass der Einkauf von Lebensmitteln gemeinsam getätigt werde, ohne dass eine Trennung der Kosten erfolge. Auch sonst lassen die beschriebenen Umstände des Zusammenlebens ein gemeinsames Wirtschaften erkennen.

Schließlich ist auch von einem wechselseitigen Willen auszugehen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein solcher wird gemäß § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Über diese Fallgruppen hinaus kann ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, aber auch aufgrund der Würdigung anderer äußerer Tatsachen angenommen werden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 5. Mai 2009 – 1 BvR 255/09 –, juris Rn. 5; BSG, a.a.O.; BT-Drs. 16/1410, S. 19).

Der Annahme eines wechselseitigen Einstandswillens steht vorliegend nicht entgegen, dass die Antragstellerin erst im August oder September 2018 zu Herrn S. gezogen ist. § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II normiert zwar eine gesetzliche Vermutung, dass bei einem Zusammenleben von mehr als einem Jahr ein Einstandswille besteht. Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei einem kürzeren Zusammenleben ein Einstandswille stets zu verneinen ist (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 17. November 2009 – L 5 AS 385/09 B ER –, juris Rn. 47; ebenso G. Becker, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 7 Rn. 111). Es kann dahinstehen, ob aus der Vorschrift gleichwohl folgt, dass die Annahme einer Einstandsgemeinschaft bei einem Zusammenleben von weniger als einem Jahr besondere Umstände oder gewichtige Gründe voraussetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Juli 2007 – L 19 B 56/07 AS ER –, juris Rn. 10; unabhängig von § 7 Abs. 3a SGB II bereits LSG B.-B., Beschluss vom 18. Januar 2006 – L 5 B 1362/05 AS ER –, juris Rn. 14). Denn im Fall der Antragstellerin liegen solche besonderen Umstände vor, die von einem gegenseitigen Einstandswillen zeugen.

Die zuständige Fallmanagerin hat in dem Gesprächsvermerk vom 6. August 2018 festgehalten, die Antragstellerin verzichte "aufgrund von eigenem Einkommen sowie der Altersrente des Lebenspartners" auf SGB II-Leistungen. Das spricht dafür, dass Herr S ... tatsächlich Verantwortung für den Lebensunterhalt der Antragstellerin übernommen hat und für sie einsteht. Die Antragstellerin stellt die protokollierte Äußerung zwar in Abrede. Sie hat den Gesprächsvermerk aber seinerzeit handschriftlich unterzeichnet. Es erscheint auch nicht plausibel, dass die Fallmanagerin eine solche Aussage erfunden haben sollte.

Auch die Einlassungen der Antragstellerin anlässlich des Hausbesuchs lassen einen Einstandswillen erkennen. Während die Antragstellerin in dem am 30. November 2018 beim Antragsgegner eingegangenen Schreiben noch angegeben hatte, von Herrn S. nicht finanziell unterstützt zu werden, teilte sie während des Hausbesuchs am 11. Dezember 2018 mit, Herr S ... zahle zurzeit alles, und sie kümmere sich um ihn. Im gleichen Sinne hat die Antragstellerin im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren zu der Frage nach besonderen Belastungen ausgeführt, sie könne leider nichts bezahlen, da sie kein Einkommen habe; sie "werde derzeit von Herrn S. finanziert".

Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte "Schuldschein" steht der Annahme einer Einstandsgemeinschaft nicht entgegen. Soweit Herr S ... darin unter dem 20. Dezember 2018 angab, der Antragstellerin für November und Dezember 2018 Geld für Essen und Medikamente in Höhe von 600 EUR sowie den Mietanteil in Höhe von 400 EUR geliehen zu haben, ist dies nicht glaubhaft. Die Antragstellerin hatte noch am 11. Dezember 2018 anlässlich des Hausbesuchs geäußert, Einkäufe würden gemeinsam getätigt, eine Trennung der Kosten erfolge nicht.

Die enge Verbundenheit der Antragstellerin und des Herrn S. auch in finanzieller Hinsicht wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass Einkünfte des einen jeweils auf das Konto des anderen Partners überwiesen worden sind. So sind bereits im Mai 2018, also noch vor dem Zusammenziehen, 400 EUR auf das Konto der Antragstellerin überwiesen worden, bei denen es sich nach Angaben der Antragstellerin und des Herrn S. um eine für ihn bestimmte Rentenzahlung gehandelt hat. Umgekehrt sind die Erwerbseinkünfte der Antragstellerin für die Monate August und September 2018 dem Konto des Herrn S. gutgeschrieben worden. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, ihr Arbeitslohn sei nur einmal auf das Konto des Herrn S. geflossen, weil sie ihre EC-Karten verloren gehabt habe, entspricht dies nicht der Wahrheit. In der Verwaltungsakte des Antragsgegners finden sich Kopien von Kontoauszügen des Kontos 3015500200 bei der Harzer Volksbank eG, von dem die Antragstellerin einräumt, dass es das Konto des Herrn S. sei. Auf dieses Konto ist nicht nur das August-Gehalt der Antragstellerin in Höhe von 986,56 EUR überwiesen worden. Am 22. Oktober 2018 ist auch ein Scheck über 878,53 EUR eingereicht worden. Diese entspricht genau dem Betrag, den die Antragstellerin laut Bezügeabrechnung vom 5. Oktober 2018 für den Monat September 2018 von ihrem Arbeitgeber per Scheck erhalten hat.

Da Einkommen und Vermögen des Herrn S. nicht bekannt sind, lässt sich die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin nicht feststellen. Die verbleibende Ungewissheit über das Bestehen eines Leistungsanspruchs führt nicht dazu, dass der Antragstellerin vorläufig Leistungen zu gewähren sind. Die Antragstellerin, die insoweit die materielle Beweislast trägt, hat nicht einmal vorgetragen, dass sie nicht in der Lage wäre, Angaben über die persönlichen Verhältnisse des Herrn S. zu machen oder dass sie versucht hätte, diesen zu einer Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung zu bewegen. Bislang hat sie lediglich den Rechtsstandpunkt vertreten, dass er dazu nicht verpflichtet sei.

3.

Das SG hat auch zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Rechtsverfolgung hatte aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Gleiches gilt für die Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG und § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

5.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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