Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 21 KR 123/16
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 56/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 19/18 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Hilfe bei dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen hat.
Die Klägerin ist 1953 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen B, G und H festgestellt. Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Sie lebt in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen.
Am 20. Januar 2016 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. Behandlungspflege im Sinne des einmal täglichen Anziehens von Kompressionsstrümpfen für den Zeitraum vom 1. bis 29. Februar 2016. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2016 ab. Eine Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe wohne. Nach der aktuellen Rechtsprechung sei für einfache, medizinisch notwendige Leistungen der Behandlungspflege nicht die Krankenkasse, sondern die Einrichtung der Behindertenhilfe zuständig (Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - sowie vom 22. April 2015 - B 3 KR 16/14 R). Dabei handele es sich in der Regel um Leistungen, für die es keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedürfe. Dem entsprechend sei bereits die Einrichtung für diese Leistung verantwortlich und trage auch die dafür anfallenden Kosten.
Eine weitere von Dr. W. für den Zeitraum vom 2. Februar 2016 bis 2. Februar 2017 verordnete Leistung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 ebenfalls ab. Gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und führte aus, der abgeschlossene Heim-Betreuungsvertrag beinhalte nicht die medizinische Behandlungspflege. Zudem sei das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II nicht durch die entsprechende Leistungsvereinbarung zwischen Wohnheim und Sozialagentur als Sozialleistungsträger vorgesehen. Das Wohnheim halte somit keine sachliche und personelle Ausstattung bezüglich dieser Maßnahme vor. Beigefügt war eine Bescheinigung von Dr. W. vom 5. November 2015, wonach die Klägerin körperlich und geistig nicht in der Lage sei, die verordneten Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Sie lebe in einer geschützten Einrichtung der Lebenshilfe und benötige Hilfe für alle Dinge des täglichen Lebens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2016 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 1. Juni 2016 Klage erhoben und ausgeführt, sie benötige nicht allgemein Thrombosestrümpfe, sondern Kompressionstrümpfe der Klasse II, um die Entstehung von Lymphödemen als Folge der Diabeteserkrankung zu vermeiden. Diesbezüglich hat sie eine Stellungnahme ihres behandelnden Arztes beigefügt. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) sei geregelt, dass Kompressionsstrümpfe der Klasse II bis IV wegen ihrer besonderen Funktion fachgerecht anzulegen seien, damit zum einen eine Kompressionstherapie stattfinde und zum anderen die Gesundheit des Patienten nicht gefährdet werde. Jede Ungenauigkeit des Anziehers - wie etwa Faltenbildung - berge erhebliche zusätzliche Gesundheitsgefahren. Damit sei das fachgerechte Anziehen nur durch ein entsprechend ausgebildetes Pflegefachpersonal gewährleistet. Solches beschäftige die Behinderteneinrichtung, in der sie wohne, nicht. Dafür erhalte es auch keine Mittel.
Ein zwischenzeitlich durchgeführtes Verfahren um einstweiligen Rechtschutz zur Gewährung vorläufiger Leistungen blieb erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2016; Beschluss des Senats vom 4. Juli 2016), da nach Ansicht der Gerichte kein Leistungsanspruch bestand.
Mit Urteil vom 14. Juni 2017 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen stelle eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege dar, die grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden könne. Dies gehe aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts klar hervor. Dementsprechend habe die Klägerin einen gesetzlichen Anspruch gegen die Einrichtung, weshalb die Erbringung dieser Leistung durch die beklagte Krankenkasse nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei. Damit bestehe kein Anspruch.
Gegen das ihr am 12. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2017 Berufung eingelegt und mit Fax vom 22. Januar 2018 ihren bisherigen Vortrag wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. Juni 2017 und die Bescheide der Beklagten vom 2. Februar 2016 und 9. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Übernahme der Kosten für das Anziehen von Kompressionsstrümpfen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch in Verbindung mit der Hilfsmittelverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass zurzeit eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann der Senat außer in den - hier nicht gegebenen - Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. So liegt es hier. Der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich oder auch nur sachdienlich. Im Eilverfahren sind bereits alle Gesichtspunkte dargelegt worden; es handelt sich um eine klare Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die bereits die Beklagte im Verwaltungsverfahren hingewiesen hatte. Die Klägerin wiederholt lediglich ihre bisherigen Behauptungen. Gegen die den Beteiligten mitgeteilte Absicht des Senats, über den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, haben sie auch keine Einwände erhoben.
Die Klage ist nicht unzulässig, weil es nicht an einem entsprechendem Verwaltungsverfahren fehlt. Der Senat legt den Antrag der Klägerin auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege "nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch" dahingehend aus, dass von der Klägerin eine vermeintliche Rechtsgrundlage für den verfolgten Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung benannt wurde. Es gibt keinen Anhalt, dass in dem vorliegenden Rechtsstreit tatsächlich Leistungen einer Pflegekasse nach dem SGB XI verlangt werden. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass eine Krankenkasse verklagt wurde und diese auch die ausdrücklich angegriffenen Bescheide auf der Basis des § 37 SGB V erlassen hat. Auch die anwaltlich vertretene Klägerin stellt in ihrer Begründung der Klage und Berufung auf eine medizinische Behandlungspflege ab und betont ausdrücklich, das Anziehen der Strümpfe stelle keine pflegerische Maßnahme nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI dar.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs. 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der Senat unterstellt zu Gunsten der Klägerin, dass sie in einer sogenannten betreuten Wohnform lebt und damit ein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die Erbringung der Krankenpflege vorliegt.
Allerdings ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen insoweit beschränkt, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann. Hierzu hat das BSG ausgeführt:
"a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).
b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.
c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.
Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige (§§ 14, 15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs. 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs. 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten (so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig sind.
d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.
e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs. 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. ( )
Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind" (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R, BSGE 118, 122-128, SozR 4-2500 § 37 Nr. 13).
Vergeblich wendet die Klägerin ein, das BSG könne sich hier nur auf Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse I bezogen haben. Denn das Anlegen von Kompressionsstrümpfen ist nach der HKP-Richtlinie ohnehin nur in den Kompressionsklassen II bis IV verordnungsfähig. Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse I zählen zu dem Bereich der Körperpflege. Diese Bewertung entspricht auch dem bis zum 31. März 2007 geltenden § 37 Abs. 2 SGB V. Auf diese HKP-Richtlinie bezieht sich auch das Bundessozialgericht in der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung vom 25. Februar 2015 (B 3 KR 11/14 R). Soweit das Bundessozialgericht also das An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zuordnet, muss damit mindestens auch das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II wie vorliegend gemeint sein.
Der Senat geht mit der Klägerin davon aus, dass die Kompressionsstrümpfe sorgfältig angezogen werden müssen, auch wenn dies nicht in der behaupteten Weise in der HKP-Richtlinie hervorgehoben wird. Jedoch ist das Anziehen von Kompressionsstrümpfen nach der HKP-Richtlinie nur verordnungsfähig bei Patienten, die dies aufgrund einer schweren gesundheitlichen Einschränkung nicht selbst können. Dort heißt es: "Das An- oder Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/Kompressionsstrumpfhosen sowie das Abnehmen eines Kompressionsverbandes ist nur verordnungsfähig bei Patientinnen und Patienten mit - einer so erheblichen Einschränkung der Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten, dass sie die Kompressionsstrümpfe/Kompressionsstrumpfhosen nicht fachgerecht an- oder ausziehen können bzw. den Kompressionsverband nicht fachgerecht abnehmen können oder - einer so starken Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, dass sie zu schwach sind, die Kompressionsstrümpfe/Kompressionsstrumpfhosen fachgerecht an- oder ausziehen bzw. den Kompressionsverband fachgerecht abnehmen zu können (z. B. moribunde Patientinnen oder Patienten) oder - einer starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit oder Realitätsverlust, sodass die Compliance bei der Therapie nicht sichergestellt ist oder - entwicklungsbedingt noch nicht vorhandener Fähigkeit, die Leistung zu erlernen oder selbstständig durchzuführen. Dies muss aus der Verordnung hervorgehen."
Dies heißt im Umkehrschluss, dass ansonsten jeder Laie sich die Kompressionsstrümpfe selbst anziehen kann. Damit ist nicht nachvollziehbar, warum das Personal in dem Wohnheim diese Leistung nicht erbringen kann.
Die Verpflichtung des Wohnheims bestätigt auch der zwischen der Klägerin und dem Lebenshilfewerk Anhalt gGmbH abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrag vom 19. April 2010. Danach hat der Träger die "geeigneten Mittel für die übliche Gesundheitspflege" bereitzustellen. Weiter heißt es: "Er übernimmt die Anleitung bei medizinisch-pflegerischer Versorgung auf ärztliche Anordnung, soweit es der Gesundheitszustand des Bewohners erfordert und es sich nicht um Erkrankungen handelt, die eine Aufnahme in ein Krankenhaus notwendig machen. Der Träger ist hierbei zu allgemeinpflegerischen Leistungen verpflichtet, die den organisatorischen Möglichkeiten der Einrichtung entsprechen." Hingewiesen wird insoweit auch auf eine Anlage 1 des Vertrages. Dort heißt es zur "Konzeption der Wohnstätte für behinderte Menschen mit wesentlichen geistigen und mehrfachen Behinderungen", die Betreuung sei auch bei Krankheit des Bewohners abgesichert. Ausdrücklich wird im Weiteren auch die Gesundheitsfürsorge, Betreuung im Krankheitsfall, Umsetzung ärztlicher Verordnungen und technischer Hilfsmittel genannt. Zwar wird allgemein die Behandlungspflege ausgeschlossen. Dies kann aber nur gelten, soweit diese nicht nach dem vorrangigen Gesetz und den übrigen, spezielleren Bestimmungen zu erbringen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht, ohne dass der Senat von einem der in dieser Norm bezeichneten Gerichte abweicht.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Hilfe bei dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen hat.
Die Klägerin ist 1953 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen B, G und H festgestellt. Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Sie lebt in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen.
Am 20. Januar 2016 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. Behandlungspflege im Sinne des einmal täglichen Anziehens von Kompressionsstrümpfen für den Zeitraum vom 1. bis 29. Februar 2016. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2016 ab. Eine Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe wohne. Nach der aktuellen Rechtsprechung sei für einfache, medizinisch notwendige Leistungen der Behandlungspflege nicht die Krankenkasse, sondern die Einrichtung der Behindertenhilfe zuständig (Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - sowie vom 22. April 2015 - B 3 KR 16/14 R). Dabei handele es sich in der Regel um Leistungen, für die es keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedürfe. Dem entsprechend sei bereits die Einrichtung für diese Leistung verantwortlich und trage auch die dafür anfallenden Kosten.
Eine weitere von Dr. W. für den Zeitraum vom 2. Februar 2016 bis 2. Februar 2017 verordnete Leistung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 ebenfalls ab. Gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und führte aus, der abgeschlossene Heim-Betreuungsvertrag beinhalte nicht die medizinische Behandlungspflege. Zudem sei das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II nicht durch die entsprechende Leistungsvereinbarung zwischen Wohnheim und Sozialagentur als Sozialleistungsträger vorgesehen. Das Wohnheim halte somit keine sachliche und personelle Ausstattung bezüglich dieser Maßnahme vor. Beigefügt war eine Bescheinigung von Dr. W. vom 5. November 2015, wonach die Klägerin körperlich und geistig nicht in der Lage sei, die verordneten Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Sie lebe in einer geschützten Einrichtung der Lebenshilfe und benötige Hilfe für alle Dinge des täglichen Lebens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2016 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 1. Juni 2016 Klage erhoben und ausgeführt, sie benötige nicht allgemein Thrombosestrümpfe, sondern Kompressionstrümpfe der Klasse II, um die Entstehung von Lymphödemen als Folge der Diabeteserkrankung zu vermeiden. Diesbezüglich hat sie eine Stellungnahme ihres behandelnden Arztes beigefügt. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) sei geregelt, dass Kompressionsstrümpfe der Klasse II bis IV wegen ihrer besonderen Funktion fachgerecht anzulegen seien, damit zum einen eine Kompressionstherapie stattfinde und zum anderen die Gesundheit des Patienten nicht gefährdet werde. Jede Ungenauigkeit des Anziehers - wie etwa Faltenbildung - berge erhebliche zusätzliche Gesundheitsgefahren. Damit sei das fachgerechte Anziehen nur durch ein entsprechend ausgebildetes Pflegefachpersonal gewährleistet. Solches beschäftige die Behinderteneinrichtung, in der sie wohne, nicht. Dafür erhalte es auch keine Mittel.
Ein zwischenzeitlich durchgeführtes Verfahren um einstweiligen Rechtschutz zur Gewährung vorläufiger Leistungen blieb erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2016; Beschluss des Senats vom 4. Juli 2016), da nach Ansicht der Gerichte kein Leistungsanspruch bestand.
Mit Urteil vom 14. Juni 2017 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen stelle eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege dar, die grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden könne. Dies gehe aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts klar hervor. Dementsprechend habe die Klägerin einen gesetzlichen Anspruch gegen die Einrichtung, weshalb die Erbringung dieser Leistung durch die beklagte Krankenkasse nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei. Damit bestehe kein Anspruch.
Gegen das ihr am 12. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2017 Berufung eingelegt und mit Fax vom 22. Januar 2018 ihren bisherigen Vortrag wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. Juni 2017 und die Bescheide der Beklagten vom 2. Februar 2016 und 9. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Übernahme der Kosten für das Anziehen von Kompressionsstrümpfen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch in Verbindung mit der Hilfsmittelverordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass zurzeit eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann der Senat außer in den - hier nicht gegebenen - Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. So liegt es hier. Der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich oder auch nur sachdienlich. Im Eilverfahren sind bereits alle Gesichtspunkte dargelegt worden; es handelt sich um eine klare Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die bereits die Beklagte im Verwaltungsverfahren hingewiesen hatte. Die Klägerin wiederholt lediglich ihre bisherigen Behauptungen. Gegen die den Beteiligten mitgeteilte Absicht des Senats, über den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, haben sie auch keine Einwände erhoben.
Die Klage ist nicht unzulässig, weil es nicht an einem entsprechendem Verwaltungsverfahren fehlt. Der Senat legt den Antrag der Klägerin auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege "nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch" dahingehend aus, dass von der Klägerin eine vermeintliche Rechtsgrundlage für den verfolgten Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung benannt wurde. Es gibt keinen Anhalt, dass in dem vorliegenden Rechtsstreit tatsächlich Leistungen einer Pflegekasse nach dem SGB XI verlangt werden. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass eine Krankenkasse verklagt wurde und diese auch die ausdrücklich angegriffenen Bescheide auf der Basis des § 37 SGB V erlassen hat. Auch die anwaltlich vertretene Klägerin stellt in ihrer Begründung der Klage und Berufung auf eine medizinische Behandlungspflege ab und betont ausdrücklich, das Anziehen der Strümpfe stelle keine pflegerische Maßnahme nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI dar.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs. 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der Senat unterstellt zu Gunsten der Klägerin, dass sie in einer sogenannten betreuten Wohnform lebt und damit ein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die Erbringung der Krankenpflege vorliegt.
Allerdings ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen insoweit beschränkt, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann. Hierzu hat das BSG ausgeführt:
"a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).
b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.
c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.
Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige (§§ 14, 15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs. 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs. 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten (so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig sind.
d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.
e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs. 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. ( )
Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind" (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R, BSGE 118, 122-128, SozR 4-2500 § 37 Nr. 13).
Vergeblich wendet die Klägerin ein, das BSG könne sich hier nur auf Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse I bezogen haben. Denn das Anlegen von Kompressionsstrümpfen ist nach der HKP-Richtlinie ohnehin nur in den Kompressionsklassen II bis IV verordnungsfähig. Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse I zählen zu dem Bereich der Körperpflege. Diese Bewertung entspricht auch dem bis zum 31. März 2007 geltenden § 37 Abs. 2 SGB V. Auf diese HKP-Richtlinie bezieht sich auch das Bundessozialgericht in der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung vom 25. Februar 2015 (B 3 KR 11/14 R). Soweit das Bundessozialgericht also das An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zuordnet, muss damit mindestens auch das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II wie vorliegend gemeint sein.
Der Senat geht mit der Klägerin davon aus, dass die Kompressionsstrümpfe sorgfältig angezogen werden müssen, auch wenn dies nicht in der behaupteten Weise in der HKP-Richtlinie hervorgehoben wird. Jedoch ist das Anziehen von Kompressionsstrümpfen nach der HKP-Richtlinie nur verordnungsfähig bei Patienten, die dies aufgrund einer schweren gesundheitlichen Einschränkung nicht selbst können. Dort heißt es: "Das An- oder Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/Kompressionsstrumpfhosen sowie das Abnehmen eines Kompressionsverbandes ist nur verordnungsfähig bei Patientinnen und Patienten mit - einer so erheblichen Einschränkung der Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten, dass sie die Kompressionsstrümpfe/Kompressionsstrumpfhosen nicht fachgerecht an- oder ausziehen können bzw. den Kompressionsverband nicht fachgerecht abnehmen können oder - einer so starken Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, dass sie zu schwach sind, die Kompressionsstrümpfe/Kompressionsstrumpfhosen fachgerecht an- oder ausziehen bzw. den Kompressionsverband fachgerecht abnehmen zu können (z. B. moribunde Patientinnen oder Patienten) oder - einer starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit oder Realitätsverlust, sodass die Compliance bei der Therapie nicht sichergestellt ist oder - entwicklungsbedingt noch nicht vorhandener Fähigkeit, die Leistung zu erlernen oder selbstständig durchzuführen. Dies muss aus der Verordnung hervorgehen."
Dies heißt im Umkehrschluss, dass ansonsten jeder Laie sich die Kompressionsstrümpfe selbst anziehen kann. Damit ist nicht nachvollziehbar, warum das Personal in dem Wohnheim diese Leistung nicht erbringen kann.
Die Verpflichtung des Wohnheims bestätigt auch der zwischen der Klägerin und dem Lebenshilfewerk Anhalt gGmbH abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrag vom 19. April 2010. Danach hat der Träger die "geeigneten Mittel für die übliche Gesundheitspflege" bereitzustellen. Weiter heißt es: "Er übernimmt die Anleitung bei medizinisch-pflegerischer Versorgung auf ärztliche Anordnung, soweit es der Gesundheitszustand des Bewohners erfordert und es sich nicht um Erkrankungen handelt, die eine Aufnahme in ein Krankenhaus notwendig machen. Der Träger ist hierbei zu allgemeinpflegerischen Leistungen verpflichtet, die den organisatorischen Möglichkeiten der Einrichtung entsprechen." Hingewiesen wird insoweit auch auf eine Anlage 1 des Vertrages. Dort heißt es zur "Konzeption der Wohnstätte für behinderte Menschen mit wesentlichen geistigen und mehrfachen Behinderungen", die Betreuung sei auch bei Krankheit des Bewohners abgesichert. Ausdrücklich wird im Weiteren auch die Gesundheitsfürsorge, Betreuung im Krankheitsfall, Umsetzung ärztlicher Verordnungen und technischer Hilfsmittel genannt. Zwar wird allgemein die Behandlungspflege ausgeschlossen. Dies kann aber nur gelten, soweit diese nicht nach dem vorrangigen Gesetz und den übrigen, spezielleren Bestimmungen zu erbringen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht, ohne dass der Senat von einem der in dieser Norm bezeichneten Gerichte abweicht.
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