Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 1606/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 22/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. November 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragsgegnern für die Zeit vom 4. bis zum 30. Juni 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 899,98 EUR, für Juli und August 2018 in Höhe von 1.013,20 EUR pro Monat und für September 2018 in Höhe von 1.038,44 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern 9/10 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II).
Die 1962 geborene Antragstellerin und der 1969 geborene Antragsteller sind Eheleute. Für ihre Mietwohnung haben sie monatlich 278,48 EUR Grundmiete, 61,80 EUR für Betriebskosten und 56 EUR für Heizkosten zu zahlen. Im Juni und im September 2018 fielen außerdem Abfallgebühren i.H.v. jeweils 25,24 EUR an. Warmwasser wird zentral erzeugt.
Die Antragstellerin betreibt eine Pizzeria mit Lieferservice. Gemeinsam mit dem Antragsteller bezog sie bis März 2018 Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Am 6. Februar 2018 beantragten die Eheleute die Fortzahlung von Leistungen für die Zeit ab April 2018. Im Formular "Anlage EKS" gab die Antragstellerin an, dass die Betriebseinnahmen aus der Pizzeria im 2. und im 3. Quartal 2018 voraussichtlich jeweils 4.517 EUR betragen würden (davon u.a. 4.000 EUR Betriebseinnahmen (im engeren Sinne) und 100 EUR Privatentnahmen von Waren). Die die voraussichtlichen Betriebsausgaben bezifferte sie für das 2. Quartal mit 3.570 EUR und für das 3. Quartal mit 3.210 EUR, den Quartalsgewinn dementsprechend mit 947 EUR bzw. 1.307 EUR. Dies entspricht, bezogen auf das Halbjahr, einem durchschnittlichen monatlichen Gewinn von 375,67 EUR.
Mit Bescheid vom 24. März 2018 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2018 ab, weil die Antragsteller über ein ihren Bedarf übersteigendes Einkommen verfügten. Zur Begründung führte er aus, dass ihre Angaben nicht glaubhaft seien. Ausgehend von den in der vorläufigen EKS angegebenen Betriebseinnahmen (ca. 4.000 EUR pro Quartal, 1.333 EUR pro Monat) unter Berücksichtigung von Preisen in einer gerundeten Marge von 4 bis 7 EUR pro Gericht ergäbe sich ein Abverkauf pro Monat von ca. 190 bis 340 Portionen. Umgerechnet auf einen Öffnungstag bedeute dies 9 bis maximal 16 Portionen. Ausgehend von den auf dem Flyer der Pizzeria angegebenen Öffnungszeiten (ca. 250 Stunden pro Monat) würde dies zu einem Abverkauf von regelmäßig 1 bis 1,5 Portionen pro Stunde führen. Dies werde aufgrund der Preisgestaltung, der örtlichen Lage und der Dauer des Bestehens des Betriebes als wenig glaubhaft erachtet. Weiter sei gegengeprüft worden, in welchem Umfang in den letzten vier Bewilligungszeiträumen Verpackungsmaterial gekauft worden sei. Hier sei festzustellen gewesen, "dass in den jeweiligen BWZ Verpackungen im Durchschnitt von 2.802 Portionen mit dem Einkauf von Baguette-Brötchen/Ciabatta-Backwaren, eingekauft worden" seien, also 467 Portionen pro Monat. Dies entspreche etwa dem 1,5- bis 2,5-fachen der anhand der Einnahmen ermittelten Portionen.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2018 als unbegründet zurück. Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Ermittlungen erscheine eine Erhöhung der angegebenen Betriebseinnahmen angezeigt. Insoweit verwies er erneut auf die Anzahl der eingekauften Verpackungen: Im Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 seien Verpackungen im Umfang von 2.800 Portionen gekauft worden (100 H.er-Boxen, 100 Haushaltsboxen, 50 Aluschalen mit Deckel, 400 Menüschalen, 1.000 Pizzakartons L, 600 Pizzakartons XL, 200 Terrinen); im Zeitraum April bis September 2017 seien es 1.800 Portionen gewesen (100 H.er-Boxen, 100 Haushaltsboxen, 200 Menüschalen, 400 Pizzakartons L, 900 Pizzakartons XL, 100 Terrinen) sowie 328 Baguettebrötchen und 51 Ciabatta-Backwaren, "also für ca. 2.000 Portionen". Durchschnittlich ergäben sich für die zurückliegenden Bewilligungsabschnitte jeweils ca. 2.300 Portionen, also ca. 380 Portionen monatlich. Dies sei etwa das 1,5- bis 2,5-fache der angegebenen Einnahmen. Daher erscheine eine Erhöhung der angegebenen Betriebseinnahmen auf 16.000 EUR statt der angegebenen 8.000 EUR angezeigt. Selbst wenn in einem Bewilligungszeitraum geringere Mengen Kartonage eingekauft worden seien, sei unter Berücksichtigung der doch regelmäßigen Anschaffungen davon auszugehen, dass der Umfang der verkauften Essen nicht viel niedriger sein dürfte. Ansonsten wäre davon auszugehen, dass nicht alle Kartonage-Einkäufe angegeben würden. Weiter hätten die Antragsteller selbst angegeben, dass Sachentnahmen erfolgten. Die von ihnen angegebene Höhe (100 EUR pro Monat) sei jedoch nicht plausibel. Deshalb sei unter Rückgriff auf die Pauschbeträge des Bundesministeriums der Finanzen ein höherer Betrag angesetzt worden (156,97 EUR pro Person und Monat). Wegen der Betriebsausgaben führte der Antragsgegner u.a. aus, dass die geltend gemachten Telefonkosten nur zur Hälfte berücksichtigt werden könnten, weil das "umfangreich gebuchte Paket (1&1 Doppel-Flat 16.000)" bei ihrem Betrieb nicht vertretbar sei. Er errechnete für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2018 einen voraussichtlichen monatlichen Gewinn von 1.831,56 EUR und nach Abzug der Freibeträge ein monatliches anrechenbares Einkommen von 1.531,56 EUR. Dieses übersteige den Bedarf. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums und nach Vorlage der entsprechenden Belege werde geprüft, ob aufgrund der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben ggf. rückwirkend Leistungen zu gewähren seien.
Die Antragsteller haben unter dem 8. Mai 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben (S 16 AS 1370/18).
Am 4. Juni 2018 haben sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die vom Antragsgegner zugrunde gelegten Zahlen könnten sie sich nicht erklären. Derartige Einnahmen stünden ihnen definitiv nicht zur Verfügung. Im Verfahren vor dem SG haben sie eine Aufstellung ihrer Steuerberaterin über Einnahmen und Ausgaben im 1. Quartal 2018 und Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für das 1. und das 2. Quartal 2018 eingereicht. Hinsichtlich des Kaufs größerer Mengen von Verpackungsmaterial haben sie ausgeführt, dass es sich hierbei um ein günstiges Angebot gehandelt habe und dass sie Verpackungen auf Vorrat gekauft hätten. In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass die von ihnen bevorzugten Verpackungen bei Bedarf nicht erhältlich gewesen seien. Außerdem würden bestimmte Gerichte regelmäßig doppelt verpackt, insbesondere für den Transport. Der Umsatz und der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit könnten deshalb nicht an diesen Verpackungs-Einkäufen festgemacht werden. Mittlerweile hätten sie von einer solchen Bevorratung wieder Abstand genommen, um entsprechenden Vorwürfen des Antragsgegners zu entgehen. Weiter haben die Antragsteller auf Aufforderung des SG eine Mitteilung des Finanzamts B.-W. vom 29. März 2016 vorgelegt, wonach eine am 16. und 17. März 2016 durchgeführte Betriebsprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat.
Mit Beschluss vom 19. November 2018 hat das SG den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, den Antragstellern ab Juni 2018 monatliche Leistungen i.H.v. 516,01 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Die vom Antragsgegner vorgenommene Bedarfsberechnung sei nicht zu beanstanden. Nach der vorgelegten BWA des 1. Quartals 2018 hätten die Antragsteller in dieser Zeit einen Gewinn von 1.155 EUR, also von 385 EUR im Monat erzielt. Nach der für das erste Halbjahr 2018 vorgelegten Auswertung stünden Betriebseinnahmen i.H.v. 9.834,40 EUR Betriebsausgaben i.H.v. 8.511,41 EUR gegenüber, wobei Abschreibungen i.H.v. 50 EUR sowie nicht näher nachgewiesene verschiedene Kosten i.H.v. 608,68 EUR nicht zu berücksichtigen seien. Es verblieben demnach zu berücksichtigende Betriebsausgaben i.H.v. 7.852,73 EUR. Somit errechne sich für das erste Halbjahr ein Gewinn von 1.981,67 EUR. Allerdings lasse sich den Angaben der Antragsteller nicht ihr Eigenverbrauch entnehmen. Nach der einschlägigen Bekanntgabe des Bundesministeriums der Finanzen seien für jede Person jährlich 3.330 EUR, mithin für zwei Personen jährlich 6.660 EUR und monatlich 555,06 EUR zu berücksichtigen, die dem Betriebsgewinn aufzuschlagen seien. Im Ergebnis errechne sich ein Wert von 885,34 EUR, von dem die Freibeträge i.H.v. 256,40 EUR abzuziehen seien, so dass ein anzurechnendes Einkommen von 628,27 EUR verbleibe. Bei einem monatlichen Bedarf von 1.144,28 EUR ergebe sich ein monatlicher Leistungsanspruch i.H.v. 516,01 EUR. Dieser könne im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erst für die Zeit ab Antragstellung beim SG im Juni 2018 zugesprochen werden. Der Beschluss ist den Antragstellern am 22. November 2018 zugestellt worden.
Mit ihrer am 18. Dezember 2018 eingelegten Beschwerde verfolgen sie ihr Begehren weiter. Sie begehren höhere Leistungen für die Zeit von Juni bis September 2018. Für diesen Zeitraum sei ein noch zu bereinigendes Einkommen in Höhe von 266,14 EUR bzw. 225,66 EUR pro Monat zu berücksichtigen. Die Antragsteller haben ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen und BWA für das 2., 3. und 4. Quartal 2018 vorgelegt, außerdem eine von ihrer Steuerberaterin unter dem 5. April 2019 erstellte Übersicht über die Betriebseinnahmen und -ausgaben in diesen Quartalen. Danach betrugen ihre Betriebseinnahmen einschließlich Eigenverbrauch und zuzüglich Mehrwertsteuer im 2. Quartal 2018 4.652,38 EUR, im 3. Quartal 5.986,00 EUR. Die Betriebsausgaben ohne Abschreibungen sind mit 4.170,05 EUR (2. Quartal) bzw. 4.885,21 EUR (3. Quartal) angegeben worden. Wegen der Berücksichtigung von Eigenentnahmen verweisen die Antragsteller zudem auf von ihnen erstellte detaillierte Übersichten für die Zeit von Oktober 2016 bis September 2018.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragstellerin habe ihre tatsächlichen Betriebsausgaben bislang nicht vollständig nachgewiesen. Weiter fordert er einen Nachweis darüber, welche Kontobewegungen in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2018 auf einem mittlerweile aufgelösten Konto der Antragstellerin bei der Volksbank Börde-B. eG getätigt worden sind; ein von den Antragstellern vorgelegter Kontoauszug reiche nicht aus.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2019 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für die Zeit von Oktober 2018 bis März 2019 bewilligt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakten des Antragsgegners beigezogen.
II.
1.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt und damit in der Hauptsache die Berufung statthaft wäre (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).
2.
Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Der Antragsgegner ist im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragstellern für die Zeit vom 4. Juni bis zum 30. September 2018 höhere Leistungen zu gewähren, als das SG zugesprochen hat.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlich vorliegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16b). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. März 2019 – 1 BvR 169/19 –, juris Rn. 14 m.w.N.).
a.
Die Antragsteller haben das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung hält der Senat es im Sinne einer Glaubhaftmachung für überwiegend wahrscheinlich, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, als das SG angenommen hat.
aa.
Als Bedarfe der Antragsteller sind neben ihren Regelbedarfen i.H.v. jeweils 374 EUR pro Monat ihre Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat die auch vom Antragsgegner als angemessen anerkannten tatsächlichen Kosten i.H.v. insgesamt 396,28 EUR pro Monat (278,48 EUR Grundmiete, 61,80 EUR Betriebskosten, 56,00 EUR Heizkosten) zugrunde, so dass sich für die beiden Antragsteller jeweils ein Kopfteil von 198,14 EUR pro Monat ergibt. Für Juni und September 2018 sind zusätzlich jeweils Abfallgebühren i.H.v. 25,24 EUR (12,62 EUR pro Person) zu berücksichtigen. Somit ergibt sich ein Bedarf von 572,14 EUR bzw. 584,76 EUR pro Person und Monat, für beide Antragsteller zusammen also 1.144,28 EUR pro Monat bzw. jeweils 1.169,52 EUR im Juni und im September 2018.
bb.
Bei der Antragstellerin ist gem. § 9 Abs. 1, § 11 SGB II Einkommen i.H.v. 131,08 EUR pro Monat aus dem Betrieb ihrer Pizzeria bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen. Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V). Bewilligungszeitraum ist vorliegend der Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2018. Dies entspricht dem 2. und 3. Quartal dieses Jahres.
Zu den Betriebseinnahmen zählen auch die vereinnahmte Umsatzsteuer (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 24 f.) und der Eigenverbrauch (vgl. Lange, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 13 Rn. 53). Nach summarischer Prüfung ist hier ein Betrag von 10.638,38 EUR anzusetzen. Insoweit legt der Senat die von den Antragstellern vorgelegten BWA für das 2. und 3. Quartal 2018 sowie die von der Steuerberaterin unter dem 5. April 2019 erstellte Übersicht zugrunde. Daraus ergeben sich für das 2. Quartal Einnahmen einschließlich Eigenverbrauch und Umsatzsteuer i.H.v. 4.652,38 EUR und für das 3. Quartal i.H.v. 5.986,00 EUR.
Es ist bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen vorlägen, um den so ermittelten Betrag gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V zu erhöhen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die erzielten Bewirtungs- und Verkaufserlöse als auch im Hinblick auf den Eigenverbrauch der Antragsteller. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V können nachgewiesene Einnahmen bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Die Vorschrift setzt zwar keinen Vollbeweis höherer Einnahmen voraus, ihre Anwendung verlangt aber jedenfalls tatsächliche Anhaltspunkte, die ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den nachgewiesenen und den tatsächlich erzielten Einnahmen nahelegen (vgl. Lange, a.a.O., § 13 Rn. 55). Daran fehlt es.
Soweit der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid ausführt, er erachte die Angaben der Antragsteller "aufgrund der Preisgestaltung, der örtlichen Lage (Lindenstraße/Auguststraße in B.) und der Dauer des Bestehens des Gewerbebetriebs vor Ort (seit 01.08.2009) für wenig glaubhaft", lassen sich dem keine belastbaren Anknüpfungstatsachen dafür entnehmen, dass die Angaben der Antragstellerin offensichtlich zu niedrig angesetzt sind. Die vom Antragsgegner genannten Umstände sprechen zunächst einmal dafür, dass der Betrieb der Antragstellerin, wenn man ihre Daten zugrunde legt, nicht sehr rentabel ist. Das rechtfertigt es, ihre Angaben kritisch zu prüfen, lässt es aber noch nicht als offensichtlich erscheinen, dass die Angaben falsch sind. Zwar kommen die angeführten Ankäufe von Verpackungsmaterialien grundsätzlich als tauglicher tatsächlicher Anknüpfungspunkt für eine Annahme i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V in Betracht. Hier liegt jedoch, soweit sich dies im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beurteilen lässt, kein derart gravierendes Missverhältnis vor, dass von einer offensichtlichen Diskrepanz gesprochen werden könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Antragsteller nicht abwegige Gründe für die von ihnen behaupteten Vorratskäufe genannt und nachvollziehbar auf die doppelter Verpackung einiger Gerichte insbesondere für den Transport hingewiesen haben. Hinzu kommt, dass das vergleichsweise breite Speisenangebot und die damit einhergehende große Zahl unterschiedlicher Verpackungen wohl zwangsläufig eine insgesamt größere Vorratshaltung verlangen, als wenn nur eine einzige Art von Standardverpackung vorgehalten werden müsste. Schließlich spricht gegen die Annahme einer offensichtlichen Diskrepanz, dass die Betriebsprüfung des Finanzamts im März 2016 nach der vorliegenden Bescheinigung ohne Beanstandungen geblieben ist.
Auch im Hinblick auf das vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zuletzt in den Mittelpunkt gestellte Konto 1102521881 bei der Volksbank Börde-B. eG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin höhere Betriebseinnahmen erzielt haben könnte. Die Antragsteller haben durch Vorlage eines Kontoauszugs vom 29. Dezember 2018 vielmehr ausreichend glaubhaft gemacht, dass in der fraglichen Zeit keinerlei Kontobewegungen stattgefunden haben. Der Kontostand wird für den 20. Oktober 2017 und den 29. Dezember 2018 gleichermaßen mit 14,31 EUR angegeben.
Auch die mit konkreten monatlichen Aufstellungen unterlegten Angaben der Antragsteller zu ihrem Eigenverbrauch erscheinen zwar als niedrig, aber bei summarischer Prüfung nicht als so offensichtlich zu niedrig, dass eine Erhöhung gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V als gerechtfertigt erscheint. Deshalb kann offen bleiben, ob beim Fehlen hinreichend glaubhafter eigener Angaben auf die Pauschbeträge für Sachentnahmen des Bundesministeriums der Finanzen zurückzugreifen ist (vgl. dazu etwa SG B., Beschluss vom 25. Januar 2011 – S 201 AS 328/11 ER –, juris).
Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Alg II-V). Damit bleiben insbesondere Abschreibungen unberücksichtigt (vgl. Lange, a.a.O., § 13 Rn. 56). Vorliegend ergibt sich ein Betrag von 9.055,26 EUR. Auch insoweit legt der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die von den Antragstellern vorgelegten BWA und die Angaben der Steuerberaterin im Schreiben vom 5. April 2019 zugrunde. Zu einer weiteren Reduzierung dieses Betrags besteht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kein Anlass. Dies gilt auch mit Blick auf die in den BWA angeführten "verschiedenen Kosten", die in den Kontennachweisen zu den BWA aufgeschlüsselt werden (u.a. Abschluss- und Prüfungskosten, Buchführungskosten, Telefon). Die Notwendigkeit dieser Kosten im angegebenen Umfang ist ggf. im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
Der so ermittelte Betrag von 1.583,12 EUR (10.638,38 EUR - 9.055,26 EUR) ist gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V auf die sechs Monate des Bewilligungszeitraums zu verteilen, so dass sich ein monatliches Einkommen von 263,85 EUR ergibt.
Dieses Einkommen ist gemäß § 11b SGB II zu bereinigen. Nach Abzug des Grundfreibetrags von 100 EUR (§ 11b Abs. 2 SGB II) und des besonderen Erwerbstätigenfreibetrags von 32,77 EUR (§ 11 Abs. 3 SGB II) verbleibt ein anzurechnendes monatliches Einkommen von 131,08 EUR.
cc.
Für Juni 2018 ergibt sich damit bei einem Bedarf von jeweils 584,76 EUR für die beiden Antragsteller (zusammen: 1.169,52 EUR) und einem anrechenbaren Einkommen der Antragstellerin von 131,08 EUR ein Gesamtanspruch i.H.v. 1.038,44 EUR. Für die Zeit vom 4. bis zum 30. Juni 2018 verbleiben anteilig insgesamt 899,98 EUR. Für Juli und August 2018 ergibt sich jeweils ein Gesamtanspruch für beide Antragsteller i.H.v. 1.013,20 EUR (1.144,28 EUR - 131,08 EUR), für September 2018 wegen der Berücksichtigung der Abfallgebühren ein Anspruch i.H.v. 1.038,44 EUR.
b.
Für die Zeit ab Antragstellung beim SG am 4. Juni 2018 liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
4.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern 9/10 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II).
Die 1962 geborene Antragstellerin und der 1969 geborene Antragsteller sind Eheleute. Für ihre Mietwohnung haben sie monatlich 278,48 EUR Grundmiete, 61,80 EUR für Betriebskosten und 56 EUR für Heizkosten zu zahlen. Im Juni und im September 2018 fielen außerdem Abfallgebühren i.H.v. jeweils 25,24 EUR an. Warmwasser wird zentral erzeugt.
Die Antragstellerin betreibt eine Pizzeria mit Lieferservice. Gemeinsam mit dem Antragsteller bezog sie bis März 2018 Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Am 6. Februar 2018 beantragten die Eheleute die Fortzahlung von Leistungen für die Zeit ab April 2018. Im Formular "Anlage EKS" gab die Antragstellerin an, dass die Betriebseinnahmen aus der Pizzeria im 2. und im 3. Quartal 2018 voraussichtlich jeweils 4.517 EUR betragen würden (davon u.a. 4.000 EUR Betriebseinnahmen (im engeren Sinne) und 100 EUR Privatentnahmen von Waren). Die die voraussichtlichen Betriebsausgaben bezifferte sie für das 2. Quartal mit 3.570 EUR und für das 3. Quartal mit 3.210 EUR, den Quartalsgewinn dementsprechend mit 947 EUR bzw. 1.307 EUR. Dies entspricht, bezogen auf das Halbjahr, einem durchschnittlichen monatlichen Gewinn von 375,67 EUR.
Mit Bescheid vom 24. März 2018 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2018 ab, weil die Antragsteller über ein ihren Bedarf übersteigendes Einkommen verfügten. Zur Begründung führte er aus, dass ihre Angaben nicht glaubhaft seien. Ausgehend von den in der vorläufigen EKS angegebenen Betriebseinnahmen (ca. 4.000 EUR pro Quartal, 1.333 EUR pro Monat) unter Berücksichtigung von Preisen in einer gerundeten Marge von 4 bis 7 EUR pro Gericht ergäbe sich ein Abverkauf pro Monat von ca. 190 bis 340 Portionen. Umgerechnet auf einen Öffnungstag bedeute dies 9 bis maximal 16 Portionen. Ausgehend von den auf dem Flyer der Pizzeria angegebenen Öffnungszeiten (ca. 250 Stunden pro Monat) würde dies zu einem Abverkauf von regelmäßig 1 bis 1,5 Portionen pro Stunde führen. Dies werde aufgrund der Preisgestaltung, der örtlichen Lage und der Dauer des Bestehens des Betriebes als wenig glaubhaft erachtet. Weiter sei gegengeprüft worden, in welchem Umfang in den letzten vier Bewilligungszeiträumen Verpackungsmaterial gekauft worden sei. Hier sei festzustellen gewesen, "dass in den jeweiligen BWZ Verpackungen im Durchschnitt von 2.802 Portionen mit dem Einkauf von Baguette-Brötchen/Ciabatta-Backwaren, eingekauft worden" seien, also 467 Portionen pro Monat. Dies entspreche etwa dem 1,5- bis 2,5-fachen der anhand der Einnahmen ermittelten Portionen.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2018 als unbegründet zurück. Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Ermittlungen erscheine eine Erhöhung der angegebenen Betriebseinnahmen angezeigt. Insoweit verwies er erneut auf die Anzahl der eingekauften Verpackungen: Im Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 seien Verpackungen im Umfang von 2.800 Portionen gekauft worden (100 H.er-Boxen, 100 Haushaltsboxen, 50 Aluschalen mit Deckel, 400 Menüschalen, 1.000 Pizzakartons L, 600 Pizzakartons XL, 200 Terrinen); im Zeitraum April bis September 2017 seien es 1.800 Portionen gewesen (100 H.er-Boxen, 100 Haushaltsboxen, 200 Menüschalen, 400 Pizzakartons L, 900 Pizzakartons XL, 100 Terrinen) sowie 328 Baguettebrötchen und 51 Ciabatta-Backwaren, "also für ca. 2.000 Portionen". Durchschnittlich ergäben sich für die zurückliegenden Bewilligungsabschnitte jeweils ca. 2.300 Portionen, also ca. 380 Portionen monatlich. Dies sei etwa das 1,5- bis 2,5-fache der angegebenen Einnahmen. Daher erscheine eine Erhöhung der angegebenen Betriebseinnahmen auf 16.000 EUR statt der angegebenen 8.000 EUR angezeigt. Selbst wenn in einem Bewilligungszeitraum geringere Mengen Kartonage eingekauft worden seien, sei unter Berücksichtigung der doch regelmäßigen Anschaffungen davon auszugehen, dass der Umfang der verkauften Essen nicht viel niedriger sein dürfte. Ansonsten wäre davon auszugehen, dass nicht alle Kartonage-Einkäufe angegeben würden. Weiter hätten die Antragsteller selbst angegeben, dass Sachentnahmen erfolgten. Die von ihnen angegebene Höhe (100 EUR pro Monat) sei jedoch nicht plausibel. Deshalb sei unter Rückgriff auf die Pauschbeträge des Bundesministeriums der Finanzen ein höherer Betrag angesetzt worden (156,97 EUR pro Person und Monat). Wegen der Betriebsausgaben führte der Antragsgegner u.a. aus, dass die geltend gemachten Telefonkosten nur zur Hälfte berücksichtigt werden könnten, weil das "umfangreich gebuchte Paket (1&1 Doppel-Flat 16.000)" bei ihrem Betrieb nicht vertretbar sei. Er errechnete für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2018 einen voraussichtlichen monatlichen Gewinn von 1.831,56 EUR und nach Abzug der Freibeträge ein monatliches anrechenbares Einkommen von 1.531,56 EUR. Dieses übersteige den Bedarf. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums und nach Vorlage der entsprechenden Belege werde geprüft, ob aufgrund der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben ggf. rückwirkend Leistungen zu gewähren seien.
Die Antragsteller haben unter dem 8. Mai 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben (S 16 AS 1370/18).
Am 4. Juni 2018 haben sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die vom Antragsgegner zugrunde gelegten Zahlen könnten sie sich nicht erklären. Derartige Einnahmen stünden ihnen definitiv nicht zur Verfügung. Im Verfahren vor dem SG haben sie eine Aufstellung ihrer Steuerberaterin über Einnahmen und Ausgaben im 1. Quartal 2018 und Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für das 1. und das 2. Quartal 2018 eingereicht. Hinsichtlich des Kaufs größerer Mengen von Verpackungsmaterial haben sie ausgeführt, dass es sich hierbei um ein günstiges Angebot gehandelt habe und dass sie Verpackungen auf Vorrat gekauft hätten. In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass die von ihnen bevorzugten Verpackungen bei Bedarf nicht erhältlich gewesen seien. Außerdem würden bestimmte Gerichte regelmäßig doppelt verpackt, insbesondere für den Transport. Der Umsatz und der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit könnten deshalb nicht an diesen Verpackungs-Einkäufen festgemacht werden. Mittlerweile hätten sie von einer solchen Bevorratung wieder Abstand genommen, um entsprechenden Vorwürfen des Antragsgegners zu entgehen. Weiter haben die Antragsteller auf Aufforderung des SG eine Mitteilung des Finanzamts B.-W. vom 29. März 2016 vorgelegt, wonach eine am 16. und 17. März 2016 durchgeführte Betriebsprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat.
Mit Beschluss vom 19. November 2018 hat das SG den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, den Antragstellern ab Juni 2018 monatliche Leistungen i.H.v. 516,01 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Die vom Antragsgegner vorgenommene Bedarfsberechnung sei nicht zu beanstanden. Nach der vorgelegten BWA des 1. Quartals 2018 hätten die Antragsteller in dieser Zeit einen Gewinn von 1.155 EUR, also von 385 EUR im Monat erzielt. Nach der für das erste Halbjahr 2018 vorgelegten Auswertung stünden Betriebseinnahmen i.H.v. 9.834,40 EUR Betriebsausgaben i.H.v. 8.511,41 EUR gegenüber, wobei Abschreibungen i.H.v. 50 EUR sowie nicht näher nachgewiesene verschiedene Kosten i.H.v. 608,68 EUR nicht zu berücksichtigen seien. Es verblieben demnach zu berücksichtigende Betriebsausgaben i.H.v. 7.852,73 EUR. Somit errechne sich für das erste Halbjahr ein Gewinn von 1.981,67 EUR. Allerdings lasse sich den Angaben der Antragsteller nicht ihr Eigenverbrauch entnehmen. Nach der einschlägigen Bekanntgabe des Bundesministeriums der Finanzen seien für jede Person jährlich 3.330 EUR, mithin für zwei Personen jährlich 6.660 EUR und monatlich 555,06 EUR zu berücksichtigen, die dem Betriebsgewinn aufzuschlagen seien. Im Ergebnis errechne sich ein Wert von 885,34 EUR, von dem die Freibeträge i.H.v. 256,40 EUR abzuziehen seien, so dass ein anzurechnendes Einkommen von 628,27 EUR verbleibe. Bei einem monatlichen Bedarf von 1.144,28 EUR ergebe sich ein monatlicher Leistungsanspruch i.H.v. 516,01 EUR. Dieser könne im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erst für die Zeit ab Antragstellung beim SG im Juni 2018 zugesprochen werden. Der Beschluss ist den Antragstellern am 22. November 2018 zugestellt worden.
Mit ihrer am 18. Dezember 2018 eingelegten Beschwerde verfolgen sie ihr Begehren weiter. Sie begehren höhere Leistungen für die Zeit von Juni bis September 2018. Für diesen Zeitraum sei ein noch zu bereinigendes Einkommen in Höhe von 266,14 EUR bzw. 225,66 EUR pro Monat zu berücksichtigen. Die Antragsteller haben ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen und BWA für das 2., 3. und 4. Quartal 2018 vorgelegt, außerdem eine von ihrer Steuerberaterin unter dem 5. April 2019 erstellte Übersicht über die Betriebseinnahmen und -ausgaben in diesen Quartalen. Danach betrugen ihre Betriebseinnahmen einschließlich Eigenverbrauch und zuzüglich Mehrwertsteuer im 2. Quartal 2018 4.652,38 EUR, im 3. Quartal 5.986,00 EUR. Die Betriebsausgaben ohne Abschreibungen sind mit 4.170,05 EUR (2. Quartal) bzw. 4.885,21 EUR (3. Quartal) angegeben worden. Wegen der Berücksichtigung von Eigenentnahmen verweisen die Antragsteller zudem auf von ihnen erstellte detaillierte Übersichten für die Zeit von Oktober 2016 bis September 2018.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragstellerin habe ihre tatsächlichen Betriebsausgaben bislang nicht vollständig nachgewiesen. Weiter fordert er einen Nachweis darüber, welche Kontobewegungen in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2018 auf einem mittlerweile aufgelösten Konto der Antragstellerin bei der Volksbank Börde-B. eG getätigt worden sind; ein von den Antragstellern vorgelegter Kontoauszug reiche nicht aus.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2019 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für die Zeit von Oktober 2018 bis März 2019 bewilligt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakten des Antragsgegners beigezogen.
II.
1.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt und damit in der Hauptsache die Berufung statthaft wäre (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).
2.
Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Der Antragsgegner ist im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragstellern für die Zeit vom 4. Juni bis zum 30. September 2018 höhere Leistungen zu gewähren, als das SG zugesprochen hat.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlich vorliegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16b). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. März 2019 – 1 BvR 169/19 –, juris Rn. 14 m.w.N.).
a.
Die Antragsteller haben das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung hält der Senat es im Sinne einer Glaubhaftmachung für überwiegend wahrscheinlich, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, als das SG angenommen hat.
aa.
Als Bedarfe der Antragsteller sind neben ihren Regelbedarfen i.H.v. jeweils 374 EUR pro Monat ihre Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat die auch vom Antragsgegner als angemessen anerkannten tatsächlichen Kosten i.H.v. insgesamt 396,28 EUR pro Monat (278,48 EUR Grundmiete, 61,80 EUR Betriebskosten, 56,00 EUR Heizkosten) zugrunde, so dass sich für die beiden Antragsteller jeweils ein Kopfteil von 198,14 EUR pro Monat ergibt. Für Juni und September 2018 sind zusätzlich jeweils Abfallgebühren i.H.v. 25,24 EUR (12,62 EUR pro Person) zu berücksichtigen. Somit ergibt sich ein Bedarf von 572,14 EUR bzw. 584,76 EUR pro Person und Monat, für beide Antragsteller zusammen also 1.144,28 EUR pro Monat bzw. jeweils 1.169,52 EUR im Juni und im September 2018.
bb.
Bei der Antragstellerin ist gem. § 9 Abs. 1, § 11 SGB II Einkommen i.H.v. 131,08 EUR pro Monat aus dem Betrieb ihrer Pizzeria bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen. Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V). Bewilligungszeitraum ist vorliegend der Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2018. Dies entspricht dem 2. und 3. Quartal dieses Jahres.
Zu den Betriebseinnahmen zählen auch die vereinnahmte Umsatzsteuer (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 24 f.) und der Eigenverbrauch (vgl. Lange, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 13 Rn. 53). Nach summarischer Prüfung ist hier ein Betrag von 10.638,38 EUR anzusetzen. Insoweit legt der Senat die von den Antragstellern vorgelegten BWA für das 2. und 3. Quartal 2018 sowie die von der Steuerberaterin unter dem 5. April 2019 erstellte Übersicht zugrunde. Daraus ergeben sich für das 2. Quartal Einnahmen einschließlich Eigenverbrauch und Umsatzsteuer i.H.v. 4.652,38 EUR und für das 3. Quartal i.H.v. 5.986,00 EUR.
Es ist bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht zu erkennen, dass die Voraussetzungen vorlägen, um den so ermittelten Betrag gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V zu erhöhen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die erzielten Bewirtungs- und Verkaufserlöse als auch im Hinblick auf den Eigenverbrauch der Antragsteller. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V können nachgewiesene Einnahmen bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Die Vorschrift setzt zwar keinen Vollbeweis höherer Einnahmen voraus, ihre Anwendung verlangt aber jedenfalls tatsächliche Anhaltspunkte, die ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den nachgewiesenen und den tatsächlich erzielten Einnahmen nahelegen (vgl. Lange, a.a.O., § 13 Rn. 55). Daran fehlt es.
Soweit der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid ausführt, er erachte die Angaben der Antragsteller "aufgrund der Preisgestaltung, der örtlichen Lage (Lindenstraße/Auguststraße in B.) und der Dauer des Bestehens des Gewerbebetriebs vor Ort (seit 01.08.2009) für wenig glaubhaft", lassen sich dem keine belastbaren Anknüpfungstatsachen dafür entnehmen, dass die Angaben der Antragstellerin offensichtlich zu niedrig angesetzt sind. Die vom Antragsgegner genannten Umstände sprechen zunächst einmal dafür, dass der Betrieb der Antragstellerin, wenn man ihre Daten zugrunde legt, nicht sehr rentabel ist. Das rechtfertigt es, ihre Angaben kritisch zu prüfen, lässt es aber noch nicht als offensichtlich erscheinen, dass die Angaben falsch sind. Zwar kommen die angeführten Ankäufe von Verpackungsmaterialien grundsätzlich als tauglicher tatsächlicher Anknüpfungspunkt für eine Annahme i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V in Betracht. Hier liegt jedoch, soweit sich dies im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beurteilen lässt, kein derart gravierendes Missverhältnis vor, dass von einer offensichtlichen Diskrepanz gesprochen werden könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Antragsteller nicht abwegige Gründe für die von ihnen behaupteten Vorratskäufe genannt und nachvollziehbar auf die doppelter Verpackung einiger Gerichte insbesondere für den Transport hingewiesen haben. Hinzu kommt, dass das vergleichsweise breite Speisenangebot und die damit einhergehende große Zahl unterschiedlicher Verpackungen wohl zwangsläufig eine insgesamt größere Vorratshaltung verlangen, als wenn nur eine einzige Art von Standardverpackung vorgehalten werden müsste. Schließlich spricht gegen die Annahme einer offensichtlichen Diskrepanz, dass die Betriebsprüfung des Finanzamts im März 2016 nach der vorliegenden Bescheinigung ohne Beanstandungen geblieben ist.
Auch im Hinblick auf das vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zuletzt in den Mittelpunkt gestellte Konto 1102521881 bei der Volksbank Börde-B. eG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin höhere Betriebseinnahmen erzielt haben könnte. Die Antragsteller haben durch Vorlage eines Kontoauszugs vom 29. Dezember 2018 vielmehr ausreichend glaubhaft gemacht, dass in der fraglichen Zeit keinerlei Kontobewegungen stattgefunden haben. Der Kontostand wird für den 20. Oktober 2017 und den 29. Dezember 2018 gleichermaßen mit 14,31 EUR angegeben.
Auch die mit konkreten monatlichen Aufstellungen unterlegten Angaben der Antragsteller zu ihrem Eigenverbrauch erscheinen zwar als niedrig, aber bei summarischer Prüfung nicht als so offensichtlich zu niedrig, dass eine Erhöhung gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V als gerechtfertigt erscheint. Deshalb kann offen bleiben, ob beim Fehlen hinreichend glaubhafter eigener Angaben auf die Pauschbeträge für Sachentnahmen des Bundesministeriums der Finanzen zurückzugreifen ist (vgl. dazu etwa SG B., Beschluss vom 25. Januar 2011 – S 201 AS 328/11 ER –, juris).
Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Alg II-V). Damit bleiben insbesondere Abschreibungen unberücksichtigt (vgl. Lange, a.a.O., § 13 Rn. 56). Vorliegend ergibt sich ein Betrag von 9.055,26 EUR. Auch insoweit legt der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die von den Antragstellern vorgelegten BWA und die Angaben der Steuerberaterin im Schreiben vom 5. April 2019 zugrunde. Zu einer weiteren Reduzierung dieses Betrags besteht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kein Anlass. Dies gilt auch mit Blick auf die in den BWA angeführten "verschiedenen Kosten", die in den Kontennachweisen zu den BWA aufgeschlüsselt werden (u.a. Abschluss- und Prüfungskosten, Buchführungskosten, Telefon). Die Notwendigkeit dieser Kosten im angegebenen Umfang ist ggf. im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
Der so ermittelte Betrag von 1.583,12 EUR (10.638,38 EUR - 9.055,26 EUR) ist gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V auf die sechs Monate des Bewilligungszeitraums zu verteilen, so dass sich ein monatliches Einkommen von 263,85 EUR ergibt.
Dieses Einkommen ist gemäß § 11b SGB II zu bereinigen. Nach Abzug des Grundfreibetrags von 100 EUR (§ 11b Abs. 2 SGB II) und des besonderen Erwerbstätigenfreibetrags von 32,77 EUR (§ 11 Abs. 3 SGB II) verbleibt ein anzurechnendes monatliches Einkommen von 131,08 EUR.
cc.
Für Juni 2018 ergibt sich damit bei einem Bedarf von jeweils 584,76 EUR für die beiden Antragsteller (zusammen: 1.169,52 EUR) und einem anrechenbaren Einkommen der Antragstellerin von 131,08 EUR ein Gesamtanspruch i.H.v. 1.038,44 EUR. Für die Zeit vom 4. bis zum 30. Juni 2018 verbleiben anteilig insgesamt 899,98 EUR. Für Juli und August 2018 ergibt sich jeweils ein Gesamtanspruch für beide Antragsteller i.H.v. 1.013,20 EUR (1.144,28 EUR - 131,08 EUR), für September 2018 wegen der Berücksichtigung der Abfallgebühren ein Anspruch i.H.v. 1.038,44 EUR.
b.
Für die Zeit ab Antragstellung beim SG am 4. Juni 2018 liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
4.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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