L 1 R 434/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 879/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 434/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. September 2016 und die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 2016 und 15. März 2017 werden aufgehoben, soweit die Beklagte für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 31. August 2016 einen höheren Beitrag als auf der Grundlage eines Jahreseinkommens von 7.576,16 Euro festgesetzt hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu 1/10 zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. August 2016 zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 1982 geborene Kläger war vom 15. Dezember 2003 bis zum 28. Februar 2009 in die Handwerksrolle unter der Firma C. S. und U. S. GbR (S & S GbR) mit den Gewerken Maurer und Betonbauer für die Tätigkeiten Dämmen und Verputzen von Gebäuden eingetragen. Bis zum 31. Dezember 2008 hatte er unter der Firma S & S Dienstleistungs- und Service GbR ein Gewerbe für Hausmeisterservice, Dienstleistung rund ums Haus, Dämmen und Verputzen von Gebäuden angemeldet. Ab dem 1. Januar 2009 hat er ein Gewerbe unter der Firma S & S Bau für Hausmeisterservice, Dienstleistung rund ums Haus, Dämmen und Verputzen von Gebäuden und Maurerarbeiten angemeldet. Seit dem 2. Februar 2009 ist er als Einzelunternehmer in der Handwerksrolle unter der Firma C. S. mit den Gewerken Maurer und Betonbauer für die Tätigkeiten Dämmen und Verputzen von Gebäuden eingetragen.

Im Kalenderjahr 2010 erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 26.859 Euro (Einkommensteuerbescheid des Finanzamts N. vom 24. September 2012), im Jahr 2011 in Höhe von 39.846 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 23. Mai 2013), im Jahr 2012 in Höhe von 46.749 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 15. Juli 2014), im Jahr 2013 in Höhe von 25.738 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 4. November 2015), im Jahr 2014 in Höhe von 46.793 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 22. April 2016) und im Jahr 2015 in Höhe von -803 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 2. Juni 2016).

Im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit als Handwerker ist der Kläger seit dem 15. Dezember 2003 bei der Beklagten pflichtversichert (bestandskräftiger Bescheid vom 26. März 2004). Diese hatte auf Antrag des Klägers vom 6. April 2004 einkommensgerechte Rentenversicherungsbeiträge, zuletzt in Höhe des Mindestbeitrags von monatlich 79,60 Euro, festgesetzt (Bescheid vom 17. Februar 2012).

Mit Schreiben vom 12. März 2013 wandte sich die Beklagte an den Kläger und forderte ihn zur Übersendung der Einkommensteuerbescheide ab 2010 spätestens zwei Monate nach deren Ausfertigung auf. Unter dem 3. April 2014 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die erforderliche Mitwirkung erneut zur Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010, 2011 und ggf. 2012 auf. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht gefolgt war, wandte sich die Beklagte an das Finanzamt N., welches ihr am 30. April 2014 unter Hinweis auf die ergangenen Einkommensteuerbescheide die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer für die Jahre 2010 und 2011 mitteilte.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2014 setzte die Beklagte eine Änderung der Beitragszahlung mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2012 fest. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, dass der monatliche Beitrag aus dem nachgewiesenen Einkommen über dem Regelbeitrag liege, so dass er auf Antrag mit Wirkung für die Zukunft den günstigeren Regelbeitrag zahlen könne. In der dem Bescheid angefügten Beitragsrechnung regelte die Beklagte, dass der Kläger ab dem 1. Dezember 2012 einen einkommensgerechten Beitrag in Höhe von 457,03 Euro, ab dem 1. Januar 2013 in Höhe von 462,79 Euro, ab dem 1. August 2013 in Höhe von 666,11 Euro und ab dem 1. Januar 2014 in Höhe von 681,48 Euro monatlich zu zahlen habe. Grundlage des für die Berechnung maßgebenden Beitrags sei das zuletzt für das Jahr 2011 nachgewiesene Arbeitseinkommen von 39.846 Euro. Dieses sei mit dem Vomhundertsatz aus dem Verhältnis des vorläufigen Durchschnittsentgelts für das nachzuweisende Kalenderjahr zum Durchschnittsentgelt für das Veranlagungsjahr des Einkommensteuerbescheids zu dynamisieren.

Dagegen legte der Kläger am 2. Juni 2013 Widerspruch ein. Eine aktuelle Einkommensbescheinigung liege aufgrund von Einsprüchen noch nicht vor. Er sei bereit, eine Anwartschaftsversicherung in Höhe von 80 Euro zu zahlen.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2014 und 8. Juli 2014 forderte die Beklagte den Kläger zum Zwecke der Prüfung der Sozialklausel (§ 165 Abs. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)) zur Übersendung Betriebswirtschaftlicher Auswertungen (BWA) für die Jahre ab 2012 auf. Die von diesem daraufhin am 18. Juli 2014 übersandte Einnahmen-Überschussrechnung zum 31. Dezember 2012 wies einen Jahresüberschuss von 10.556,73 Euro auf.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 forderte die Beklagten den Kläger zur Klärung der Frage, ob eine betriebliche und organisatorische Einheit der handwerklichen Tätigkeit in den Bereichen Maurer und Betonbau sowie im Rahmen des Hausmeisterservices bestehe, zur Mitwirkung auf. Mit undatiertem Schreiben (Eingang bei der Beklagten am 13. Oktober 2014) "kündigte" der Kläger seine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Begründung, dass er hauptsächlich im Bereich Hausmeisterservice tätig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für die Festlegung der Beitragshöhe seien die in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2010 und 2011 ausgewiesenen Einkünfte des Klägers maßgeblich. Da er die Fragen zur Beurteilung, ob eine organisatorische Einheit der Handwerkstätigkeit und des Hausmeisterservice vorliege, nicht beantwortet und lediglich eine BWA für 2012 eingereicht habe, könne keine weitere Prüfung erfolgen.

Dagegen hat der Kläger am 5. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Er unterliege nicht der Versicherungspflicht des § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI. Zwar führe er sämtliche gewerbliche Tätigkeiten unter der Bezeichnung S & S Bau aus. Seine berufliche Tätigkeit bestehe jedoch überwiegend im Bereich des Hausmeisterservice und nicht des Baubetriebs. Zum Nachweis habe er die von ihm gestellten Rechnungen im Zeitraum 2011 bis 2013 vorgelegt. Die geforderten Beiträge unter Berücksichtigung eines statistischen Einkommens seien nicht korrekt. Gegen sämtliche Einkommensteuerbescheide habe er Einspruch eingelegt.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2015 hat die Beklagte eine Änderung der Beitragszahlung mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2014 festgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger einen einkommensgerechten Beitrag in Höhe von 777,68 Euro und ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von 772,58 Euro monatlich zu zahlen. Grundlage des für die Berechnung maßgebenden Beitrags sei das zuletzt für das Veranlagungsjahr 2012 nachgewiesene Arbeitseinkommen von 46.749 Euro.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 hat die Beklagte dem Kläger den ab dem 1. Januar 2016 zu zahlenden Beitrag in Höhe von 800,55 Euro bekannt gegeben. Gleichzeitig hat sie diesen erneut darauf hingewiesen, dass auf Antrag bei Nachweis eines wenigstens 30 Prozent geringeren laufenden Arbeitseinkommens und gewissenhafter Schätzung (Prognose) für die nächsten Monate zukünftig geringere Beiträge von diesem Arbeitseinkommen berechnet werden können. Mit Schreiben vom 12. Januar 2016 hat der Kläger dagegen Widerspruch erhoben und unter Hinweis auf die dem Schreiben beigefügte vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung des Jahres 2015, welche einen Jahresüberschuss von 7.576,16 Euro auswies, um Korrektur der Beiträge gebeten. Es seien so gut wie keine Einnahmen zu verzeichnen, die den festgesetzten Rentenbeitrag rechtfertigten.

Mit Bescheid 25. Januar 2016 hat die Beklagte eine Änderung der Beitragszahlung mit Wirkung ab dem 1. Februar 2016 festgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger einen einkommensgerechten Beitrag in Höhe von monatlich 432,17 Euro zu zahlen. Grundlage des für die Berechnung maßgebenden Beitrags sei das zuletzt für das Veranlagungsjahr 2013 nachgewiesene Arbeitseinkommen von 25.738 Euro.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund der Versicherungspflicht des Klägers berechtigt sei, für die Zeit ab Dezember 2012 einkommensgerechte Beiträge im Sinne von § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu fordern. Eine Aufteilung des Arbeitseinkommens des Handwerksbetriebs getrennt von dem des Hausmeisterservice könne nicht erfolgen. Eine vom Handwerksbetrieb unabhängige selbstständige Tätigkeit könne erst angenommen werden, wenn zwischen den Tätigkeiten des Handwerkers keine technisch-organisatorische Einheit bestehe. Dies habe aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht festgestellt werden können.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27. September 2016 zugestellte Urteil am 21. Oktober 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen, dass er der Aufforderung im Erörterungstermin des SG zum Nachweis der Trennung zwischen seiner Bau- und Hausmeistertätigkeit durch Vorlage von Rechnungen nachgekommen sei. Seine Gewerbezulassung umfasse alle angegebenen Tätigkeiten. Eine Trennung entspreche nicht den Vorschriften der Gewerbeerteilung. Durch die konkrete Rechnungslegung sei der Umfang der jeweiligen Tätigkeiten ersichtlich. Der Anteil der Hausmeistertätigkeit sei nicht lediglich gering. Trotz der von ihm gestellten Anträge auf Beitragsänderung habe die Beklagte immer höhere Beiträge ohne Berücksichtigung seiner Lebensumstände erhoben. Seit 2003 habe er ohne Beanstandung der Beklagten regelmäßig den Anwartschaftsbeitrag gezahlt. Er beantrage die Anerkennung des hälftigen Regelbeitrags. Ihm sei dieses Wahlrecht genommen worden. Die Nachforderung habe seinen wirtschaftlichen und persönlichen Ruin zur Folge.

Nach Einreichung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 hat die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2017 eine Änderung der Beitragszahlung mit Wirkung ab dem 1. Juli 2016 festgesetzt. Da der Kläger seit dem 15. Dezember 2003 selbstständig tätig sei, ende die Zahlung des halben Regelbeitrags bereits zum 31. Dezember 2006. Nach der beigefügten Beitragsrechnung habe der Kläger ab dem 1. Juli 2016 einen einkommensgerechten Beitrag in Höhe von 766,23 Euro und ab dem 1. September 2016 in Höhe von 84,15 Euro monatlich zu zahlen.

Im Erörterungstermin vom 9. Februar 2018 hat der Kläger angegeben, dass er im Winter ca. 80 Prozent und im Sommer ca. 30 Prozent Hausmeistertätigkeiten erbringe. Die Betriebseinnahmen- und Ausgabenrechnung erfolge für die gesamte Fima. Seinen betrieblichen Multicar nutze er für beide Tätigkeiten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. September 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2014 und die Bescheide vom 15. Mai 2015, 25. Januar 2016 und 15. März 2017 aufzuheben, soweit die Beklagte für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. August 2016 einen höheren Beitrag als den Mindestbeitrag festgesetzt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe keinen Anwartschaftsbeitrag gewählt, sondern sich für die einkommensgerechte Beitragszahlung entschieden. Sein anfänglich geringer Beitrag habe seinem damaligen Einkommen entsprochen. Mit Erhöhung des Einkommens habe er auch mit der Erhöhung der Beiträge rechnen müssen. Die Zahlung des hälftigen Regelbeitrags sei nur in den ersten drei Jahren nach der erstmaligen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit möglich.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichts-gesetz (SGG) erhoben. Sie ist auch statthaft gemäß § 143 SGG.

Die Berufung ist teilweise begründet, weil der Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 31. August 2016 Anspruch auf die Festsetzung eines geringeren Rentenversicherungsbeitrags hat. Insoweit sind die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 2016 und 15. März 2017 rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Im Übrigen ist die Berufung erfolglos, da die Beklagte die Beitragshöhe mit dem angegriffenen Bescheid vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2014 und dem Folgebescheid vom 15. Mai 2015 für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Januar 2016 rechtmäßig festgesetzt hat.

1.

Nach dem Wortlaut des vor dem SG gestellten Klageantrags fordert der Kläger zwar die Aufhebung der angegriffenen Bescheide. Aufgrund seines bei der Auslegung des Antrags zu berücksichtigenden Vorbringens (vgl. § 123 SGG) war die Klage jedoch lediglich darauf gerichtet, die Beitragsfestsetzung teilweise aufzuheben, soweit die Beklagte Einkünfte von mehr als dem Mindesteinkommen (bis zum 31. Dezember 2012 monatlich 400 Euro, ab dem 1. Januar 2013 450 Euro) zugrunde gelegt hat. Derartige Teilanfechtungen sind schon nach dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, der ausdrücklich auch die Abänderung eines Verwaltungsakts als mit der Gestaltungsklage verfolgbares Begehren benennt, statthaft und erlauben es dem Kläger, den Prüfungsumfang des Gerichts von sich aus zu begrenzen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 4. Dezember 2014, B 5 RE 12/14 R, juris Rn. 10). Eine vollständige Aufhebung der angefochtenen Bescheide wird seinem Begehren nicht gerecht, denn mit Erlass der jeweiligen Einkommensteuerbescheide trat nach § 165 Abs. 1 Satz 3, Satz 8 SGB VI kraft Gesetzes eine zeitliche Zäsur ein, so dass er sich nicht mehr auf die zuletzt von der Beklagten mit Bescheid vom 17. Februar 2012 festgesetzte Mindestbeitragshöhe berufen kann.

2.

Die Feststellung, dass der Kläger seit dem 15. Dezember 2003 (Bescheid vom 26. März 2004) nach § 2 Nr. 8 SGB VI versicherungspflichtig ist, ist nicht angefochten und daher für die Beteiligten bindend. Er ist selbständig tätiger, in die Handwerksrolle eingetragener Handwerker. Sofern man sein "Kündigungsschreiben" von Oktober 2014 als Überprüfungsantrag hinsichtlich der Versicherungspflicht auslegt, so hat die Beklagte hierüber bislang nicht entschieden. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht kommt derzeit auch nicht in Betracht, da der Kläger nicht mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI).

Die Beitragsfestsetzung durch die Beklagte ist für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Januar 2016 rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht auf der Basis des dynamisierten jährlichen Arbeitseinkommens Beiträge in Höhe von monatlich 457,03 Euro ab dem 1. Dezember 2012, 462,79 Euro ab dem 1. Januar 2013, 666,11 Euro ab dem 1. August 2013, 681,48 Euro ab dem 1. Januar 2014, 777,68 Euro ab dem 1. Oktober 2014, 772,58 Euro ab dem 1. Januar 2015 sowie 800,55 Euro ab dem 1. Januar 2016 festgesetzt (dazu unter a-d).

Für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 31. August 2016 sind Beiträge auf der Grundlage eines geringeren Jahreseinkommens in Höhe von 7.576,16 Euro festzusetzen (dazu unter e). Die Bescheide vom 25. Januar 2016 und 15. März 2017 und das Urteil des SG waren daher teilweise aufzuheben.

a)

Grundlage für die Beitragsbemessung sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs. 1 SGB VI). Bei selbstständig Tätigen sind nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 400 Euro bzw. ab dem 1. Januar 2013 monatlich 450 Euro. Für den Nachweis des von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens sind die sich aus dem letzten Einkommensteuerbescheid für das zeitnaheste Kalenderjahr ergebenden Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit so lange maßgebend, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorgelegt wird (§ 165 Abs. 1 Satz 3 SGB VI). Änderungen des Arbeitseinkommens werden vom Ersten des auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids folgenden Kalendermonats, spätestens aber vom Beginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheids (§ 165 Abs. 1 Satz 8 SGB VI) an berücksichtigt. § 165 Abs. 1 Satz 8 SGB VI ist insoweit als vorrangig gegenüber den §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren- und Sozialdatenschutz (SGB X) anzusehen (vgl. Wißing in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar SGB VI, 2. Auflage 2013, § 165 Rn. 96).

Die Beklagte hatte den Kläger im Verwaltungsverfahren mehrfach darauf hingewiesen, dass ihr Einkommensteuerbescheide spätestens zwei Kalendermonate nach "Ausfertigung" (§ 165 Abs. 1 Satz 6 SGB VI) vorzulegen sind.

Da der Kläger die Einkommensteuerbescheide vom 24. September 2012 für das Veranlagungsjahr 2010, vom 23. Mai 2013 für das Veranlagungsjahr 2011 und vom 15. Juli 2014 für das Veranlagungsjahr 2012 nicht selbst vorgelegt hat, sind die Änderungen des Arbeitseinkommens vom Beginn des dritten Kalendermonats nach deren "Ausfertigung", also ab dem 1. Dezember 2012, ab dem 1. August 2013 und ab dem 1. Oktober 2014 zu berücksichtigen.

Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2012 ergibt sich auf der Basis des nach § 165 Abs. 1 Satz 4 SGB VI durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0418 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2010 (26.859 Euro) ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 27.981,71 Euro und damit eine Beitragsbemessungsgrundlage von 2.331,81 Euro monatlich. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 ergibt sich durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0940 des nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2010 ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 29.383,75 Euro. Für die Zeit ab dem 1. August 2013 ergibt sich durch Berücksichtigung des durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0614 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2011 (39.846 Euro) ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 42.292,54 Euro. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 ergibt sich durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0859 des nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2011 ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 43.268,77 Euro. Für die Zeit ab dem 1. Oktober 2014 ergibt sich durch Berücksichtigung des durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0562 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2012 (46.749 Euro) ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 49.376,29 Euro. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 ergibt sich durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0605 des nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2012 ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 49.577,31 Euro. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 ergibt sich durch Berücksichtigung des durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0989 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2012 ein jährliches Arbeitseinkommen in Höhe von 51.372,48 Euro.

b)

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das zugrunde gelegte Arbeitseinkommen allein aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielt worden. Bei den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als Handwerker einerseits und als Hausmeisterservice andererseits handelt es sich um nicht voneinander trennbare selbstständige Tätigkeiten. Bei mehreren voneinander trennbaren selbstständigen Tätigkeiten, von denen ggf. nur eine versicherungspflichtig ist, ist nur das auf die versicherungspflichtige Tätigkeit entfallende Einkommen heranzuziehen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Tätigkeiten organisatorisch und sachlich voneinander abgrenzbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1987, 12 RK 22/85, juris Rn. 21). Maßgebliche Kriterien hierfür sind die Einheit des Betriebsinhabers, der Betriebsleitung, des Betriebszwecks, eine einheitliche Personalverwaltung, gemeinsame Arbeitsmittel und das Ausmaß der betriebsorganisatorischen Verflechtung (BSG, Urteil vom 1. Februar 1979, 12 RK 39/77, juris Rn. 12). Nach Auffassung des Senats liegt zwischen den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten eine technisch-organisatorische Einheit vor. Der Kläger ist Betriebsinhaber für beide Tätigkeiten und führt diese nach außen untrennbar unter der Firma S & S Bau aus. Die Rechnungslegung erfolgt für beide Tätigkeiten unter demselben Briefkopf. Auch die Buchführung (Betriebseinnahmen- und Ausgabenrechnung) erfolgt gemeinsam für beide Tätigkeiten für die einzige Firma des Klägers. Nach eigenen Angaben verwendet der Kläger auch gemeinsame Arbeitsmittel für beide Tätigkeiten, zum Beispiel den betrieblich genutzten Multicar, so dass eine organisatorische und sachliche Abgrenzung der Tätigkeiten nicht vorgenommen werden kann.

c)

Trotz des Hinweises der Beklagten bereits im angefochtenen Bescheid, dass die Zahlung des Regelbeitrags für den Kläger günstiger wäre, hat dieser von seinem Wahlrecht für die Zukunft zu keinem Zeitpunkt Gebrauch gemacht, so dass die Beklagte zu Recht sein jährliches Arbeitseinkommen für die Beitragsbemessung zu Grunde gelegt hat. Das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 2. Juni 2013 lässt auch keine derartige Auslegung zu, dass dieser den günstigeren Regelbeitrag wähle. Vielmehr bringt er deutlich zum Ausdruck, dass er lediglich bereit sei, den Mindestbeitrag zu zahlen. Während des Verwaltungsverfahrens hat der Kläger zudem in den von der Beklagten vorgefertigten Rückantwortschreiben für Selbstständige, die einkommensgerechte Beiträge zahlen, eine Änderung der Beitragsart (Regelbeitrag oder halber Regelbeitrag) nicht gewählt. Da das Regelungssystem des § 165 SGB VI auf die Zukunft gerichtet ist, ist es einer rückwirkenden Änderung der Beitragshöhe nicht zugänglich.

Zu Recht hat es die Beklagte auch abgelehnt, die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI auf die Hälfte der Bezugsgröße herabzusetzen. Die Herabsetzung des Beitrags auf diesen halben Regelbeitrag war ausgeschlossen, weil im Jahre 2012 der Ermäßigungszeitraum von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit abgelaufen war. Der Kläger hat seit der Eintragung der S & S GbR in die Handwerksrolle im Dezember 2003 eine selbstständige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt. Er hat von diesem Zeitpunkt an in diesem Betrieb Aufträge für andere Personen ausgeführt und dabei Umsätze getätigt sowie Einkünfte erzielt.

d)

Der Einwand des Klägers, er habe die Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2010, 2011 und 2012 angefochten, greift nicht. Auch wenn ein Einkommensteuerbescheid angefochten wird, ist für die Beitragsberechnung von dessen Inhalt auszugehen, da durch die Einlegung des Rechtsbehelfs oder die Erhebung einer Klage die Vollziehung des Bescheids nicht gehemmt wird (vgl. § 361 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), § 69 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)). Dass die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide ausgesetzt wurde (vgl. § 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO), hat der Kläger weder vorgetragen, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.

e)

Für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 31. August 2016 hat der Kläger Anspruch auf die Festsetzung eines geringeren Rentenversicherungsbeitrags auf der Grundlage eines Jahreseinkommens von 7.576,16 Euro.

Nach § 165 Abs. 1a Satz 1 SGB VI (sog. Sozialklausel) ist abweichend von § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auf Antrag des Versicherten vom laufenden Arbeitseinkommen auszugehen, wenn dieses im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 30 vom Hundert geringer ist als das Arbeitseinkommen aus dem letzten Einkommensteuerbescheid. Das laufende Arbeitseinkommen ist durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. Gemäß § 165 Abs. 1a Satz 3 und 4 SGB VI wird die Änderung des Arbeitseinkommens vom Ersten des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Kalendermonats an berücksichtigt und bleibt solange maßgebend, bis der Einkommensteuerbescheid über dieses Veranlagungsjahr zu berücksichtigen ist.

Der Kläger hat am 14. Januar 2016 eine vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung für das Kalenderjahr 2015 vorgelegt. Danach betrug der Jahresüberschuss 7.576,16 Euro. Die vorgelegte Einnahmen-Überschussrechnung genügt nach Auffassung des Senats den Anforderungen an den Nachweis des laufenden Arbeitseinkommens. Ein solcher Nachweis kann auch durch gewissenhafte Schätzung des Versicherten erfolgen, die durch geeignete Unterlagen (zum Beispiel BWA) zu belegen ist (vgl. Wißing in Schlegel/Voelzke, § 165 Rn. 110). Da hier für das gesamte zurückliegende Kalenderjahr eine Auswertung erfolgte, ist auch von einer dauerhaften Einkommensminderung und nicht lediglich einer gelegentlichen Einkommensschwankung auszugehen. Den Hinweis des Klägers in seinem Schreiben vom 12. Januar 2016, dass ausweislich der vorläufigen BWA "so gut wie keine Einnahmen" zu verzeichnen seien, verbunden mit der Aufforderung zur Korrektur der Beiträge legt der Senat dahingehend aus, dass dieses geringere Arbeitseinkommen auch für die nächsten Monate (Prognose) zu erwarten sei. Das nachgewiesene laufende Einkommen des Jahres 2015 war um 70 vom Hundert geringer als das zu diesem Zeitpunkt maßgebende Arbeitseinkommen laut Einkommensteuerbescheid vom 4. November 2015 für das Veranlagungsjahr 2013 in Höhe von 25.738 Euro. Mithin ist dieses laufende Einkommen des Jahres 2015 in Höhe von 7.576,16 Euro vom 1. Februar 2016 bis zum 31. August 2016 für die Beitragsbemessung als jährliches Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Eine Anwendung dieser Sozialklausel zu einem früheren Zeitpunkt kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Kläger bereits am 18. Juli 2014 eine Einnahmen-Überschussrechnung für das Kalenderjahr 2012 vorgelegt. Diese ist jedoch nicht geeignet, das laufende Arbeitseinkommen zu diesem Zeitpunkt und eine Prognose für die nächsten Monate zu belegen.

Für die Zeit ab dem 1. September 2016 (dritter Kalendermonat nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheids vom 2. Juni 2016 für das Veranlagungsjahr 2015) ergab sich durch Berücksichtigung des ausgewiesenen Arbeitseinkommens von -803 Euro der Beitrag aus der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 5.400 Euro. Dieser entspricht der vom Kläger gewünschten Beitragshöhe, so dass dieser seine Klage auf die Beitragshöhe bis zum 31. August 2016 begrenzt hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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