L 8 SO 17/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 7 SO 210/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 17/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Trägerin insbesondere der stationären Einrichtung "D.", eines Wohnheimes für Erwachsene mit wesentlichen seelischen und seelischen und mehrfachen Behinderungen infolge Sucht (im Folgenden: Wohnheim) mit im Jahr 2014 40 Wohnheimplätzen in M., und eines ambulanten Pflegedienstes.

Der am ... 1950 geborene G. S. (im Folgenden: G. S.), für den ein gesetzlicher Betreuer bestellt war, lebte vom 28. Mai 1996 bis zu seinem Tod am 30. März 2008 in dem Wohnheim. Er bezog Erwerbsunfähigkeitsrente. Bei ihm wurde von der Pflegekasse rückwirkend ab November 2007 eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I anerkannt.

Der beklagte überörtliche Sozialhilfeträger übernahm die Kosten für die Betreuung des G. S. in der Einrichtung, für die u.a. in den Jahren 2007 und 2008 eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bestand, in Höhe der vereinbarten Tagessätze. Zuletzt bewilligte der Burgenlandkreis G.S. im Namen des beklagten überörtlichen Sozialhilfeträgers, des Beklagten, mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 7. August 2007 und 1. April 2008 Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (insgesamt monatlich 739,96 EUR vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 und 743,72 EUR vom 1. Januar bis zum 30. März 2008) und Eingliederungshilfe für Menschen in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (monatlich 1.622,60 EUR vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 und monatlich 1.646,33 EUR vom 1. Januar bis zum 30. März 2008). Die Mutter von G. S. zahlte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von zuletzt 46,00 EUR für die Betreuung von G. S. in der Einrichtung.

Für G. S. erfolgte eine Verordnung des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. vom 1. Juli 2007 für Behandlungspflege zur Sicherung der ärztlichen Behandlung dreimal täglich vom 1. bis zum 15. Juli 2007. Diese Pflege sollte das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten nach einem Plan beinhalten. Die Verordnung ist als "Erstverordnung" gekennzeichnet. Mit einer Folgeverordnung vom 13. Juli 2007 verordnete der Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L ... G. S. Behandlungspflege zur Sicherung der ärztlichen Behandlung dreimal täglich vom 15. Juli bis zum 30. September 2007. Diese sollte das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten nach einem Plan und "bei Bedarf 1 x tgl. Medikation" beinhalten. Als verordnungsrelevante Diagnosen sind angegeben: "Trockener Alkoholiker, chronischer Alkoholabusus, periphere Neuropathie, Korsakow-Syndrom, paranoide Psychose". Die AOK Sachsen-Anhalt, bei der G. S. krankenversichert war (im Folgenden: Krankenkasse), lehnte den Antrag auf häusliche Krankenpflege hinsichtlich des Zeitraums vom 1. bis zum 15. Juli 2007 mit Bescheid vom 17. Juli 2007 ab. Zur Begründung führte die Krankenkasse aus, Behinderte, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnten und dort Kost und Logis als Leistungen der Eingliederungshilfe erhielten, hätten keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse, weil sie dort keinen Haushalt führten (Bezugnahme auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 19/04 R -, juris). Die Krankenkasse erließ unter dem 23. Juli 2007 einen weiteren Bescheid mit im Wesentlichen demselben Inhalt, nun bezogen auf den Zeitraum vom 15. Juli bis zum 30. September 2017.

Am 27. Juli 2007 beantragte G. S. bei dem Sozialamt des Burgenlandkreises die Übernahme der Kosten der verordneten Behandlungspflege unter der Überschrift "Antrag auf Hilfe bei Krankheit" und reichte die Verordnung vom 1. Juli 2007 und nachfolgend diejenige vom 13. Juli 2007 sowie die vorgenannten ablehnenden Bescheide der Krankenkasse ein. Am 21. Dezember 2007 stellte er einen gleichlautenden Antrag und fügte die der Verordnung vom 13. Juli 2007 entsprechende Folgeverordnung von Dipl.-Med. L. vom 27. September 2007 für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2007 und den eine Kostenübernahme für diese Leistung ablehnenden Bescheid der Krankenkasse vom 11. Oktober 2007 bei.

Der Burgenlandkreis lehnte die von G. S. gestellten Anträge vom 27. Juli und vom 19. Dezember 2007 mit Bescheid vom 10. Januar 2008 im Namen des Beklagten ab. Zwischen dem Beklagten und der Klägerin als Trägerin des Wohnheims bestehe eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII für das Leistungsangebot Wohnheim für suchtkranke Menschen. Ziel der Hilfe in der genannten Betreuungsform sei die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die Überwindung und Milderung der vorhandenen Behinderung bzw. deren Folgen sowie der Aufbau und Erhalt sozialer Kontakte. Die Vergütung bestehe aus einer Grundpauschale, einer Maßnahmepauschale und einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbeitrag). Mit diesem Preis würden alle erforderlichen Aufwendungen (Personal-, Sach- und Investitionskosten) der vereinbarten Leistung abgegolten. In der Konzeption/Leistungsbeschreibung, die der Leistungserbringer am 30. Oktober 2000 vorgelegt habe und die Bestandteil dieser Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII sei, habe er unter Punkt 7 schriftlich fixiert, dass die medizinische Betreuung durch eine im Haus beschäftigte Krankenschwester und über das Hausarztprinzip gewährleistet sei. Somit sei die medizinische Betreuung der Leistungsberechtigten im Wohnheim Bestandteil der vereinbarten Leistung und werde über die vereinbarte Vergütung durch den Beklagten finanziert. Eine gesonderte Kostenübernahme der medizinischen Behandlungspflege könne daher nicht erfolgen. Der Bescheid wurde am 11. Januar 2008 an den für G.S. bestellten Betreuer übersandt und nicht mit dem Widerspruch angefochten.

Die Klägerin rechnete als Einrichtungsträger für den Zeitraum ab August 2007 die Kosten der Betreuung von G. S. in dem Wohnheim in Höhe der vereinbarten Tagessätze ab (in der Verwaltungsakte: Rechnung für August 2007 vom 27. August 2007, für Dezember 2007 vom 7. Januar 2008, für Januar 2008 vom 28. Januar 2008 und für Februar 2008 vom 27. Februar 2008).

Nach dem Tod von G. S. ging am 14. April 2008 ein von G. S. unterzeichnetes Antragsschreiben vom 29. Februar 2008 (ohne Anlagen) bei dem Sozialamt des Burgenlandkreises ein, das mit Ausnahme des Datums den vorausgehenden Antragsschreiben für die Kosten der Behandlungspflege entspricht. Mit an die Mutter von G. S. adressiertem Bescheid vom 15. Juli 2008 lehnte der Burgenlandkreis im Namen des Beklagten die Gewährung von Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege im Wohnheim ab. Auch dieser - am 16. Juli 2008 abgesandte - Bescheid wurde nicht mit dem Widerspruch angefochten. Am 17. September 2010 ging bei dem Sozialamt des Burgenlandkreises das Schreiben der Klägerin vom 14. September 2010 mit dem Hinweis ein, es sei ein inhaltlich identisches Schreiben an die Krankenkasse gerichtet worden, "um auch vor dem genannten Zeitraum eine Abrechnung für die Leistungen zu ermöglichen". Von der geleisteten Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe werde die ab dem 1. Juli 2007 erbrachte Behandlungspflege für G. S. nicht abgedeckt. Ob nach der zum 1. April 2007 in Kraft getretenen Änderung des § 37 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) durch Artikel 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 378, in Kraft getreten am 1. April 2007) das Wohnheim als "geeigneter Ort" für häusliche Krankenpflege anzusehen sei, sei im Ergebnis dahingehend zu lösen, dass eine Lücke zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen durch Leistungen der Eingliederungshilfe zu schließen sei. Im Wohnheim verfügten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die notwendigen Qualifikationen, um Heilbehandlungspflege erbringen zu können. Insofern wäre eine Übernahme der Aufgaben "ohne Auftrag" (im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 677ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere den §§ 683, 670 BGB) möglich. Hieraus erwachse eine enorme finanzielle Belastung für sie - die Klägerin -, die "keiner rechtlichen Legitimation unterliegen" könne. Die vereinzelt vorliegenden ärztlichen Verordnungen entsprächen nicht dem Muster 12a.1/E nach der Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), die erst zur Abrechnung berechtigten. Es werde beantragt, die Ablehnungsbescheide der Krankenkasse bezüglich der Kostenübernahme der häuslichen Krankenpflege und des Burgenlandkreis es bezüglich der Hilfe zur Krankheit aufzuheben und der Kostenübernahme für die verordnete Medikamentengabe bzw. häusliche Krankenpflege des Patienten im Wohnheim zuzustimmen.

Der Burgenlandkreis lehnte im Namen des Beklagten mit Bescheid vom 24. September 2010 den Antrag der Klägerin vom 17. September 2010 ab. G.S. sei Leistungsberechtigter im Sinne des § 19 Abs. 3 SGB XII und damit Beteiligter am Verfahren gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) gewesen. Mit dem Tod sei die Beteiligtenfähigkeit von G.S. gemäß § 10 SGB X entfallen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könne der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Ansprüche auf Sozialhilfe der leistungsberechtigten Person seien somit höchstpersönlich und unvererblich und würden nur dieser selbst gewährt.

Hiergegen legte die Klägerin am 22. Oktober 2010 Widerspruch ein, ohne Unterlagen wie Rechnungen oder Ähnliches beizufügen, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2013 als unbegründet zurückwies. Nach der seit dem 1. April 2007 geltenden Fassung des § 37 Abs. 2 SGB V entscheide nach Nr. 6 [gemeint ist: I Nr. 6] der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V (HKP-Richtlinie) bei häuslicher Krankenpflege in einer Einrichtung der Behindertenhilfe die Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallprüfung, ob ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege gegen die Einrichtung bestehe, wenn eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen wurde, die diese Leistung enthalte. Die HKP-Richtlinie führe in der Anlage die Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung und Behandlungspflege) auf. Vor diesem Hintergrund sei für die hier begehrten Leistungen im Jahr 2007 die Krankenkasse zuständig. Im Übrigen werde in den mit der Klägerin geschlossenen Leistungsvereinbarungen nach § 75 SGB XII die wesentlichen Leistungsmerkmale nach § 76 SGB XII festgelegt. Bestandteil der Vereinbarung mit der Klägerin nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 30. März 2007 sei die Konzeption/Leistungsbeschreibung der Klägerin von Oktober 2000. Die Leistungen beinhalteten mit Bezug auf § 17 des Rahmenvertrages gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt (im Folgenden: Rahmenvertrag) die Aufwendungen für die maßnahmebedingten direkten und indirekten Leistungen. Dazu zählten die aktive Erbringung und passive Bereitstellung von Beratung, Begleitung, Betreuung, Förderung und pflegerische Hilfen. Maßnahmen, vor allem die orale Medikamentengabe auf Grund ärztlicher Verordnung, seien regelmäßig von den vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe im Rahmen der Teilhabeleistung zu erbringen und würden damit bereits durch die vereinbarten Leistungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII finanziert. Eine Versorgung von G.S. mit den begehrten Leistungen sei auf Grund der ihm gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe damit gesichert gewesen. Zu beachten seien im Übrigen die Ausschlussregelungen in § 23 Nr. 1 des Rahmenvertrages und der sich aus § 2 SGB XII ergebende Nachrang der Sozialhilfe bei der sich aus der seit dem 1. April 2007 geltenden Rechtslage ergebenden Leistungspflicht der Krankenkasse für Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege. Darüber hinaus sei nur G. S. Beteiligter am Verfahren gewesen. Die diesem gewährten bzw. weitere beantragte Leistungen im Sinne des § 53 SGB XII seien höchstpersönlicher Natur und könnte nicht übertragen oder vererbt werden. Mit dem Tod von G.S. am 30. März 2008 habe dessen Beteiligungsfähigkeit gemäß § 10 SGB X geendet. Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin mit Übergabeeinschreiben am 22. November 2013 zugestellt worden.

Mit ihrer am 6. Dezember 2013 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 10. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2013 geltend gemacht. In ihrem am 17. Juni 2014 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin die Klagesumme auf 1.628,70 EUR beziffert. Beigefügt gewesen sind in Kopie die Verordnungen vom 1. Juli und 13. Juli sowie 27. September 2007 und sechs sämtlich an dem auf den Todestag des G. S. folgenden Tag, d.h. dem 31. März 2008, ausgestellte und jeweils einen Kalendermonat betreffende Rechnungen auf den Namen des G. S. für die Monate Juli bis Dezember 2007 (jeweils mit Absender "S. soziales Betreuungswerk gGmbH", Adressat Burgenlandkreis Sozialamt, Leistung "AOK Behandlungspflege Gruppe 1", Pflegestufe 1 und Beträgen für Juli und August 2007: 283,65 EUR, für September 2007: 274,50 EUR, für Oktober 2007: 280,60 EUR, für November 2007: 274,50 EUR, für Dezember 2007: 231,80 EUR, insgesamt 1.628,70 EUR). Bezüglich der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 24 bis 32 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Unter Bezugnahme auf die Kopie eines Telefaxprotokolls für die Übersendung von 14 Seiten am 2. Mai 2014 hat die Klägerin nach dem Eingangsstempel des Sozialgerichts am 13. Januar 2015 eine Klagebegründung mit insgesamt 29 Seiten übersandt. In dem Schriftsatz vom 13. Januar 2015 wird (ohne Formulierung eines geänderten Klageantrages) im Text ausgeführt, Leistungen der Behandlungspflege seien hier nicht von dem Wohnheim, sondern dem ebenfalls von ihr - der Klägerin - betriebenen ambulanten Pflegedienst erbracht "und im streitgegenständlichen Zeitraum abgerechnet" worden. Diesbezüglich werde auf Rechnungen für Juli 2007 bis März 2008 verwiesen. Im Übrigen heißt es dort: "Die Klägerin kann die Übernahme der Kosten der medizinischen Behandlungspflege für den Zeitraum 01.07.2017 bis 31.07.2007 in Höhe von beanspruchen" [Anm: so]. Die Klage sei als Leistungsklage zulässig. Ein "Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen" ergebe sich aus § 24 Abs. 6 des Rahmenvertrages, wonach der Beklagte verpflichtet sei, die Kosten für die Krankenpflege nach Maßgabe des SGB XII gesondert abzugelten. Ärztlich verordnete Maßnahmen seien von den Leistungen des Wohnheims mit dem Leistungstyp 2c der Anlage B i.V.m. § 5 des Rahmenvertrages nicht erfasst. Auch die Leistungen nach § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) deckten den Aufwand nicht ab. Die Durchführung der häuslichen Behandlungspflege könne unter Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes im Wohnheim nicht sichergestellt werden. G. S. habe ein Anspruch nach § 37 Abs. 2 SGB V zugestanden. Da die Krankenkasse über den Anspruch nicht entschieden habe, sondern auf eine Leistungspflicht des Beklagten verwiesen habe, sei dieser zur Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege auf Grund des geltenden Nachranggrundsatzes verpflichtet. Sie - die Klägerin - habe die Leistungen tatsächlich erbracht. Sie hat behauptet, die Leistungen gegenüber dem Beklagten abgerechnet zu haben. Eine Zahlung sei darauf nicht erfolgt. Beigefügt gewesen sind die ärztlichen Verordnungen vom 1. und 13. Juli sowie 27. September 2007 und an den Burgenlandkreis adressierte Rechnungen für die Monate Juli bis Dezember 2007, wie bereits zur Gerichtsakte gereicht, und darüberhinausgehend für die Monate Januar bis März 2008 (jeweils mit Absender "S. soziales Betreuungswerk gGmbH", Leistung "AOK Behandlungspflege Gruppe 1", Ausstellungsdatum 31. März 2008, Pflegestufe 1, Beträge für Januar 2008: 283,65 EUR, für Februar 2008: 265,35 EUR, für März 2008: 271,45 EUR, in Summe weitere 820,45 EUR, für den Zeitraum Juli 2007 bis März 2008 insgesamt 2.449,15 EUR). Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 84 bis 95 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Am 14. Januar 2015 ging ein bei dem Sozialgericht unter Hinweis auf eine vorab erfolgte Übersendung per Telefax nun ein Schriftsatz vom 13. Januar 2015 (42 Seiten ohne Deckblatt und Telefaxprotokoll) ein. Im Vergleich zu der vorab übersandten Fassung des Schriftsatzes sind dieser Version nun handschriftlich ausgefüllte Leistungsübersichten ohne Angabe des Leistungserbringers für die Monate September 2007 bis März 2008, bis auf die Übersicht für März 2008 von G. S. unterzeichnet, beigefügt gewesen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 126, 128, 131, 135, 137 und 139 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Der Beklagte hat vor dem Sozialgericht die Einrede der Verjährung erhoben. Bei einer bestandskräftigen Entscheidung des Sozialhilfeträgers gehe nach § 19 Abs. 6 SGB XII ein Anspruch nicht mehr über.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. April 2017 abgewiesen. Das Gericht hat gemeint, im Streit stehe zwischen den Beteiligten die Vergütung von Leistungen der ambulanten Krankenpflege in Höhe von 2.449,15 EUR im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 15. Juli 2008 gegen den Beklagten. Nur der Leistungsberechtigte G. S. als Rechtsinhaber sei aktivlegitimiert, Ansprüche auf Vergütung für erbrachte Leistungen geltend zu machen. Die Sonderregelung in § 19 Abs. 6 SGB XII gestehe einer Einrichtung als Sonderrechtsnachfolger nicht das Recht zu, höhere Ansprüche geltend zu machen, wenn ergangene Bescheide bereits vor dem Tod oder nach dem Tod des Leistungsberechtigten bestandskräftig geworden seien. Die Klägerin habe hier daher kein eigenes Recht, die Überprüfung des Bescheides vom 15. Juli 2008 zu verlangen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 11. April 2017 zugestellte Urteil am 11. Mai 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Maßgebend seien die Verträge zwischen den Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenkassen. Es sei mit der Rechtsnatur des Gleichordnungsverhältnisses zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern nicht vereinbar, den Krankenkassen ein einseitiges Recht zuzuerkennen, über den Umfang der von den Leistungserbringern zu erbringenden Leistungen und damit über die Höhe der Vergütung zu entscheiden. Aus § 6 der HKP-Richtlinie (unklar, ob II Nr. 6 HKP-Richtlinie: Zusammenarbeit von Pflegediensten/Krankenhäusern gemeint ist) ergebe sich nichts anderes. Das Sozialgericht habe es versäumt aufzuklären, welche Medikamente G. S. einzunehmen gehabt habe und welche Folgen hieraus resultiert hätten. Unter Berücksichtigung der im Einzelnen dargelegten Arzneimittel, die G. S. verordnet worden seien, habe sie - die Klägerin - gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere daraus, dass die Krankenkasse nicht in der Sache entschieden habe.

Die Klägerin beantragt ausdrücklich,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 04.04.2017 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2013 aufzuheben und über die erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Übrigen wird zu dem Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat kann auch nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht eindeutig festlegen, was die Klägerin konkret begehrt. Die Klägerin führt die Berufung mit dem Antrag, "das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 04.04.2017 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2013 aufzuheben und über die erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu entscheiden". Chronologisch zurückgehend ergibt sich für das vorausgehende Verfahren vor dem Sozialgericht insoweit Folgendes: In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle am 4. April 2017 ist für die ordnungsgemäß geladene Klägerin niemand erschienen, sodass für diese kein Antrag hat zu Protokoll genommen werden können. Mit vorausgegangenem Schriftsatz vom 17. Juni 2014, eingegangen bei dem Sozialgericht an demselben Tag, hat die Klägerin die Klagesumme auf 1.628,70 EUR beziffert. Nach dem vorgelegten Sendebericht wohl vorausgehend am 9. Mai 2014 hat sie in ihrem Schriftsatz unter dem 2. Mai 2014, ausgeführt: "Die Klägerin kann die Übernahme der Kosten der medizinischen Behandlungspflege für den Zeitraum 01.07.2017 bis 31.07.2007 in Höhe von beanspruchen (ohne Betragsangabe). Die Klage ist als Leistungsklage zulässig". Der bei dem Sozialgericht am 6. Dezember 2013 eingegangenen Klageschrift ist der Antrag zu entnehmen: "Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides 20.10.2013 wird aufgehoben".

Auch soweit die Klägerin sich im Berufungsverfahren auf einen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege stützt, war die Krankenkasse, bei der G. S. zu Lebzeiten versichert war, nicht beizuladen. Denn diese hat den geltend gemachten Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegenüber dem Versicherten bestandskräftig abgelehnt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 19/98 R -, juris, RdNr. 28). Im Übrigen ist das den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens bildende Rechtsverhältnis der Klägerin als behaupteter Rechtsnachfolgerin von G. S. nicht deckungsgleich mit Ansprüchen aus dem Vertragsverhältnis eines ambulanten Pflegedienstes als Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber einer Krankenkasse.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlungen für Leistungen der an G.S. erbrachten Behandlungspflege.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, da sie sich formal gegen einen Bescheid wendet. Der Klägerin fehlt indes an einem Recht, für G. S. Ansprüche der Sozialhilfe zu verfolgen. Die Klägerin hat sich eindeutig dahingehend positioniert, dass sie hier keine höhere Vergütung in ihrer Stellung als Träger der stationären Einrichtung, sondern als Betreiberin eines ambulanten Pflegedienstes geltend macht. Anträge nach § 44 SGB X können grundsätzlich nur von dem Leistungsberechtigten verfolgt werden. Selbst die aktive Übertragung von Sozialleistungsansprüchen durch einen Leistungsberechtigten greift grundsätzlich nicht in das Sozialrechtsverhältnis ein und verleiht insbesondere nicht die Verfahrensrechte des SGB X und des SGG (vgl. zur allgemeinen Regelungen in § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I): BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -, juris, RdNr. 14). Soweit im Rahmen des § 19 Abs. 6 SGB XII ein Eintritt eines Einrichtungsträgers in ein solches Sozialrechtsverhältnis spezialgesetzlich ermöglich wird, gilt dies nur für die Rechtsposition als Träger der Einrichtung, nicht jedoch für sonstige Leistungserbringer, hier einen ambulanten Pflegedienst, die von diesem Träger betrieben werden (vgl. BSG, Urteil vom 2. Februar 2012 - B 8 SO 15/10 R -, juris, RdNr. 16, zur Beschränkung auf einen Pflegegeldanspruch des Hilfebedürftigen, und z.B. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar 4. Aufl. 2012 und 6. Aufl. 2018, jeweils § 19 Rdnr. 27).

Bezüglich von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, welche die Klägerin hier möglicherweise im Rahmen einer Leistungsklage hat verfolgen wollen, ist der Beklagte ggfs. nach § 97 Abs. 4 SGB XII auf Grund seiner Zuständigkeit für die stationäre Betreuung des G.S. passivlegitimiert. Bei gesetzlich versicherten Hilfebedürftigen deckt sich indes der Inhalt der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII mit dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V. Ein darüber hinausgehender Anspruch, insbesondere im Sinne einer Art "Ausfallversicherung" bei einer bestandskräftigen Ablehnung von Leistungen durch die Krankenkasse, wird durch die Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII nicht begründet. Insoweit ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass es für den Zeitraum von Januar bis März 2008 hier an einer ärztlichen Verordnung von Krankenpflege fehlt. Im Übrigen liegt die nach V Nr. 21 der HKP-Richtlinie erforderliche Genehmigung der Krankenkasse nicht vor. Welche Ermittlungen von Seiten des Gerichts bei einem verstorbenen Hilfebedürftigen hinsichtlich der Notwendigkeit häuslicher Krankenpflege hätten durchgeführt werden können, erschließt sich nicht.

Bezüglich einer reinen Leistungsklage für höhere Leistungen der Eingliederungshilfe, die ggfs. in dem Vorbringen der Klägerin hat enthalten sein sollen, fehlt es bereits an den sozialhilferechtlichen Voraussetzungen für einen Schuldbeitritt des Beklagten zu einer Schuld des G. S. Ein über die stationäre Betreuung herausgehendes Schuldverhältnis zwischen G. S. und dem von der Klägerin betriebenen ambulanten Pflegedienst ist hier nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Allein die nach dem Versterben des G. S. erfolgte Rechnungstellung für Leistungen ab Juli 2007 spricht nicht für, sondern gegen einen solchen Vertragsbindungswillen des Hilfebedürftigen bzw. dessen Betreuers durch die Inanspruchnahme von Leistungen. Den von G. S. abgezeichneten Leistungsübersichten (im Übrigen nur für den Zeitraum ab September 2007 vorgelegt) ist nicht zu entnehmen, wem die Leistung auf der Erbringerseite zuzuordnen war. Im Übrigen sind die Bewilligungsbescheide vom 7. August 2007 und 1. April 2008 über die Eingliederungshilfe, die den gesamten hier streitigen Zeitraum abdecken, weder angefochten noch Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens geworden.

Bezüglich eines Zahlungsanspruchs ist im Übrigen Verjährung eingetreten, die von dem Beklagten hier geltend gemacht worden ist. Maßgebend ist insoweit der Zeitraum von drei Jahren nach Maßgabe des § 195 BGB (vgl. z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. August 2015 - L 8 SO 75/11 -, juris, RdNr. 55ff.), da die Forderung der Klägerin, soweit diese bestünde, auf zivilrechtlichen Ansprüchen gegen G.S. beruhen müsste. Zahlungsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 wären hier bereits bei Klageerhebung im Dezember 2013 verjährt gewesen. Es kann deshalb dahinstehen, dass die Klage bezüglich des Zeitraums von Januar bis März 2008 nachweislich erst im Jahr 2015 erhoben worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht hier in beiden Rechtszügen auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Soweit sich das Sozialgericht, wohl in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zu § 19 Abs. 6 SGB XII (vgl. BSG, Beschluss vom 1. September 2008 - B 8 SO 12/08 B -, juris), auf § 193 SGG gestützt hat, folgt der Senat dem nicht. Allein die Vorgabe eines Beteiligten, die Rechte eines Leistungsberechtigten verfolgen zu wollen, genügt hier nicht, auch in solchen Fällen, in denen kein Anknüpfungspunkt an die Regelung in § 19 Abs. 6 SGB XII besteht, einen Einrichtungsträger einem Leistungsberechtigten gleichzustellen. Insoweit war auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt nach billigem Ermessen hier dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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