L 2 AL 54/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AL 75/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 54/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 42/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Mehraufwandswintergeld (MWG), Zuschusswintergeld (ZWG) für den Monat Dezember 2012 von der Beklagten. Insbesondere streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin ein Baubetrieb war oder nicht.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegründet wurde sie im November 1995. Gegenstand des Unternehmens war nach dem Gesellschaftsvertrag: Industriemontagen, Maschinenbau, Industriedienstleistungen, Zeitarbeit, Bau- und Baunebenleistungen entsprechend der Eintragung in die Handwerksrolle, Hilfs- und Transportarbeiten, soweit es genehmigungsfreie Tätigkeiten sind. Die ersten Gesellschafter waren E. R., P. F. und H. B ... Bis zum 31. Dezember 2012 (Bau- bzw. Verleihtätigkeitsende) bzw. 31. Dezember 2013 (Abmeldung) bestand noch die Schwesterfirma in B.-E. mit den Niederlassungen C., F. sowie der "Bauniederlassung" in B.-E ... Die betreffenden Niederlassungen wurden danach von der Klägerin "übernommen".

Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 erteilte die Beklagte der Klägerin die unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass bei Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Erlaubnis widerrufen oder zurückgenommen werden könne.

In der Folgezeit zahlte die Klägerin die Umlagen an die SOKA-Bau ein und erhielt die Leistungen der Winterbauförderung von der Beklagten. Die Klägerin gründete weitere Niederlassungen neben der Niederlassung G. (die 1999 nach M. verlegt wurde), im Jahr 2003 die Niederlassung M. (Niederlassungsleiter anfänglich Herr E. später Herr K., zum 1. April 2005 die Niederlassungen P. (Niederlassungsleiter A. G.) und E ...

Am 5. Januar 2009 leitete das Hauptzollamt E. gegen die Klägerin und deren Geschäftsführer Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ein. Es bestehe der Verdacht, dass die Firma überwiegend Verleih durchführe.

Es erfolgten Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Unterlagen, am 9. September 2009 in 11 Objekten und später noch über die Vorgänge nach 2009, insbesondere am 28. August 2012.

Hierzu nahm die Zollverwaltung exemplarisch vorgefundene Verträge zu den Akten (s. insbesondere Behelfsakte KUG 3257 AA P. und Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 für die Vorgänge nach 2009).

In einem exemplarischen Fall aus den Jahren 2006 bis 2009 bezogen auf das Unternehmen A. H. Baugesellschaft mbH & Co KG hatten die Klägerin und diese Gesellschaft einen Rahmenvertrag über Bauleistungen als Subunternehmer auf Baustellen geschlossen, wobei für die jeweiligen Vorhaben Stundenkontingente einzelvertraglich erbracht werden sollten. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 39 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen. Zu den einzelnen Abrufen der Stundenkontingente wurden "im Rahmen der vereinbarten Dienstleistungsarbeit" Arbeitnehmerüberlassungsverträge für einzelne Baustellen und einzelne Leiharbeitnehmer mit einem Stundenverrechnungssatz abgeschlossen (z. B. für den Arbeitnehmer Krieger, Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 13. August 2007, Bl. 42 RS a. a. O.). Auf der Rückseite des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin für F.-Zeitarbeitnehmer abgedruckt. In diesen Bedingungen ist in Ziffer 6. geregelt, dass sich die Haftung nicht auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer, sondern nur auf die Auswahl derselben bezieht. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 43 a. a. O. verwiesen. Weiter findet sich ein Stundennachweis über den Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Auftraggeber. Darin sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende der jeweiligen Arbeitstage und Gesamtstunden ohne Pause notiert, eine Angabe zur ausgeführten Tätigkeit fehlt. Es findet sich eine Unterschrift des Auftraggebers unter Bezugnahme auf den übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und unter Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und eine solche des Arbeitnehmers, dass er das Formular wahrheitsgemäß ausgefüllt hat. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 49 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen. Die Rechnung im Beispielsfall weist die Berechnung von 45,5 Stunden mit Schaler/Betonarbeiten des Herrn K. aus. Unter der Rechnung findet sich der Satz " Die Umsatzsteuer für diese umsatzsteuerpflichtige Leistung schuldet der Auftraggeber nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG)", vgl. zu weiteren Einzelheiten Bl. 48 Behelfsakte KUG 3257 AA P ... Zu den nur exemplarisch zu den Akten genommenen ausgefüllten Stundenzetteln nach dem beschriebenen Vordruck hatte das Hauptzollamt festgestellt, dass die Arbeitsstunden der verliehenen Arbeitnehmer durch diese handschriftlich auf Vordrucken erfasst und von den Verantwortlichen des Entleihers gegengezeichnet würden. Die Stundennachweise dienten als Grundlage der Rechnungslegung, da Stundenzettel in immenser Anzahl vorgelegen hätten, seien diese nur exemplarisch in Einzelfällen sichergestellt worden. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 47 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen.

In einem weiteren Fall wurden mit der Firma S. S. und T. GmbH Arbeitnehmerüberlassungsverträge vom 10. Juni 2010 für die Arbeitnehmer F. und K. vereinbart. Es erfolgte zunächst eine Rechnung ohne Umsatzsteuer, was der Auftraggeber monierte, weil Arbeitnehmerüberlassung auch im Baugewerbe keine Bauleistung sei (Bl. 3 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1). Die daraufhin neu erstellte Rechnung wurde mit Umsatzsteuer ausgewiesen. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 3 bis 8 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Exemplarisch wird von dem vom Hauptzollamt für die Zeit von 2009 bis 2012 beschlagnahmten Unterlagen auf eine Rahmenvereinbarung mit der WBB AG (und Tochterunternehmen) vom 23. Januar 2012 über die Festlegung der Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung auf den Baustellen verwiesen. Danach erfolgt die Beauftragung jeweils durch den schriftlichen Abruf von Arbeitskräften. In Fällen des Fehlens von Arbeitskräften hat die Klägerin auf Verlangen möglichst sofort geeigneten Ersatz zu stellen (§ 3, 5. Absatz), der AG behält sich vor, Arbeitskräfte, die nicht den Anforderungen genügen, ihren Weisungen nicht nachkommen ( ) jederzeit zurückzuweisen (§ 3, 7. Absatz), bei der Haftung lautet es in § 7, dass die Klägerin für die ordnungsgemäße Auswahl der eingesetzten Arbeitskräfte hafte. Daneben finden sich Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen der WBB AG und der Klägerin über konkrete Arbeitnehmer (z. B. M. B. Beginn der Tätigkeit 26. Juni 2012) mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Zeitarbeitnehmer und Rechnungen bei denen der Auftraggeber die Umsatzsteuer schuldet. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 46 bis 51 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Der Vorgang des Entleihers G. V. GmbH ist einschließlich der Stundenzettel dokumentiert. Unter dem 6. August 2012 schlossen die G. V. GmbH mit der Klägerin einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag in Bezug auf den Arbeitnehmer W. als "Baumaschinist" für eine Baustelle in W., D. mit einem Stundenverrechnungssatz in Höhe von 33,50 EUR. In dem Stundennachweis für den Arbeitnehmer W. vom 10. August 2012 sind Gesamtstunden von 52 ohne eine Angabe der Tätigkeit oder Leistung aufgeführt. Der Auftraggeber bestätigte die Richtigkeit der obigen Angaben mit der bereits wiedergegebenen Formulierung des unveränderten Stundenzettelvordrucks unter Bezugnahme auf den übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 60 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen. In der Rechnung vom 13. August 2012 werden 52, Stunden Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten des Herrn W. mit einer Nettosumme von 1.742 EUR der Auftraggeberin in Rechnung gestellt. Es findet sich der Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuer der Auftraggeber schulde.

Nach Ausführungen des Hauptzollamtes seien bei der Auswertung, der in Papierform vorliegenden Beweismittel, keine Werkverträge oder anders bezeichnete Aufträge, die sich nicht auf Arbeitnehmerüberlassung bezögen, vorgefunden worden. So hätte für die Niederlassung P. trotz Zusicherung keine Werkverträge vorgelegt werden können (Bl. 474 VA).

Die Klägerin änderte im Jahr 2010 ihren Stammsitz. Nunmehr lautete die Geschäftsanschrift W ... in ... M ...

Weiter nahm das Hauptzollamt einen Ausdruck der Arbeitsanweisung zur internen F.-Datenbank (ausgedrucktes Datum der Arbeitsanweisung vom 29. April 2011), mit der alle Niederlassungen arbeiteten, zur Akte. Diese Datenbank wurde nach Darstellung der Klägerin erst nach 2012 geändert. In Ziffer B 4.4 wurde der Name usw. auch "Kontaktperson" genannte, hier werde derjenige eingetragen, der bei der Klägerin Personal bestelle. Weiter heißt es wörtlich in dieser Ziffer unter der Rubrik "Vertragsart": "L für Verrechnung in Brutto und WV für Rechnungslegung Netto". In Ziffer B 7.2 wird ausgeführt, dass die "ANÜ Verträge" mit Aufnahme der Arbeiten auf der Baustelle spätestens im Büro des Kunden liegen müssten und der "ANÜ-Vertrag" das eigentliche Vertragsdokument im Streitfall sei. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 94 bis 99 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Die Klägerin hatte sich im Rahmen der Anhörung des Hauptzollamtes eine Stellungnahme nach Akteneinsicht vorbehalten, zunächst bis zum 30. März 2012 und nach zweimaliger stillschweigender Terminverlängerung bis zum 7. Mai 2012, eine Einlassung hat sie bis zum Erlass des Bußgeldbescheides nicht abgegeben.

Mit Schreiben an die Klägerin vom 26. Januar 2012 erklärte die Beklagte (hier die Agentur für Arbeit P.), in dem Betrieb der Klägerin könne die ganzjährige Beschäftigung nicht gefördert werden, weil in dem Betrieb nicht überwiegend Bauleistungen erbracht würden (Bl. 190 Behelfsakte KUG 3257 AA P.).

Das Hauptzollamt E. erließ am 31. Mai 2012 einen Bußgeldbescheid gegen die Klägerin und die Geschäftsführer, die Zeugen P. F. und L. E. über Verstöße im Zeitraum 1. Mai 2006 bis 9. September 2009: Es seien bei den beschlagnahmten Unterlagen keine Unterlagen über eigene Bautätigkeiten der Klägerin gefunden worden. So hätten im Zeitraum 2006 bis 2009 eigene Bauleistungen mit denen für Baubetriebe typischen Verträgen, Gewährleistungen, Sicherheitseinbehalten, Baustellenorganisation, Baumaschineneinsatz usw. nicht festgestellt werden können. Durch die fehlenden Zusatz- und Gemeinkosten hätten die Leiharbeiter für Stundenverrechnungssätze angeboten werden können, die bis zu 40 % unter den Kalkulationssätzen von Baubetrieben gelegen hätten. In den Jahren 2006 bis 2009 seien in 7.519 Fällen vorsätzlich entgegen § 1b AÜG Arbeitnehmer an 492 verschiedene Baubetriebe verliehen worden. Sowohl die F.-Datenbanken als auch die in Papierform vorliegenden Beweismittel zeigten deutlich, dass alle Niederlassungen im Ermittlungszeitraum lediglich Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit Entleihern abgeschlossen hätten. Für jeden Einsatz bei einem Entleiher sei pro Arbeitnehmer ein separater Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erstellt worden. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 486 ff. bis 495 VA verwiesen. Gegen diesen Bußgeldbescheid legten die Klägerin bzw. die Betroffenen Einspruch ein.

Bereits mit Bescheid vom 12. September 2012 hatte die Beklagte die der Klägerin erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Dieser gab das SG statt, wogegen die Beklagte Berufung eingelegt hat. Das Verfahren war unter dem Aktenzeichen L 2 AL 52/15 beim Senat anhängig und ist ebenfalls am 21. März 2019 beendet worden. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Senat abgewiesen.

Am 24. Januar 2013 beantragte die Klägerin für die Betriebsnummer 06113538 bezogen auf den Betrieb in P., N. Str ..., ... P. (Lohnabrechnungsstelle) Mehraufwands-Wintergeld (MWG) in Höhe von 473,75 EUR und Zuschuss-Wintergeld (ZWG) in Höhe von 575,00 EUR bei der Beklagten. Beigefügt war eine Abrechnungsliste für "Saison-Kug" und ergänzende Leistungen. In dieser waren die einzelnen Arbeitnehmer aufgelistet und eine Spalte "MWG Anzahl der Arbeitsstunden (höchstens 90 in Dez sonst 180) x 1,00 EUR" und eine Spalte "ZWG Anzahl der Ausfallstunden, die durch Arbeitszeitguthaben ausgeglichen wurden x 2,50 EUR " aufgeführt. Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten Ausdruck eAkte, Dienststelle P., Konjunktur Kug K07803257, Seiten 3 bis 5 verwiesen. Hieraus ergaben sich für 18 namentlich aufgeführte Arbeitnehmer 473,75 Stunden mit 473,75 EUR MWG und 230 Stunden mit 575,00 EUR ZWG.

In einem weiteren Antrag vom 24. Januar 2013 für Dezember 2012 nach diesem Muster beantragte die Klägerin für die Betriebsnummer 17817866, bezogen ebenfalls auf den Betrieb in P., N. Str ..., ... P. (Lohnabrechnungsstelle) MWG in Höhe von 367,75 EUR und ZWG in Höhe von 2.785,00 EUR, insgesamt 3.152,75 EUR, bei der Beklagten. Nunmehr waren bei 29 Arbeitnehmern 367,75 Stunden 367,75 EUR MWG und für 1.114 Stunden ZWG in Höhe von 2.785 EUR aufgelistet. Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen (Ausdruck eAkte, Dienststelle P., Konjunktur Kug K 07800219, Seiten 3 bis 6).

Zusätzlich legte die Klägerin für die Anträge für Dezember 2012 eine Anlage über im Dezember 2012 gekündigte 9 Arbeitnehmer und das Datum, wann sie gekündigt wurden, vor. Des Weiteren war eine Baustellenaufstellung für witterungsbedingten Arbeitsausfall – Dezember 2012 beigefügt. Hierbei wurden für 19 Baustellen die Art der Arbeiten entweder "HA - Hochbau/Außenarbeiten/Dachdeckerarbeiten" oder "T – Tiefbau" genannt und die Anschrift der Baustelle angegeben. Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten Ausdruck eAkte, Dienststelle P., Konjunktur Kug K07803257, Seite 7 verwiesen.

Diese Anträge auf die Zahlung von Wintergeld lehnte die Beklagte jeweils mit Bescheid vom 30. Januar 2013 ab. Der Klägerin sei mit Schreiben vom 26. Januar 2012 mitgeteilt worden, dass in ihrem Betrieb eine ganzjährige Beschäftigung nicht gefördert werden könne, weil nicht überwiegend Bauleistungen erbracht würden. Hiergegen legte die Klägerin am 6. Februar 2013 jeweils Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheiden vom 11. Februar 2013 (W 00157/13 und W 00158/13) wies die Beklagte diese Widersprüche zurück.

Gegen diese beiden Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 27. Februar 2013 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die beantragten Leistungen seien zuvor für einen Zeitraum von 16 Jahren unbeanstandet gezahlt worden. So zahle sie seit dem Beginn der gewerblichen Tätigkeit in die Sozialkassen als Baubetrieb ein und erhalte dementsprechend die saisonalen Leistungen. Bei den Durchsuchungen des Hauptzollamtes, die ursprünglich wegen des Verdachtes auf das Schwarzarbeitergesetz oder in Hinblick auf die Unterschreitung von tariflichen Mindestlohn angestrengt worden seien, sei man zur Rechtfertigung der Aktion darauf verfallen, einen Verstoß gegen § 1b AÜG festzustellen. Dabei habe man übersehen, dass sie - die Klägerin - über eine Zulassung zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt habe. Danach seien die Behörden dazu übergegangen, alle Leistungen aus den Sozialkassen zu streichen, mit der Begründung, sie sei kein Baubetrieb. Es würden jedoch ausschließlich Bauleistungen erbracht. Ihre Mitarbeiter erbrächten Leistungen, die für die Herstellung, Instandsetzung sowie Änderung von Bauwerken bestimmt seien. Nach der gesetzgeberischen Konzeption sei es nicht so, dass ein Baubetrieb nur als solcher anerkannt werde, wenn er selbst Baugeräte führe. Soweit sie Arbeitnehmer verleihe, erfolge dies ausschließlich an Baubetriebe. Auch die gewerbsmäßige Überlassung von Baufacharbeitern an Baubetriebe sei eine Bauleistung und sei genauso von saisonalen Umständen abhängig. Die Einstellungsentscheidung des Amtsgerichts E. habe keine materielle Rechtskraftwirkung. Zwischen allen Verfahrensbeteiligten sei es Konsens gewesen, dass die Beantwortung der Frage der Baubetriebseigenschaft den Fachgerichten überlassen werden solle.

Zudem sei das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 18. Juni 2015 (Martin Meat u. a.) C-586/13 zu berücksichtigen. Danach sei das Argument für das Bestehen einer Arbeitnehmerüberlassung, wenn eine "Eingliederung" des Fremdarbeitnehmers in den Betriebsablauf der Auftraggeberin stattfinde, in der bisherigen Form nicht aufrechtzuerhalten. Schon rein praktisch könne sich ein Mitarbeiter eines Subunternehmens nicht den Weisungen des Auftraggebers entziehen und sei mehr oder weniger intensiv in den gesamten Arbeitsablauf/Bauablauf eingebunden. So müsse auf jeder Baustelle "Hand in Hand" gearbeitet werden. Der Auftraggeber sage, was erbracht werden müsse, der Auftragnehmer entscheide im Wesentlichen, wie die Leistungserbringung konkret erfolge. Dies habe der EuGH erkannt und ausgeführt, dass bei einem Dienstleistungsvertrag (der keine Arbeitnehmerüberlassung ist) der Kunde bei der Erbringung von Dienstleistungen den Arbeitnehmern des Dienstleistungserbringers bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen dürfe, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichtsbefugnis wie bei einer Arbeitnehmerüberlassung verbunden sei. Dies gelte, sofern der Dienstleistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteile, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistung für erforderlich halte. Auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 508/89 –) erkenne an, dass der Werkbesteller dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen könne. Solche Dienst- oder Werkverträge würden vom AÜG nicht erfasst.

Die Beklagte hat hervorgehoben, dass das Geschäftsmodell der Klägerin, wie sich aus den aktenkundigen Unterlagen des Hauptzollamtes ergebe, durch eine Vielzahl von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen gekennzeichnet sei und dass Stundensätze pro Leiharbeitnehmer abgerechnet würden.

Mit Urteil vom 12. Oktober 2015 hat das SG der Klage stattgegeben, soweit Zahlungsansprüche verfolgt wurden. Der Antrag gerichtet auf die Feststellung, dass die Klägerin von der Winterbauförderung umfasst sei, hingegen sei unzulässig. Es fehle ein Feststellungsinteresse für Zeiträume in denen die Klägerin ihre Ansprüche auf Leistungen gegen die Beklagte geltend mache und gemacht habe. Da die Klägerin ab Beginn 2013 ihr Geschäftsmodell umgestellt habe, sei der zu prüfende Sachverhalt ab diesem Zeitpunkt ein anderer. In Bezug auf die Zahlungsanträge, sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen nach § 101 SGB III für die Einbeziehung in die Winterbauförderung vorlägen. Dies gelte für das Vorliegen der Baubetriebseigenschaft bei der Klägerin. Grundsätzlich treffe die Feststellungslast dafür, dass die Klägerin ein Baubetrieb ist diese selbst, als diejenige, die einen Anspruch geltend mache. Da die Klägerin von Anbeginn ihrer Tätigkeit von der Beklagten als Baubetrieb eingestuft worden sei, gehe das Gericht davon aus, dass die Klägerin ihrer Darlegungspflicht bereits dadurch genüge, dass sie unwidersprochen vorgetragen habe, dass sie die Tätigkeit nicht geändert habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Ergebnis des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (OWI-Verfahrens). Zwar wüchsen entgegen der Ansicht der Klägerin auch die Feststellungen des Beschlusses des Amtsgerichts E. über eine Verfahrensabsprache und den Verfall gem. § 29a OWiG in Rechtskraft. Allerdings könne die materielle Rechtskraft einer Entscheidung nicht weiter reichen als der von ihr erfasste Sachverhalt, hier der Zeitraum von 2006 bis 2009. Es wäre im vorliegenden Fall an der Beklagten gewesen, konkrete Tatsachen zu benennen, aus denen sich ergebe, dass bei der Klägerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Baubetriebseigenschaft nicht vorgelegen habe. Dies habe die Beklagte jedoch nicht getan. Anlass zu einer weiteren Aufklärung von Amts wegen habe nicht bestanden, da keine substantiierten, belastbaren Angaben der Beklagten vorgelegt worden seien. Die übrigen Zahlungsvoraussetzungen nach §§ 99, 101, 102, 105, 106 und 109 SGB III in Verbindung mit der WinterbeschäftigungsVO sowie § 323 SGB III hätten vorgelegen.

Gegen das ihr am 3. November 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. November 2015 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen nicht, im streitgegenständlichen Zeitraum als Betrieb im Baugewerbe tätig gewesen zu sein. Sie habe nicht überwiegend Bauleistungen nach dem Positiv-Katalog des § 1 Abs. 2 BaubetriebeVO erbracht. Die Klägerin habe mit den im Rahmen von sog. Bauverträgen ausgeführten Arbeiten, nicht gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht, sondern ausschließlich Arbeitnehmer verliehen. Das Amtsgericht E. habe mit seinem Beschluss vom 8. November 2012 im Fall der Klägerin die Erfüllung des objektiven Bußgeldtatbestandes von § 16 Abs. 1b und § 1b AÜG festgestellt, da die Klägerin in dieser Zeit kein Baubetrieb gewesen sei und aus diesem Grund keine Arbeitnehmer in Betriebe der Bauwirtschaft vermitteln durfte. In der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass die Klägerin die Tätigkeit seit 16 Jahren unverändert ausübe und ihr Geschäftsmodell erst nach Ende 2012 geändert haben will. Es müsse daher denknotwendig davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht nur von 2006 bis 2009 sondern mindestens bis Ende 2012 kein Baubetrieb gewesen sei. Das Geschäftsmodell sei einheitlich in allen Niederlassungen praktiziert worden. Bei der Prüfung von klägerischen Niederlassungen am 28. August 2012 sei bei der Sichtung der Beweismittel erkannt worden, dass weiterhin eine Vielzahl von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen vorgelegen hätten und an der Praxis der Abrechnung von Arbeitsstunden auf den Rechnungen keine Änderung festzustellen sei. Zum Beleg hat die Beklagte ein Schreiben des Hauptzollamtes E. vom 22. Juni 2015 vorgelegt. Auch bei der Prüfung der Niederlassung am 9. Dezember 2011 hätte die Klägerin Angebote oder Werkverträge nicht vorlegen können. Der damalige Geschäftsführer, der Zeuge F., habe bestätigt, dass das Marktauftreten seit der letzten Prüfung unverändert sei. Es hätten sich daher keine Anhaltspunkte ergeben, dass der verfahrensgegenständliche Zeitraum anders zu bewerten sei, als die Geschäftstätigkeit in den Jahren 2006 bis 2009 die umfangreich vom Hauptzollamt E. aufbereitet worden sei. Die Klägerin habe arbeitszeitlich nicht überwiegend mittels Werk- und Dienstverträgen eigene Bauleistungen erstellt. Bei echten Dienst- und Werkverträgen lägen Ergebnisverantwortung und Personalhoheit im Unterschied zu Arbeitnehmerüberlassungsverträgen bei der Fremdfirma. Werde nach der Anzahl der geleisteten Stunden der eingesetzten Arbeitnehmer abgerechnet, so liege Arbeitnehmerüberlassung vor. Auch der EUGH habe in der von der Klägerseite zitierten Entscheidung (M. M.) betont, dass Arbeitnehmerüberlassung vorliege, wenn der Arbeitnehmer seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehme. Der Auftraggeber bei einem Dienstvertrag könne zwar zur Überprüfung, ob die Dienstleistung vertragsmäßig erfüllt werde, allgemeine Weisungen erteilen, damit dürfe aber keine Ausübung der Leitungs- und Aufsichtsbefugnisse verbunden sein. Der Dienstleistungsunternehmer müsse die genauen und individuellen Weisungen erteilen, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistung für erforderlich halte. Bei der Klägerin fehlten schriftliche Werk- oder Dienstleistungsverträge und eine weisungsberechtigte Aufsichtsperson sei auch nur bei Bedarf vor Ort auf der Baustelle anwesend gewesen.

Entscheidend sei, dass die Klägerin weder über die betrieblichen noch über die organisatorischen Voraussetzungen verfügt habe, eine vertraglich geschuldete Dienst- oder Werkleistung zu erbringen. Die Klägerin nehme nicht an Ausschreibungen teil, erstelle keine Leistungsverzeichnisse und nehme keine eigene Kalkulation vor. Sie rechnete auch in den Jahren 2010 bis 2012 (und darüber hinaus) weiterhin nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden der eingesetzten Arbeitnehmer ab, während Arbeitsmittel und Material vom Auftraggeber gestellt wurden. Die gesamte Bauplanung und Organisation der Arbeitsabläufe obliege dem Auftraggeber. Der behauptete Leistungsgegenstand sei vertraglich derart unbestimmt, dass er erst durch Weisungen des Auftraggebers gegenüber den überlassenen Arbeitnehmern konkretisiert werden müsse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es gebe keine tatsächlichen Feststellungen, die gegen ihre Baubetriebseigenschaft sprächen. Aus der Verfahrensabsprache vor dem Amtsgericht E. könne keine "Rechtskrafterstreckung" auf den streitgegenständlichen Zeitraum folgen. Die Absprache habe der wirtschaftlichen Vernunft gehorcht, weil Forderungen in Höhe von 8 bis 9 Millionen im Raum gestanden hätten. Es habe sich nicht um ein gerichtliches Geständnis gehandelt. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass in Verfahren gegen die SOKA-Bau dieser untersagt worden sei, ihr - der Klägerin - nur eingeschränkte Bescheinigungen über die Teilnahme an dem Sozialkassenverfahren auszustellen (Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. März 2016 – 22 Sa 1885/15). Sie zahle seit Aufnahme ihrer Tätigkeit ununterbrochen je nach Arbeitnehmerbestand zwischen 2 und 2,5 Millionen Euro in die Sozialkassen ein.

Es müsse höchstrichterlich geklärt werden, ob auch in dem Fall, in dem reine Arbeitnehmerüberlassung unterstellt würde, nicht gleichwohl eine baubetriebliche Tätigkeit vorläge. Es müsse auf die mit den Bauleistungen befassten Arbeitnehmer abgestellt werden. Inzwischen habe die Beklagte auch Druck auf die Finanzverwaltung ausgeübt, um sie "vom Markt zu fegen". So werde gegen sie eine Rückforderung von Umsatzsteuern für den Zeitraum 2007 bis 2011 in Höhe von 16 Millionen Euro geltend gemacht, deren Vollziehung erst auf ihren Antrag ausgesetzt wurde.

Es sei unbeachtlich, dass sie keine Angebote auf Ausschreibungen abgebe. Dies brauche sie nicht, weil gewachsene Kundenbeziehungen bestünden. Die Preise seien auch kalkuliert. Sowohl die Niederlassungsleiter als auch die gewerblichen Arbeitnehmer seien sämtlich einschlägig ausgebildete Fachkräfte. So seien beispielsweise die Niederlassungsleiter K. und G. Diplomingenieure (Bau). Sie, die Klägerin, unterbreite Nachträge, wenn der ursprünglich angedachte Zeit-/Leistungsansatz nicht funktioniert habe. Werkstoffe würden nicht vorfinanziert, ein Bauhof existiere in B.-E ... Die Beklagte gehe von einer antiquierten Vorstellung eines Baubetriebes aus, wenn sie die Vorhaltung von Maschinen und den Einkauf von Materialien fordere. Dies sei bei der heutigen Komplexität von Bauvorhaben und der Notwendigkeit der Vergabe von Subaufträgen für einzelne Arbeiten nicht mehr möglich. Die Abrechnung nach Stundenverrechnungssätzen sei eine übliche Vorgehensweise, so sehe § 15 Nr. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) eine solche Abrechnung vor. Sie minimiere zwar ihre Gewährleistungsansprüche. Den klassischen und wichtigsten Gewährleistungsanspruch im Bauvertragsrecht, nämlich den Nacherfüllungsanspruch, schließe sie explizit nicht aus. Die Weisungen würden durch ihre Vertreter erteilt. Dies sei so im Vertragswerk strukturiert und auch Vertragspraxis. Entscheidend sei, dass die Leistung in ihrer eigenen Verantwortung durchgeführt werde.

Auf Auflage des Berichterstatters Verträge, die von den bisher vorgefundenen bis zum Jahr 2012 abwichen, vorzulegen, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen und die Anlagenkonvolute 13, 14a, 14, 15 und 16 vorgelegt.

Außerdem hat die Klägerin ausgeführt: Die Auflage sei zu umfangreich, es würden je nach Jahreszeit zwischen 450 und 700 Mitarbeiter beschäftigt. Dementsprechend hoch sei die Anzahl der Verträge. Es sei jetzt nicht mehr nachvollziehbar, welche konkreten Leistungen damals angeboten worden seien, die Aufbewahrungspflichten seien abgelaufen. Die Finanzämter hätten in Bezug auf die umsatzsteuerrechtliche Problematik angeregt, Bestätigungen der Vertragspartner vorzulegen. Hierauf habe sie 310 Bestätigungsschreiben zurückerhalten, von denen sie 273 Bestätigungsschreiben noch vorlegen könne. Diese beträfen 70 % des insgesamt nachgefragten Volumens.

Die betreffenden Erklärungen lauten: "Hiermit erklären wir, dass die F.-I. Service GmbH als von uns beauftragter Nachunternehmer Bauleistungen für eine von uns selbst zu erbringende Bauleistung erbracht hat. Als Vertragspartner waren wir uns über die Anwendung §13b UStG einig. Der Umsatz wurde von uns als Leistungsempfänger fristgerecht und in zutreffender Höhe versteuert. Eine Betriebsprüfung ( ) ergab bezüglich der Umsatzsteuer keinerlei Abweichungen gegenüber unseren angemeldeten Besteuerungsgrundlagen". Zum Teil waren Umsatzzahlen und Baustellen angegeben. Für weitere Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut 14, als Beiakten geführt, verwiesen. In 23 ausführlicheren Schreiben werden nach dem obigen Text noch nachfolgend Bauvorhaben und Gesamtumsätze angegeben (Anlagenkonvolut 13, als Beiakte geführt). Für weitere Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen verwiesen. Auf Betreiben des Finanzamtes G. seien im Jahr 2017 weitere Bescheinigungen von Auftraggebern angefordert worden. Diesbezüglich reichte die Klägerin 523 Bescheinigungen von Auftraggebern für das Finanzamt ein, mit einer Bestätigung des Auftraggebers, die Umsatzsteuer zu schulden und abgeführt zu haben. Für weitere Einzelheiten wird auf die Erklärungen im Anlagenkonvolut 14a verwiesen.

Die Bestätigungen würden sich auf Bauumsätze in Höhe von 101.313.669,66 EUR beziehen, bei einem Gesamtumsatz von 133.515.833,11 EUR. Zum Beweis, dass die jeweiligen Bestätigungen/Bescheinigungen zutreffend seien, beziehe sie sich auf die jeweiligen Mitarbeiter der Auftraggeber, die das Gericht ggf. im Rahmen der Amtsermittlung ermitteln könne. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26. März 2018 verwiesen.

Darüber hinaus hat die Klägerin Verträge und Schriftverkehr aus den Jahren 2004 bis 2016 überreicht, die zeigen, dass einzelne unterschiedliche Verträge geschlossen wurden (in wenigen Einzelfällen auch unter Vereinbarung der VOB/B). So ist Verhandlungsprotokoll über einen Auftrag der Fa. M. GmbH & Co KG von der Beteiligung des Auftragnehmers an der Bauleistungsversicherung (0,35 % der Netto-Abrechnungssumme, Abzug bei Schlusssumme) die Rede und nach Ziffer 12 gilt für Mängelansprüche des Auftragnehmers/Nachunternehmers § 13 VOB/B. Des weiteren sind die "Grundsätzlichen Verhaltensweisen für Nachunternehmer" der Firma H. beigefügt. Für weitere Einzelheiten wird auf die vereinzelten vorgelegten Verträge für die verschiedenen Jahre (Anlagenkonvolut 16) verwiesen.

In einer weiteren Auflage des Berichterstatters, konkretisiert auf den Zeitraum 1. April bis 30. November 2012, sollten neben vorliegenden Verträgen die Umstände und Merkmale der Vertragspraxis erläutert werden.

Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen verstrichen seien, die zurückgegebenen beschlagnahmten Unterlagen seien ungeordnet und auseinandergerissen worden. Die Niederlassungen seien unselbständig, die Geschäftsführer betreuten die Niederlassungen verantwortlich. Die Klägerin sei einheitlich im Rechtsverkehr aufgetreten. Es gebe weder eine räumliche, noch eine aufgabentechnische Trennung der Niederlassungen. Die jeweiligen Niederlassungen organisierten ihre Einsätze selbständig, aber nach gleichen Abläufen. Die Kundenkontakte und der Schriftverkehr lief, außer bei Großkunden über die Niederlassung. Die Auswahl der Arbeitnehmer und deren Anzahl erfolgte durch den jeweiligen Niederlassungsleiter, der entschied, ob ggf. gewerbliche Mitarbeiter anderer Niederlassungen angefragt werden mussten. auf Niederlassungsleiterebene weitere Mitarbeiter nachfragte. Die Lohndatenerfassungen, Lohnabrechnungen, Arbeitszeitregelung, die Schichtpläne, Freistellungen, Urlaubspläne lagen in den Händen der Niederlassungsleiter. Auch die Kundenaquise erfolgte im Wesentlichen dezentral. Die Niederlassungen stünden in ständigem Erfahrungsaustausch, zumal größere Aufträge gemeinsam abgearbeitet würden.

Verträge aus dem Zeitraum 1. April bis 30. November 2012 seien nicht mehr auffindbar.

Die Klägerin hat den üblichen Geschehensablauf dargestellt: Es sei tatsächlich gängige Vertragspraxis bei ihr, mit einem Neukunden auf der Basis eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages die Zusammenarbeit zu beginnen. Dies sei auch auf neuen Baustellen langjähriger Kunden so erfolgt. Der Grund hierfür sei, dass alle Beteiligten, insbesondere die Auftraggeber, rechtlich "auf der sicheren Seite" sein wollten. So hätten rechtlich Probleme vermieden werden können, wenn am Tage nach Eintreffen ihrer Arbeiter auf der Baustelle eine Baustellenkontrolle stattfände. Deshalb seien für diesen Fall die Arbeitnehmerüberlassungsverträge vorbereitet worden. Die neuen Baustellen seien dann von den Niederlassungsleitern, in der Regel studierten Baufachleuten, besucht worden, um die Abläufe vor Ort zu prüfen. In der Regel habe sich herausgestellt, dass vor Ort wirtschaftlich ein Bauvertrag, sei es als Werkvertrag, sei es als Dienstvertrag, gelebt wurde, bzw. sich nach den getroffenen Vereinbarungen ergab. In der Regel sei vor Ort dann konkret vereinbart worden, wie Nach- und Korrekturarbeiten bei mangelhafter Arbeit durchzuführen seien und wie die Haftung im Schadensfall zu handhaben sei. Dort seien auch die Regularien der Abrechnung besprochen worden. Eine schriftliche Fassung dieser Verträge sei in der Regel nicht erfolgt, weil sie vom Gesetzgeber auch nicht gefordert werde. Dies sei der Grund dafür, warum in diesem Umfang Arbeitnehmerüberlassungsverträge vorgefunden worden seien und in weit geringerem Umfang Werk- und Dienstverträge in Form von Bauverträgen.

Sie habe im Jahr 2012 1.512 Bauvorhaben betreut. Davon seien 1.263 Bauvorhaben als klassische Bauvorhaben im Rahmen eines Bauvertrages gelebt, abgearbeitet und abgerechnet worden. Daraus resultierten 663.758,50 erbrachte Arbeitsstunden im gesamten Unternehmen, wovon 542.306,75 Arbeitsstunden auf Baudienstleistungen in Form von Werk- und Dienstverträgen entfielen. Insgesamt seien im Jahr 2012 6.435 Rechnungen gestellt, davon 5.545 Rechnungen, die als Bauleistungen im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen abgearbeitet worden sei. Hierzu hat die Klägerin als Anlagenkonvolut 19 26 Aktennotizen zu Baustellen, auf denen sie im Rahmen von Bauwerkverträgen für den jeweilig genannten Auftraggeber tätig war, vorgelegt. Diese nicht datierten und unterzeichneten Aktennotizen sind wie folgt aufgebaut: Es wird eine Leistungsbeschreibung mit unterschiedlicher Genauigkeit (z. B. ARGE S. E. T. "Herstellung Stützen und Fundamente, Köpfe, Binder") genannt, ferner der "Baustellenverantwortlicher Vorarbeiter/Polier/F." (hier im Beispiel D. M. und M. E.) und das eingesetzte Personal z. T. mit namentlicher Nennung, z. T. wird nur die Anzahl des Personals genannt. Für weitere Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut 19, als Beiakte geführt, verwiesen.

Hierauf repliziert die Beklagte: Die Klägerin habe die erteilten Auflagen zur Nachweisführung nicht erfüllen können. Sie habe keine Unterlagen zur Verfügung stellen können, die beweisen könnten, dass im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend Bauleistungen erbracht worden seien. Die für das Finanzamt G. vorgelegten Bescheinigungen zu § 13b UStG können diese Unterlagen nicht ersetzen. Die Aussagen in den beigezogenen Vernehmungsakten (Beweismittelordner des HZA E. zum EV 330/14) zeigten dass bis zur Einführung der neuen Vertragsmuster und oft darüber hinaus ausschließlich Arbeitnehmerüberlassungsverträge geschlossen wurden und auch nichts anderes gewollt war. So hätten Geschäftsführer, Bauleiter, Poliere der Auftraggeber ausgesagt, dass sie mit den Arbeitnehmern der Klägerin ihr eigenes Firmenpersonal aus unterschiedlichen Gründen wie z. B. Personalmangel, Urlaub oder Krankheit temporär ausgeglichen bzw. aufgestockt hätten. Bis 2012 sei die Weisungskette in den meisten Fällen durch die Eingliederung der Arbeitnehmer in die Baukolonnen der Auftraggeber unterbrochen gewesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen. Dies sind Band I bis V der Verwaltungsakten der Beklagten (Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung), eAkte, Dienststelle P., Konjunktur KUG K07803257, Klageakte Amtsgericht E., Beiakte Beklagte ursprünglich L 2 AL 51/15, aus L 2 AL 53/15 (Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E. nach dem 09.09.2009; Kopien STA –Akten "Päckchen 1 - Bußgeldbescheide) sowie die von Klägerseite übersandten drei Aktenordner und Beihefte (Anlagen, 13-14, 14a und 15-19) und die Gerichtsakten L 2 AL 48/15 und L 2 AL 53/15 nebst verbundenen Verfahren).

Zusätzlich wurden noch folgende Akten aus dem Verfahren L 2 AL 74/16 und L 2 AL 71/16 beigezogen: Ordner HZA E. EV 330/14 Beweismittel Vernehmung + Behelfsakte KUG 3257 AA P. und KUG K 04500032. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und sind der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und form- und fristgerecht erhoben.

Die Berufung ist auch begründet und das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 abzuändern. Die Bescheide der Beklagten vom 30. Januar 2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Februar 2013 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld und Mehraufwands-Wintergeld gem. § 102 Abs. 1-3 SGB III gegen die Beklagte.

Die Klägerin ist als Arbeitgeberin berechtigt, die Rechte ihrer Arbeitnehmer – hier die Inanspruchnahme von das Saison-KUG ergänzende Leistungen – im Wege der gesetzlichen Verfahrens- und Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 11 AL 3/15 R – juris). Eine Beiladung der Arbeitnehmer zu diesem Rechtsstreit ist nicht notwendig.

Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das beanspruchte Wintergeld. Nach § 102 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Wintergeld als Zuschuss-Wintergeld und Mehraufwands-Wintergeld, soweit für diese Zwecke Mittel durch eine Umlage aufgebracht werden. Dabei wird Mehraufwands-Wintergeld in Höhe von 1,00 EUR für jede in der Zeit vom 15. Dezember bis zum letzten Kalendertag des Monats Februar geleistete berücksichtigungsfähige Arbeitsstunde an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezahlt, die auf einem witterungsbedingten Arbeitsplatz beschäftigt sind. Es werden dabei im Monat Dezember bis zu 90 Stunden berücksichtigt. Zuschuss-Wintergeld wird in Höhe von (für das Bauhauptgewerbe) 2,50 EUR je ausgefallener Arbeitsstunde gezahlt, wenn zu deren Ausgleich Arbeitszeitguthaben aufgelöst und die Inanspruchnahme von Saison-KUG vermieden wird.

Nach § 109 Abs. 3 SGB III (§ 182 Abs. 3 SGB III a. F.) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, ob, in welcher Höhe und für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die ergänzenden Leistungen nach § 102 Abs. 2 bis 4 SGB III in den Zweigen des Baugewerbes und den einzelnen Wirtschaftszweigen erbracht werden.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage erlassenen Winterbeschäftigungs-Verordnung (WinterbeschV) erhalten gewerbliche Arbeitnehmer von Betrieben des Baugewerbes (§ 1 Abs. 2 der Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist – Baubetriebe-Verordnung) ergänzende Leistungen nach § 102 SGB III.

Die Klägerin ist kein solcher Betrieb des Bauhauptgewerbes in der maßgeblichen Zeit gewesen. Nach § 101 Abs. 2 SGB III ist ein Betrieb des Baugewerbes ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringt. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

1. Im vorliegenden Fall muss nicht abgegrenzt werden ob die Niederlassung P. ein eigener Betrieb ist und deshalb eigenständig betrachtet werden muss oder ob es sich wie von der Klägerin dargestellt um eine unselbständige Niederlassung handelt. Denn das Geschäftsmodell der Klägerin ist mit zentralen Vorgaben (zentrale einheitliche Erfassung der Daten) im Wesentlichen gleichartig in den einzelnen Niederlassungen praktiziert worden. Die Klägerin selbst trägt vor, dass es keine relevanten Unterschiede zwischen den einzelnen Niederlassungen gegeben hat, solche Unterschiede sind auch nach der Aktenlage nicht ersichtlich. Auch die Zeugen F. und E. haben die Umstände eines einheitlich in den Niederlassungen praktizierten Modells dargestellt.

2. Zeitlicher Bezugspunkt für die Ermittlung des Verhältnisses der Leistungen in einem Mischbetrieb muss grundsätzlich die außerhalb der Förderung liegende Zeit, also hier der Zeitraum vom 1. April bis 30. November 2012 sein (vgl. Müller-Grune in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., 2019, § 101 SGB III, Rn. 46), denn in der witterungsabhängigen Zeit kann es Verschiebungen der Arbeitskraftanteile geben. Wie oben dargestellt spielt diese Eingrenzung bei einer bis zum 31. Dezember 2012 einheitlich praktizierten gleichen Vertragspraxis keine Rolle.

3. Die Klägerin war in der maßgeblichen Zeit kein Baubetrieb, weil sie bis zum 31. Dezember 2012 nach ihrem Geschäftsmodell keine Bauleistungen erbracht, sondern Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat.

a) Die Klägerin ist nicht schon deshalb ein Baubetrieb, weil sie Baufacharbeiter an Baubetriebe verleiht, die dort klassische Bautätigkeiten erbringen (z.B. Schalungsarbeiten). Der Betriebszweck eines Betriebes, der Arbeitnehmer verleiht, besteht in der Zurverfügungstellung von Arbeitskräften an andere Unternehmen und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in der Erbringung von Bauleistungen. Der Betriebszweck eines Baubetriebes und eines Verleihbetriebes unterscheiden sich wesentlich. Der Verleihbetrieb ist ein Dienstleistungsunternehmen und hat den Zweck, Arbeitnehmer anderen Unternehmen zu überlassen (vgl. BAG, Urteil vom 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 – juris). An welches Unternehmen die Arbeitnehmer überlassen werden, betrifft den Kern des Betriebszweckes eines Verleihbetriebes nicht. Welche Arbeiten der Leiharbeitnehmer konkret verrichtet, welches Bauwerk er errichtet usw. ist für den Verleiher nicht von Interesse. Das Überlassen von Arbeitnehmern selbst ist keine baugewerbliche Tätigkeit (vgl. Hamann in Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl, § 1b Rn. 75, Boemke in Lembke/Boemke, AÜG, § 1b Rn. 36). Ansonsten würde auch die gesetzliche Regelung in § 1b Satz 2 AÜG ins Leere gehen. Hiermit soll nach den Gesetzesmaterialien, die sog. Kollegenhilfe innerhalb des Baugewerbes geregelt werden (BT-Drs. 15/91 S. 17). Diese Ausnahmevorschrift wäre nicht nötig, wenn ohnehin die Überlassung von Bauwerkern an Baubetriebe die Erbringung von Bauleistungen darstellen würde.

b) Die Klägerin hat nach der Überzeugung des Senates in Auswertung der vorliegenden Unterlagen, beigezogenen Akten und unter Würdigung der Beweisaufnahme vom 21. März 2019 jedenfalls bis zum 31. Dezember 2012 ein Geschäftsmodell praktiziert, welches ganz überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet war und war deshalb kein Betrieb des Baugewerbes.

Zunächst sind die Verträge über Bauleistungen (Werk- oder Dienstvertrag) von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen abzugrenzen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Rechtsprechung folgende Kriterien für die Abgrenzung von einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und einem Dienst/oder Werkvertrag aufgestellt: Eine Überlassung von Arbeitskräften liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich endet die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (vgl. BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – zitiert nach juris). Bei einer Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages hingegen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch dem Werkunternehmer oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen (BAG a. a. O.).

Insoweit hat auch der EuGH - entgegen der Ansicht der Klägerseite – in der Entscheidung Martin Meat (Urteil vom 18. Juni 2015 – C -586/13 – Rn. 40 zitiert nach juris) nichts wesentlich Neues entschieden. In dieser Entscheidung hat der EuGH hervorgehoben, dass die Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst von der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrages zu unterscheiden sei. D. h., der Kunde kann bei der Erbringung von Dienstleistungen bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass dies eine Ausübung der Aufsichtsbefugnis i. S. einer Arbeitnehmerüberlassung darstellt, sofern der Leistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistungen für erforderlich hält. Dies deckt sich mit den Ausführungen des BAG, wonach allgemeine Weisungen zu der Ausführung des Werkes oder der Dienstleistung unschädlich sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann darin weder eine Aufgabe des Merkmals der "Eingliederung" noch eine Anerkennung "der Realität, dass stets der Auftraggeber auf den Baustellen die Weisungen gibt", erkannt werden.

Kennzeichen eines Bauvertrages ist eine abgegrenzte Leistung, die der Subunternehmer eigenverantwortlich zu erbringen hat. So heißt es in § 4 VOB/A, Bauleistungen seien so zu vergeben, dass die Vergütung nach Leistung bemessen wird. Auch bei einem Stundenlohnvertrag im Baubereich bleibt dieser Bezug zu einem bestimmten Leistungsumfang bestehen. Die Vergütung nach Stundenlöhnen ist eine Ausnahme von der Regelform des Leistungsvertrages. Solche Arbeiten werden auch als "Regiearbeiten" oder "Arbeiten auf Regiebasis" bezeichnet. Hier wird der für die Erbringung der Bauleistung erforderliche Aufwand an Arbeitsentgelt und Material abgegolten (vgl. Leupertz/v. Wietersheim, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 4 VOB/A Rn. 28). Von besonderer Bedeutung ist der "Stundenlohnzettel" nach § 15 Abs. 3 VOB/B. Dieser ist von dem Auftragnehmer auszufüllen und dem Auftraggeber zur Prüfung vorzulegen. Für eine ausreichende Dokumentation muss die Art und der Umfang der Leistung nachvollziehbar sein. Insofern bedarf es einer nachvollziehbaren Beschreibung der ausgeführten Tätigkeit und möglichst der Verortung der Tätigkeiten (z. B. Bauteil, Ebene, Achse) (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2013 – 22 U 161/12 – juris). Da es sich um eine Ausnahme von der Regelform der Leistungserbringung handelt, bestehen nach der VOB/B Einschränkungen. Die Stundenlohnvergütung darf nur zum Zuge kommen, wenn es sich um Bauleistungen geringen Umfanges handelt, insbesondere bei Neben- oder Hilfsarbeiten - z. B. das Stemmen von Löchern oder Schlitzen für Leitungsrohre bei einem gleichzeitig errichteten Rohbau (vgl. Schranner in Leupertz/v. Wietersheim, VOB, 20. Aufl 2017, § 4 Rn. 30). Der Grundsatz, dass sich die Stundenlohnvereinbarung auf eine abgrenzbare Leistung beziehen muss, gilt auch für Regiestunden nach Werkvertragsregelungen des BGB, wenn keine VOB/B vereinbart sind.

Die Klägerin hat vor dem 1. Januar 2013 arbeitszeitlich ganz überwiegend keine eigenständigen gewerblichen Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht, sondern Arbeitnehmerüberlassung betrieben. Dies gilt auch für den hier relevanten Zeitraum.

Da nach der eigenen Darstellung der Klägerin in Übereinstimmung mit den von den Zollämtern beschlagnahmten Unterlagen bis auf wenige Ausnahmen ein einheitliches Geschäftsmodell praktiziert wurde, kann dieses exemplarisch geprüft werden. Danach stellt sich für den Senat die Sachlage zusammenfassend wie folgt dar: Bis zum 31. Dezember 2012 wurden von der Klägerin schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge für einzelne Arbeitnehmer mit den Auftraggebern geschlossen, auch im weiteren Fortgang der Baustelle wurde kein geänderter schriftlicher Vertrag unterzeichnet (dazu unter aa). Zudem wurde ausschließlich auf der Basis der von der Klägerin vorgefertigten Stundenzettelformulare unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Stunden von den Arbeitnehmern aufgeschrieben und vom Auftraggeber bestätigt (dazu unter bb). Abgerechnet wurde ohne nähere Angabe der durchgeführten Arbeiten allein unter Verwendung von Gattungsangaben (dazu unter cc). Der Umstand, dass der Auftraggeber bei der Abrechnung die Umsatzsteuer gem. § 13b UStG trägt, ist nicht entscheidend (dazu unter dd). Die von der Klägerin behauptete, mündlich besprochene und "anders gelebte" Vertragsdurchführung im weiteren Verlauf der Leistungserbringung hält der Senat für nicht nachvollziehbar; dabei stellen auch die Erklärungen der Auftraggeber (Anlagenkonvolute 13, 14, und 14a) keinen ausreichenden Hinweis auf eine abweichende Vertragspraxis dar, sondern beziehen sich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der steuerrechtlichen Behandlung durch die Vertragsparteien (dazu unter ee).

Im Einzelnen gilt:

aa) Es wurden bis zum 31. Dezember 2012 im Regelfall schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge für die einzelnen Arbeitnehmer der Klägerin mit den Auftraggebern abgeschlossen. Der Zeuge E., ein früherer Geschäftsführer der Klägerin (und nunmehrige Gesellschafter), hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2019 erklärt, dass zur Sicherheit immer Überlassungsverträge geschlossen wurden. Auch der Zeuge G. hat ausgeführt, dass häufig Überlassungsverträge abgeschlossen wurden, bzw. dass in seiner Niederlassung für jeden Arbeitnehmer zu Beginn ein Überlassungsvertrag schriftlich vereinbart worden ist. Nach der eigenen Darstellung der Klägerin zu dem üblichen Geschehensablauf im Schriftsatz vom 13. November 2018 (Bl. 332 GA) war der Abschluss eines schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages der Regelfall. Danach ist es bei ihr gängige Praxis gewesen, mit Neukunden und auf neuen Baustellen langjähriger Kunden zunächst schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge zu schließen. Damit hat die Klägerin auch das Auffinden der schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge bei einem nahezu vollständigen Fehlen anderer schriftlicher Verträge bei den Durchsuchungen durch den Zoll zu erklären versucht. Auf die Auflage, andere bis zum 31. Dezember 2012 verwandte schriftliche Verträge vorzulegen, hat die Klägerin nur vereinzelte Verträge in den Jahren 2010 bis 2012 vorgelegt, unter denen nur ein Vertrag unter Vereinbarung von der VOB/B (Firma M. GmbH & Co KG) war.

Der Vortrag der Klägerin bezog sich damit zuletzt nicht mehr darauf, dass tatsächlich in relevanter Zahl andere schriftliche Verträge mit den Auftraggebern abgeschlossen worden seien, sondern ausschließlich darauf, dass die Vertragsdurchführung im weiteren Verlauf "anders gelebt worden sei". Der Zeuge G. hat dazu ausgeführt, dass ein "Wechsel des Vertrages per Handschlag nach 2-3 Tagen" erfolgt sei. In diesem Zusammenhang hat der Senat es nicht mehr für erforderlich erachtet, die Zeugen S. und H. vom Hauptzollamt zu hören. Diese waren im Rahmen der behaupteten "anders gelebten Vertragspraxis" nicht anwesend. Die vorgefundenen schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge weisen auch alle Merkmale für Arbeitnehmerüberlassung auf. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, nach deren Darstellung "zur Sicherheit" Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen worden sind. Gegenstand dieser Verträge sind "Leiharbeitnehmer", die angefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten die für eine Arbeitnehmerüberlassung typische Risikoverteilung. So ist die Haftung der Klägerin für die Arbeitnehmer gem. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 50 RS Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E.) auf das Auswahlverschulden begrenzt. Ein geänderter schriftlicher neuer Vertrag (Werk- oder Dienstleistungsvertrag) wurde nicht geschlossen. Als einziges Vertragsdokument (mit Ausnahme von Rahmenverträgen) ist der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag aufbewahrt und abgelegt worden. Die Klägerin behauptet zwar, dass es mündlich abgeänderte Vereinbarungen und eine "anders gelebte" Vertragspraxis gegeben habe, nicht aber, dass diesbezüglich auch andere Unterlagen zu den Akten genommen worden seien. Weitere Ermittlungen in Bezug auf schriftliche Unterlagen über die Änderung der Arbeitnehmerüberlassungsverträge waren damit nicht anzustellen.

bb) Die Arbeitnehmerüberlassungsverträge als Vertragsgrundlage wurden auch bei der Erfassung der geleisteten Stunden in Bezug genommen. Die Klägerin hat hierbei einen Vordruck verwandt, den der Zeuge F. nach eigener Aussage selbst entwickelt und den die Klägerin jedenfalls bis Ende 2012 auch ausschließlich verwandt hat. So gab es nach den Aussagen aller Zeugen für die Erfassung der Stunden keinen anderen Vordruck oder ein anders Erfassungssystem. Auf diesem Vordruck bestätigten die Auftraggeber die von den Arbeitnehmern geleisteten Stunden. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Auftraggeber unter Bezugnahme auf den ihm übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Richtigkeit der Angaben unter Anerkennung der umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hierbei handelte es sich um die detaillierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für F.-Zeitarbeitnehmer. D. h., die im Stundenzettel bestätigte Leistungserfüllung (für eine Woche) bezieht sich allein auf die Leistung, einen bestimmten Arbeitnehmer für eine bestimmte Anzahl an Stunden auf der Basis des abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.

Über den Bezug auf den abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die dafür geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinaus würden die Stundenzettel auch im Übrigen nicht die Anforderungen an eine Dokumentation von Stundenlohnarbeiten erfüllen. Denn es findet sich keine Darstellung einer abgegrenzten erbrachten Leistung. Wie bereits oben dargestellt, erfordert ein abrechnungsfähiger Stundenzettel für Regiestunden, dass eine Beschreibung der ausgeführten Tätigkeit (z. B. Mauern errichten im - Bauteil, Ebene oder Achse), an der der Arbeitnehmer mitgewirkt hat, genannt wird. Denn der Stundenzettel bezieht sich auf die (Teil)erfüllung einer abgrenzbaren Leistung. Diesen Anforderungen wird die Gattungsbezeichnung der Tätigkeit auf dem Stundenzetteln wie z. B. "Schalungsarbeiten" "Tiefbauarbeiten", "Einschalungsarbeiten", "Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten" "Kranführertätigkeit", nicht gerecht.

cc) Auch in den Rechnungen der Klägerin an die Auftraggeber finden sich keine Hinweise auf konkrete abgrenzbare Leistungen, die abgerechnet worden wären. Vielmehr wird auch hier der Umfang der Leistung nur unter Angabe der Baustelle und einer Gattungsangabe der Tätigkeit z. B. "Schalungbauarbeiten". oder "Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten" sowie unter Angabe eines konkreten Namens eines Arbeitnehmers (z. B. Herr B. Bl. 51 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt bzw. Herr W. Bl. 59 ebenda) beschrieben. Eine solche Angabe von dem Leistungszeitraum und der Gattungsbezeichnung ist nur ausreichend bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, nicht aber bei einer Stundenlohnvereinbarung. Hier müssten die Leistung beschrieben werden, d. h. auf welche Bauleistung (sei es auch Nebenarbeiten) sich das Tätigwerden des eingesetzten Subunternehmers bezieht und was konkret davon mit dieser Rechnung bereits bezahlt werden soll. Auch die Rechnungen weisen nicht auf eine veränderte Vertragsgrundlage hin.

dd) Der Umstand, dass auf der ganz überwiegenden Anzahl der Rechnungen der Klägerin ausgewiesen ist, dass die Umsatzsteuer gem. § 13b UStG der Auftraggeber trägt, ist für die Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag nicht von entscheidender Bedeutung. Denn bei der steuerrechtlichen Beurteilung bestehen Besonderheiten. Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in der Fassung vom 21. Juli 2011 (gültig bis 29. Juni 2013) entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG schuldet in diesen Fällen der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen dieser Art erbringt.

Im Umsatzsteuer-Anwendererlass vom 1. Oktober 2010, geändert durch die BMF Schreiben vom 21. Oktober und 15. Dezember 2010 und 17. Dezember 2012, gibt es den Hinweis zu § 13b UStG: Hat ein Leistungsempfänger für einen an ihn erbrachten Umsatz u. a. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in Verbindung mit Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz und Sätze 2 und 3 angewandt, obwohl die Voraussetzungen hierfür fraglich waren oder sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben, ist diese Handhabung beim Leistenden und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn sich beide Vertragspartner über die Anwendung von § 13b UStG einig waren und der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wurde. Auf diese Regelung nehmen teilweise die Auftraggeber auch Bezug in ihren Schreiben zu der Rechtmäßigkeit der Zahlung der Umsatzsteuer durch den Auftraggeber (Anlagenkonvolut 14., z. B. Schreiben vom 3. Februar 2017 der Arbeitgeberin H. F. H. und T. GmbH). D.h. die steuerlichen Kriterien sind nicht identisch mit der arbeitsrechtlichen Abgrenzung der Vertragstypen. Das Steuerrecht ermöglicht gerade ein konsensuales Auswahlverfahren von Steuerzahler und Steuerschuldner zur Vermeidung von Zahlungsrückabwicklungen. Solche konsensualen Gestaltungsmöglichkeiten widersprechen dem Schutz- und Verbotsregelungen des AÜG

ee) Die Behauptung der Klägerin, die Verträge seien aber im weiteren Verlauf "anders gelebt worden", hält der Senat unter Würdigung der vorhandenen Unterlagen und der Einlassungen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019 nicht für nachvollziehbar. Vielmehr konnten die Zeugen die Widersprüche zwischen den vorgefundenen Unterlagen zu den einzelnen Verträgen und der behaupteten anderen Durchführung nicht aufklären. Weder gab es plausible Erklärungen dafür, warum durchgehend schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen wurden, obwohl in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle im Endeffekt ein anderer Vertragstyp gewollt gewesen sei. Noch konnte die Klägerin bzw. konnten die Zeugen erklären, warum gänzlich andere Inhalte, eine andere Kalkulation aufgrund von grundlegend anderen Haftungsregelungen usw. gewollt gewesen seien, formal aber an dem ursprünglich vereinbarten anderen Vertragstyp mit anderem Inhalt festgehalten wurde.

Die von der Klägerin angebotene Erklärung, der Abschluss der schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge habe so geschehen müssen, weil nur so im Rahmen der sog. "Fallschirmlösung" eine Absicherung möglich gewesen sei, überzeugt nicht. Die von der Klägerin angesprochene Fallschirmlösung nimmt Bezug auf die Entscheidung des BAG vom 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15 – zitiert nach juris. Darin hat das BAG entschieden, dass das Fingieren eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Auftraggeber bei einer Unwirksamkeit des Vertrages zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gem. § 9 Nr. 1 AÜG schon dann nicht greift, wenn eine erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dies gelte auch dann, wenn keiner der "Werkverträge" offen als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet worden sei. D. h. der Fallschirm besteht darin, dass eine Verleiherlaubnis (vorsorglich) eingeholt wird. Selbst wenn der als Werkvertrag bezeichnete Vertrag sich nach der Prüfung durch die Arbeitsgerichte in Wirklichkeit als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag herausstellt, kann wenigstens die Rechtsfolge nach § 10 AÜG verhindert werden. Die vorliegende Konstellation ist aber grundsätzlich anders. Vorliegend verfügte die Klägerin über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Da im Baubereich Arbeitnehmerüberlassung verboten ist, läge es von Anfang an im Interesse der Klägerin, nur Werkverträge abzuschließen, um unter den Sondertatbestand der Kollegenhilfe zu fallen. Es erscheint nicht schlüssig, den Vertragstyp immer vorsorglich abzuschließen, der gerade die Unzulässigkeit der eigenen Handlungsweise begründet und den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung provoziert.

Auch der Hinweis der Klägerin, aufgrund des Schriftformerfordernisses in § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG für den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag habe ein solcher Vertrag abgeschlossen werden müssen, überzeugt nicht. Es trifft zwar zu, dass im Fall eines Scheinwerkvertrages dieser gemäß § 117 Abs. 1 BGB als solcher nichtig wäre, wobei nach § 117 Abs. 2 BGB der Vertrag sodann an den Maßstäben des AÜG zu messen und in Ermangelung der formalen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG nach § 134 BGB bzw. § 125 Satz 1 BGB nichtig wäre (vgl. BAG Urteil vom 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15, a. a. O, Rn. 17). Dies würde aber hier nicht die Rechtsfolge nach § 10 AÜG auslösen, also ein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und den Arbeitnehmern der Klägerin begründen (s. o.). Die Formvorschrift in § 12 AÜG dient in erster Linie dem Schutz des Entleihers. Auch nach der Darstellung der Klägerin sollte bewusst zunächst ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit den entsprechende Rechten und Pflichten abgeschlossen werden. Erst wenn sich bei der Begehung durch den Verantwortlichen später herausstellen würde, dass ein anderer Vertrag besser passen würde, sollte ein solcher mündlich vereinbart worden sein.

Für eine solche Veränderung der vertraglichen Grundlage im Verlauf der ausgeführten Arbeiten gibt es im weiteren Verlauf der Abwicklung der Vertragsdurchführung keinen Hinweis.

Dieser Vortrag passt nicht zu den vorgefundenen Dokumenten und dem weiteren Verlauf der Vertragsabwicklung. Erstens ist nie eine Veränderung der Kalkulation erfolgt. Auch nach der Darstellung der Klägerin war der Stundenverrechnungssatz für Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungsverträge identisch kalkuliert. Dies widerspricht jedoch den damit jeweils verbundenen Rechten und Pflichten. Ein Zeitarbeitsunternehmen muss anders als bei Werkverträgen keine Gewährleistungsbürgschaften finanzieren, es müssen keine Einkaufs- und Kalkulationsabteilungen vorgehalten werden, weil nur Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden (vgl. bi bauwirtschaftliche Informationen 10/97 Bl. 242 VA). Es ist daher ungewöhnlich, dass trotz einer Haftung für eine bestimmte Leistung und die damit verbundenen Risiken, der gleiche Stundensatz gelten soll.

Entscheidend jedoch ist, dass auch nach der Durchführung der Arbeiten durch den Arbeitnehmer auf dem Stundenzettel unverändert nur auf den einzigen schriftlich abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die hierfür geltenden AGB verwiesen wird. Es handelt sich hier nicht um eine Abweichung von schriftlich Vereinbartem und angeblich anders Gelebtem im Einzelfall, sondern um die regelmäßige Handhabung, nahezu in jedem Vertrag. Auf den Stundenzetteln oder den Rechnungen gibt es keinen Hinweis, dass die ersten Tage als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgerechnet wurden, die folgenden Tage aber einer bestimmten Leistung zuzuordnen waren, für die als Regiestunden Leistungen erbracht wurden. Es leuchtet nicht ein, dass der Auftraggeber bei der Bestätigung der geleisteten Stunden unverändert auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die hierzu vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Bezug nimmt, obwohl nach der Behauptung der Klägerin in Wirklichkeit ein anderer Vertrag mit anderen Haftungsregelungen usw. jedenfalls nach dem 2. oder 3. Tag gewollt und vereinbart war. Bei der Zusammenarbeit mit großen Baufirmen ist es nicht nachvollziehbar, dass die Verträge nicht geprüft sowie die Stundenzettel fälschlicherweise unter Bezugnahme auf einen nicht mehr geltenden Vertrag unterzeichnet wurden mit der Folge, dass der Auftraggeber fast keine Gewährleistungsansprüche für die Arbeit hat und nur ein Verschulden der Klägerin bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer einwenden kann. Der Erklärungsversuch, die Frage von Sachmängelgewährleistung sei im Bereich des Hoch- und Tiefbaus nicht erforderlich, ist nicht plausibel. Auch wenn das Material des Auftraggebers verwendet wird, können bei der Ausführung durch die Arbeitnehmer Fehler passieren. Durch den schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die Bezugnahme in den Stundenzetteln auf diesen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen waren die Vertragsbedingungen komplett gerichtsfest geregelt. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass bei einer Abänderung dieser vertraglichen Leistung im Verlauf der Leistungserbringung hierzu keine weiteren Unterlagen erstellt werden. Die Erklärung des Zeugen E., dass den schriftlichen Unterlagen, die allein auf einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als Vertragsgrundlage verweisen, eine solche Bedeutung nicht beigemessen wurde, erscheint lebensfremd. Insbesondere für den Vertragspartner kommt es darauf an, welche Leistung er "eingekauft" hat. Der Auftraggeber hätte enorme Schwierigkeiten, einen eigenen Anspruch gegen den vorliegenden schriftlichen Vertrag nebst vereinbarten AGB auf Nachbesserung usw. geltend zu machen. Die Klägerin hat auch keine Unterlagen vorlegen können, aus denen sich Nacharbeiten bzw. eine durchgeführte Gewährleistung ergab.

Hinzu kommt, dass auch die weiteren Unterlagen bei der Klägerin allein auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als das entscheidende Vertragsdokument verweisen. So wird in den Arbeitsanweisungen zur internen Firmendatenbank (mit Datum vom 29. April 2011, Bl. 94 - 99 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E. –Beweismittelordner 1) zur Erfassung der Verträge der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als das eigentliche Dokument im Streitfall bezeichnet (Bl. 99 RS). Die Arbeitnehmerüberlassungsverträge müssten mit Aufnahme der Arbeiten auf der Baustelle spätestens im Büro des Kunden liegen (ebenda). Das Informationssystem hat überhaupt keine Eingabefunktion zu einem Werkvertrag und hierfür relevanten Bedingungen. Es gibt auch nur für die Arbeitnehmerüberlassung Allgemeine Geschäftsbedingungen bei der Klägerin, nicht aber zu anderen Vertragstypen.

Auch mit der Rechtsprechung zu Scheinwerkverträgen lässt sich die Rechtsposition der Klägerin nicht begründen. Danach entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung des Vertrages, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsparteien am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2007 – 7 AZR 487/06 – juris). Diese Konstellation geht davon aus, dass die Vertragsparteien durch den schriftlichen Vertrag nach außen einen bestimmten Vertragstyp als vereinbart erscheinen lassen wollen, die Beteiligten in Wirklichkeit aber von Anfang an etwas anderes gewollt und so auch ihren Vertrag durchgeführt haben. Es soll aus bestimmten Gründen ein bestimmter Schein erzeugt werden, z. B. weil keine Verleiherlaubnis vorliegt, weil das andere Geschäft beurkundet werden muss.

Die vorliegende Konstellation ist grundlegend anders. Zum einen soll hier nicht der Schein eines für die Klägerin günstigen Vertrages gewahrt werden, zum anderen sollte am Anfang des Geschäftes nach dem Vortrag der Klägerin auch ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vereinbart werden. Erst im Verlauf der Vertragsdurchführung soll dann der Vertrag "anders gelebt worden sein". Es kann dahinstehen, ob die Klägerin wie behauptet, die Leiharbeitnehmer häufig als eigene Kolonne angeboten hat. Hieran bestehen insoweit bereits Zweifel, als die Rechnungen zumeist die Stundenleistungen von zwei oder allenfalls drei Arbeitnehmern aufweisen. Auch hat der Zeuge G. ausgesagt, dass es sich für die Mitarbeiter selbst nicht unbedingt erschlossen habe, ob sie im Rahmen eines Werkvertrages oder im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tätig würden und für wen sie arbeiteten. Dies widerspricht der eigenen Aussage des Zeugen, nach der es einen Baustellenverantwortlichen von der Klägerin gegeben habe und die Arbeitnehmer eigenständig arbeiteten. Auch das gemeinsame Arbeiten der Leiharbeitnehmer ändert nichts daran, dass die Klägerin bewusst den Vertragstyp der Arbeitnehmerüberlassung gewählt hat und der Auftraggeber hieraus die entsprechenden Rechte ableiten kann.

Die nachträglich vorgelegten Bescheinigungen der Auftraggeber in den Anlagenkonvoluten 13, 14, 14a stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Die in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle von der Klägerin vorformulierten Erklärungen, die die Auftraggeber in den Jahren 2014, 2016 und 2017 für die Vertragsabwicklung in der Vergangenheit (2007 bis 2012 Anlagenkonvolut 13 und 14) unterschrieben haben, beziehen sich auf die steuerrechtliche Durchführung der Verträge, insbesondere auf die Frage, ob die Abführung der Umsatzsteuer durch den Auftraggeber rechtmäßig war. Unter welcher Fragestellung den Auftraggebern die vorgefertigten Erklärungen vorgelegt wurden, zeigen die individuellen Antworten von Auftraggebern, die die Erklärungen nicht einfach unterschrieben haben, sondern individuelle Schreiben aufgesetzt haben. In dem Schreiben vom 7. Februar 2017 der H. F. H. und T. GmbH (Anlagenkonvolut 14), heißt es im Betreff "Anwendbarkeit von § 13b UStG". Zudem wird auf die Einigkeit der Anwendbarkeit des § 13b UStG verwiesen und der Umsatzsteuer-Anwendungserlass hierzu zitiert. Auch im Schreiben der J. F. Bauunternehmung GmbH vom 26. Januar 2017 wird auf die Steuerschuldnerschaft Bezug genommen, ebenso im Schreiben der G. P. vom 30. September 2014, dem Schreiben der H. + W. Bau GmbH vom 1. Oktober 2014 (alle Anlagenkonvolut 14) sowie dem Schreiben der H. F. Bauunternehmung vom 29. November 2016 (Anlagenkonvolut 13).

Die vorgefertigten Erklärungen enthalten die Formulierung, dass sich die Vertragspartner über die Anwendung § 13b UStG einig waren und dass der Umsatz vom Auftraggeber versteuert wurde und dass dies von dem Finanzamt geprüft wurde, ohne eine Beanstandung vorzunehmen. Dass die Auftraggeber in den vorgefertigten Erklärungen die einleitende Formulierung, dass die F. als von ihnen – den Auftraggebern – beauftragter Nachunternehmer Bauleistungen erbracht habe mit unterschrieben haben, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn es werden keine Tatsachen genannt, die den bisherigen Unterlagen widersprechen. Auch die eingereichten Unterlagen im Anlagenkonvolut 14a beziehen sich auf die Steuerschuldnerschaft. Hier ist jeweils eine Bestätigung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Auftraggebers) enthalten.

Die im Anlagenkonvolut 19 vorgelegten und nicht unterschriebenen 26 Aktennotizen zu Baustellen weisen kein Datum der Erstellung auf und sind nicht ergiebig. Sie stehen jedenfalls nicht repräsentativ für die gesamte Durchführung und dokumentieren keine anderen Vereinbarungen. Es werden keine Tatsachen benannt, wann was vereinbart worden ist. Bei den Durchsuchungen durch das Hauptzollamt wurden keine solche Aktennotizen zu Bauvorhaben gefunden. Für den Regelfall hat etwa der Zeuge G. ausgesagt, dass es zum Werkvertrag keine schriftlichen Unterlagen mehr gegeben hat. Auch der Zeuge F. hat hervorgehoben, dass erst ab 2013 zusätzlich von den Auftraggebern noch Leistungsnachweise unterschrieben worden seien (Bautagebuch). Andere schriftliche Unterlagen außer dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bräuchte es nach der Darstellung der Klägerin nicht (so wenig Papier wie möglich).

Nach alledem war die Klägerin jedenfalls im hier relevanten Zeitraum bis zum 31. Dezember 2012 kein Baubetrieb, so dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wintergeld für ihre Arbeitnehmer fehlen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Es handelt sich um ein kostenprivilegiertes Verfahren, weil die Leistungen von Arbeitnehmern gegen die Beklagte geltend gemacht werden.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine grundsätzlichen Fragen aufwirft. Im Kern geht es um eine Subsumtion im Einzelfall, ob das Geschäftsmodell der Klägerin auf dem Abschluss von Werk-/Dienstverträge oder von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen beruht.
Rechtskraft
Aus
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