L 5 AS 489/19 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 1253/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 489/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Erstausstattung mit Kleidung.

Der 1987 geborene Antragsteller war bis Ende Januar 2018 ohne festen Wohnsitz. Er bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II) vom Antragsgegner. Am 24. November 2017 stellte er dort einen "Antrag bzgl. Winterbekleidung" und konkretisierte diesen wie folgt:

- 1 Winterjacke/-mantel

- 1 Mütze

- 1 Paar Handschuhe

- 2 Paar Winterschuhe

- 5 Unterhemden

- 5 lange Unterhosen

- 3 Hosen

- jew. 10 Paar Socken (dick und dünn)

- 1 Gürtel

- 1 Jacket und Anzughose

Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Dezember 2017 ab, weil der geltend gemachte Bedarf bereits im Regelbedarf berücksichtigt sei. Seinen dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Antragsteller wie folgt: "a) Hab nichts brauchbares b) Brauch aber was". Sein ursprünglicher Antrag habe auf "Erstausstattung für gesamte Bekleidung" gelautet, nicht nur auf Winterkleidung. Sein derzeitiger Bestand an Kleidung sei nicht gerade in einem vorzeigbaren Zustand.

Am 3. Mai 2018 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sein Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Erstausstattung mit Bekleidung sei seit mehr als drei Monaten unbeantwortet. Bei Antragstellung habe er praktisch nur die Kleidung gehabt, die er am Körper getragen habe. Diese rieche nach Wald, da er dort zuvor gelebt habe. Er habe bei Antragstellung keinerlei Ersparnisse gehabt.

Ebenfalls unter dem 3. Mai 2018 hat der Antragsteller beim SG einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit diesem hat er "die noch ausstehende Miete für Februar, März und Mai" begehrt, außerdem ab sofort einen Betrag von monatlich 230 EUR für Miete, Strom und Internet sowie die Bearbeitung eines Antrags auf Wohnungs-Erstausstattung und die Zahlung des dafür benötigten Geldes. Dieser Schriftsatz ist beim SG zusammen mit dem Antrag bzgl. der Bekleidungs-Erstausstattung vom selben Tag zur Prozessakte S 19 AS 1253/18 ER genommen worden. In einem späteren Schriftsatz hat der Antragsteller u.a. ausgeführt, der Antragsgegner schulde ihm "inzwischen 1.600 EUR (Miete + Regelsatz)".

Der Antragsteller hat am 6. und am 24. Juli 2018 Verzögerungsrügen erhoben und sich dabei sowohl auf seinen Antrag auf Erstausstattung mit Kleidung als auch auf weitere Begehren (Erstausstattung mit Möbeln, Miete, Regelbedarf) bezogen.

Während des laufenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2018 als unbegründet zurück.

Mit Beschluss vom 27. August 2018 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung bzgl. der Bekleidungs-Erstausstattung abgelehnt. Der Antragsteller habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ausweislich seiner Antragsschrift begehre er die Gewährung einer Erstausstattung mit Bekleidung. Die Höhe der Mietzahlungen sei ebenso wie die Wohnungs-Erstausstattung und die Zahlung von Grundsicherungsleistungen für zurückliegende Zeiträume nicht Gegenstand des Verfahrens. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstausstattung mit Bekleidung stehe dem Antragsteller nicht zu. Kosten für den Ersatz oder die Instandhaltung alter Kleidungsstücke seien aus der Regelleistung zu bestreiten. Ein Anspruch auf eine Erstausstattung gemäß § 24 Abs. 3 SGB II setze das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände voraus, etwa eine langjährige Inhaftierung. Solche Umstände habe der Antragsteller nicht dargelegt. Auch einen Anordnungsgrund habe er nicht glaubhaft gemacht. Zur Rechtsmittelbelehrung hat das SG ausgeführt, der Beschluss sei unanfechtbar, weil der Beschwerdewert 750 EUR nicht erreiche. Auch wenn der Antragsteller keinen konkreten Betrag genannt habe, sei unter Berücksichtigung der in der Richtlinie für einmalige Bedarfe genannten Leistungen für Winterbekleidung der maßgebliche Beschwerdewert nicht erreicht. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 30. August 2018 zugestellt worden.

Mit seiner am 27. August 2019 erhobenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er verweist darauf, dass er 1.600 EUR gefordert habe. Sein Antrag sei auf eine komplette Neuausstattung mit Bekleidung gerichtet gewesen, nicht bloß auf Winterkleidung. Außerdem seien die fehlenden Schecks, die Möbel-Erstausstattung und die Weigerung des Antragsgegners, Leistungen zu überweisen, nicht berücksichtigt worden.

Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Antragsgegners beigezogen.

II.

Der Antrag ist zu verwerfen, weil er unzulässig ist. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG der Fall, wenn die Klage eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR nicht übersteigt und die Berufung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelführer versagt hat und was dieser mit seinen Rechtsmittelanträgen zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels weiter verfolgt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B –, juris Rn. 6). Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln, wobei eine überschlägige Berechnung ausreichen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 15b m.w.N.).

Gegenstand der angegriffenen Entscheidung war ausschließlich das Begehren einer einstweiligen Anordnung bzgl. einer Erstausstattung mit Kleidung. Über die weiteren, im Laufe der Zeit z.T. wechselnden Anträge (u.a. angeblich rückständige Leistungen i.H.v. 1.600 EUR) hat das SG dagegen nicht entschieden. Insoweit ist der Antragsteller nicht durch eine ablehnende Entscheidung des SG beschwert.

Die weiteren Anträge sind nicht etwa deshalb bei der Wertbestimmung zu berücksichtigen, weil das SG sie zu Unrecht bewusst übergangen hätte, so dass sie gleichwohl Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden wären (siehe dazu BSG, Beschluss vom 2. April 2014 – B 3 KR 3/14 B –, juris Rn. 10; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 140 Rn. 2c). Das SG hat die besagten Anträge zwar ausdrücklich nicht als streitgegenständlich angesehen und damit bewusst ausgeklammert. Damit hat es aber nicht einen Teil des Streitstoffs übergangen, sondern vielmehr den Streitgegenstand zutreffend bestimmt.

Der Antragsteller hatte sich im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis dazu entschieden, unter dem 3. Mai 2018 zwei eigenständige, jeweils mit Anlagen versehene Antragsschriften beim SG einzureichen. Beide betrafen voneinander unabhängige Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung: die eine Antragsschrift die Erstausstattung mit Bekleidung; die andere die Überweisung angeblich ausstehender Leistungen für Unterkunftskosten, weitere laufende Leistungen sowie eine Wohnungs-Erstausstattung. Allein der Umstand, dass diese beiden taggleich eingegangenen Antragsschriften beim SG – offenbar versehentlich – in einer Akte abgeheftet worden sind, führt noch nicht dazu, dass es sich auch um ein Verfahren handelt. Es ist vielmehr die freie Entscheidung des Antragstellers, ob er mehrere Antragsbegehren getrennt verfolgt oder ob er sie im Rahmen einer objektiven Antragshäufung entsprechend § 56 SGG zusammen in einem Verfahren geltend macht. Entscheidet er sich

– wie vorliegend – für die getrennte Geltendmachung, bleibt es bei der Eigenständigkeit der Verfahren, bis das Gericht sie ggf. durch Beschluss entsprechend § 113 Abs. 1 SGG miteinander verbindet. Das ist vorliegend nicht geschehen. Über den demnach wohl noch offenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bzgl. Unterkunftskosten usw. wird das SG deshalb ggf. noch gesondert zu entscheiden haben.

Der Wert des somit allein maßgeblichen Anspruchs auf eine Erstausstattung mit Bekleidung liegt deutlich unter 750 EUR. Bei der Wertbemessung ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner zur Gewährung von Sachleistungen und zur Pauschalierung berechtigt ist (§ 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II). So sieht die vom SG herangezogene Richtlinie der Landeshauptstadt Magdeburg für einmalige Bedarfe vom 27. Januar 2014 beispielsweise für die Erstausstattung mit einem Wintermantel oder einer Winterjacke einen Betrag von 33 EUR vor, für eine Hose 11 EUR, für ein Dreierpack Strümpfe 4 EUR, für ein Dreierpack Slips 7 EUR, für ein Zweierpack Hemden 7 EUR, für Handschuhe 2 EUR, für eine Mütze 5,50 EUR, für einen Schal 4,50 EUR und für ein Paar Winterschuhe 32 EUR. Selbst wenn man diese Werte vorsorglich verdoppelt und zusätzlich das begehrte Jacket und den Gürtel berücksichtigt, erreichen die vom Antragsteller in seinem Antrag vom 24. November 2017 angeführten Gegenstände bei Weitem keinen Wert von mehr als 750 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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