L 4 AS 466/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 427/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 466/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Mai 2018 wird aufgehoben, soweit der monatliche Betrag der Verurteilung 84,32 EUR übersteigt. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei geht es um die zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013.

Die 1988 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im Weiteren: Klägerin) bezieht von dem Beklagten und Berufungskläger (im Weiteren: Beklagter) laufend SGB II-Leistungen. Seit 2009 bewohnte sie eine 57,33 m² große Wohnung in einem mittels Fernwärme beheizten Wohnkomplex mit einer Gesamtwohnfläche von 3.395 m² in der Lutherstadt Wittenberg. Die Warmwasserbereitung erfolgt über die Heizung. Im streitigen Zeitraum betrug die Gesamtmiete 456,99 EUR. Zur Kaltmiete von 257,99 EUR kam eine Betriebskostenvorauszahlung von 99 EUR sowie eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 100 EUR.

Nach Auszug des Sohns im Oktober 2011 belehrte der Beklagte die Klägerin in der Anlage zum Änderungsbescheid vom 21. November 2011 über die Unangemessenheit ihrer Aufwendungen für die KdUH und forderte sie auf, diese bis spätestens 31. Mai 2012 zu senken. Die angemessene Bruttokaltmiete (BKM) für einen Einpersonenhaushalt betrage 273,50 EUR. Für Heizkosten seien derzeit nach dem Bundesdeutschen Heizspiegel maximal 80,83 EUR zu berücksichtigen. Ab Juni 2012 berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsgewährung nur noch diese angemessene BKM.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22. November 2012 bewilligte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. November 2012 Leistungen für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013. Als KdUH berücksichtigte er eine BKM von 273,50 EUR und Heizkostenvorauszahlungen von 77,92 EUR (KdUH insgesamt: 351,42 EUR).

Am 3. April 2014 beantragte die Klägerin, für die seit dem 16. Mai 2013 eine Betreuerin für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt war, die Überprüfung des Bescheids vom 28. November 2012. Mit Bescheid vom 26. November 2014 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Es seien keine neuen Tatsachen vorgebracht worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Die Einwände gegen die Ausgangsentscheidung seien bereits bei Erlass der Erstentscheidung beachtet worden.

Dagegen hat die Klägerin am 27. Februar 2015 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben und die Bewilligung weiterer Leistungen für die KdUH in Höhe der der tatsächlichen Aufwendungen, insgesamt 500,94 EUR, geltend gemacht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen nicht geeignet, da sie rechtsfehlerhaft sei. Das zugrundeliegende Konzept sei nicht schlüssig. Insbesondere sei die Herausnahme aller Ein- und Zweifamilienhäuser bei einer weitgehend aus solchen Gebäuden bestehenden ländlichen Siedlungsstruktur nicht nachvollziehbar. Es werde deutlich, dass "zielorientiert" bestimmte Mietwerte bei der Erhebung ausgeschlossen worden seien. Die Bildung von Vergleichsräumen und Wohnungsmarkttypen sei nicht nachvollziehbar. Daher seien die tatsächlichen Mietkosten zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 3. Mai 2018 hat das SG die Bescheide des Beklagten im Überprüfungsverfahren aufgehoben und ihn verpflichtet, der Klägerin unter Änderung des Bescheids vom 28. November 2012 im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 monatlich weitere KdUH in Höhe von 84,42 EUR zu gewähren. Das SG hat im Urteil die Berufung zugelassen und zur Begründung ausgeführt, die Angemessenheitswerte im Landkreis Wittenberg beruhten nicht auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Es spreche vieles dafür, dass nicht der gesamte Landkreis Wittenberg als ein Vergleichsraum anzusehen sei. Methodisch fehlerhaft seien die nicht nachgewiesene Differenzierung der erhobenen Wohnungen nach ihrem Standard und der Ausschluss von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung. Der Konzeptersteller habe nach seinen Angaben den gesamten Wohnungsmarkt der Erhebung zugrunde legen wollen, aber durch den Ausschluss der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern einen Großteil des Mietwohnungsmarkts nicht einbezogen. Da nur auf dem Geschosswohnungsbau abgestellt worden sei, werde die tatsächliche Wohnsituation im weitgehend ländlich geprägten Landkreis Wittenberg nicht zutreffend abgebildet. Da der Beklagte auf Aufforderung die Erhebung nicht nachgebessert habe, seien die tatsächlichen Aufwendungen für die KdUH zu übernehmen, nach oben gedeckelt durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von zehn Prozent. Für die Lutherstadt Wittenberg ergebe sich bei der Mietenstufe 3 für einen Einpersonenhaushalt ein Höchstwert von 363,00 EUR. Die BKM der Klägerin betrage 356,99 EUR und sei vollständig zu berücksichtigen. Die Heizkostenvorauszahlungen von monatlich 100 EUR seien unter Anwendung des zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichten Bundesweiten Heizspiegels für 2012 unangemessen. Danach ergebe sich bei einer Beheizung mit Fernwärme und einer Gebäudefläche von mehr als 1.000 m² ein Verbrauch von 16,60 EUR zzgl. eines Erhöhungsbetrags für die zentrale Warmwasserbereitung von 2,30 EUR. Daraus errechneten sich für einen Einpersonenhaushalt berücksichtigungsfähige Abschläge von 78,75 EUR. Die Klägerin habe Anspruch auf Berücksichtigung von insgesamt 435,84 EUR (356,99 EUR BKM und 78,85 EUR Heizkosten). Die Differenz zu den vom Beklagen bewilligten Leistungen betrage 84,42 EUR.

Gegen das ihm am 4. Juni 2018 zugestellt Urteil hat der Beklagte am 2. Juli 2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er in anderen Verfahren vorgetragen, die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zugrundeliegende Mietwerterhebung sei ein schlüssiges Konzept im Sinne der Vorgaben des BSG. Die Differenzierung in Wohnungsmarkttypen sei erfolgt, weil der Landkreis nicht über einen einheitlichen Wohnungsmarkt, sondern über mehrere kleinere Wohnungsmärkte mit unterschiedlichen Preisen verfüge. Im Wege der Clusteranalyse seien strukturell ähnliche Gemeinden unabhängig von ihrer räumlichen Lage im Kreisgebiet zu Preistypen zusammengeführt worden. Der Ausschluss von Substandardwohnungen durch Filterfragen und Extremwertkappung sei methodisch nicht zu beanstanden. Die Nichtberücksichtigung von Ein- und Zweifamilienhäusern entspreche dem Vorgehen bei der Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln.

Nach den Entscheidungen des Senats mit Urteilen vom 22. Juni und 17. Dezember 2018 zum schlüssigen Konzept des Beklagten (u.a. in den Verfahren L 4 AS 9/14, L 4 AS 251/16 und L 4 AS 559/16, juris) sowie den Urteilen des BSG vom 30. Januar 2019 hat der Beklagte mit dem Landkreis Wittenberg als zuständigem kommunalen Träger von der Firma Analyse und Konzepte seine Mietwerterhebung und die Angemessenheitswerte ab Januar 2011 korrigieren lassen (Korrekturberichte vom 22. und 29. März 2019). Die Werte sind im Amtsblatt des Landkreises Wittenberg am 4. Mai und 8. Juni 2019 veröffentlicht worden.

Auf die Beanstandungen des Senats im Schreiben vom 11. Juni 2019 hat der Beklagte mit Schreiben vom 15. August 2019 mitgeteilt, dass die Datenerhebung nunmehr der Methodik nach in Form einer Stichprobe hinsichtlich der Bestands- und Neuvertragsmieten erfolgt sei. Ein Abgleich mit den Angebotsmieten sei nicht erforderlich, da im Rahmen der Erhebung ausschließlich Mietwerte mit Mietvertragsabschluss oder änderung innerhalb der letzten vier Jahre berücksichtigt worden seien. Die Entscheidung, keine Angebotsmieten mehr zu berücksichtigen, sei von der Methodenfreiheit gedeckt und daher nicht zu beanstanden.

Auf den Hinweis des Senats vom 21. August 2019 hat der Beklagte unter Verweis auf die Stellungnahmen der Firma Analyse und Konzepte vom 26. Mai 2015 (gemeint ist wohl 26. Juni 2015), 13. Oktober 2015 und 26. August 2019 ausgeführt, die Herausnahme von Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung entspreche der Vor-gehensweise bei der Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln. Da die Empfehlungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zur Erstellung von Mietspiegeln keine Angaben dazu enthielten, ab wann solche Häuser eine Bedeutung für den örtlichen Wohnungsmarkt erlangten, bestehe auch insoweit für den Konzeptersteller Entscheidungsfreiheit. Die Herausnahme entspreche einem planvollen Vorgehen zur Vermeidung von Mietpreisverzerrungen. Bei den vom BSG als schlüssig anerkannten Datenerhebungen für die Städte Dresden und München seien ebenfalls keine Ein- und Zweifamilienhausbestände berücksichtigt worden. Der Beklagte hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einvernahme eines Mitarbeiters des Konzepterstellers als sachverständigen Zeugen u.a. zur Frage, ob die Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern unter Berücksichtigung der Werte des Zensus 2011 zum Wohnungsbestand im Landkreis Wittenberg unberücksichtigt bleiben konnten, angeregt. Die angemessene BKM für einen Einpersonenhaushalt im Bereich der Lutherstadt Wittenberg betrage nunmehr im streitigen Zeitraum 287,50 EUR. Da bislang nur eine BKM von 273,50 EUR berücksichtigt worden sei, könne die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum noch weitere KdUH von 14,00 EUR beanspruchen. Darüber hinaus stünden ihr nach dem Heizspiegel noch weitere Heizkosten von monatlich 0,83 EUR zu.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Mai 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin für die Monate Januar 2013 bis Juni 2013 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von jeweils mehr als 14,83 EUR zu bewilligen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen im Klage- und Berufungsverfahren. Sie vertritt die Auffassung, dass auch die zuletzt erfolgte Korrektur und Neuauswertung der Mietwerterhebung nicht zu einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG geführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Dokumentation des Senats zum schlüssigen Konzept Landkreis Wittenberg entsprechend der mit der Ladung übersandten Erkenntnismittelliste ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist (überwiegend) erfolglos.

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung durch das SG im angegriffenen Urteil gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch überwiegend - bis auf einen Betrag von 0,10 EUR monatlich - unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht unter Aufhebung des Überprüfungsbescheids zur Abänderung der entsprechenden Bewilligungsbescheide und zur Bewilligung weiterer Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Zeitraum von Januar bis Juni 2013 verpflichtet. Die angegriffenen Überprüfungs- und Bewilligungsbescheide des Beklagten sind insoweit (überwiegend) rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013, als dies durch die im Klageantrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, juris). Die Klägerin begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung des Bescheids vom 28. November 2012 ablehnenden - Verwaltungsakts vom 26. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung des Bescheids vom 28. November 2012 bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt sie die Erbringung höherer Leistungen im streitigen Zeitraum.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage von vornherein nur höhere Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdUH begehrt und insoweit den Streitgegenstand im Erörterungstermin des SG in zulässiger Weise auf einen abgrenzbaren Teil der Leistungen begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 32 m.w.N.). Die Beschränkung des Streitgegenstands ist auch im Überprüfungsverfahren statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 61/09 R, juris).

Die Klägerin hat Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Abänderung des Bescheids vom 28. November 2012 sowie auf Bewilligung von weiteren Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung für die Monate Januar bis Juni 2013 in Höhe von monatlich 84,32 EUR. Der Beklagte hat insoweit bei Erlass der Bescheide das Recht unrichtig angewandt bzw. ist von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, sodass die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) vorliegen. Die Klägerin hat Anspruch auf höhere KdUH unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen BKM von monatlich 356,99 EUR (dazu unter 1.). Auch die Höhe der ihr vom Beklagten gewährten Heizkosten ist zu niedrig bemessen (dazu unter 2.).

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu. Sie ist im streitigen Zeitraum Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a noch nicht erreicht, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, ist erwerbsfähig und hilfebedürftig. Die Klägerin verfügt weder über bedarfsdeckendes Einkommen noch über ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes anrechenbares Vermögen.

1.

Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung stehen der Klägerin - wie vom SG zutreffend festgestellt - weitere Leistungen zu. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab dem 1. April 2011 geltenden Fassung werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gleichwohl als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf sonstige Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und der des Bedarfs für die Heizung haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, juris Rn. 18, 20; BSG, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 41/08 R, juris Rn. 25), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der seit August 2016 auch gesetzlich geregelten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (zuvor Richterrecht, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris Rn. 30 ff.).

Die "Angemessenheit" der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 36; Berlit in LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 22 Rn. 61; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 73, 91). Dies schließt nicht aus, dass bei der Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen wird und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 25; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 31. Mai 2011, 1 BvR 857/07, juris Rn. 70; Luik, a.a.O. Rn. 91).

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in einem gestuften Verfahren zu erfolgen: zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (BKM) zu ermitteln. Sodann ist die konkrete (subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 19 m.w.N.).

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie vorzunehmen. Dabei sind in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en) sowie der angemessene Wohnungsstandard zu bestimmen. Sodann ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einen schlüssigen Konzept zu ermitteln. Schließlich sind die angemessenen kalten Betriebskosten einzubeziehen. Dabei müssen nicht die Faktoren Wohnungsgröße und Wohnungsstandard jeweils für sich angemessen sein. Es reicht, dass das Produkt aus Wohnfläche und standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 13). Daher hat der Grundsicherungsträger den Quadratmeterpreis für entsprechende Wohnungen zu ermitteln. Dieser ist mit der angemessenen Wohnungsgröße zu multiplizieren und so die angemessene BKM festzustellen.

a)

Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist nach der Rechtsprechung des 5. Senats des LSG Sachsen-Anhalt, der der erkennende Senat folgt, im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des MRS vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1285, RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10. März 1995, MBl. LSA Nr. 31/1995, S. 1133) zurückzugreifen (vgl. Urteil des 5. Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, juris Rn. 37 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R, juris Rn. 21), da es in Sachsen-Anhalt keine Wohnbauförderung (mehr) gibt. Danach waren Wohnflächen für einen Zweipersonenhaushalt bis zu 60 m² und für einen Dreipersonenhaushalt bis zu 70 m² förderfähig.

b)

Das Konzept des Beklagten bzw. dessen Fortschreibung ist nicht geeignet, die Angemessenheit des Bedarfs für die Kosten der Unterkunft der Klägerinnen im streitgegenständlichen Zeitraum zu definieren. Die mit Wirkung zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Unterkunftsrichtlinie des Beklagten, die "Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII)" vom 15. März 2011, die auf der im Jahr 2010 durch die Firma Analyse & Konzepte durchgeführten Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdUH im Landkreis Wittenberg (Endbericht aus Januar 2011) beruht, in der Fassung des Korrekturberichts vom 22. März 2019 genügt nicht den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept.

Der Beklagte hat den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum der Lutherstadt Wittenberg zutreffend bestimmt. Der Vergleichsraum ist ein ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/18 R, juris Rn. 20 ff.). Während das BSG in seinen bisherigen Entscheidungen als Ausgangspunkt für die Bildung des Vergleichsraums eher den Wohnort der leistungsberechtigten Person(en) angesehen hat, geht es nunmehr unter Verweis auf die gesetzgeberische Vorgabe in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II vom Zuständigkeitsgebiet des Jobcenters aus. Dieses ist ggf. unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 23).

Die Aufteilung des Zuständigkeitsgebiets des Beklagten in die Vergleichsräume Lutherstadt Wittenberg und Umland Wittenberg ist nicht zu beanstanden. Die Kreisstadt Lutherstadt Wittenberg stellt auch nach Auffassung des Senats einen eigenen Vergleichsraum dar (vgl. Entscheidungen des Senats vom 22. Juni und 17. Dezember 2018, u.a. L 4 AS 9/14, juris Rn. 69 und L 4 AS 251/15, juris Rn. 55). Nach den Angaben des Beklagten besteht dieser Vergleichsraum aus der Kernstadt und den eingemeindeten Orten Abtsdorf, Boßdorf, Griebo, Kröpstädt, Mochau, Nudersdorf, Pratau, Reinsdorf, Schmilkendorf Seegrehna und Straach. Die Kreisstadt Lutherstadt Wittenberg erfüllt mit ihren Versorgungseinrichtungen und ihrer Infrastruktur die Funktion eines Mittelzentrums.

Das Umland Wittenberg besteht aus den übrigen Kommunen des Kreisgebiets und ist durch die ländliche Lage sowie die zumeist unvorteilhafte verkehrstechnische Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gekennzeichnet. Dass der Beklagte dieses Gebiet nicht in weitere Vergleichsräume aufgeteilt hat, erscheint sachgerecht (vgl. Entscheidungen des Senats vom 22. Juni und 17. Dezember 2018, u.a. L 4 AS 9/14, juris Rn. 66 ff.).

c)

Das Konzept des Beklagten ist dennoch nicht schlüssig. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen BKM ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum voraus. Von der Schlüssigkeit (Nachvollziehbarkeit und Folgerichtigkeit) eines Konzepts ist auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (stdge. Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09, juris Rn. 19 ff.):

• Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

• es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstands der Beobachtung (z.B. welche Art von Wohnungen, ggf. Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

• Angaben über den Beobachtungszeitraum;

• Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen wie z.B. Mietspiegel);

• Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

• Validität der Datenerhebung;

• Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung;

• Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert, Kappungsgrenze).

Zwar hat das BSG betont, dass für den kommunalen Träger grundsätzlich Methodenfreiheit besteht. Gleichwohl ist er verpflichtet, die von ihm gewählte Methode und die Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen, damit die Gerichte prüfen können, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in den Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 143; BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 25; Luik, a.a.O., Rn. 91 mit weiteren Erläuterungen).

Den Gegenstand der Beobachtung hat der Konzeptersteller im Einzelnen nachvollziehbar definiert. Hier wurden in Anlehnung an die vom BSG aufgezeigten Möglichkeiten zur Ermittlung der Angemessenheitsbestimmung der Mieten (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 21) die Bestandsmieten im gesamten Landkreis als Erhebungsgebiet zugrunde gelegt. Die relevanten Mietdaten wurden in eine Liste eingetragen (Rohdaten), die die Spalten "Ort", "Wohnfläche", "Nettokaltmiete" (NKM), "NKM/qm", "Wohnungsgrößenklasse", "Wohnungsmarkttyp", "(4 Jahre" umfasst. Aus diesen Rohdaten lassen sich die in den einzelnen o.g. Vergleichsräumen ermittelten Daten bestimmen. Trotz Anonymisierung der Daten (es fehlen Angaben zum Namen des Vermieters und zur konkreten Lage der beobachteten Wohnungen im Vergleichsraum nach Straße und Hausnummer) konnte der Senat eine Ghettobildung im Sinne eines verdichteten Wohnens bei gleichförmiger Mieterstruktur mit geringen Einkommen innerhalb der Vergleichsräume noch hinreichend sicher ausschließen. Kennzeichen von Mehrfamilienhäusern in industrieller Bauweise (sog. Plattenbauwohnungen) sind eine identische Größe und hohe Anzahl der einzelnen Wohnungsklassen. In den Rohdaten finden sich für beide Vergleichsräume neben vielen gleich großen Wohnungen vermutlich industrieller Bauweise auch eine Vielzahl von anderen Wohnungen, die schon nach ihren Wohnflächen individuellere Grundrisse aufweisen (vgl. Entscheidungen des Senats vom 22. Juni und 17. Dezember 2018, u.a. L 4 AS 9/14, juris Rn. 76).

Nach Auffassung des Senats ist die Datenerhebung des Beklagten jedoch nicht repräsentativ. Der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten ist nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden, da ein erheblicher Teil des Mietwohnungsmarkts unberücksichtigt geblieben ist.

Die Repräsentativität ist eine Eigenschaft von Datenerhebungen, die es ermöglicht, aus einer kleineren Stichprobe Aussagen über eine wesentlich größere Menge zu treffen. Voraussetzung dafür ist, dass die Teilerhebung in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Gesamtmasse entspricht, das heißt, ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild darstellt (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder, Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 12. Auflage 2009, S. 50). Die Stichprobe/Erhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein. Konkret bedeutet dies im Rahmen der Prüfung der Schlüssigkeit der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete, dass ein breites Spektrum der Mietwohnungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts in die Datenerhebung Eingang gefunden haben muss. Dabei kann Wohnraum, der keinen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten gibt - wie in Herbergen, Wohnheimen oder solcher, für den im Rahmen von verwandtschaftlichen Verhältnissen nur "Gefälligkeitsmieten" gezahlt werden - unberücksichtigt bleiben (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 22 Rn. 99; LSG Thüringen, Urteil vom 8. Juli 2015, L 4 AS 718/14, juris Rn. 70). Bezüglich der Herausnahme von Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung lässt sich eine solche Irrelevanz für die örtlichen Verhältnisse aber nicht feststellen.

Die Frage, welche Wohnungen mangels Bedeutung aus einer Erhebung ausgeklammert werden können, kann regelmäßig nicht generell beantwortet werden, sondern ist von den Tatsacheninstanzen unter Beachtung der regionalen Verhältnisse im Vergleichsraum zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, juris Rn. 25). Für das ländlich geprägte Gebiet des Landkreises Wittenberg ist es typisch, in Häusern zu wohnen, die nicht mehr als zwei Wohneinheiten aufweisen. Nach den Angaben des Zensus 2011 des Statistischen Landesamts Sachsen-Anhalt (Berichtszeitpunkt 9. Mai 2011 - diese Zahlen können nach Auffassung des Senats zugrunde gelegt werden, da sich keine wesentlichen Änderungen zum Stichtag der Mietwerterhebung am 1. Juli 2010 ergeben) befinden sich von den insgesamt 69.564 Wohnungen in Wohngebäuden im gesamten Landkreis Wittenberg 28.844 Wohnungen in Einfamilienhäusern und 11.397 Wohnungen in Zweifamilienhäusern. Im Geschossbau (Wohngebäude mit drei und mehr Wohnungen) befinden sich lediglich 29.323 Wohnungen. Deutlich mehr als die Hälfte aller Wohnungen (57,8 Prozent) befinden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Mithin ist das Wohnen in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen prägend für die örtlichen Wohnverhältnisse. Dabei gibt es ein Gefälle von der Kreisstadt zum Land. In der Lutherstadt Wittenberg befinden sich 10.587 der 25.942 Wohnungen in Wohngebäuden in Ein- und Zweifamilienhäusern (40,8 Prozent). Im Vergleichsraum Umland Wittenberg sind es mit 29.654 von 43.622 Wohnungen prozentual deutlich mehr (68 Prozent). Mithin bilden Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten ein relevantes Merkmal im gesamten Wohnungsbestand.

Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass im gesamten Landkreis Wittenberg rund 50 Prozent der Wohnungen vom Eigentümer bewohnt, während 41,6 Prozent vermietet werden. Nur der Mietwohnungsmarkt ist im Rahmen der Erhebung relevant. Zwar dürfte es zutreffen, dass überwiegend die Einfamilienhäuser oder eine Wohnung im Zweifamilienhaus vom Eigentümer bewohnt werden. Hierüber gibt der Zensus 2011 keine Auskunft. Der Senat hat insoweit auch keine anderen Datenquellen gefunden. Die im Zensus 2011 angegebene Vermietungsquote von 41,6 Prozent im gesamten Landkreis Wittenberg, von 55,6 Prozent in der Lutherstadt Wittenberg oder von 33,8 Prozent im Vergleichsraum Umland Wittenberg lässt keine Rückschlüsse auf die Wohngebäudeart zu. Unterstellt man die vom Beklagten in seiner Stellungnahme vom 26. Juni 2015 angegebene Quote von 8,3 Prozent vermieteter Einfamilienhäuser und 31,6 Prozent vermieteter Zweifamilienhäuser im gesamten Landkreis Wittenberg als zutreffend (diese Angaben ergeben sich nicht aus der dort angegebenen Quelle des Zensus 2011), so befänden sich 5.995 von 28.792 vermieteten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern (20,8 Prozent). In der Lutherstadt Wittenberg werden nach Angaben des Beklagten 10,6 Prozent der Einfamilienhäuser und 33,1 Prozent der Zweifamilienhäuser vermietet. Somit befänden sich 1.815 von 14.381 vermieteten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern (12,6 Prozent). Eine Stichprobe, die zum einen in ihrer Zusammensetzung eine Gruppe von mehr als 20 Prozent des Mietwohnungsmarkts im gesamten Landkreis Wittenberg bzw. von 12,6 Prozent des Mietwohnungsmarkts in der Gemeinde Lutherstadt Wittenberg und darüber hinaus von ihrer Struktur ein relevantes Merkmal ausschließt, gibt die örtlichen Gegebenheiten nicht realitätsgerecht wieder. Damit sind die tatsächlichen Verhältnisse des gesamten Wohnungsmarkts nicht ausreichend repräsentativ in den ausgewerteten Bestandsmieten dargestellt worden.

Entgegen der Auffassung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 26. August 2019 hat der kommunale Träger diesbezüglich auch keinen Beurteilungsspielraum (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09, juris Rn. 24). Das BSG verlangt vom kommunalen Träger zu Recht, die Wirklichkeit zu erfassen und sich Kenntnis über seinen Wohnungsmarkt zu verschaffen (Luik, a.a.O. Rn. 91).

Soweit das BSG in seiner Rechtsprechung eine Ableitung von Angemessenheitswerten aus Mietspiegeln akzeptiert hat, die ohne Berücksichtigung von Wohnraum in Ein- und Zweifamilienhäusern erstellt wurden, hat dies für den vorliegenden Fall eines dünn besiedelten Flächenlandkreises keinen Aussagewert. In Großstädten ist das Wohnen in solchen Häusern nicht typisch bzw. wohnungsmarktprägend. Insoweit geht der vom Beklagten angestrebte Vergleich mit den Städten Dresden und München fehl.

Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung, nach der die Herausnahme von Ein- und Zweifamilienhäusern nicht zur Unschlüssigkeit dieses konkreten Konzepts führe, auf. Bereits in den bisherigen Entscheidungen vom 22. Juni 2018 und 17. Dezember 2018 hatte er auf die diesbezüglichen erheblichen Bedenken hingewiesen (vgl. u.a. L 4 AS 9/14, juris Rn. 83; L 4 AS 251/16, juris Rn. 69). Nach nunmehriger Auffassung ist die Berücksichtigung eines insgesamt mindestens zehnprozentigen Datenbestands in der entsprechenden Größenklasse nicht geeignet, den aufgezeigten statistischen Mangel auszugleichen. Denn eine fehlerhaft gezogene Stichprobe/Erhebung wird durch eine größere Stichprobe (Anzahl der einbezogenen Datenwerte) nicht repräsentativ im statistischen Sinne.

Soweit der Beklagte und der Konzeptersteller hierzu ausführen, die Herausnahme dieser Wohnungen beruhe auf einem entsprechenden Vorgehen bei der Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln, kann dies bezogen auf den Landkreis Wittenberg nicht überzeugen. Denn es handelt sich bei der Mietwerterhebung gerade nicht um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern dem Grunde nach um eine Gesamterhebung von Bestands- und Neuvertragsmieten über den gesamten Vergleichsraum.

Aber auch bei der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels muss eine Erhebung repräsentativer Primärdaten vorliegen. Die Repräsentativität der Stichprobe wird dann durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestands fingiert (Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S. 137, 139; vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 19/11 R, juris Rn. 24). Ebenso ist im Rahmen einer Gesamterhebung die Repräsentativität durch die sachgerechte Wiedergabe der örtlichen Verhältnisse des Wohnungsmarkts sicherzustellen.

Zwar sollen qualifizierte Mietspiegel nicht auf Ein- und Zweifamilienhäuser angewandt werden. Jedoch sind Wohnungen in solchen Gebäuden entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von vornherein bei der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels ausgenommen. Vielmehr richtet sich dies nach den Hinweisen des BBSR zur Erstellung von Mietspiegeln nach der Bedeutung solcher Wohnungen für den örtlichen Wohnungsmarkt (vgl. Hinweise des BBSR, zur Erstellung von Mietspiegeln, 2. Auflage 2014, S. 14, 35). Wenn Wohnungen in solchen Gebäuden eine hohe Bedeutung oder sogar prägend für den örtlichen Wohnungsmarkt sind, sollen sie auch im Rahmen der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels erfasst werden.

Soweit der Beklagte vorträgt, im Rahmen der Gesamterhebung sollten Preisverzerrungen durch im Mietpreis nicht gesondert ausgewiesene wohnwertsteigernde Merkmale, (wie z.B. Stellplatz, Garten- oder sonstige Grundstücksnutzung) vermieden werden, kann dies ebenfalls nicht überzeugen. Zwar vollzieht sich die Mietpreisbildung im Segment der Einfamilienhäuser teilweise nach Kriterien, die einer Normierung nur schwer zugänglich sind. Allerdings hätte man "mitvermietete Extras" mittels Filterfragen in den Fragebögen ausschließen können. Unabhängig davon sollte bei eher standardisierten Reihen- und Doppelhaushälften die Berücksichtigung von der Bedeutung solcher Wohnungen für den Mietwohnungsmarkt abhängig gemacht werden (vgl. BSSR, a.a.O. S. 35). Hierzu finden sich weder im Konzept noch in den Stellungnahmen des Beklagten nähere Angaben.

Dem Beklagten ist es auch nicht möglich gewesen, diese Beanstandungen auszuräumen. Ist die Ermittlung des abstrakten Angemessenheitswerts - wie hier - rechtlich zu beanstanden, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. weitere Ermittlungen, auszuräumen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, juris Rn. 19). Mit seiner Stellungnahme vom 26. August 2019 vermochte der Beklagte nicht die rechtlichen Bedenken des Senats am Ausschluss von Ein- und Zweifamilienhäusern zu entkräften. Die nicht weiter begründete Behauptung des Beklagten, dies habe keinen Einfluss auf den Mietwohnungsmarkt, ist nicht belegt. Vielmehr ist nicht abschätzbar, ob sich bei Einbeziehung der Ein- und Zweifamilienhäuser andere Werte ergeben hätten.

Nach den Fragestellungen in den Fragebögen sollten die befragten Mieter bei Bejahung der Frage "Wohnen Sie in einem Gebäude mit weniger als drei Wohnungen (Mietparteien)?" diese Fragebögen mangels Relevanz für die Mietwerterhebung nicht ausfüllen. Auch im Rahmen der Vermieterfragebögen erfolgte die Abfrage, ob es sich jeweils um ein Ein- oder Zweifamilienhaus handelte. Mithin liegen dem Beklagten Daten über Mietwohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern nicht vor. Eine nachträgliche Ermittlung ist hier im Hinblick auf den Stichtag der Erhebung zum 1. Juli 2010 erkennbar nicht möglich. Eine entsprechende Absicht hat der Beklagte auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erklärt.

Es besteht kein Anlass zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte auch keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Sofern der Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2019 zur weiteren Sachaufklärung die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Einvernahme eines Mitarbeiters der Firma Analyse & Konzepte als sachverständigen Zeugen begehrt hat, folgt der Senat dieser Beweisanregung nicht. Die aufgeworfenen Fragen betreffen keine konkreten Tatsachen, sondern Rechtsfragen. Insbesondere die vom Beklagten aufgeworfene Frage der Repräsentativität seiner Datenerhebung bei Nichtberücksichtigung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern unterliegt der richterlichen Kontrolle, zu der sich der Senat (aufgrund der Offensichtlichkeit auch ohne Einholung eines statistischen Sachverständigengutachtens) imstande sah. Die übrigen Mindestvoraussetzungen wie Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze und Angaben über die gezogenen Schlüsse (Vermeidung von Zirkelschlüssen) sind vom Senat nicht beanstandet worden.

Der Ausschluss von vermieteten Wohnraum in Ein- und Zweifamilienhäusern, der letztlich ca. 20 Prozent des Mietwohnungsmarkts im Zuständigkeitsbereich des Beklagten unberücksichtigt lässt, stellt einen systematischen Fehler der Konzepterstellung dar, der zur fehlenden Repräsentativität der Mietwerterhebung und somit zur Unschlüssigkeit des Konzepts führt.

Da der Beklagte diesen Fehler nicht korrigiert hat bzw. korrigieren konnte, waren die Angemessenheitswerte des Beklagten nicht zur Begrenzung der tatsächlichen BKM der Klägerinnen heranzuziehen. Der Senat war es auch nicht befugt, ein schlüssiges Konzept, ggf. mit Hilfe von Sachverständigen, zu erstellen (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 28). Ein qualifizierter Mietspiegel, auf den der Senat zurückgreifen kann, existiert weder für die Lutherstadt Wittenberg noch für den Landkreis Wittenberg. Der Senat bzw. das SG war daher zur Herstellung der Spruchreife der Sache berechtigt und verpflichtet, die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG zzgl. des Sicherheitszuschlags von zehn Prozent (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 87/12 R, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 16. Juni 2016, B 4 AS 44/14 R, juris Rn. 30).

Die Lutherstadt Wittenberg ist nach der Anlage der Wohngeldverordnung in der Fassung vom 15. Dezember 2008 der Mietstufe 3 zuzuordnen. Gemäß § 12 Abs. 1 WoGG in der Fassung vom 9. Dezember 2010 beträgt der monatliche Höchstbetrag für Miete und Belastung für einen Haushalt der Mietstufe 3 bei einem Haushaltsmitglied 436 EUR. Der Berücksichtigung eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlags bedarf es hier nicht, denn die tatsächliche BKM der Klägerin von 356,99 EUR unterschreitet diesen Wert und ist daher in vollständiger Höhe vom Beklagten zu übernehmen.

2.

Zu der BKM von 356,99 EUR kommen noch die angemessenen Heizkosten von 107,50 EUR pro Monat. Auch Heizkosten werden nach § 22 Abs. 1 SGB II nur dann in tatsächlicher Höhe übernommen, wenn diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn ein bestimmter Grenzwert des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Bundesweiten Heizspiegel" überschritten wird (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 70/08 R, juris Rn. 19). Ein Indiz für unangemessene Heizkosten liegt dann vor, wenn die tatsächlichen Heizkosten die Obergrenze aus dem Produkt des Werts für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in m²) überschreiten. Dabei ist auf den jeweiligen bundesweiten Heizspiegel abzustellen, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris Rn. 25).

Dies ist der Grenzwert des zum Zeitpunkt der zur Überprüfung gestellten Behördenentscheidung (hier Bescheid vom 28. November 2012) vorliegenden bundesweiten Heizspiegels 2012 (Abrechnungsjahr 2011). Dieser wurde am 22. Mai 2012 veröffentlicht. Danach errechnen sich für die mit Fernwärme beheizte Wohnung der Klägerin, welche sich in einem Gebäude mit einer Gesamtfläche von 3.395 m² befindet, angemessene Heizkosten von monatlich 69,17 EUR (16,60 EUR mal 50 m² geteilt durch 12 Monate).

Weiter zu berücksichtigen ist, dass die Warmwasserbereitung vorliegend zentral erfolgt. Somit sind auch die Kosten für die Warmwassererzeugung als Heizkosten zu berücksichtigen, denn sie sind in den monatlichen Abschlägen enthalten. Zu beachten ist, dass der bundesweite Heizspiegel bis einschließlich 2013 als Vergleichswert nur die reine Raumwärme ohne Berücksichtigung der Kosten für die Warmwasserbereitung enthielt. Erst im Heizspiegel 2014 sind erstmals die Kosten für die Raumwärme und die Warmwasserbereitung enthalten. Daher ist im streitigen Zeitraum zusätzlich zum im Heizspiegel ausgewiesenen Grenzwert der Aufwand zu berücksichtigen, der für die Warmwasserbereitung anfällt. Nach Auffassung des Senats ist der im Heizspiegel 2012 ausgewiesenen Wert für Warmwasserbereitung in Höhe von 2,30 EUR je m² zugrunde zu legen. Danach ist der ermittelte monatliche Wert für Heizkosten um 9,58 EUR (2,30 EUR mal 50 m² geteilt durch 12 Monate) zu erhöhen. Es ergibt sich insgesamt ein berücksichtigungsfähiger monatlicher Gesamtbetrag von 78,75 EUR. Soweit das SG zu einem Gesamtbetrag der Heizkosten inklusive Warmwasserbereitung von 78,85 EUR gelangt ist, handelt es sich ersichtlich um einen Rechen- bzw. Übertragungsfehler, der zu korrigieren ist.

Ob der Klägerin darüber hinaus auch die tatsächlichen Heizkosten zustehen, konnte der Senat offen lassen, da diese gegen das Urteil des SG keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat.

Zur Zahlung eines monatlichen Betrags von 84,32 EUR, der sich zusammensetzt aus der Differenz zu der berücksichtigten BKM von 83,49 EUR und zu den gewährten Heizkosten von 0,83 EUR, hat das SG den Beklagten zutreffend verurteilt. Bezogen auf einen monatlichen Betrag von 0,10 EUR (Rechenfehler) hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Da der Beklagte im Berufungsverfahren die Gewährung weiterer KdUH-Leistungen nur in Aussicht gestellt, aber nicht bewilligt hat, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat ist den Grundsätzen zum schlüssigen Konzept gefolgt, die das BSG in seiner Rechtsprechung zu den KdUH entwickelt hat. Die Frage, welche Wohnungen von der Datenerhebung ausgenommen werden dürfen, kann regelmäßig nicht generell beantwortet werden, sondern ist von den Tatsacheninstanzen unter Beachtung der regionalen Verhältnisse im Vergleichsraum zu bestimmen.
Rechtskraft
Aus
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