L 1 P 8/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 26 P 29/13
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 P 8/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für die Zeit ab dem

2. November 2012.

Die am ... 1956 geborene Klägerin erlitt nach Wirbelsäulenoperationen im August 2012 eine inkomplette Paraparese L1 linksbetont mit neurogener Harnblasen- und Darmentleerungsstörung. Seit Mai 2016 ist eine komplette Paraparese diagnostiziert. Bei ihr sind seit 1. August 2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merkzeichen G, B und aG anerkannt.

Die Klägerin war seit 1999 an einer Förderschule für geistig und mehrfach behinderte Menschen als Ergotherapeutin beschäftigt und ab Juni 2012 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Nach Wiedereingliederung vom 14. bis 27. Oktober 2013 war sie ab dem 28. Oktober 2013 in ihrem Beruf 40 Stunden/Woche tätig (6:30 bis 15:00 oder bis 16:00 Uhr). Die Anfahrzeit betrug 30 min. Durch den Umbau des Automatik-PKW für Rollstuhltransporte im Juli 2013 ist die Klägerin in der Lage, das Auto allein zu benutzen. Die Klägerin ist seit dem 31. März 2016 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab Juni 2016.

Die Klägerin bewohnt mit ihrem Ehemann eine Wohnung, die über mehrere Treppenabschnitte mit je acht Treppenstufen erreichbar ist. Ein Treppenlifter wurde im Oktober 2013 eingebaut.

Nach dem Entlassungsbericht der Neurologischen Rehabilitationsklinik B.-Heilstätten vom 5. Dezember 2012 (stationärer Aufenthalt vom 18. September bis 21. November 2012) seien noch selbstständig möglich: Waschen am Waschbecken, das Duschen mit Hocker sowie das Umkleiden, die Transfers und die Nutzung des WC. Im Bad seien zur Sicherung Haltevorrichtungen nötig. Die feinmotorischen Greifleistungen seien unauffällig. Es bestehe keine völlig freie Stehfähigkeit und das Treppensteigen sei nicht möglich. Miktion und Defäkation erfolgten spontan nach regelmäßigen Toilettengängen.

Die Klägerin beantragte am 2. November 2012 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XI. Die Beklagte ließ die Pflegefachkraft Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt e.V. (MDK) das Gutachten vom 13. Dezember 2012 nach Untersuchung der Klägerin in häuslicher Umgebung erstatten. Diese gab an, physikalische Therapien erfolgten im Hausbesuch. Die Badewanne sei mit Badewannenbrett und Sitz ausgestattet und werde mit Hilfe genutzt. Der Ehemann müsse die Füße waschen und sie in die Wanne hinein- und herausheben. Als pflegebegründende Diagnosen nannte die Gutachterin: Inkomplettes lumbales Querschnittssyndrom ab L3 mit Linksbetonung, M. Bechterew, neurogene Darm- und Blasenentleerungsstörungen, Zöliakie, Psoriasis, Hepatitis A sowie Multiallergien. Die Gutachterin schätzte den Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege auf 28 min täglich. Davon entfielen 18 min auf die Körperpflege (Teilübernahme bei Unterkörperwäsche, beim Duschen 4 x wöchentlich, beim Baden 3 x wöchentlich inkl. Haare waschen 2 x wöchentlich, beim Stuhlgang 1 x täglich, Füße eincremen 2 x täglich) und 10 min auf die Mobilität (Teilübernahme beim Aufstehen und Zubettgehen bei Morgensteifigkeit, beim An- und Entkleiden Hose/Socken/Fußheberschiene sowie beim Transfer in die Badewanne). Das Gehen im Wohnbereich erfolge selbstständig mit Rollator oder Rollstuhl. Mehrfach sei die Klägerin selbstständig vom Stuhl mit Abstützen aufgestanden. Ein Hilfebedarf im Bereich der Ernährung sowie ein nächtlicher Grundpflegebedarf bestünden nicht. Sie koche mithilfe des Ehemanns noch selbst und versorge sich am gedeckten Tisch selbstständig. Für die hauswirtschaftliche Versorgung veranschlagte die Gutachterin 45 min täglich.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 ab. Nach der Feststellung des MDK bestehe keine Pflegebedürftigkeit.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies u.a. auf ihre erheblichen Gesundheitsstörungen sowie den noch nicht vorhandenen Treppenlifter.

Die Beklagte ließ durch die Pflegefachkraft B. vom MDK das weitere Gutachten vom 8. Februar 2013 erstatten. Auch hier gab die Klägerin an, der Transfer in/aus der Badewanne erfolge mithilfe des Mannes. Die physikalischen Therapien erfolgten nach Angaben der Klägerin weiter im Hausbesuch. Die Gutachterin schätzte den Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege auf 30 min täglich. Davon entfielen 20 min auf die Körperpflege (neu: Haare waschen 4 x wöchentlich bei im Übrigen unverändertem Hilfebedarf) und wiederum 10 min auf die Mobilität. Ein Hilfebedarf im Bereich der Ernährung sowie ein nächtlicher Grundpflegebedarf bestünden nicht.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2013 als unbegründet zurück. Mit einem täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 30 min und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 min werde das erforderliche Zeitlimit der Pflegestufe I nicht erreicht.

Dagegen hat die Klägerin am 7. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und zunächst vorgebracht, die Begutachtungen seien nicht richtlinienkonform erfolgt. Der individuelle Hilfebedarf sei daher falsch ermittelt worden. Es ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf von insgesamt 61 min im Bereich der Grundpflege.

Nach dem für die Deutsche Rentenversicherung Bund erstatteten Gutachten der Fachärztin für Neurologie PD Dr. E. vom 14. Mai 2013 könne die Klägerin einzelne Schritte gehen und selbstständig die Toilette benutzen. Sie lasse alle drei Stunden Wasser und habe einmal täglich Stuhlgang. Der Mann helfe beim Aufstehen, Duschen und Anziehen sowie beim Verlassen des Hauses. Die Gutachterin schätzte ein, mit dem Treppenlift und der Rollstuhlhebeanlage für das Auto könne die Klägerin den bisherigen Beruf weiter vollschichtig ausüben. Das Gutachten hat dem Sozialgericht nicht vorgelegen.

Das Sozialgericht hat von der Neurologischen Rehabilitationsklinik B.-Heilstätten den Pflegebefundbericht vom 1. August 2013 eingeholt. Danach bestehe nur ein teilweiser Hilfebedarf beim Aufstehen, Gehen, Stehen und Treppensteigen. Es liege keine Urin- oder Stuhlinkontinenz vor.

Unter dem 4. März 2014 hat die Klägerin angegeben, das beengte Bad sowie die Morgensteifigkeit bis zu zwei Stunden seien nicht berücksichtigt worden. Es bestehe auch ein Hilfebedarf für die mundgerechte Zerkleinerung belegter Brote und seit Anfang 2014 für das An- und Ausziehen eines Kompressionstrumpfs. Der tägliche Gesamthilfebedarf für die Grundpflege betrage daher 68 bis 70 min.

Das Sozialgericht hat die Pflegefachkraft U. das Gutachten vom 27. März 2014 nach Untersuchung der Klägerin in häuslicher Umgebung erstatten lassen. Diese hat eine neu hinzugetretene Durchfallneigung (überwiegend morgens 3 x) angegeben; für die anschließende Säuberung benötige sie Hilfe. Sie gehe wöchentlich zweimal zur Physiotherapie und einmal zur Lymphdrainage. Sie fahre nach der Arbeit erst nach Hause, um sich frisch zu machen. Die Sachverständige hat sich eine Ganzkörperwäsche in der Wanne vorführen lassen und im Gutachten beschrieben (ab Seite 4 unten). Den Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege hat die Sachverständige auf 28 min täglich eingeschätzt. Davon entfielen 18 min auf die Körperpflege (Teilübernahme beim 2 x täglichen Duschen (12 min) und beim 3 x wöchentlichen Baden (3 min), beim Kämmen, bei der Säuberung nach Stuhlgang 1 x täglich (3 min), Unterstützung bei der Zahnpflege 2 x täglich (1 min)) und 10 min auf die Mobilität (Teilübernahme beim Aufstehen und Zubettgehen 2 x täglich (2 min), beim Ankleiden 1 x täglich (3 min), beim Entkleiden 1 x täglich (2 min) sowie beim Transfer in die Dusche 2 x täglich (2 min)). Von 22:00 bis 6:00 Uhr benötige die Klägerin keine grundpflegerischen Verrichtungen. Bei den Zeitorientierungswerten in den Richtlinien seien auch Hautpflege und das Haarewaschen berücksichtigt. Die Angaben zum Durchfall seien nicht ganz nachvollziehbar. Die Klägerin habe beim Eintreffen der Gutachterin noch geschlafen; sie sei während der Begutachtung auch nicht zur Toilette gegangen.

Gegen das Gutachten hat die Klägerin eingewendet: der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 83 min täglich. Die Gutachterin habe die Pflegebegutachtungsrichtlinien nicht berücksichtigt. Sie müsse nachts dreimal zur Blasenentleerung aufstehen und sich zwischenzeitlich wegen Rückenschmerzen in das Wohnzimmer begeben. Sie müsse wegen Erschöpfung mindestens einmal wöchentlich zur Physiotherapiepraxis gebracht werden. Nicht berücksichtigt worden seien das Frischmachen nach der Arbeit und vor der Physiotherapie. Wegen der Rampe zum Eingang der Physiotherapie sei auch für diesen Weg Hilfe nötig. Beim Duschen bestehe wegen erhöhter Sturzgefahr ein ständiger Hilfebedarf. Auch das wegen der gegen die Schuppenflechte verwendeten Öle besonders zeitaufwändige tägliche Haarewaschen müsse der Ehemann vollständig abdecken. Zu Unrecht sei die Sachverständige von nur einem Stuhlgang pro Tag ausgegangen. Sie habe am Untersuchungstag bereits seit 4:00 Uhr morgens dreimal Stuhlgang gehabt. Sie könne die Kleidung nach dem Toilettengang nicht selbst richten.

Die Sachverständige U. hat in der Stellungnahme vom 26. Juni 2014 an ihrer Einschätzung festgehalten. Berücksichtigt würden nur medizinisch und pflegerisch notwendige Hilfeleistungen. Das Haarewaschen sei zweimal pro Woche angerechnet worden. Ein nächtliches Aufstehen könne der Pflegeversicherung nicht zugeordnet werden. Eine Begleitung zur Physiotherapie sei angesichts der Berufstätigkeit pflegerisch nicht notwendig. Es sei nicht nachvollziehbar, dass vermehrte Durchfälle aufträten, die über einen Zeitraum von über sechs Monaten nicht behandelt würden. Auch dagegen hat die Klägerin weitere Einwände vorgebracht.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 2014 abgewiesen. Nach den Gutachten des MDK, dem Entlassungsbericht der Neurologischen Rehabilitationsklinik und dem gerichtlichen Gutachten lägen die Voraussetzungen für die begehrte Pflegestufe I nicht vor. Die Notwendigkeit einer Begleitung zur Physiotherapie sowie ein Hilfebedarf für das Haarewaschen seien nicht nachvollziehbar. Im Gutachten des MDK vom 13. Dezember 2012 sei festgestellt worden, dass die Klägerin sich die Haare selbstständig wasche. Es bestünden auch keine Einschränkungen im Bereich der oberen Extremitäten. Auch aus der Beschreibung der Sachverständigen U. zur Körperpflege erfolge ein solcher Hilfebedarf nicht zwingend. Eine Sitzunsicherheit sei auch von keinem der Sachverständigen mitgeteilt worden.

Gegen das ihr am 6. Januar 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Februar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat zunächst ausgeführt: Das Bad können sie mit dem Rollstuhl nicht aufsuchen. Seit Oktober 2013 leide sie an mehrmals täglich auftretenden Durchfällen. Anders als in der Neurologischen Rehabilitationsklinik habe sie keine Dusche oder Pflegewanne; das Duschen erfolge auf dem Wannenbrett. Entgegen dem Entlassungsbericht dieser Klinik habe sie nach der Wassergymnastik beim Abtrocknen und Anziehen Hilfe bekommen. Die feinmotorischen Greifleistungen seien durch sporadisch auftretende Entzündungen der Hände beeinträchtigt. Zum Hausarzt müsse sie eine steile Rampe und zur Physiotherapie einen schrägen Hang und eine Rampe überwinden, wobei Unfallgefahr bestehe. Für das tägliche Ausspülen des Schuppenlösemittels benötige sie Hilfe. Nur wenn sie in der Wanne sitze, könne sie die Haare eigenständig waschen. Dies schaffe der Mann aber nicht jeden Tag. Auf dem Wannenrand sitzend könne sie nicht alleine die Haare auswaschen. Die Beschreibung der Sachverständigen U. vom Waschvorgang des Körpers sei unrichtig. Das Fehlen von Sitzunsicherheit sei auch nicht nachgewiesen.

Im Erörterungstermin am 7. Juli 2016 hat die Klägerin angegeben: der Pflegebedarf habe sich seit Januar 2015 nicht erhöht. Im Juli 2015 sei eine Pflegewanne eingebaut worden. Beim Hausarzt sei sie einmal im Monat, bei der Lymphdrainage und Physiotherapie zweimal pro Woche. Seit dem Kfz-Umbau habe sie selbst zur Physiotherapie fahren können. Einmal wöchentlich fahre sie der Mann, ansonsten fahre sie allein. Vor September 2015 sei immer der Mann gefahren. Den Hang zur Praxis komme sie nur mit Hilfe von Sprechstundenpersonal oder Passanten hoch. Mehrmals tägliche Durchfälle habe sie von Oktober 2013 bis September 2015 gehabt, seither nur noch an drei Tagen pro Woche. Beim Toilettengang bestehe eigentlich ein Hilfebedarf für die Körperreinigung; das anschließende Ankleiden gehe alleine. In Zeiten geschwollener Hände benötige sie zu Hause Hilfe zum Ausdrücken der Zahnpastatube; in einem Krankenhaus würde sie eine solche Hilfe nicht annehmen. Die Haare wasche sie regelmäßig dreimal pro Woche, im Frühjahr und Herbst bei sporadischem Auftreten der Schuppenflechte für jeweils vier bis sechs Wochen auch täglich. Ein Hilfebedarf beim An- und Auskleiden bestehe im Bereich des Unterkörpers; bei Schulterschmerzen auch für den Oberkörper.

In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat die Klägerin angegeben, nach einem Wechsel der Pflegeversicherung erhalten sie nunmehr Leistungen nach dem Pflegegrad 2. Seit Sommer 2016 werde die Physiotherapie wieder im Hausbesuch durchgeführt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. November 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen nach der Pflegestufe I ab dem 2. November 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zunächst einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin W. vom 21. Juni 2016 eingeholt. Die Befunde hätten sich seit September 2013 nicht wesentlich geändert. Die Klägerin klage seit Oktober 2013 häufig über Durchfälle funktioneller Art. Nähere Angaben seien ihm nicht möglich.

Ferner hat der Senat die Entlassungsberichte und Pflegedokumentationen über stationäre Aufenthalte der Klägerin in der Zentralklinik B. B. zu paraplegiologischen Verlaufskontrollen aus den Jahren 2013 bis 2016 beigezogen. Übereinstimmend ist dort jeweils ein Hilfebedarf im Bereich des Unterkörpers beschrieben worden. Im Oberkörperbereich sei die Klägerin selbstständig. Bei der Körperpflege bestehe Hilfebedarf im Rücken- und Beinbereich und beim Transfer in die Badewanne. Beim An- und Auskleiden bestehe ein Hilfebedarf im Beinbereich. Auf ebener Strecke werde mit dem Rollator eine Strecke von bis zu 100 m bewältigt. Alle Transfers und Lagewechsel würden selbstständig ausgeführt. Zur Häufigkeit der Stuhlgänge sind folgende Angaben dokumentiert: 2014: morgens zwei bis dreimal, 2015: seit zwei Jahren ungeregelt, meist gehäuft durchfällig vier bis achtmal/Tag, gelegentlich auch ein bis zweimal/Tag, 2016: deutlich gebessert, geregelt zweitägig ohne Abführmaßnahmen. Die Klägerin hat im AMDScore-Fragebogen im Mai 2016 angegeben: die Darmentleerung erfolgen normalerweise täglich; ungewollte Dameentleerungen träten ein paarmal pro Jahr auf. Danach würde sie sich waschen; zum Abführen sei sie nicht auf Hilfspersonen angewiesen. Eine Nykturie hat die Klägerin mit "0-1" bzw. "1-2" angegeben.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat unter 5. Januar 2017 mitgeteilt. Es lägen noch keine Unterlagen über den Rentenantrag vor.

Die Mitarbeiterin B. der Physiotherapeutischen Praxis E. hat am 28. April 2017 mitgeteilt: die Klägerin erhalte seit Ende 2012 wöchentlich einmal Lymphdrainage und zweimal Krankengymnastik, in der Regel an zwei Terminen. Seit Oktober 2013 fänden diese nicht mehr als Hausbesuch statt. Zum Erreichen der Praxis sei die Klägerin im Idealfall nicht auf Hilfe angewiesen. Sie könne jedoch an manchen Tagen aus gesundheitlichen Gründen oder bei bestimmten Wetterverhältnissen nicht alleine erscheinen. Dann begleite sie entweder der Ehemann oder es werde ein Hausbesuch durchgeführt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Der Senat hat ferner die Rehabilitationsakten der Deutschen Rentenversicherung Bund über die Klägerin beigezogen. Die Klägerin hat umfangreiche medizinische Unterlagen aus einem Arzthaftungsprozess vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Denn der Rechtsstreit betrifft laufende Leistungen für über ein Jahr.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Rechtslage. Nach § 140 Abs. 1 SGB XI findet die Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts statt. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung für das gesamte Verfahren von Antragstellung über Widerspruchs- bis zum sozialgerichtlichen Verfahren (BT-Drucks. 18/5926, S.140). Da die ab dem 1. Januar 2017 geltende Rechtslage nicht Gegenstand des Rechtsstreits wird, sind ggf. danach eingetretene Veränderungen im Gesundheitszustand für den vorliegenden Rechtsstreit nicht von Bedeutung.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe I gegen die Beklagte für die Zeit vom 2. November 2012 bis zum 31. Dezember 2016. Das Gericht konnte sich nicht vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen überzeugen. Das angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. November 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 sind nicht zu beanstanden.

1.

Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 SGB XI i.V.m. §§ 14, 15 SGB XI. Nach § 37 SGB XI können Pflegebedürftige Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Die Höhe des Pflegegeldes bemisst sich nach der Pflegestufe. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen.

Unter die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen fallen nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung und im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 SGB XI einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege, also Körperpflege, Ernährung und Mobilität, mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI).

Die Feststellung einer Pflegestufe unterliegt dabei den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trägt derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will (vgl. BSG, BSGE 6, S. 70, 72; BSGE 19, S. 52, 53). Dies ist für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs auf Pflegegeld nach der Sozialen Pflegeversicherung grundsätzlich der Versicherte.

Hier trägt daher die Klägerin die volle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des streitigen Anspruchs auf Pflegegeld im geltend gemachten Zeitraum vorgelegen haben.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Sozialgericht zu Recht für die streitige Zeit einen täglichen Bedarf für die Grundpflege von mehr als 45 Minuten verneint. Denn der Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises, also der vollen richterlichen Überzeugung, ist hier nicht erbracht. Die Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Aufgrund des widersprüchlichen Vorbringens der Klägerin sowie der teilweisen Diskrepanzen zu den vorliegenden Pflegedokumentationen und Epikrisen der Krankenhäuser konnte der Senat ihre Angaben zum pflegerischen Hilfebedarf nicht in vollem Umfang zugrunde legen.

2.

Bei der Klägerin haben im streitigen Zeitraum folgende pflegerelevante Diagnosen vorgelegen: inkomplette bzw. ab 2016 komplette lumbale Paraparese ab L3 mit Linksbetonung und neurogener Darm- und Blasenentleerungsstörung, M. Bechterew, Zöliakie, Psoriasis, Hepatitis A sowie Multiallergien.

Allein das Vorliegen einer schweren Erkrankung führt noch nicht zur Feststellung einer Pflegestufe. Vielmehr sind maßgeblich die Funktionseinschränkungen und der sich daraus ergebende Hilfebedarf für einen gesetzlich definierten Katalog von Verrichtungen der Grundpflege. Sämtliche von der Beklagten, dem Sozialgericht und dem Senat beigezogenen medizinischen Befunde belegen einen Hilfebedarf nach der Pflegestufe I in dem streitigen Zeitraum nicht.

Der Senat geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem täglichen Hilfebedarf von höchstens 30 Minuten aus. Die Gutachten des MDK vom 12. Dezember 2012 und vom 18. Februar 2013 haben einen Hilfebedarf von 28 bzw. 30 min täglich ergeben. Auch die gerichtlich bestellte Gutachterin, die Pflegefachkraft U. hat im Gutachten vom 27. März 2014 einen Hilfebedarf von 28 min täglich angenommen. Dabei sind auf die Körperpflege jeweils 18 bis 20 min sowie auf die Mobilität jeweils 10 min entfallen. Ein Pflegebedarf im Bereich der Ernährung ist nicht feststellbar gewesen. Die geringen Abweichungen der drei Gutachten bei der Bemessung des Hilfebedarfs für die Grundpflege beruhen auf den unterschiedlichen Angaben der Klägerin, etwa zum Umfang von Haare waschen und der Frequenz des Duschens. Im Übrigen sind die drei Gutachten in sich stimmig und in den wesentlichen Kernaussagen deckungsgleich. Sie sind nach den jeweils erhobenen Befunden sowie den dokumentierten Schilderungen der Klägerin auch schlüssig.

Zwar liegt hier ein langer der Beurteilung unterliegender Zeitraum vor. Jedoch hat sich im Laufe des Verfahrens von der Antragstellung bis Ende 2016 keine wesentliche Verschlechterung der Pflegesituation ergeben. Der Hausarzt W. hat im Befundbericht vom 21. Juni 2016 einen seit 2013 unveränderten Zustand mitgeteilt. Auch die Entlassungsberichte der Zentralklinik B. B. aus den Jahren 2013 bis 2016 zeigen keine Veränderung im pflegerischen Hilfebedarf auf. Der Senat warvon daher nicht gehalten, eine weitere Begutachtung durchzuführen.

Es besteht vorwiegend ein Hilfebedarf bei der Körperpflege im Bereich des Unterkörpers durch die infolge der Paraparese aufgetretenen Funktionsstörungen der unteren Extremitäten. Im Oberkörperbereich ist die Klägerin selbstständig und weitgehend nicht hilfebedürftig. Denn im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine Funktionseinschränkungen für die grundpflegerischen Verrichtungen des täglichen Lebens vor. Ein Hilfebedarf wird lediglich durch Teilübernahme im Bereich der Körperpflege (Rücken und Beinbereich) gesehen.

Ein Hilfebedarf besteht auch beim Transfer in die Wanne/Dusche und ist auch von allen Gutachterinnen bestätigt worden.

Der zuletzt von der Klägerin dargestellte Hilfebedarf einer vollständigen Übernahme des Badevorgangs ist nicht nachweisbar gewesen. Denn eine aufgehobene Fähigkeit des selbstständigen Sitzens in der Wanne bzw. auf dem Wannenbrett ist von den Gutachterinnen übereinstimmend nicht bestätigt worden. Die Klägerin selbst hatte den Gutachterinnen des MDK auch mitgeteilt, der Transfer in/aus der Badewanne erfolge mithilfe des Ehemannes. Die Sachverständige U. hat sich anlässlich der Begutachtung einen Waschvorgang in der Wanne vorführen lassen und diesen ausführlich im Gutachten wiedergegeben. Soweit sie nicht für gesamte Zeitdauer des Vorgangs einen Pflegebedarf angenommen hat, liegt dies an der nur notwendigen Teilübernahme bestimmter Verrichtungen. Eine Sitzunsicherheit, welche die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson beim Baden notwendig machte, ist in keinem der drei Gutachten bestätigt worden. Auch alle weiteren beigezogenen medizinischen Befunde bestätigen einen solchen umfänglichen Hilfebedarf nicht. So ist etwa im Entlassungsbericht der Neurologischen Rehabilitationsklinik B.-Heilstätten vom 5. Dezember 2012 vermerkt, im Bad seien zur Sicherung Haltevorrichtungen erforderlich. Einen im Bereich der Badewanne angebrachten (und von der Klägerin auch benutzten) Haltegriff hat die Gutachterin U. beschrieben.

Beim An- und Auskleiden besteht ein Hilfebedarf im Beinbereich durch Teilübernahme (Hose/Strümpfe/Kompressionstrümpfe/Schuhe mit Anziehhilfe).

Auf ebener Strecke kann die Klägerin mit dem Rollator eine Strecke von bis zu 100 m zurücklegen und ist so auch innerhalb der Wohnung ausreichend mobil. Treppen kann sie aber ohne Hilfe nicht überwinden, sofern kein Treppenlifter vorhanden ist. Lagewechsel sowie den Transfer in den Aktivrollstuhl kann sie hingegen selbst durchführen.

Die Feststellungen der beiden Gutachterinnen des MdK und der Sachverständigen U. decken sich vollständig mit den über die Klägerin beigezogenen Unterlagen über weitere stationäre Behandlungen und andere Sachverständigengutachten.

Die Neurologische Rehabilitationsklinik hat im Pflegebefundbericht vom 1. August 2013 nur einen teilweisen Hilfebedarf beim Aufstehen, Gehen, Stehen und Treppensteigen beschrieben. Dies wird bestätigt in dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 7. März 2013. Danach konnte die Klägerin die Teilwäsche des Ober-/Unterkörpers, den Stuhlgang und das Duschen mit dem Duschhocker (in einem behindertengerechten Bad) selbst durchführen. Die Funktion und Feinmotorik der oberen Extremitäten sind als unbeeinträchtigt beschrieben worden. Miktion und Stuhlgang konnten nach regelmäßigen Toilettenbesuchen spontan erfolgen. Lediglich im Bereich des Treppensteigens ist ein Hilfebedarf angenommen worden.

In dem neurologischen Gutachten der PD Dr. E. vom 14. Mai 2013 ist ebenfalls ausgeführt, dass der Stuhlgang einmal täglich ohne Hilfe erfolge. Die Klägerin könne sich nach ihren Angaben allein im Haus versorgen. Es bestehe ein Hilfebedarf nur beim Aufstehen/Zubettgehen, An- und Auskleiden des Unterkörpers, beim Duschen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt war der Treppenlifter noch nicht installiert.

Die Entlassungsberichte und Pflegedokumentationen über stationäre Aufenthalte der Klägerin in der Zentralklinik B. B. zur paraplegiologischen Verlaufskontrolle aus den Jahren 2013 bis 2016 ergeben ebenfalls kein anderes Bild. Übereinstimmend ist dort jeweils ein teilweiser Hilfebedarf im Bereich des Unterkörpers und beim Transfer in die Badewanne beschrieben worden. Im Oberkörperbereich sei die Klägerin selbstständig. Die Körperpflege klein erfolge selbstständig und groß mit Assistenz und Hilfsmitteln. Alle Transfers und Lagewechsel würden selbstständig ausgeführt. Die ab 2013 vermehrten Durchfälle hätten sich ab 2015/16 wieder gebessert. So hat die Klägerin im Mai 2016 gegenüber der Zentralklinik B. B. angegeben: die Darmentleerung erfolge normalerweise täglich; ungewollte Dameentleerungen träten ein paarmal pro Jahr auf. Danach würde sie sich waschen. Zum Abführen sei sie nicht auf Hilfspersonen angewiesen. Die notwendige Vollübernahme einer der Verrichtungen der Grundpflege ist in keinem der beigezogenen Berichte bestätigt worden.

Ob sich die gesundheitliche Situation nach dem Wechsel der Pflegekasse weiter verändert hat, kann offen bleiben. Dass mittlerweile ein Pflegegrad 2 nach der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Rechtslage anerkannt ist, ist ebenfalls ohne Belang. Dieser hat keinen Einfluss auf den hier zur Beurteilung stehenden Zeitraum, in dem andere Kriterien gelten als nach der Rechtslage ab dem 1. Januar 2017.

Die vielfältigen Einwände der Klägerin gegen die Beweiserhebung des Sozialgerichts und das Vorbringen hinsichtlich eines weiteren Hilfebedarfs sind nicht geeignet, den Senat von der Unrichtigkeit der drei Gutachten zu überzeugen. Auch die Einwände der Klägerin vom 6. Mai 2014 gegen das Gutachten der Frau U. sowie die unter dem 11. Januar 2015 gemachten Angaben zum Umfang des Pflegebedarfs sind teilweise nicht objektivierbar oder für die Beurteilung der Pflegestufe ohne Bedeutung.

Das Argument, das Bad mit dem Rollstuhl nicht aufsuchen zu können, war sicher bis zum behindertengerechten Umbau des Bads im Juli 2015 zutreffend. Da die Klägerin nach mehrfacher Feststellung der Gutachter in der Lage war, das Bad mit dem Rollator zu betreten, ergeben sich keine Auswirkungen auf die Hilfebedürftigkeit.

Die nach Angaben der Klägerin seit Oktober 2013 bis September 2015 mehrmals täglich sowie seither mit geringerer Frequenz auftretenden Durchfälle haben nicht zu einem erhöhten Pflegehilfebedarf geführt. Die Klägerin hat im Erörterungstermin angegeben, nach dem Toilettengang keinen Hilfebedarf für die Körperreinigung zu haben. Auch in ihrem Schriftsatz vom 11. Januar 2015 hat die Klägerin ausführlich dargestellt, wie sie bei der Arbeit - auch bei Auftreten von Durchfall - alleine die Toilette aufsucht und sich anschließend alleine reinigt. In den Unterlagen der Zentralklinik B. B. finden sich ebenfalls keine Angaben über die Notwendigkeit einer Unterstützung bei der Körperreinigung nach dem Stuhlgang. Im Gegenteil: Die Klägerin hat im Mai 2016 angegeben: nach den Darmentleerungen würde sie sich selbst waschen und zum Abführen sei sie nicht auf Hilfspersonen angewiesen. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin an dem Tag der Untersuchung durch die Sachverständige U. bereits seit 4:00 Uhr morgens dreimal Stuhlgang gehabt hat. Insoweit haben die drei Gutachterinnen – nach entsprechendem Vortrag – zugunsten der Klägerin eine Teilunterstützung bei der Reinigung des Analbereichs berücksichtigt.

Der Einwand der Klägerin, sie könne die Kleider nach dem Toilettengang nicht selbst richten, ist von ihr im Erörterungstermin revidiert worden. Sie hat angegeben, sich alleine anziehen zu können. Dies ist ihr auch auf der Arbeit selbstständig gelungen, wie sie an anderer Stelle (s.o.) ausführlich beschrieben hat.

Sollten die feinmotorischen Greifleistungen durch sporadisch auftretende Entzündungen der Hände beeinträchtigt sein, wäre dies nicht pflegerelevant. Nur über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestehende Funktionseinschränkungen können berücksichtigt werden; temporär auftretende Störungen sind ohne Bedeutung.

Für die Behauptung, es bestehe auch ein Hilfebedarf für die mundgerechte Zerkleinerung belegter Brote, gibt es keine medizinische Begründung. Die Funktion der oberen Extremitäten ist übereinstimmend von allen Krankenhäusern, Ärzten und Gutachterinnen als uneingeschränkt beschrieben worden. Auch in sämtlichen beigezogenen medizinischen Unterlagen findet sich kein Hinweis auf einen Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme. Bei der ersten Begutachtung durch den MDK hatte die Klägerin auch angegeben, sie koche mithilfe des Ehemanns selbst und versorge sich am gedeckten Tisch selbstständig.

Die zwischenzeitliche Darstellung zu einer notwendigen täglichen und vollständigen Übernahme des Haarewaschens hat die Klägerin korrigiert. Sie hatte erstmal in dem Klageverfahren vorgetragen, das wegen der verwendeten Öle besonders zeitaufwändige tägliche Haarewaschen müsse der Ehemann vollständig abdecken (anwaltliche Schriftsätze vom 6. Mai und 21. Juli 2014). Im Erörterungstermin am 7. Juli 2016 hat die Klägerin aber eingeräumt, dass sie keinesfalls täglich die Haare waschen muss. Dies sei allenfalls im Frühjahr und Herbst für 4 bis 6 Wochen der Fall. Regelmäßig werden die Haare nur dreimal pro Woche gewaschen. Auch eine notwendige vollständige Übernahme des Haarewaschens durch den Ehemann ist nicht nachgewiesen worden. Die Klägerin hat insoweit dargestellt, für das tägliche Ausspülen des Schuppenlösemittels benötige sie Hilfe, sofern sie nicht in der Wanne sitzen könne. Ob sie auf dem Wannenrand sitze oder in die Wanne steige, hänge von den Rückenschmerzen des Ehemanns ab (Schreiben der Klägerin vom 11. Januar 2015). Wie oft dies der Fall ist, ist mangels genauer Angaben nicht feststellbar gewesen. Im Erörterungstermin hat die Klägerin jedenfalls angegeben, sie wasche die Haare dreimal pro Woche. Ein Unterstützungsbedarf in dieser Frequenz ist in allen drei Gutachten berücksichtigt worden.

Auch aus den sonstigen medizinischen Unterlagen ergibt sich die Notwendigkeit der vollständigen Übernahme des Haarewaschens durch den Ehemann nicht. In den Unterlagen der Zentralklinik B. B. aus den Jahren 2013 bis 2016 wie in sämtlichen beigezogenen medizinischen Unterlagen wird im Bereich des Oberkörpers für die Körperpflege sogar gar kein Hilfebedarf gesehen.

Der Einwand der Klägerin zu dem Pflegebefundbericht der Neurologischen Rehabilitationsklinik B.-Heilstätten vom 1. August 2013, anders als dort habe sie zu Hause keine Dusche oder Pflegewanne, ist nicht von Bedeutung. In den drei Gutachten ist die individuelle Situation im Bad berücksichtigt worden.

Der Vortrag der Klägerin, sie müsse nachts dreimal zur Blasenentleerung aufstehen und sich wegen Rückenschmerzen in das Wohnzimmer begeben, beinhaltet schon keine pflegerelevanten Verrichtungen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie insoweit angeben, dafür die Hilfe des Ehemanns zu benötigen. Eine solche Darstellung findet sich aber in keinem der eingeholten Gutachten oder den vielfältigen Schriftsätzen im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. Im Übrigen ist in sämtlichen beigezogenen Unterlagen, insbesondere der Pflegedokumentation der Zentralklinik B. B. aus den Jahren 2013 bis 2016 ein Hilfebedarf bei der nächtlichen Miktion nicht beschrieben. Auch ist dort eine Frequenz der Nykturie von 0-1 bzw. 1-2 genannt, was die Schilderungen der Klägerin wiederum nicht stützt.

Der Hilfebedarf für das An- und Ausziehen eines Kompressionstrumpfs mit Anziehhilfe ab 2014 ist von der Gutachterin U. berücksichtigt worden (Seite 5 des Gutachtens).

Im Bereich der Mobilität konnte der Senat sich ebenfalls nicht vom Vorliegen eines höheren Hilfebedarfs als in den drei Gutachten dokumentiert überzeugen. Grundsätzlich sind Hilfebedarfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nur zu berücksichtigen, wenn sie für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zuhause unumgänglich sind. Die der Art nach notwendigen Verrichtungen müssen aber mindestens einmal pro Woche anfallen (Udsching, SGB XI, Kommentar, 4. Auflage 2015, § 14 Rn. 40, § 15 Rn. 17).

Ob für den Besuch beim Hausarzt ein Hilfebedarf besteht, kann dahinstehen. Denn die Klägerin sucht diesen nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 7. Juli 2016 nur einmal monatlich auf.

Für die zweimal wöchentlich stattfindenden Physiotherapien ist ein gesonderter Hilfebedarf für den Transfer ebenfalls nicht nachgewiesen. Bis Oktober 2013 fanden die Behandlungen als Hausbesuch statt, so dass kein Hilfebedarf für die Anfahrt zur Physiotherapiepraxis bestand; das gleiche gilt seit Sommer 2016. Es kann dahinstehen, ob die Besuche in der Praxis zwischen November 2013 und Sommer 2016 wegen eines schrägen Hangs und einer Rampe eine Unfallgefahr bedeuteten. Denn ein einmal wöchentlicher Hilfebedarf konnte nicht objektiviert werden. Die Klägerin hat im Erörterungstermin angegeben, seit dem Kfz-Umbau habe sie selbst zur Physiotherapie fahren können. Einmal pro Woche werde sie von dem Ehemann gefahren, weil dieser dann gleichzeitig einen Termin habe; anderenfalls fahre sie allein. Zwar hat die Klägerin auch dargestellt, vor September 2015 sei immer der Mann für sie zuständig gewesen. Medizinische Gründe dafür konnte sie aber nicht nennen. Es konnte auch im Termin nicht der Widerspruch zu ihrer Schilderung im Schriftsatz vom 6. Mai 2014 ("einmal pro Woche") aufgeklärt werden.

Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin zwischen November 2013 und Sommer 2016 wiederholt nicht in der Lage gewesen ist, die Praxis allein aufzusuchen. Es lässt sich jedoch nicht nachweisen, dass dies mindestens einmal pro Woche der Fall gewesen ist. In der Auskunft der Physiotherapeutischen Praxis E. von 28. April 2017 hat die Angestellte B. nämlich ausgeführt: im Idealfall sei die Klägerin nicht auf die Hilfe Dritter angewiesen. Gesundheits- oder witterungsbedingt könne sie jedoch an manchen Tagen nicht alleine erscheinen. Dann werde sie vom Ehemann begleitet oder es werde ein Hausbesuch durchgeführt. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Der Senat hat daher keinen Anhalt zu Zweifeln an der Richtigkeit der Auskunft. Er geht davon aus, dass an manchen Tagen ein Hilfebedarf bestanden haben mag, aber nicht mindestens einmal wöchentlich. Sofern ein Hilfebedarf vorliegt, wurde die Klägerin vom Ehemann begleitet oder es wurde ein Hausbesuch durchgeführt. Beim Hausbesuch sind aber ohnehin keine Zeiten für die Mobilität zu berücksichtigen.

Der Einwand der Klägerin, zur Überwindung der Rampe zum Eingang der Physiotherapiepraxis sei für diesen Weg immer Hilfe nötig gewesen, ist für einen Hilfebedarf im Bereich der Mobilität irrelevant. Denn es steht fest, dass die Klägerin diese Besuche öfters alleine wahrgenommen hat. Sollte sie (kurzzeitig) auf die Hilfe von Praxismitarbeitern oder Passanten angewiesen gewesen sein, wären dies keine pflegerischen Hilfeleistungen. Der dafür erforderliche Zeitaufwand wäre aber auch so gering, dass die ermittelten Werte nicht wesentlich überschritten würden.

Nicht zu berücksichtigen ist auch das Frischmachen nach der Arbeit und vor der Physiotherapiestunde. Insoweit ist ein notwendiger Hilfebedarf bei der Körperpflege, insbesondere für den Intimbereich nicht festzustellen gewesen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage (§ 160a SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved