L 5 AS 216/19 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 11 AS 1809/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 216/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Verfahren. In der Hauptsache geht es mutmaßlich um die endgültige Festsetzung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) auf Null für den Zeitraum von April bis August 2011.

Für diesen Zeitraum hatte der Beklagte zunächst mit Bescheiden vom 7. März und 4. April 2011 vorläufige Leistungen i.H.v. 587,18 EUR/Monat ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen bewilligt. Der Kläger nahm zum 1. April 2011 ein Gewerbe auf; im November 2014 legte er eine abschließende Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vor. Daraufhin berechnete der Beklagte den Leistungsanspruch endgültig und stellte mit Bescheid vom 4. März 2015 fest, dass für den streitigen Zeitraum keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe. Den dagegen gerichteten, nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2017, eingegangen beim Bevollmächtigten des Klägers am 18. Mai 2017, zurück.

Der Kläger hat am 17. Juni 2017 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Eine Begründung hat er trotz Erinnerungen am 23. Oktober 2017 und 21. Februar 2018 sowie der Betreibensaufforderung vom 17. Januar 2019 nicht vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 17. Januar 2019 abgelehnt. Der Kläger habe die Klage nicht einmal ansatzweise begründet und damit das Streitverhältnis nicht dargestellt. Die Erfolgsaussicht sei auch nicht aufgrund des Vortrags im Vorverfahren erkennbar; offensichtliche Fehler der Leistungsbewilligung seien nicht ersichtlich.

Gegen den ihm am 25. Januar 2019 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25. Februar 2019 Beschwerde eingelegt und eine Begründung angekündigt. Er ist am 24. Juni, 27. August und 22. Oktober 2019, zuletzt mit Fristsetzung von drei Wochen, an die Vorlage eine Beschwerdebegründung erinnert worden. Er hat nicht reagiert.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen, ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. Januar 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zur Durchführung des Klageverfahrens zu bewilligen.

Der Beklagte hat Gelegenheit erhalten, zur Beschwerde Stellung zu nehmen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug auf die Gerichtsakte S 11 AS 1809/17 genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Ob sie auch statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG ist, kann nicht festgestellt werden. Denn mangels Darlegung des Umfangs der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ist nicht zu erkennen, ob der Kläger sich gegen die streitigen Bescheide insgesamt oder nur teilweise wendet. Der Wert des Beschwerdegegenstands nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist daher nicht feststellbar.

Diese Frage kann jedoch hier offen bleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO obliegt es dem Antragsteller, in seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Herbeiführung dessen Bewilligungsreife das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen.

Der Kläger hat nicht die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten erfüllt. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Sozialgericht hätte es der Begründung der Klage bedurft, die der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen nicht vorgelegt hat. Er hätte die hinreichende Erfolgsaussicht anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert unter Angabe der Beweismittel aufzeigen müssen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 14. April 2010, 1 BvR 362/10, Juris). Erforderlich sind Darlegungen, anhand derer das Gericht prüfen kann, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Ob diese Anforderungen auch dadurch erfüllt werden, dass dem Gericht die angefochtenen Bescheide vorgelegt werden, hat das BVerfG in der o.g. Entscheidung ausdrücklich offengelassen.

Diese Maßstäbe gelten auch im Rahmen der Prozesskostenhilfeverfahren in sozialgerichtlichen Klageverfahren. Der in § 103 SGG verankerte Amtsermittlungsgrundsatz steht dem nicht entgegen. Zum einen verweist § 73a Abs. 1 SGG auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zum anderen sollen auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 92 SGG der Streitgegenstand und die zur Begründung des Klagebegehrens dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden. Der Amtsermittlungsgrundsatz bezweckt vornehmlich, dass das Gericht nicht an das Vorbringen der Parteien gebunden ist. Er normiert keine allgemeine Prüfungspflicht. Insbesondere ergibt sich daraus keine Verpflichtung der Gerichte, ohne konkrete Anhaltspunkte, quasi "ins Blaue" hinein, Ermittlungen hinsichtlich des Streitgegenstands anzustellen.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor. Der Klage ist lediglich der streitige Widerspruchsbescheid beigefügt gewesen. Allein aus diesem ist keine zumindest teilweise Erfolgsaussicht der Klage abzuleiten. Er enthält eine detaillierte Berechnung des auf den Hilfebedarf anzurechnenden Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit. Da der Kläger auch im Widerspruchsverfahren keine Gründe für die Rechtswidrigkeit der endgültigen Leistungsfestsetzung dargelegt hat, kann insoweit auch nicht auf weiteres Vorbringen zurückgegriffen werden.

Ob sich die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht allein aus der Verwaltungsakte ergibt, kann hier offen bleiben. Diese muss bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht unbeachtet bleiben, wenn - wie hier - die Klage überhaupt nicht begründet worden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 22. November 2018, L 5 AS 648/18 B). Denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach den Vorschriften der ZPO. Die Durchsicht der Verwaltungsakte des Beklagten stellte in Fällen wie diesem eine Ermittlung "ins Blaue" hinein dar. Das Sozialgericht wäre verpflichtet, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst herauszusuchen. Das aber erfüllt nach den o.g. Maßstäben nicht mehr die Obliegenheit des Klägers nach § 117 Abs. 1 ZPO, den Sach- und Streitstand darzustellen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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