L 6 KR 6/20 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 2343/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 6/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die auch Kosten für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 27. August 2019 gemäß §86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Am 12. Juli 2019 erstellte die Antragstellerin ihre Prognose gemäß § 5 der Mindestmengenregelung SGB V für das Leistungsjahr 2020. Dabei prognostizierte sie 50 Operationen im Bereich Kniegelenk-Total-Endoprothesen (Knie-TEP) und wies zur Begründung darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2019 die Chefarztposition nicht besetzt gewesen und daher die Verlegung planbarer Operationen erfolgt sei. Im Jahre 2018 seien noch 51 und in den letzten zwei Quartalen 2018 und in den ersten zwei Quartalen 2019 insgesamt 40 Operationen vorgenommen worden.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2019 wiesen die Antragsgegner auf Bedenken bezüglich dieser Prognosen hin und baten um weitere Angaben. Die Antragstellerin führte darauf hin aus, im Jahre 2018 seien drei Operateure und im ersten Halbjahr 2019 lediglich zwei tätig gewesen. Ab dem zweiten Halbjahr 2019 ständen drei Operateure zur Verfügung. Die Neubesetzung der Chefarztstelle sei am 1. Juli 2019 erfolgt. Im ersten Halbjahr 2019 seien 22 Operationen erfolgt. Weitere acht Operationen seien umstandshalber verlegt worden und sollten im zweiten Halbjahr 2019 erfolgen. Bisher seien einschließlich Juli 2019 28 Operationen erbracht worden. Für das Jahr 2019 seien insgesamt mindestens 50 Operationen geplant, also für die Zeit ab August 2019 mindestens weitere 14 Operationen.

Mit Schreiben vom 27. August 2019 führten die Antragsgegner aus, dass ihrer Auffassung nach die von der Antragstellerin getroffene Prognose aufgrund begründeter erheblicher Zweifel zu widerlegen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 33/13 R) ziele das Konzept der Mindestmengen darauf ab, im Interesse des Patientenschutzes gewisse grundsätzliche mengenabhängige Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Bei der Betrachtung der Leistungszahlen sei nicht davon auszugehen, dass diese Qualitätsanforderungen erfüllt würden. Die durch die Widerlegung einer Prognose beeinträchtigten Erwerbsinteressen des Krankenhausträgers träten hinter den Belangen der Qualitätssicherung zurück, die durch die begründete Prognosewiderlegung gewahrt würden. Die in dem Bereich der Knie-TEP erbrachten Leistungen seien kontinuierlich in den Jahren von 2015 bis 2018 abgefallen (73, 66, 60, 53 und 51 Operationen). Im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 seien nur noch 40 Operationen angefallen. Anhand dieses Verlaufs sei ein kontinuierlicher Abfall der erbrachten Leistungsmengen zu erkennen. Man habe Zweifel, dass sich diese Tendenz im Jahr 2020 umkehren werde. Die Neubesetzung der Chefarztposition stelle keine Veränderung dar, die eine positive Prognose ausreichend begründe. Zudem beständen bereits Unstimmigkeiten bei den gemeldeten Abrechnungen für das Kalenderjahr 2018. Danach seien 2018 nicht 51, sondern nur 47 Operationen erfolgt. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der bisher gemeldeten Zahlen im Rahmen des hier bezüglich der Mindestmengen durchzuführenden Verfahrens in den beiden Jahren 2018 und 2019.

Die Antragstellerin hat daraufhin am 24. September 2019 Klage erhoben (S 17 KR 920/19) und ausgeführt, die von den Antragsgegnern monierte Differenz zwischen der Prognosemitteilung und dem Anhörungsschreiben in den Leistungszahlen 2018 und 2019 erkläre sich dadurch, dass es durch die verzögerte Codierung und nicht abgeschlossene Fälle zum Abrechnungszeitraum noch zu Änderungen der Leistungsmengen im ersten Halbjahr 2019 gekommen sei. Aus den im Jahresabschluss 2018 gezogenen Daten gemäß § 21 Krankenhausentgeltgesetz ließen sich für das 2018 jedenfalls 51 Leistungen nachweisen. Im ersten Halbjahr 2018 seien 31 und im zweiten Halbjahr 20 Leistungen erbracht worden. Zum jetzigen Stand seien im Jahre 2019 bereits 56 Knie-TEP-Operationen durchgeführt worden. Dies hat die Antragstellerin in einer Tabelle nach den einzelnen Monaten aufgeschlüsselt. Die Richtigkeit dieser Angaben hat der Krankenhausdirektor der Antragstellerin Herr S. eidesstattlich versichert.

Am 16. Oktober 2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Antragsgegner gestellt und mit Schriftsatz vom 13. November 2019 vorgetragen, bis zum 11. November 2019 seien insgesamt 46 Operationen aus dem streitigen Bereich durchgeführt worden. Sie gehe davon aus, im Jahr 2019 noch auf insgesamt 55 Knie-TEP-Leistungen zu kommen, da allein schon für die nächsten Tage durch bereits terminierte Patienten die 50. Operation erwartet werde. Auf Nachfrage hat sie weiter ausgeführt, 50 Leistungen aus dem Bereich Knie-TEP ergäben ca. einen Erlös nach den DRG von 428.256,99 EUR. Eine Gewinnermittlung für die einzelnen Leistungsbereiche sei leider nicht festzulegen. In der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2019 sei die Chefarztstelle im A. Klinikum A. nicht besetzt gewesen.

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2019 hat das Sozialgericht festgestellt, dass die am 24. September 2019 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobene Klage gegen das von den Antragsgegnern mit Schreiben vom 27. August 2019 ausgesprochene Leistungserbringungsverbot gem. § 136 Abs. 4 Satz 6 SGB V dahingehend aufschiebende Wirkung entfalte, als dass die Antragstellerin im Kalenderjahr 2020 längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig berechtigt sei, Leistungen aus dem Leistungsbereich "Kniegelenk-Total-Endoprothesen" gem. § 6 der Anlage der Mindestmengenregelung des gemeinsamen Bundesausschusses zu erbringen und abzurechnen. Hiergegen haben die Antragsgegner Beschwerde am Landessozialgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden ist (L 6 KR 4/20 B ER).

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 haben die Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 27. August 2019 gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 angeordnet. Zur Begründung führten sie aus, es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer qualitätsgerechten Krankenhausbehandlung. Das Gemeinwohl gebiete es, zur Erreichung einer besseren Versorgungsqualität für solche Eingriffe vorrangig die Qualitätssicherung zu Gunsten der betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange zu gewichten. Dies entspreche dem Bestreben des Gesetzgebers, durch § 136b Abs. 4 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bei voraussichtlichem Nichterreichen der erforderlichen Mindestmenge planbarer Leistungen den Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung durch ein Leistungserbringungsverbot sicherzustellen. Weitere Ausführungen enthält dieser Bescheid nicht.

Am 23. Dezember 2019 hat die Antragstellerin am Sozialgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Dabei hat sie nochmals betont, im laufenden Kalenderjahr 2019 bereits 56 für die Mindestmenge relevante Leistungen im Bereich Knie-TEP erbracht zu haben. Sie hat betont, der Patientenschutz würde vollumfänglich gewährleistet. Die Antragsgegnerinnen haben unter dem 2. Januar 2020 ausführlich erwidert.

Mit Beschluss vom 7. Januar 2020 hat das Sozialgericht Magdeburg die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben und zudem die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. September 2019 gegen den Bescheid vom 27. August 2019 angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, das allgemeine, jedem Gesetz innewohnende öffentliche Interesse am Vollzug allein reiche nicht zur Begründung der sofortigen Vollziehung. Dies erfordere grundsätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse, das über jenes hinausgehe, welches den Verwaltungsakt rechtfertige (Hinweis auf LSG Hessen, 23.12.2005, L 7 AL 228/05; BVerfG, 12.9.1995, 2 BvR 1179/95, jeweils juris). Die Antragsgegner begründeten hier das öffentliche Interesse im Wesentlichen mit allgemeinen Floskeln des Gemeinwohls und des allgemeinen Interesses an einer qualitätsgerechten Krankenhausbehandlung sowie mit dem Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung, ohne einen konkreten Bezug zum Einzelfall herzustellen. Dem grundsätzlichen öffentlichen Interesse an einer qualitätsgerechten Krankenhausbehandlung habe der Gesetzgeber mit der durch § 136b Abs. 4 Nr. 1 SGB V geschaffenen Möglichkeit von Leistungserbringungsverboten bei voraussichtlichem Nichterreichen der erforderlichen Mindestmenge planbarer Leistungen genüge getan. Ein genereller Sofortvollzug von Leistungserbringungsverboten sei gesetzlich gerade nicht normiert worden. Weshalb hier unter sorgfältiger Abwägung im konkreten Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse für den Sofortvollzug bestehen solle, sei dem Schreiben der Antragsgegner vom 19. Dezember 2019 nicht zu entnehmen. Es sei auch nicht offensichtlich, wieso von einem Tag auf den anderen (vom 31. Dezember 2019 auf den 1. Januar 2020) bei unveränderten Grundbedingungen (gleiche Ärzte mit gleichbleibenden Kenntnissen und Operationserfahrung, gleiche Krankenhausausstattung) die Qualität der Krankenhausbehandlung und/oder das Wohl der Patienten gefährdet sein könnten. Damit fehle eine Begründung der Antragsgegner, warum im vorliegenden konkreten Einzelfall ein sofortiges Handeln ohne Berücksichtigung des allgemein geltenden Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage geboten sein solle.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner noch im gleichen Monat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie darauf hingewiesen, dass sie bei Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend dargelegt hätten, dass bei begründeter Widerlegung der Prognose die Einhaltung des gesetzlichen Qualitätsgebotes nicht sichergestellt sei. Dies sei Folge des Gesetzes, worauf sie hingewiesen habe. Eine einzelfallbezogene Begründung hinsichtlich der Gefährdung eines bestimmten Patienten sehe das Gesetz nicht vor. Eine solche sei auch angesichts des Umstandes, dass die zukünftigen Patienten der Antragstellerin nicht bekannt seien, nicht möglich. Weiter habe das Sozialgericht die Erfolgsaussichten nicht einmal summarisch geprüft, was nicht rechtmäßig sei. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Operationen im Bereich Knie-TEP bei der Antragstellerin im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich abgesunken sei.

Schließlich habe die Antragstellerin ihren Vortrag nicht glaubhaft gemacht. Im Gegensatz zu den von ihr gemeldeten Prognosezahlen seien im Jahre 2018 nicht 51, sondern nur 47 Operationen durchgeführt worden. Schließlich sei die Antragstellerin auch durch die aktuellen Streiks in ihrer Klinik gezwungen, planbare Operationen zurückzustellen. Aus diesem Grunde sei nicht zu erwarten, dass im Jahre 2020 die erforderliche Mindestmenge erbracht werde.

Die Antragsgegner beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. Januar 2020 aufzuheben.

Die Antragstellerin hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klageverfahrens und des Eilverfahrens sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegner Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist zulässig, aber unbegründet. Zur Begründung nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen entsprechend §§ 153 Abs. 2, 142 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Nachvollziehbar und mit überzeugender Begründung hat das Sozialgericht dem Antrag stattgegeben. Angesichts der Kritik der Antragsgegner weist der Senat lediglich ergänzend auf Folgendes hin:

Es handelt sich hier um einen Antrag gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegner nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Zwar war diese Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides verfahrensrechtlich zulässig (dazu bei 1.) Sie war jedoch rechtswidrig (dazu unten 2-5.).

1) Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt ausdrücklich auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten. Es handelt sich in der Hauptsache (S 17 KR 920/19) um eine reine Anfechtungsklage. Dies folgt schon aus dem dortigen Antrag.

Dies ist auch die zutreffende Klageart. Das Schreiben der Antragsgegner vom 27. August 2019 stellt einen Verwaltungsakt dar. Ausdrücklich bezeichnet der Wortlaut des § 136b Abs. 4 Satz 7 SGB V die Widerlegung der Prognose als "Entscheidung". Damit knüpft er an die im § 31 Satz 1 SGB X beispielhaft genannten Prototypen einer hoheitlichen Maßnahme an. Auch im Übrigen erfüllt die negative Prognose der Antragsgegner alle Merkmale eines Verwaltungsaktes gemäß § 31 SGB X. Es handelt sich um eine hoheitliche Regelung mit Außenwirkung, mit der verbindlich über die Leistungserbringungsberechtigung des Krankenhauses für das Jahr 2020 entschieden wird (vgl. Rothers in Kassler-Kommentar, § 136b SGB V Rn. 19).

Auch der Ausschluss eines Vorverfahrens im § 136b Abs. 4 Satz 8 SGB V ist nur verständlich, wenn man die Widerlegung der Prognose als Verwaltungsakt ansieht, denn für eine Feststellungsklage wäre kein Widerspruchsverfahren notwendig.

§ 136b Abs. 4 Satz 1 SGB V fordert entgegen der Ansicht der Antragsgegner keine zusätzliche Feststellung, dass das Krankenhaus die mit Mindestmengen-Anforderungen belegte Leistung bewirken darf (so aber LSG Berlin-Brandenburg, 22.8.2019, L 1 KR 196/19 B ER, Rn. 22, juris; wie hier Rothers in Kassler-Kommentar, § 136b SGB V Rn. 19; Becker, KrV 2019, 223-224).

Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass allein die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegner ausreicht, um das Rechtsschutzziel der Antragstellerin zu erreichen. Nach § 136b Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V dürfen die Krankenhäuser Leistungen, die der Mindestmengenregelung unterfallen, nicht bewirken und nicht abrechnen, wenn sie die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen prognostisch nicht erreichen werden. Zur Klärung der Frage, ob die betroffenen Krankenhäuser die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich erreichen werden, hat der Gesetzgeber ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Zunächst haben die Krankenhäuser den Verbänden der Krankenkassen darzulegen, dass sie die erforderlichen Mindestmengen voraussichtlich erreichen werden (§ 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V). Die Verbände der Krankenkassen können die von den Krankenhausträgern getroffene Prognose bei begründeten Zweifeln an deren Richtigkeit widerlegen (§ 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V). Sofern sie eine negative Prognose stellen, berechtigt allein die Anfechtung und spätere Aufhebung dieses Verwaltungsaktes die Krankenhäuser zur Leistungserbringung und Abrechnung (Bayerisches LSG, 25.7.2019, L 4 KR 117/19 B ER, juris Rn. 45; anders LSG Berlin-Brandenburg, 22.8.2019, L 1 KR 196/19 B ER, juris; nochmal anders Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2).

Ob ein gemeinsam erlassener Verwaltungsakt der Antragsgegner zu einer - eventuell - verfassungswidrigen "Mischverwaltung" (so Hauck in juris BK SG V, GBA, § 5 Mindestmengenregelung, Rn. 46) führt und daher entgegen dem klaren Wortlaut des § 136b Abs. 4 SGB V im Wege der verfassungskonformen Auslegung allein eine Feststellungsklage zulässig wäre, kann der Senat letztlich offen lassen. Eine unzulässige Mischverwaltung kann dadurch vermieden werden, dass die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen nicht als einheitliche Behörde im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X entscheiden (so Bockholdt, NZS 2019, S. 816). Die von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen über die Widerlegung der Prognose getroffene Entscheidung lässt sich durchaus als "gemeinsam und einheitliche" Entscheidung im Sinne des § 211a SGB V ansehen, die aber in getrennten Verwaltungsakten erfolgt. Diese können allerdings formal in einem gemeinsamen Bescheid zusammengefasst werden. Ob die Antragsgegner sich an diese Vorgaben gehalten haben, ist gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären.

Bereits der Wortlaut des § 136b Abs. 4 SGB V sieht keine positive Entscheidung als Voraussetzung für die Leistungserbringungsberechtigung vor. Vielmehr fordert diese für die Zulässigkeit der Leistungserbringung ausdrücklich nur die Darlegung der Prognose durch den Krankenhausträger. Diese kann zwar von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen widerlegt werden, so dass diese Prognose des Krankenhausträgers ihre zur Leistungserbringung berechtigende Wirkung verliert. Dies zeigt jedoch deutlich, dass lediglich die negative Entscheidung der Antragsgegner beseitigt werden muss, um die Berechtigung der Antragstellerin zur Leistungserbringung wiederherzustellen. Andernfalls hätte § 136b Abs. 4 SGB V schlicht formulieren können, dass die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen über die Zulässigkeit entscheiden. Schließlich formuliert auch § 136b Abs. 4 Satz 7 SGB V deutlich, dass gegen die Entscheidung nach Satz 6 (die Widerlegung der Prognose durch die Antragsgegner) der Rechtsweg vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Eine Feststellungsklage würde sich nicht "gegen" diese Entscheidung zu richten.

Anfechtungsklagen haben aufschiebende Wirkung; eine Ausnahme ist hier nicht erkennbar (vgl. auch Bayerisches LSG, 25.7.2019, L 4 KR 117/19 B ER, juris Rn. 45).

2. Hier ist die Vollziehbarkeitsanordnung bereits formell rechtswidrig, da es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Vollziehbarkeitsanordnung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG fehlt (vgl. Beck-online, § 86b SGG Rn. 29). Es müssen besondere Gründe dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen wird. Die aufschiebende Wirkung des § 86a SGG soll gemäß der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verhindern, dass durch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes Tatsachen geschaffen werden, die, wenn sich der Verwaltungsakt bei gerichtlicher Überprüfung im Hauptsacheverfahren als rechtwidrig erweist, nur schwer rückgängig gemacht werden können. Sie ist andererseits kein Selbstzweck und soll einen im öffentlichen Interesse liegenden Vollzug nicht hindern. Die Behörde hat zu prüfen, ob nach Beurteilung aller Umstände die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage beseitigt werden sollte. Gerade weil Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung haben und dies auch hier für Rechtsbehelfe gegen Leistungserbringungsverbote gilt, bietet das Gesetz in § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die Möglichkeit der Anordnung des Sofortvollzuges - nur - bei entsprechender Begründung des besonderen öffentlichen Interesses (LSG Berlin-Brandenburg, 8.3.2017, L 23 SO 56/17 B ER, juris).

Dies ist auch notwendig, um den Betroffenen in die Lage zu versetzen, die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (und eben nicht nur die Gründe für die Grundverfügung) zur Kenntnis nehmen zu können, um daran ausgerichtet eine Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels abschätzen zu können. Erforderlich ist deshalb eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Darstellung des angenommenen öffentlichen Interesses daran, dass als Ausnahme von der Regel des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG im konkreten Fall die sofortige Vollziehung notwendig ist und dass das Interesse des Betroffenen deshalb hinter dem erheblichen öffentlichen Interesse zurückstehen muss.

Die nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ist eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) und damit ein "fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses" (siehe für die Parallelregelung der Verwaltungsgerichtsordnung BVerfG, 10.10.2003, 1 BvR 2025/03, juris m.w.N.). Daher ist die aufschiebende Wirkung die Regel und die Vollziehungsanordnung die Ausnahme (so ausdrücklich BSG, 16.12.2014, B 1 KR 32/13 R, juris Rn. 26). Eine mit einer negativen Prognose nach § 136b SGB V immer verbundene Vollziehungsanordnung würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht nur ins Gegenteil verkehren, sondern mehr noch die Ausnahme (Vollzugsanordnung) den Fällen gleichsetzen, in denen die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 SGG; wie hier BSG, 16.12.2014, a.a.O.). Weitere Ausnahmen hat der Gesetzgeber z. B. für den Bereich des Sozialgesetzbuch 2. Buch (dort § 39 Nr. 1) und für die Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (dort § 336a Satz 2 i.V. mit § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG) geschaffen. Hier fehlen solche Regelungen. An diese Entscheidung des Gesetzgebers sind die Antragsgegner gebunden.

Dagegen gehen die Antragsgegner ersichtlich davon aus, dass eine Anordnung des Sofortvollzugs in allen Fällen der (behaupteten) Unterschreitung der Mindestmenge möglich ist. Damit setzen sich die Antragsgegner aber an die Stelle des Gesetzgebers, der einen solchen allgemeinen Sofortvollzug nicht vorgesehen hat (insoweit anders LSG Berlin-Brandenburg, 22.8.2019, L 1 KR 196/19 B ER, juris).

3. Im vorliegenden Fall kann ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug des Bescheides vom 27. August 2019 unabhängig davon nicht erkannt werden, ob sich dieser Bescheid im Ergebnis als rechtmäßig erweist.

Zutreffend und überzeugend hat das Sozialgericht bereits ausgeführt, dass die von den Antragsgegnern vorgebrachten Bedenken bezüglich einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit nicht nachzuvollziehen sind. Diese sind bei einem geringfügigen Unterschreiten der Mindestmenge nicht zu befürchten.

Soweit die Antragsgegner darauf verweisen, sie könnten diese Prognose nicht mit einzelnen Patienten näher substantiieren, so ist dies auch nicht erforderlich. Erforderlich wäre aber die konkrete Darlegung einer tatsächlichen Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung und nicht nur einer theoretisch-abstrakten Gefahr. Dies widerspricht auch nicht der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 136b SGB V, bei Unterschreiten der Mindestmenge (auch nur um eine einzige Operation pro Jahr) die Berechtigung zur Erbringung solcher Leistungen generell entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber muss notgedrungen abstrakt auf vielen Rechtsgebieten Grenzwerte bestimmen. Eventuelle Härten im Einzelfall sind nicht vermeidbar. Dies liegt jedoch regelmäßig in der Kompetenz des Gesetzgebers.

Aus dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers folgt kein besonderes Interesses an der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Dies kann nur im Einzelfall vorliegen und nicht grundsätzlich allgemein in allen Fällen bestehen, wie es die Antragsgegner meinen.

Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V (Qualitätsgebot) und § 12 Absatz 1 Satz 2 SGB V (Wirtschaftlichkeitsgebot) erst vor, wenn die Antragstellerin trotz eines vollziehbaren (wirksamen) Leistungsverbots (aufgrund einer negativen Prognose) Leistungen erbringt. Damit argumentieren die Antragsgegner mit den Rechtsfolgen ihrer Anordnung der sofortigen Vollziehung, um die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anordnung zu belegen. Dies überzeugt nicht.

4. Ohne dass es im Ergebnis noch darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zumindest sehr hoch sind.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Antragsgegnerinnen ist § 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen. Über den für die mitgeteilte Prognoseentscheidung geltenden Maßstab bestimmt § 136b Abs. 4 Satz 4 SGB V, dass eine berechtigte mengenmäßige Erwartung in der Regel vorliegt, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat. Nach § 136b Abs. 4 Satz 5 SGB V hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) das Nähere zur Darlegung der Prognose im Beschluss nach § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu regeln. In der vom GBA beschlossenen Regelung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V (Mindestmengenregelung) bestimmen die §§ 4 und 5 näheres über Grundlagen und Inhalt sowie Frist und Form der vom Krankenhausträger abzugebenden Prognose. Diese Regelungen sind nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Mindestmengenregelung ab dem Jahr 2019 und damit auch auf den streitigen Zeitraum anzuwenden.

a) § 136b Abs. 4 Satz 3 und 4 SGB V als allein anwendbare gesetzliche Regelung sieht drei verschiedene Jahreszeiträume vor. Ausgangspunkt und damit auch Bezugspunkt der weiteren Zeitangaben in der Vorschrift ist nach § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V das Jahr, in dem die Prognoseentscheidung gegenüber den Krankenkassenverbänden abzugeben ist (hier 2019). Die Prognose muss sich auf das jeweils nächste Kalenderjahr (2020) beziehen. Grundlage der Prognose ist nach § 136b Abs. 4 Satz 4 SGB V das vorausgegangene Kalenderjahr (2018). Davon geht ebenso die Mindestmengenregelung aus, wenn sie für die zu stellende Prognose zwischen dem vorausgegangenem und dem laufenden Kalenderjahr unterscheidet und zunächst auf die Leistungsmenge aus dem vorausgegangenen Kalenderjahr abstellt.

Da das Krankenhaus der Antragstellerin im Kalenderjahr 2018 nach ihren Darlegungen, an denen vorerst keine ernste Zweifel bestehen, noch 51 Leistungen "Knie-TEP" erbrachte, lag nach § 136b Abs. 4 Satz 4 SGB V eine günstige Prognose vor. Denn diese Vorschrift bestimmt: "Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat."

Die Bedeutung dieses einzigen gesetzlichen Anknüpfungspunktes wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Dort heißt es: "Die voraussichtliche Zahl von Widersprüchen der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen gegen die getroffenen Prognosen (§ 136b Absatz 4 Satz 6 SGB V) wird als eher niedrig eingeschätzt, weil für die Abgabe der Prognose auf der Grundlage der Vorjahreszahlen regelmäßig eine klare Datenlage gegeben ist." (BT-Drucksache 18/5372, 43).

Soweit die Antragsgegner hier geltend machen, die von der Antragstellerin gemeldeten Zahlen seien nicht richtig, so berücksichtigen sie nicht die im Gerichtsverfahren dazu gemachten näheren Angaben. Die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihr gemeldeten Zahlen für die Prognose 2018 und 2019 noch nicht abschließend gewesen seien. Dies ist angesichts des Umstandes, dass jeweils im Juli der Jahre 2018 und 2019 die Leistungserbringung auch für die Monate Juni 2018 bzw. Juni 2019 zu melden waren, nachvollziehbar.

Zumindest für das Eilverfahren überzeugend sind die substantiierten Darlegungen der Antragstellerin im Gerichtsverfahren mit der Aufschlüsselung der Operationen für die einzelnen Monate, deren Richtigkeit der Krankenhausdirektor der Antragstellerin sogar eidesstattlich versichert hat. Diese Zahlen beruhen auf den Meldepflichten nach § 21 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen, die gewöhnlich valide sind. Legt man diese Zahlen für das Jahr 2018 zu Grunde, besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Prognose und an der Berechtigung der Leistungserbringung der Antragstellerin. Denn die Krankenkassenverbände können nur bei "begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose" widerlegen" (vgl. § 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V). Solche Zweifel sind zumindest in einer summarischen Prüfung nicht ersichtlich. Die Antragsgegner unterstellen der Antragstellerin letztlich einen Betrug, indem sie implizit diese Zahlen und die eidesstattliche Versicherung anzweifeln. Der Senat geht vorläufig davon aus, dass die Antragstellerin, vertreten durch ihren Krankenhausdirektor - hier zutreffende Angaben gemacht hat. Alles andere wäre vermutlich strafbar.

b) Auch weitere Einwände der Antragsgegner überzeugen nicht. Ihr Hinweis auf die Streiks im Jahre 2020 ist fernliegend; diese waren nicht absehbar. Dies behaupten die Antragsgegner auch nicht. Eine Prognoseentscheidung ist dann sachgerecht, wenn sie auf Erkenntnissen der Vergangenheit über Daten und Fakten beruht und weiter berücksichtigt, welche Veränderungen für die Zukunft zu erwarten sind. Es kommt auf die zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung zu erkennenden Umstände an (BSG, 3.8.2016, B 6 KA 20/15 R, juris Rn. 24 f).

Zudem ist zu bezweifeln, dass ein vorübergehendes Brachliegen vorhandener Sachkunde und Infrastruktur durch Arbeitskampfmaßnahmen ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für die jeweilige Prognoseentscheidung darstellt.

Ebenso unerheblich ist umgekehrt die von der Antragstellerin vorgetragene tatsächliche Entwicklung in den Quartalen III und IV im Jahre 2019, soweit dies nicht (z.B. aufgrund von bereits terminierten Operationen) zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung absehbar war. Hierfür fehlt ein Anhaltspunkt.

c) Soweit die Antragsgegner meinen, aus der Entwicklung aus den Jahren 2015-2018 Schlüsse für das Jahr 2020 ziehen zu können, unterstellen sie eine gleichförmige, lineare Entwicklung nach unten. Warum hier eine solche vorliegen soll und kein anderer Kurvenverlauf - der in der Realität in vielen Bereichen ebenso anzutreffen ist wie ein linearer Verlauf - erläutern die Antragsgegner nicht. Sie berücksichtigen auch nicht das im Wirtschaftsleben oft anzutreffende erfolgreiche Bestreben, Leistungen weiter zu erbringen und dies durch geeignete Maßnahme zu erreichen, die nicht unbedingt unzulässig oder auch nur unerwünscht sein müssen. Begründete erhebliche Zweifel sind durch solche Spekulationen nicht dargelegt, um die berechtigte mengenmäßige Erwartung der Antragstellerin zu widerlegen.

Im Übrigen knüpfen die Antragsgegner damit rechtlich an ein zumindest nicht besonders aussagekräftiges Kriterium an. Denn § 4 Abs. 2 Satz 2 Mindestmengenregelung bestimmen: "Die voraussichtliche Leistungsentwicklung nach Absatz 1 ist vom Krankenhausträger unter Berücksichtigung: - 1. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 des vorausgegangenen Kalenderjahres, - 2. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres, - 3. personeller Veränderungen und - 4. struktureller Veränderungen zu begründen."

Die langfristige Entwicklung wird in den Nrn. 1-4 nicht genannt; aus der Nennung von bestimmten Zeiträumen in den Nrn. 1 und 2 könnte in einem Umkehrschluss sogar nahe liegen, dass andere Zeiträume nicht zu berücksichtigen sind. Zwar sieht Satz 3 dieser Norm vor: "Der Krankenhausträger kann weitere Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung heranziehen." Damit ist jedoch der Umkehrschluss aus Satz 2 nicht ausgeschlossen. Hier könnte es sich um eine Regelung handeln, die offen ist für andere besondere Gesichtspunkte des Einzelfalles (z.B. einen Streik). Eine Fallentwicklung über eine Mehrzahl von Jahren wird jedoch stets vorliegen, so dass sich eine Regelung anbieten würde, die nicht nur auf eine Entwicklung, sondern auch auf Durchschnittszahlen oder anderes abstellen könnte. Das Fehlen einer solchen Regelung legt ein "beredtes Schweigen" der Norm nahe, zumal die Vorjahre zuvor Berücksichtigung fanden (vgl. auch hierzu: BSG, 8.8.2013, B 3 KR 17/12 R, juris, Rn. 4). Das Vorliegen struktureller Veränderungen behaupten die Antragsgegner nicht.

Soweit die Operationszahlen im Krankenhaus der Antragstellerin zeitweilig niedriger ausgefallen sind, hat sie dies ausreichend damit begründet, dass einer von drei Operateuren (der Chefarzt) nicht zur Verfügung gestanden habe. Dies scheint auch zwischen den Beteiligten unstreitig zu sein, so dass der Senat unter diesem Gesichtspunkt keinen Anlass sieht, an der Prognose der Antragstellerin zu zweifeln, die sich insoweit zu Recht zusätzlich auf § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Mindestmengenregelung stützen kann. Die Steigerung von zwei auf drei Operateure ist bei planbaren Operationen eine signifikante Steigerung um 50 %. Eine positive Auswirkung auf die Quantität der Leistungserbringung im Jahr 2020 im Vergleich zum den beiden ersten Quartalen 2019 ist daher zu prognostizieren.

5. Auch eine Interessenabwägung spricht für die Antragstellerin.

Soweit die Antragstellerin - wie von den Antragsgegnern erstrebt - im Jahre 2020 keine Knie-TEP vornehmen darf, entsteht ihr ein beträchtlicher Ausnahmeausfall. Denn Krankenhäuser tätigen im Regelfall im Vertrauen auf die Abrechenbarkeit von Leistungen hohe Investitionen in Personal- und Sachausstattung, die bei Nichterreichen der Mindestmenge ohne Übergangsfrist und ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme des Krankenhauses wertlos werden (Waßer, KrV 2019, 89, 93). Angesichts der gerichtsbekannten Fälle der Insolvenz von Krankenhausträgern in Sachsen-Anhalt ist dies nicht unbeachtlich (vgl. auch Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2). Weiter muss die Antragstellerin im Falle des Obsiegens in der Hauptsache schon vorhandene Behandlungsabläufe erneut einrichten; zudem muss sie sich wieder bei den einweisenden Vertragsärzten "in Erinnerung bringen", wobei diese bzw. ihre Patienten dann u.U. doch eher ein Krankenhaus, das kontinuierlich die Eingriffe erbracht hat, präferieren werden (Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2).

In wirtschaftlicher Hinsicht haben die Antragsgegner dagegen keine Einbußen zu befürchten. Es handelt sich hier ausschließlich um planbare Operationen, die im Falle eines Leistungserbringungsverbotes für die Antragstellerin in einer anderen Klinik erbracht werden und nach den gleichen DRG-Sätzen von den Antragsgegnern zu bezahlen sind.

Gravierender ist, dass bei einem vorübergehenden Leistungserbringungsverbot die Behandlungsroutine in der Klinik der Antragstellerin verloren geht. Wenn es Sinn der Mindestmengen ist, dass sich Behandlungsabläufe etablieren und einschlägige Erfahrung für eine qualifizierte Behandlungspraxis des gesamten Teams erreicht wird, wiegt eine solche Unterbrechung schwer. Es besteht die Gefahr, dass sich ungeachtet der Entscheidung in der Hauptsache der Versagenstatbestand für die Folgejahre von selbst einstellt. Denn es dürfte schwer sein, die Prognose für die Folgejahre (ab 2021) zu begründen, wenn das Krankenhaus diese nicht auf tatsächlich durchgeführte Eingriffe stützen kann. Zwar gilt die erneute Erbringung nach einer mindestens 24-monatigen Unterbrechung der Leistungserbringung nach § 7 Abs. 1 Mindestmengenregelung als Ausnahmetatbestand; hier muss das Krankenhaus dann die erneute Leistungserbringung lediglich den Antragsgegnern anzeigen (§ 7 Abs. 2 Mindestmengenregelung). Dies ändert aber nichts an dem Verlust der maßgeblichen Routine.

Schließlich wird die Antragstellerin durch ein (hier unterstellt) rechtwidriges vorläufiges Verbot, im Kalenderjahr 2020 solche Leistungen bewirken zu dürfen, in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Denn im Falle des Unterliegens im vorliegenden Verfahren im einstweiligen Rechtschutz darf sie diese Leistungen weder bewirken noch abrechnen, selbst wenn sie nach dem 31. Dezember 2020 im Hauptsacheverfahren obsiegen würde. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG schützt - neben der Freiheit der Berufswahl - aber auch die Freiheit der Berufsausübung. Zwar ist die Mindestmengenregelung von jährlich 50 implantierten Knie-TEP je Krankenhaus grundsätzlich rechtmäßig (BSG, 14.10.2014, B 1 KR 33/13 R, juris). Zu den Rahmenbedingungen der Berufsausübung gehört für Krankenhäuser auch, dass sie bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen müssen, um einzelne Operationen und Prozeduren, aber auch um eine aus einer Vielheit von Einzelmaßnahmen bestehende Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes erbringen zu dürfen. Von einer bloßen Berufsausübungsregelung ist dann auszugehen, wenn sie nur einen Ausschnitt aus einer fachärztlichen Tätigkeit betrifft (vgl. BSG, 18.12.2012, B 1 KR 34/12 R, juris, Rn. 54 m.w.N. zur Rspr. des Bundesverfassungsgerichts). Sofern aber die Vorgaben des § 136b SGB V rechtswidrig umgesetzt werden sollten, liegt ein irreparabler Eingriff in Grundrechte der Antragstellerin vor. Die Antragsgegner haben keine vergleichbare Grundrechtsposition.

Zu berücksichtigen sind hier auch die Erfolgsaussichten der Antragstellerin in der Hauptsache (siehe oben bei 4).

5) In solchen Fällen sieht § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG vor, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Da über die Reichweite der aufschiebenden Wirkung der Klage in dem Verfahren L 6 KR 4/20 B ER Streit herrscht, weist der Senat auf Folgendes hin: Während der Dauer der aufschiebenden Wirkung der Klage dürfen keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden (Richter in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86a SGG (Stand: 16.08.2017, Rn. 22). Die Behörde ist verpflichtet, während dieses Schwebezustandes alle Maßnahmen zu unterlassen, die seiner Vollziehung dienen, sofern diese Maßnahmen den Bestand und die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes voraussetzen. Es bleibt bei dem "status quo ante" (Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 86a, Rn. 14). Dazu zählt auch die Erbringung und (vorläufige) Abrechnung der Leistungen (vgl. BSG, 28.1.1998, B 6 KA 41/96 R, SozR 3-1500 § 97 Nr 3; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 86a, Rn. 13).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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